Wolfgang Brauer
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Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Ich frage den Senat, was dieser angesichts des bevorstehenden Intendanten- bzw. Direktorenwechsels am Berliner Ensemble zu tun gewillt ist, um die dort bevorstehenden dramatischen Massenentlassungen zu verhindern. Allein von den 60 künstlerisch Beschäftigten des Hauses haben wohl allenfalls ein bis drei Menschen eine Übernahmechance. Das 30-köpfige Schauspielerensemble soll komplett zerschlagen werden.
Vielen Dank! – Ich habe eine Nachfrage, Herr Regierender Bürgermeister. Ich weiß nicht, wie aktuell Ihre Informationslage ist. Meine, deswegen meine Nachfrage, besteht darin, dass lediglich gestern mit der Souffleuse ein Vertrag unterzeichnet wurde. Das ist natürlich beachtlich. Ich gratuliere der Kollegin! Ansonsten ist von dem 30-köpfigen Schauspielerensemble niemandem auch nur ein Gesprächsangebot unterbreitet worden. Ich möchte Sie deshalb fragen – wir müssen uns nicht um die Stellen streiten, wenn es denn anders ausgehen würde, als es bislang angedeutet ist; Herr Renner! Ich weiß nicht, welches Spiel Sie da spielen –, ob Sie gewillt sind, sich dafür einzusetzen, dass die Kolleginnen und Kollegen, die das Haus verlassen müssen, zumindest mit einem entsprechenden Sozialplan bedient werden, einen Sozialplan, für den sich augenblicklich weder Herr Direktor Peymann noch sein Nachfolger Reese zuständig fühlen. Einer muss es ja machen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als dieses Haus am 26. März 2015 den Beschluss fasste, einen Untersuchungsausschuss zur „Aufklärung der Ursachen, Konsequenzen und Verantwortung für die Kosten und Terminüberschreitungen bei der Sanierung der Staatsoper Unter den Linden“ einzusetzen, meinten viele, der Ausschuss käme aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit zu keinem belastbaren Ergebnis. Zudem befürchtete man, dass sich die Fraktionen gerade bei diesem Thema so in die Haare geraten würden, dass sich der Ausschuss selbst lahmlegen würde. Immerhin waren mit Ausnahme der Piraten Politikerinnen und Politiker aller in diesem Haus vertretenen Parteien in die Vorgänge auf die eine oder andere Weise involviert, die einen mehr, die anderen weniger. Auch war von Anfang an klar, dass – ob er nun gerade auf Bühne oder nicht steht – der Regierende Bürgermeister immer irgendwie im Rampenlicht stehen würde.
Wir kennen alle den quasi unbedingten pawlowschen Politikreflex, der uns alle mitunter dazu verführt, bei strittigen Fragen die Parteiräson über alles zu stellen, aber um es vorweg zu sagen: Es war für mich das bislang beglückendste Erlebnis meiner parlamentarischen Laufbahn, sehen zu können, dass die Mitglieder des 2. Untersuchungsausschusses über die Fraktions- und Koalitionsgrenzen hinweg den Mut hatten, den eigenen Verstand zu gebrauchen, und damit bewiesen haben, dass in diesem Hohen Haus mündige Abgeordnete sitzen. Dafür vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen Ausschussmitglieder! Ich möchte Ihnen für diese gute Zusammenarbeit, zuvörderst den Sprecherinnen und Sprechern Frau Radziwill von der SPD-Fraktion, Herrn Brauner, CDU, Herrn Schruoffeneger bzw. Frau Bangert, Bündnis 90/ Grüne, und Herrn Prieß, Piraten, ganz herzlich danken.
(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)
Ich sage das, weil ich hier auch schon anderes erleben durfte. Ich hoffe sehr, dass von dieser guten politischen Kultur parlamentarischer Arbeit einiges mit in die kommende Wahlperiode übergehen wird. Auf die ganz wenigen Ausnahmepunkte komme ich noch zu sprechen. Dieser Dank gilt auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen, die die Ausschussarbeit sachkundig und mit hohem Aufwand betreut haben, obwohl wir ihnen häufig nicht einigermaßen adäquate Arbeitsbedingungen gewähren konnten. Das begann bei der Bezahlung und hört bei räumlichen Bedingungen auf. Zumindest was die finanzielle Vorsorge für Untersuchungsausschüsse angeht, wird sich ja einiges in der nächsten Wahlperiode verbessern. Die Raumnöte bleiben uns leider Gottes erhalten. Vielleicht wirken die ein wenig katalytisch auf die überfällige Parlamentsreform.
Aber da Untersuchungsausschüsse sowieso nur die Ultima Ratio eines Parlaments sein sollten, habe ich auch in unserem Fall die große Hoffnung, dass das Abgeordnetenhaus der 18. Wahlperiode unsere Empfehlungen ernst nehmen und umsetzen wird. Es wird dann zumindest im bauenden Bereich ohne Untersuchungsausschuss auskommen können. Aber eigentlich wollte ich mich bedanken. Und ein Dank fehlt noch: Ganz besonderen Dank möchte ich – und das mit sehr großer Deutlichkeit – an die Adresse des Ausschussbüros richten. Ohne den guten fachlichen Rat und die tätige Hilfe Herrn Hellriegels und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten wir – ganz konkret auch der Vorsitzende – diese Arbeit nicht so leisten können, wie es uns möglich gemacht wurde.
Auch wenn das Wort Oper in der Aufgabensetzung auftaucht, dieser Ausschuss befasste sich hauptsächlich mit im weitesten Sinne rechtlichen und baufachlichen Fragen. Beides können für Nichtfachleute durchaus rutschige Eisflächen sein. Herr Hellriegel, Herr Ninnemann, ganz herzlichen Dank nochmals!
