Es macht einfach keinen Sinn, für diesen relativ kleinen Personenkreis weiterhin ein aufwendiges und teures Parallelsystem zu unterhalten, was die Leistungsbewilligung anbetrifft, das der medizinischen Versorgung dann auch noch vorgeschaltet ist, was im Fall – das ist geschildert worden – einer wirklich ernsten Erkrankung auch im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts völlig inakzeptabel ist.
Der sinnvollste Weg ist – auch das ist gesagt worden – die Einführung einer Krankenversicherungskarte. Ich frage mich dann bloß, warum dazu die konkreten Schritte in Berlin noch nicht eingeleitet worden sind. In Brandenburg macht man das jetzt. Da hat man offensichtlich mit den Landkreisen eine Verständigung über die konkrete Umsetzung erzielt, nur – auch das ist angedeutet worden – die Einführung einer Gesundheitskarte allein garantiert eben noch nicht die Gleichstellung bei der medizinischen Behandlung mit den gesetzlich Krankenversicherten. Das Beispiel mit dem Rückenpatienten, das Sie gebracht haben: Gerade der Patient fällt aus dem Katalog der zu behandelnden Erkrankungen heraus. Das heißt, wir brauchen in den Ausführungsvorschriften dann eine Veränderung der Vorgaben, die durch das Asylbewerberleistungsgesetz gegeben sind. Allein dieser Ausdruck „Asylbewerber“! Als würde sich irgendein Mensch um Asyl bewerben. Die suchen händeringend und ängstlich Asyl, da bewirbt sich keiner um irgendetwas. Auch darüber sollte man einfach mal nachdenken, wenn man solche Worte benutzt.
Ein weiter Punkt, Sie hatten es auch angedeutet: Psychotherapie zum Beispiel. In der Bremer Regelung gibt es sie auch nach Bewilligung immer nur als Kurzzeittherapie, und davon gibt es dann auch keine Ausnahme. In Anbetracht der möglichen Leidensgeschichte vieler dieser Menschen – Flucht, Folter, Verfolgung, Vergewaltigung und anderes Leid – ist es medizinisch einfach nicht zu vertreten, denn Maßstab für die zu gewährende Leistung muss das medizinisch Notwendige sein, Herr Krüger, und
das ist etwas anderes als das, was Sie hier formuliert haben. Darüber sollten wir noch mal genauer diskutieren.
Es ist nach wie vor so, dass der Verfassungsanspruch mit den Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes in Kollision liegt. Das zu ändern, liegt zunächst nicht unserer Hand. Hier sind weitere bundespolitische Schritte notwendig. Bemühungen dazu kann ich allerdings bei den Koalitionsparteien, die ja auch auf Bundesebene die Regierung stellen, zurzeit nicht erkennen. Das sollte uns aber nicht daran hindern, den Antrag der Piraten zu unterstützen. – Danke!
Vielen Dank, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag wird die Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Zwischenbericht des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten gemäß § 27 Abs. 4 GO Abghs vom 19. Januar 2015 Drucksache 17/2067
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag, den Hitler-Installateur Paul von Hindenburg von der Ehrenbürgerliste Berlins zu streichen, wurde am 19. Juni 2014 einstimmig – ich betone: einstimmig! – an den Kulturausschuss zur Beratung überwiesen. Eine sofortige Abstimmung lehnte damals Kollege Schneider, SPD, mit der Begründung ab, seine Fraktion habe sich eine abschließende Meinung zu diesem Vorgang noch nicht bilden können. Okay, Kollege Schneider ist neu in diesem Hause. Da ist es gute parlamentarische Sitte, einen solchen Meinungsbildungsprozess zu ermöglichen. Nun denn!
Der Kulturausschuss sollte eine Beschlussempfehlung abgeben. Grundlage dafür ist § 21 unserer Geschäftsordnung – Aufgaben der Ausschüsse. Absatz 1:
Die Ausschüsse haben die von ihnen vom Abgeordnetenhaus überwiesenen Vorlagen und Anträge für die Beschlussfassung im Abgeordnetenhaus vorzubereiten …
Ich wiederhole: Die Ausschüsse haben vorzubereiten! Das ist keine Ermessensfrage, das ist eine imperativische Formulierung.