Der 2. Untersuchungsausschuss konstituierte sich am 8. Mai 2015. Seine letzte Sitzung fand am 27. Mai 2016 statt. Wir haben also den uns gewährten zeitlichen Rahmen, auch den Kostenrahmen eingehalten. In dieser Zeit gab es insgesamt 17 Sitzungen, von denen in 13 die Vernehmungen von 32 Zeugen stattfanden. Die Protokolle dieser Zeugenvernehmungen zählen zu den wesentlichen Beweismitteln des Ausschusses. Dazu kamen insgesamt 633 Aktenordner und eine CD-ROM mit den entsprechenden Daten in schriftlicher, tabellarischer und grafischer, also Bauzeichnungsform. Das gründliche Studium dieser Aktenbestände war für den Ausschuss Voraussetzung für eine, wie ich finde, auf durchaus hohem Niveau stattgefundene Vernehmung der Zeuginnen und Zeugen.
In diesem Zusammenhang möchte ich drei Empfehlungen abgeben – erstens: Bei der Lektüre des Berichts – schwer mit einer Hand hochzuheben – einschließlich der Sondervoten wird Ihnen auffallen, dass es durchaus Widersprü
che zwischen den Aussagen einzelner Zeugen und Informationen aus den Akten gab, die durch die Hände dieser Zeugen gegangen waren. Positiv gesehen ist das nicht nur Erinnerungslücken geschuldet, das hat auch mit der Komplexität einiger Fragestellungen zu tun. Einige Zeugen hatten auch eine erstaunliche Kenntnis der Aktenlage. Um hier zu einer noch solideren Erkenntnisfindung zu kommen, gibt es das Instrument der externen Begutachtung in Einzelfragen durch Sachverständige. Dieses anzuwenden, war uns aus zeitlichen Gründen nicht möglich. Ich möchte raten, künftig auf dieses Instrument nicht zu verzichten.
Zweitens: Erfahrene Kollegen können ein Lied davon singen, wie schwierig der Umgang mit Akten ist, wenn die erst einmal als vertraulich eingestuft sind. Wir haben eine Methode gefunden, wie man mit solchen Problemlagen umgehen kann. Das will ich jetzt nicht zitieren. Ich empfehle für den Allgemeinfall die Lösung, die wir auf der Seite 181 unseres Berichts fixiert haben.
Drittens: Es wird auch in künftigen Wahlperioden den Umstand geben, dass die kleineren Fraktionen nur mit einem einzigen Mitglied in einem Untersuchungsausschuss vertreten sind. So erging es diesmal Linken und Piraten, allerdings hatten erstere auch den Vorsitz inne. Zumindest in einem solchen Fall empfehle ich, den Stellvertreterinnen und Stellvertretern das Rederecht zu gewähren. Die Mehrheitsverhältnisse sind dadurch überhaupt nicht tangiert. Es hatte schon etwas Skurriles an sich, wenn der Ausschussvorsitzende zu gegebenem Zeitpunkt mitteilt, dass der Vertreter der Fraktion Die Linke keine Fragen mehr habe. Logischerweise hatte die zum Unmut Dritter der Vorsitzende schon gestellt. Ich glaube, das kann man sich künftig ersparen. Das eben beschriebene Problem ist ein geschäftsordnungsmäßiges und gehört zu den wenigen Ausnahmepunkten des ansonsten guten kollegialen Umgangs in diesem Ausschuss.
Ein anderer im wahrsten Sinne gewichtigerer Punkt – er liegt vor Ihnen auf den Tischen – ist der Schlussbericht. Ich plädiere bei der Abfassung von Schlussberichten für einen Paradigmenwechsel. Wenn man über Monate in einem einigermaßen konsensualen Erkenntnisprozess belegbare Aussagen für einen Untersuchungsbericht herausgefiltert hat, dann ist es nur schwer nachvollziehbar, wenn dann kurz vor Toresschluss der Hebel umgelegt wird und wir in das übliche, für unsere Wählerinnen und Wähler immer weniger verständliche Ritual zurückfallen, die Guten, also die Koalitionsmeinung, ins Töpfchen, die Schlechten, also die Oppositionsmeinungen, ins Kröpfchen. Ein gewisser Zug ins Peinliche ist da nicht zu vermeiden. Sie wissen, was ich meine. Ich denke, es macht wenig Sinn, solche parteipolitischen Schmeckerchen einen Schlussbericht dominieren zu lassen.
Deshalb hatte der vom Ausschussbüro erarbeitete und von mir dem Ausschuss vorgelegte Berichtsentwurf einen
sehr sachlichen und in der parteipolitischen Bewertung sehr zurückhaltenden Grundton. Ich hielt und halte diesen für konsensfähig. Dann hatten wir allerdings in der Schlussberatung 150 Änderungsanträge, davon 90 von der Koalition. Dann griff das erwähnte Ritual. Die Oppositionsanträge wurden mit wenigen, eher die Grammatik betreffenden Ausnahmen abgelehnt, die Koalitionsanträge hingegen durchgedrückt. Es entstand ein ziemlich perforierter Text, der dann mit Bauschaum aufgefüllt wurde. Das stellt den Sinn von Untersuchungsausschüssen, wie ich meine, infrage.
Mein Vorschlag für künftige Berichte: Diese sollten grundsätzlich aus zwei Teilen bestehen, dem Bericht der oder des Vorsitzenden und – b – den Voten der einzelnen Fraktionen, und zwar aller Fraktionen, wohlgemerkt keine Sondervoten, sondern Voten der Fraktionen. Das sichert einerseits die Gleichbehandlung der Fraktionen, andererseits untersuchen Untersuchungsausschüsse in der Regel Regierungshandeln, und es hat schon einen nicht sehr schönen Beigeschmack, wenn – egal in welcher Zusammensetzung – eine Koalitionsmehrheit die Bewertung ihres eigenen Handelns per Mehrheitsbeschluss in einen Untersuchungsbericht reindrückt. Solches sollte man in einem gut funktionierenden parlamentarischen System möglichst zu vermeiden versuchen.
Jetzt freue ich mich auf die Sachdebatte zum Bericht. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Herr Kollege Brauner! In dem Moment, wo wir es hinkriegen, handelnde Verwaltungen zur Einhaltung der geltenden Rechtslage, auch von Haushaltsrecht, zu bewegen, brauchen wir keine Feigenblattsonderausschüsse zur Begleitung von Verwaltungshandeln. Da reicht das Instrumentarium, das dieses Parlament hat – wir müssen es nur anwenden.
Der Erfolg – sagt ein Sprichwort – hat viele Väter. Die Sanierung der Staatsoper Berlin ist aber ein planerischer und finanzpolitischer Misserfolg. In der Folge haben sich die in Frage kommenden Väter und ein, zwei Mütter aus dem Staub gemacht, und das ist das Problem: Niemand will es gewesen sein. Alle gehorchten nur Notwendigkeiten. Selbst der seinerzeitige Regierende Bürgermeister hat nur Wünsche geäußert und einem guten Hausvater gleich – so hat er es im Ausschuss dargestellt – ein bisschen Druck gemacht, weil es sonst in Berlin überhaupt nichts wird mit dem Bauen. Das Staatsoperndesaster begann also einfach so, schicksalshaft gleichsam – Frau Radziwill hat das eben dargestellt. Fatum est, sagten die alten
Römer, wenn sie, was selten bei ihnen vorkam, einmal wirklich keinen politischen Versager festnageln konnten. Fatum est – auch in Berlin.
Wie kam es zur Katastrophe? – Herr Regierender Bürgermeister, ich muss Ihnen in einem Punkt Ihrer Ansprache vorhin widersprechen: Es ist manchmal durchaus nützlich, sich umzudrehen und nach hinten zu gucken, wenn man vorwärts will, denn dann läuft man seltener Gefahr, in die Sumpflöcher hineinzustolpern, durch die man schon einmal durchmusste – und das wollen wir ja alle nicht; deswegen diese Ausschüsse.
Die Notwendigkeit der Sanierung war spätestens seit Mitte der Achtzigerjahre klar. Die seinerzeit damit befassten Ingenieure haben prophezeit: In spätestens 20 Jahren ist das Ding fällig. – Fast auf den Tag genau 2005 war es dann ja auch so. Es musste etwas gemacht werden, aber die Generalsanierung kam nicht. Berlin steckte wegen eigener Großmäuligkeit und bundespolitischer Fehlentscheidungen in einer tiefen Finanzkrise; das will ich jetzt nicht vertiefen. Klaus Wowereit ließ die Kultur quietschen – dem Kultursenator wurden damals die Sanierungsmittel verweigert. Dabei bevorzugte Dr. Flierl seinerzeit Sanierungsvarianten in einem Volumen zwischen 107 und 146 Millionen Euro. Aber das hätte damals wirklich nur eine Sanierung bedeutet und kein Aufhübschen einer sogenannten Oper des 21. Jahrhunderts in einer Pseudo-Rokokohülle. Das war das Problem.
Dieser Senator wurde in die Wüste geschickt. Aber zuvor wurde noch eine Art Menage à trois mit dem dussmannschen Freundeskreis und dem Bund eingefädelt. Dussmann versprach 30 Millionen, die er nie hatte. Einige Diven – allesamt Männer – träumten schon von der Bundesoper. Die 30 Millionen waren allerdings ein treffliches Mittel, dem Bund eine 200-Millionen-Zusage abzutricksen. Der blieb aber misstrauisch und deckelte diesen Betrag. Die Berliner Politik führte dann eine ganz einfache Milchmädchenrechnung durch: 239 minus 200 minus 30 macht 9 – 9 Millionen Landesanteil für eine Oper, das ist ein Schnäppchen, das lässt man sich nicht entgehen. So funktioniert dann „arm, aber sexy“.
Funktionierte eben nicht: Dieser künstlich gegriffene Betrag geisterte dann durch die Planungen. Erst im Mai 2013 wurde diesem Hohem Haus die Summe von 296 Millionen Euro als Kostenanstieg präsentiert. Das war genau genommen kein Kostenanstieg, sondern erstmals eine einigermaßen wirklichkeitsnahe Planung. Im vollen Umfang mit der Wirklichkeit wurde das Parlament dann im Mai 2015 konfrontiert – das waren dann schon 400 Millionen Euro. Vorher wurde in Finanzfragen gemogelt und getrickst, dass sich die nicht vorhandenen Balken bogen, und wer immer noch glaubt – Entschuldigung, Herr Brauner! –, mit den 400 Millionen Euro war’s das dann – also pardon! Im Theater gibt es das Rol
(Matthias Brauner)
lenfach der jugendlichen Naiven, und ich glaube, wir sollten nicht versuchen, das zu besetzen.