Man kann auch durch Verschweigen schwindeln. Genau das geschieht hier. Dieser Zwischenbericht erklärt, dass der Kulturausschuss – wie Wunder! – eine Liste unerledigter Themen habe, und – jetzt wortwörtlich –: Diese Liste wird sukzessive abgearbeitet – Punkt. Genau dieser Punkt ist die unverschämte Lüge,
denn es müsste eigentlich heißen: Diese Liste wird sukzessive abgearbeitet – Komma, nicht Punkt! –, mit Ausnahme des Antrages, Paul von Hindenburg die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen,
weil – hören Sie zu! –: Die Koalition weigert sich seit Monaten, den Antrag auf die Tagesordnung zu setzen, d. h. die CDU weigert sich, ganz konkret ihr Sprecher Stefan Schlede. Er erklärt: Wir wollen nicht, wir wollen überhaupt nicht darüber reden.
Begründung, Herr Evers – Fehlanzeige! Absolute Fehlanzeige! Die SPD sagt lieber gar nichts. Frau Lange schweigt in dieser Frage, sozusagen eine getreue Vasallin der CDU, eine getreue Ekkehardino, um im vertrauten deutschnationalen Bild zu bleiben.
Noch peinlicher ist das Verhalten des Ausschussvorsitzenden Herrn Jahnke, der sich beharrlich weigerte, den Auftrag des Plenums – ich wiederhole: den einstimmig gefassten Auftrag des Plenums – auszuführen, den Antrag auf die Tagesordnung zu setzen, auch dies ohne Angabe von Gründen.
Noch einmal zum Mitschreiben – erstens: Eine Fraktion nimmt ihr verfassungsmäßig verbrieftes Recht wahr und stellt in einer Sachfrage einen Antrag an das Hohe Haus. Zweitens: Dieses überweist diesen Antrag einstimmig an den zuständigen Fachausschuss zur Erarbeitung einer Beschlussempfehlung.
Drittens: Die Koalitionsmehrheit ist nicht bereit, den von ihr selbst mitbeschlossenen Auftrag zu erfüllen. Viertens: Damit verhalten Sie sich verfassungswidrig – a) Sie beschneiden das Antragsrecht der Opposition, b) Sie ignorieren einen Parlamentsbeschluss,
und c) Sie machen deutlich, dass Sie die guten parlamentarischen Sitten und Gepflogenheiten überhaupt nicht interessieren.
Man schiebt übrigens Überlastung vor, man hat ja so entsetzlich viel zu tun und lässt, nebenbei bemerkt, eine turnusmäßig festgelegte Sitzung zu Beginn des Jahres einfach mal ausfallen, weil man gerne den Weihnachtsurlaub verlängern möchte.
[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Martin Delius (PIRATEN): Unglaublich! – Zuruf von den PIRATEN: Was?]
Ich zitiere noch einmal Luther: Von der Arbeit stürbet niemand – Herr Schlede! Frau Lange! Herr Jahnke!
Mit diesem Vorgehen – ob Sie sich dessen bewusst sind oder nicht – befinden Sie sich durchaus in der Traditionslinie derer, die am 1. April 1933 den Herren Hindenburg und Hitler die Ehrenbürgerwürde verpassten.
Hören Sie zu! – Die Stadtverordnetenversammlung wurde bei dieser Abstimmung übrigens von zwei Fraktionen dominiert. Die KPD-Mandate waren am 20. März gestrichen worden, die der SPD folgten übrigens am 7. Juli. Ihre Vorgänger – das an die Adresse der SPDFraktion – hatten immerhin noch so viel Charakter, vor dieser Abstimmung den Saal zu verlassen. Die gingen. Sind Sie sich eigentlich bewusst, Frau Lange, sind Sie sich bewusst, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, wessen Ungeist Sie durch Aussitzen vor vermeintlichen Beschädigungen von links bewahren wollen? Sie verteidigen eine Beschlussfassung von NSDAP und DNVP,
die wenig später in die NSDAP aufging. In der damaligen Plenardebatte, das Protokoll liegt vor, erwies sich übrigens der DNVP-Fraktionsvorsitzende als noch üblerer Scharfmacher als sein NSDAP-Kollege, der spätere Kriegsverbrecher Julius Lippert.
Wollen Sie deswegen nicht darüber reden, Herr Schlede? Haben Sie Furcht vor den braunen Schatten der Vergangenheit auch Ihrer Partei?
Immerhin haben elf Abgeordnete des Zentrums offensichtlich diesem Antrag von NSDAP und Deutschnationaler Volkspartei zugestimmt.