Damit sind wir beim Kern des Finanzierungsdesasters: Zu dem Zeitpunkt, als das Vorhaben in die Investitionsplanung des Landes kam, gab es keinen solide berechneten Kostenplan. Alles basierte auf einer nebulösen Bedarfsplanung, die zudem von einer Verwaltung – der Kulturverwaltung – verantwortet wurde, deren damals zuständiger Staatssekretär noch nicht einmal wusste, dass er selbst der Bedarfsträger ist. Es kam schlimmer: Mit dem Bedarfsprogramm vom Oktober 2007 ging der Senat in die mit einem Gestaltungswettbewerb für den Zuschauersaal verbundene Ausschreibung für einen Generalplaner. Es ist eben koalitionsseitig so dargestellt worden, als ginge es nur um die Ästhetik des Saales – das ging es nicht, es ging um den Generalplanerauftrag. Denn auf Wunsch der Senatsbauverwaltung wurde das miteinander gekoppelt. Man war damals der Meinung, für ein mickriges Auftragsvolumen wie die Sanierung des Saals kriegt man keinen international klingenden Namen, also stellen wir mal 239 Millionen zur Disposition; das ist doch etwas verlockender als 9 Millionen – auch hier also Eitelkeit vor Solidität in der Planung. Primadonnenallüren – das sei mir als Einschub gestattet – sind mitnichten ein Monopol der Künste. Die Prüfung dieses Bedarfsprogramms war übrigens erst abgeschlossen, als auch der Wettbewerb de facto entschieden war.
Noch schlimmer: Die Landeshaushaltsordnung schreibt für Baumaßnahmen den zwingenden Nachweis von Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit vor. Für die Sanierung des Opernhauses war das nie ein Gegenstand. Allein für das unterirdische Bauwerk wäre eine solche Analyse zwingend gewesen. Eine Wirtschaftlichkeitsanalyse der geplanten Neubauprojekte, die diesen Namen verdient, wurde von der Oper nie vorgelegt. Noch nicht einmal die von ihr angefertigten Raumlisten wurden offenbar auf ihre Plausibilität geprüft: Irgendwann stellte man fest, dass man keine Räumlichkeiten für den Kostümfundus mehr hat, weil der Oper selbst nicht aufgefallen war, dass ihr eigentliches Kostümfundusgebäude inzwischen verkauft war und es gar nicht mehr zur Verfügung stand. – Ich lasse das jetzt; in unserem Sondervotum finden Sie weitere Beispiele.
Auch der künftige Nutzer, die Oper, war mit dem Projekt vollkommen überfordert. Vom Bedarfsträger konnte sie keine Hilfe erwarten. Dessen Hauptproblem war die Bewahrung der Kuschelgefühle des Freundeskreises im ulbrichtschen Nachkriegsrokoko. Also hob der Senat das Vergabeverfahren für den Generalplaner am 15. Juli 2008 auf, und auch aus Furcht vor Rechtsstreitigkeiten wurde auf eine Neuausschreibung des Generalplanerauftrags verzichtet.
Ein weiterer Punkt war der schon erwähnte, geradezu irrationale Zeitdruck, der aufgebaut wurde. Auf die Frage, wer das denn nun eigentlich gewesen sei, wurde uns selten Auskunft gegeben. Es gibt einen Aktenvermerk der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung von 2008: Auf Wunsch des Regierenden Bürgermeisters soll der geplante Baubeginn für die Staatsoper bis zum Herbst 2010 eingehalten werden. Regierender Bürgermeister war seinerzeit Klaus Wowereit. In Berlin hilft das kräftige Wünschen eben wie im grimmschen Märchen immer noch weiter – es muss nur der Richtige wünschen.
Die Senatsbaudirektorin wies seinerzeit auf die Risiken hin: Sie machte am 6. Oktober ihren Staatssekretärskollegen Lütke Daldrup – Herr Lütke Daldrup war seinerzeit noch beim Bund beschäftigt – und Staatssekretär Schmitz auf das erhebliche Kostenrisiko eines beschleunigten Verfahrens aufmerksam, auch auf die Tatsache, dass die Kostenrisiken nicht im Budget enthalten seien. Gleichzeitig wies sie auf die Bauzeitrisiken hin. Eine Wirkung hatte diese Warnung nicht, überhaupt nicht, sondern zu Inkompetenz und Großmäuligkeit kam jetzt noch ein gerüttelt Maß Ignoranz hinzu. Und ein Senat, der laufend den Rat der eigenen Fachleute ignoriert, muss sich nicht wundern, wenn die irgendwann entsprechend reagieren, z. B. in Sachen Denkmalschutz, wenn dann mitgeteilt wird, „kann ich hier als Fachbeamter nicht entscheiden, das macht nur unser oberster Denkmalpfleger“, das ist der Regierende Bürgermeister Wowereit, Punkt! – So läuft das.
Ansonsten zum Denkmalschutz, Herr Brauner: Mit nichts wurde schofeliger umgegangen als mit dem Denkmalschutz an diesem Bauwerk. Es waren rein willkürliche Entscheidungen, was Denkmal war und was nicht – das ist das Problem – auf Wunsch des Regierenden Bürgermeisters.
Dann kam der Irrsinn mit den Teil-BPUs, wo selbst die Senatsbaudirektorin einräumen musste, dass diese
... ein ausschlaggebendes Moment für das Projekt und dafür, dass es eben nachher auch zeitlich auf die schiefe Bahn kam und dadurch natürlich auch wesentliche Kostensteigerungen...
verursachte. Die Teil-BPUs, eine nicht abgeschlossene Planung im vollen Umfang, das alles ist kein Monopol der Opernbaustelle. Wir zitieren sehr bewusst den Landesrechnungshofbericht 2015. Schon dort wird vermerkt, dass in der Zeit 2008 bis 2015
... mehr als 75 Prozent der neu beginnenden Baumaßnahmen der Hauptverwaltung im Bereich Hoch- und Brückenbau ohne fertiggestellte Bauplanungsunterlagen veranschlagt...
wurden. Ausnahmen lässt das Haushaltsrecht nur begrenzt zu. Hier wurde bewusst und absichtsvoll geltendes Haushaltsrecht gebrochen.
Ich sage jetzt meinen letzten Satz: Unser wichtigstes Fazit: Das Parlament von Berlin ist gut beraten, künftig nicht einen Cent freizugeben, wenn nicht die entsprechenden Planungsunterlagen vollständig und geprüft vorliegen, nicht einen einzigen Cent. Das sind wir uns allen schuldig. So reich ist diese Stadt nicht, dass sie dreistellige Millionenbeträge sinnlos vergeuden kann. – Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!
Gemach! In der Ruhe liegt die Kraft. Zunächst einmal wurde ich gebeten, eine Irritation ein wenig zu beseitigen, die im Zusammenhang mit der vorherigen Abstimmung auftauchte. Meine Fraktion hat sich am Hammelsprung nicht beteiligt. So kommen die Zahlen zustande.
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Es war jetzt eine ganze Menge Pathos im Raum. Ich verstehe es zum Teil, kann es aber nicht ganz nachvollziehen und werde mich darum nicht ganz anschließen – nicht am Pathos. Es ist so, dass sofort Namen wie Nostradamus oder der Mayakalender genannt werden, wenn im allgemeinen Alltagsbewusstsein von Astronomie die Rede ist. Darum geht es nicht. Ich finde es eine hochachtenswerte Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WilhelmFoerster-Sternwarte, der Archenhold-Sternwarte und des Zeiss-Großplanetariums, die mit einer nicht versiegenden Tapferkeit gegen diesen grassierenden Vormarsch von Un- und Halbbildung auch in unserer Stadt versuchen, Front zu machen. Das ist eine tolle Arbeit, die dort geleitstet wird.
Ich finde es auch sehr gut. Wir haben das letzte Mal in diesem Haus heftig über die Archenhold-Sternwarte und das Zeiss-Großplanetarium im Umfeld des letzten Millenniums diskutiert. Erinnern Sie sich bitte! Das war auch so eine Zeit, als Nostradamus fröhliche Urständ auch in Berlin feierte. Wir waren, nicht ganz freiwillig, gezwungen, die Archenhold-Sternwarte und das ZeissGroßplanetarium aus der fachlichen Zuständigkeit der Senatsbildungsverwaltung herauszulösen – das war Ihr Vorgänger, Frau Scheeres – und der Senatskulturverwaltung zuzuordnen. Jetzt machen wir die Rolle rückwärts. Etwas anderes tun wir gar nicht und versuchen, das mit einer anderen Struktur etwas wasserdichter zu machen. Ich finde das richtig. Meine Fraktion unterstützt dieses Vorhaben, dass wir den Beschluss von Juli 2002 rückgängig machen. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden. Aber ein paar Fragen muss man noch stellen können. Ich werde sie jetzt auch stellen.
Erste Frage: Wer trägt die erforderlichen Mehrkosten für den Betriebshaushalt? Dazu steht einiges an. Ich habe davon noch nichts gehört und nichts gelesen!
Die zweite Frage, die in den nächsten Wochen zu klären wäre: Wer steht für die erforderlichen Sanierungs- und Investitionsmittel in den anderen Häusern ein, sprich Archenhold-Sternwarte und zuerst die Wilhelm-Foerster
Sternwarte? Da stehen 4 Millionen Euro ins Haus. Die Frage muss beantwortet werden.
Das nächste Problem, das ansteht, ist tatsächlich eine verstärkte Diskussion des Profils dieser Einrichtungen. Das ist angedeutet worden. Ich lese in der Aufgabenbeschreibung der neuen Stiftung: Hier sollen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gebündelt dargestellt und erfahrbar gemacht werden. – Das ist in Ordnung. Dann wird zugeteilt: Wilhelm-Foerster wird Bildungszentrum, das Zeiss-Planetarium wird Sternentheater mit einem Schwerpunkt auf Entertainment und Unterhaltung. Da stellen sich bei mir natürlich Fragen, Frau Senatorin – Sie werden dafür zuständig sein, wenn wir das Gesetz beschließen –: Warum soll das technisch am fittesten gemachte Haus so stark auf Entertainment und Unterhaltung fokussiert werden? Da geht doch was nicht auf. Ich finde, das wäre eine Fehlentscheidung bei den grandiosen technischen Möglichkeiten. Wir lösen zwei Einrichtungen aus der Zuständigkeit des Deutschen Technikmuseums heraus, aber bitte schön, ich weiß, die Grünen wird es jetzt krampfen: Astronomie, Raumforschung ist heutzutage nicht mehr denkbar ohne Raumfahrt. Und die Kompetenzen für Raumfahrttechnologie liegen bei der Stiftung Deutsches Technikmuseum. Also da sind Kooperationsmodelle zu entwickeln, ansonsten verschenkt Berlin eine ganze Menge.
Dann lese ich in § 2 den Stiftungszweck, dass die Schulbildung auf dem Gebiet der Astronomie gefördert werden soll. Ja, das ist toll! Das wäre für mich das Topergebnis, wenn es der neuen Stiftung gelingt, die Senatsschulverwaltung davon zu überzeugen, dass es nicht hinnehmbar ist, dass Astronomieunterricht als Fach in Berlin keine Rolle spielt.
In den Rahmenlehrplänen steht nichts. Da ist so ein kleines Segment, Frau Senatorin, in der Grundschule. Ja, das ist da, aber schauen Sie es bitte mal etwas genauer an, was Sie da geschrieben haben. Das wabert so ein bisschen nach geozentrischem Weltbild hin, und das ist spätestens seit Galileo Galilei überwunden. Hier müssen wir wirklich einen kleinen Schritt weiterkommen. Sie haben da eine tolle Aufgabe vor sich, Frau Senatorin! Wir unterstützen Sie gerne. Ich wünsche Ihnen Erfolg im Interesse der Stadt Berlin. – Schönen herzlichen Dank!
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Liebe Frau Remlinger! Ich weiß nicht, was Sie jetzt mit altmodischem Ross meinen.
Ihre Philippika – so eben mal – trifft mich im Prinzip nicht. Sie sind Mitglied des Hauptausschusses, wenn ich recht orientiert bin.
Ich möchte Sie an eine rote Nummer erinnern und empfehle Ihnen, die noch mal genauer zu lesen. Die ist schon ein bisschen alt, vom 20. April 2015. Das ist die rote Nummer 0827 E, ein Hauptausschussdokument. Sie müssten es kennen. Haben Sie es nicht gelesen? – Ich gebe es Ihnen. Da steht etwas über die Aufgabenstellung dieser Begutachtung, die vorzunehmen ist. Da findet sich tatsächlich die Zuweisung, die Wilhelm-Foerster-Sternwarte soll Bildungszentrum werden. Nichts gegen Bildung, die muss ja nicht akademisch erfolgen. Auf welchem Ross sitzen Sie denn? Was haben Sie für Vorstellungen, was wir für Vorstellungen von Bildung haben?
Als Zweites steht da, Zeiss-Großplanetarium mit einem Schwerpunkt auf Entertainment und Unterhaltung. Ich möchte doch nicht mehr, verehrte Frau Remlinger, als dass dieses Gegensatzpaar von Bildung versus Entertainment und Unterhaltung endlich überwunden wird.
Deshalb endlich, weil es immer noch – auch in diesem Raum, ich bin Kulturpolitiker – genügend Menschen gibt, die meinen, es gebe einen Unterschied zwischen U und E, eine Diskussion, die in der Ästhetik seit den Siebzigerjahren abgeschlossen ist. Nein, man muss die ollen Kamellen, Frau Remlinger, nur um sich zu produzieren, was Sie eben getan haben, Respekt, wirklich nicht andauernd aufwärmen.
Lassen Sie uns an diesem Thema arbeiten! Bitte schön, ich appelliere lediglich an die Programmmacher, die grandiosen Möglichkeiten für 12,8 Millionen Euro – die Summe darf man ruhig noch mal nennen –, die hier für das Zeiss-Großplanetarium in die Hand genommen werden, nicht leichtsinnig zu verspielen, weil vielleicht Jux und Tollerei mehr Publikum bringen. – Vielen herzlichen Dank!
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Ich meine, vier Fachausschüsse und zwei Plenardebatten, das ist nicht unbedingt ein Argument für die Bedeutung und Wichtigkeit eines Antrags, wenn man gleichzeitig vergisst, ihn in den entscheidenden Ausschuss mit über
(Jürn Jakob Schultze-Berndt)
weisen zu lassen, nämlich in den Hauptausschuss. Alle Projekte, die man ernst meint, bedürfen einer gewissen Finanzierung. Das müssten alle hier im Hause Sitzenden in den letzten Jahren irgendwie begriffen haben. Aber okay!
Herr Jahnke! Ich muss dennoch sagen – ich sage das jetzt ohne jede Ironie und jeden satirischen Hintergedanken – und Ihnen meinen Respekt ausdrücken, dass Sie es geschafft haben, immerhin nach viereinhalb Jahren der SPD klar zu machen, dass die Kultur endlich als Querschnittthema betrachtet wird, ein Querschnittthema, das sich wirklich durch alle Politikfelder zieht. Dazu gratuliere ich Ihnen ganz ernsthaft und ohne jede Ironie. Eben diese Erkenntnis wünsche ich mir auch bei allen anderen Fraktionen in diesem Hause weiter verbreitet. Das ist leider noch nicht so. Das war jetzt das Lob.
Nun zu Frau Kollegin Becker: Sie zitierten soeben den Begriff „Elektropolis“ und träumten gerade von neuen Industrien an den alten Standorten. Ich finde das sehr charmant. Das finde ich gut und würde es nachdrücklich begrüßen, wenn es sich denn auch so in diesem Antrag abbilden würde. Leider findet man dazu wenig im Text, stattdessen Äußerungen über Clubkultur und Ähnliches. Mein Gott, was eine angesagte Location für Clubs ist, darüber kann man sich sehr streiten. Der eine sagt Rigaer Straße, der andere möchte am liebsten in irgend so ein Nobelding. Aber das ist es nicht. Wie gesagt, ich halte es für wichtig, dass Sie ein Thema angesprochen haben, das ausbaufähig ist. Frau Becker! Sie haben bereits darauf hingewiesen, dass die Senatsbaudirektorin auf eine meiner Fragen bezüglich des ehemaligen Kulturhauses des VEB Elektrokohle Lichtenberg geantwortet hat. Ich bin sehr dankbar dafür, dass Frau Lüscher diese Anregung, die von engagierten Bürgerinnen und Bürgern an mich herangetragen worden ist, aufgenommen hat. Ganz optimal wäre es, wenn Sie sich einen Ruck geben, um mit uns gemeinsam endlich über das längst überfällige Museum der Berliner Industriegeschichte nachzudenken und wie wir das gemeinsam auf die Schiene bringen könnten – in Oberschöneweide zum Beispiel.
Welche Potenziale sich tatsächlich aus einem nachhaltig entwickelten Standort von Industriekultur, von Industriegeschichte entwickeln ließen, kann man sich natürlich im Ruhrgebiet anschauen. Aber man muss gar nicht so weit fahren, schauen Sie sich Ferropolis bei Gräfenhainichen an, schauen Sie sich den ehemaligen Industriestandort Bitterfeld-Wolfen an – eine gruselige Sache, wer da früher einmal mit der Bahn durchgefahren ist, weiß das –, schauen Sie sich das Gebiet Mansfeld-Hettstedt an. Dort kann man sehen, was man machen kann. Vielleicht bekommen wir das hin, vielleicht bekommen wir es gemeinsam in der nächsten Wahlperiode hin. Bis dahin, Glück auf! – Vielen herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! – Herr Jahnke! Sie hatten ja die Chance, an der Qualifizierung dieses Antragsvorschlages mitzuarbeiten. Ergebnis der Kulturausschussberatung, die Sie ansprachen, war das Übereinkommen zwischen den Fraktionen, möglichst zu versuchen, in diesem Hohen Hause einen Allparteienantrag einzureichen. Plötzlich wusste die Koalition von nichts mehr, sprang ab, überließ es der Opposition, und jetzt haben wir das Ergebnis, wie es vorliegt.
Natürlich, das war relativer Konsens. Es hat niemand widersprochen. Schauen Sie bitte in das von Ihnen unterschriebene Ausschussprotokoll!
Es hat niemand widersprochen, und der Ihnen vorliegende Text ist so gefasst, dass es der größtmögliche harmlose gemeinsame Nenner ist. Er ist so gefasst, dass eigentlich jede und jeder hier zustimmen kann, ohne dass gewissermaßen Gefahr im Verzuge für irgendwelche koalitions- oder parteipolitischen Spielchen ist.
Ich möchte aber über den Antrag ein kleines bisschen hinausgehen.
Nein! – Ich möchte Ihr Augenmerk auf diesen westlichen Stadtraum richten. Schauen wir uns mal die Sprechbühnenstandorte an: 1993 schloss das Schillertheater. Ebenfalls 1993 mit einem Zeitraum bis 1999 setzte der voll
ständige Niedergang der Freien Volksbühne ein. 1999 wurden die Kammerspiele Moabit, ein Kinder- und Jugendtheater, dichtgemacht, indem man die Zuschüsse abwürgte. 2002 schloss das Hansa-Theater, auch in Moabit. 2012 schloss die Tribüne. 2012 wurde das Theater des Westens an die Stage Holding verkauft. Zu Stage komme ich gleich noch einmal: Stage wird 2016 das Theater am Potsdamer Platz schließen. Das wird natürlich Auswirkungen auf das Theater des Westens haben. Und wenn alles gutgeht, darf das Theater am Winterfeldplatz noch bis 2018 spielen. Das ist augenblicklich der kulturelle Zustand der City-West!
Was kriegen wir dafür? – Herr Jahnke, Sie haben es angesprochen: aufgehübschte Kaufmeilen! Das liest sich dann so, dass das Wort „Kultur“ in manchen Hirnen mit „Kaufhaus“ übersetzt wird. Das ist, glaube ich, ein nicht hinnehmbarer Zustand.
K wie Kaufhaus statt Kultur!
Herr Oberg sprach die Auslastungszahlen an. Nun kann man mit Auslastungszahlen – Kollege Esser hat das mal mit einer anderen Karte versucht, nämlich dem Runterrechnen auf die Kartenpreise, die Subventionen – alles Mögliche argumentieren. – Herr Oberg! Es ist immer eine Frage, wo ich denn meine Messlatte ansetze. Wir haben im Jahr – ich gebrauche eine etwas niedrigere Zahl als Kollegin Bangert – an den Ku’damm-Bühnen 200 000 Besucherinnen und Besucher. Wir haben im Schnitt 500 gespielte Vorstellungen. Das ist eine kulturpolitische Größe in dieser ansonsten von einer – das sagen Ihre eigenen Genossinnen und Genossen in der BVV-Fraktion – Verödung bedrohten Gegend. Verödung! Ansonsten würde man ja nicht das gesamte Karree anfassen wollen. Was machen Sie denn für Stadtplanungspolitik!
Wer sich aufregt, hat nicht unbedingt recht, Herr Oberg!
Ich weiß eines: Der Denkmalschutz ist natürlich ein Schwert aus einem sehr spröden Metall. Das kann sehr leicht brechen. Aber: Denkmalschutz auf einer historischen Gebäudesubstanz zwingt immerhin Investoren und bauplanungsverabschiedende Politikerinnen und Politiker zu einem kleinen Moment des Innehaltens und des Nachdenkens. Und auf genau diesen Moment des Nachdenkens setzen wir, auf nichts anderes. Deswegen bitten wir in diesem Punkte um Ihre Zustimmung.
Wir wollen die Bühnen erhalten, und weshalb Bühnen zu erhalten nicht zustimmungsfähig sein soll, das ist mir ein Rätsel. – Nein, es ist mir kein Rätsel. Wer sie eben nicht erhalten will, der versucht, um diese Bekenntnisformel: Ich bin für den Erhalt der Bühnen an diesem Standort! – herumzukommen. Das ist die leichteste Übung, denn man
(Frank Jahnke)
kann dann abmurksen durch Unterlassen. Es gibt tatsächlich auch bildungsferne Oberschichten, nicht nur Unterschichten. – Pardon! Das muss man mal mit aller Deutlichkeit sagen. Das sind die, die Kultur synonym mit Kaufhaus benutzen. Bildungsferne Oberschichten!
Sie wollen es nicht. Seien Sie wenigstens ehrlich und sagen Sie, Sie wollen eigentlich diesen Standort weghaben. Sie wollen da etwas ganz anderes hinhaben. Sie wollen aber nicht schuld sein. Natürlich, die Drecksarbeit überlassen Sie den anderen, den sogenannten Sachzwängen. Ich finde das sehr bedauerlich. Ich ende auch mit Shakespeare, Hamlet, und zwar Polonius: Das ist kein Wahnsinn. Da ist Methode drin. – Vielen herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen! Verehrte Kollegen! Es ist etwas schwierig mit dem Antrag der Piratenfraktion. Ich denke, es geht hier nicht ausschließlich um den Erweiterungsbau des Bauhaus-Archivs, es geht um ein sehr grundsätzliches Problem. Wir wären allesamt gut beraten, wenn wir uns diesem Antragstext etwas ernsthafter nähern, als es hier zum Teil anklang.
In den vergangenen drei Wahlperioden hat das Abgeordnetenhaus von Berlin, glaube ich, fünf Untersuchungsausschüsse eingesetzt, die sich ausschließlich mit Bauproblemen beschäftigen.
Doch, doch! Fünf! Wir können nachher gerne Privatissima machen, dann erzähle ich Ihnen das. – Fünf im Kern, die Projekte waren unterschiedlich. Sie hatten eine Gemeinsamkeit. Sie gerieten alle in Finanzprobleme, in Turbulenzen, sie gerieten alle in Zeitschwierigkeiten, und irgendwie war immer das Land Berlin daran beteiligt. Wenn man dann etwas tiefer geschürft hatte, kam man auf Ursachenkomplexe. Ich bringe das jetzt auf eine Kurzformel: eine relativ oberflächliche Planungsphase zu Finanzierungsplanungen, die zum Teil eher auf der Grundlage des grimmschen Märchenbuchs verfasst worden sind und letztendlich aus unterschiedlichen Gründen immer ein sehr ambitionierter Zeitplan, der kaum realistisch war.
Was passierte dann in der Folge? – In der Folge war dann der Hauptausschuss immer wieder gezwungen, sich auf der Basis von roten Nummern mit Nachfinanzierungen zu befassen, die unter dem Signet liefen: Wir haben einen Baufortschritt, wir können nicht mehr zurück, und es sind unabweisbare Finanzierungsnotwendigkeiten vorhanden.
Das ist im Groben gesagt das ganze Problemfeld. Wenn die Piratenfraktion jetzt vorschlägt, wir sollten als Landesparlament hier Mittel und Wege finden, um uns im Vorfeld und baubegleitend etwas intensiver mit solchen Projekten mit ihrer Problemlage befassen, dann finde ich, ist das lediglich ein Ausweis dafür, dass zumindest Teile des Berliner Abgeordnetenhauses gewillt sind, ihre originären verfassungsmäßigen Aufgaben ernster zu nehmen. Das kann man nur unterstützen.
Streckenweise ist die baubegleitende Praxis im Abgeordnetenhaus – Frau Haußdörfer, mit Verlaub – eigentlich nur dazu angetan, uns hier selbst als Abnickbude hinzustellen. Das ist das Abgeordnetenhaus von Berlin nicht wert. Pardon! Schlussendlich sind es immer wieder Steuermittel, die hier in den märkischen Sand gesetzt werden, und keine Privatgelder. – Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim ersten Augenblick, als ich dieses hervorragende Papier in der Hand hatte, dachte ich auch, oha, in der Koalition ist der Groschen gefallen. 20 Jahre nach der großen Plattmache suchen SPD und CDU die Trendwende. Nachdem die Wirtschaftssenatorin kürzlich in diesem Hause verkündet hat – Frau Yzer, das war toll! –, man müsse die Industriepotenziale in Berlin stärken, versuchen nun endlich auch die Wirtschaftspolitiker der Koalitionsfraktionen den Schulterschluss zu ihrer Senatorin und haben begriffen, dass die Wachstumspotenziale Berlins eben nicht nur in Jux und Tollerei, nicht nur in Spaß und Event liegen. Das entspräche tatsächlich einer Forderung der IHK vom gestrigen Tag, die hier zitiert wurde. Ich zitiere noch einmal eine Äußerung von Frau Bähr:
Die Stadt braucht Flächen, auf denen produzierendes Gewerbe sich ausdehnen kann.
Frau Bähr verlangte auch für dessen ungestörtes Wachstum eine klare Abgrenzung zu Wohngebieten zum Beispiel und erteilte damit diesen trendy Mischnutzungen eine Absage. – Das ist genau etwas anderes, als das, was hier in Ihrem hervorglänzenden Papier steht. Lesen Sie es doch bitte noch einmal!
Aber ich hatte mich sehr gründlich geirrt, ich lag vollkommen daneben: Sie wollen nicht die Industrie, Sie
(Jürn Jakob Schultze-Berndt)
wollen die Industriekultur fördern. Gut, Industrie lebt in baukulturellen Hürden.
Mein Vorredner hat das eben versucht, trefflich darzustellen. Sie produziert. Sie ist Kernbereich auch unserer Ökonomie. Ja, gut, aber was haben Sie jetzt hier gemacht, Herr Jahnke? – Sie haben irgendwie Vergangenheitsbeschwörung betrieben. Industriekultur ist im Wesentlichen die Nachnutzung der Hüllen, nachdem der Ursprungsnutzer, die Industrie, eben verschwunden ist: also stillgelegte Stahlwerke, das seiner Turbinen entkleidete Kraftwerk, die leergeräumten Hallen einer Turbinenfabrik oder eines Kabelwerks. Und nebenbei: Es konnte in Berlin bislang noch nicht alles abgerissen werden. Es steht tatsächlich noch etwas rum.
Sie wollen deren Potenziale besser nutzen. Gut, die Frage ist nur, wofür. Was schlagen Sie vor? Irgendwie habe auch ich in Ihrem Katalog hier wenig konkret Belastbares gefunden, viel Schaum und Blase und Absicht ohne Unterfutter. Sie wollen Bewusstseinsverbesserung für die Bedeutung von Industrie. Mein Gott, Bewusstseinsverbesserung! Bei wem denn? Ich hoffe, Sie fangen in Ihren eigenen Fraktionen an, das wäre eine Leistung.
Sie wollen touristische Entwicklung. – Gut, die Tourismuskarte zieht im Moment jeder, der nichts anderes zu ziehen hat. Sie wollen Kreativwirtschaft stärken. – Auch das ist die übliche Leier, die wir seit Jahren hier von Ihnen hören. Sie wollen Aufwertung von Quartieren durch Nachnutzung alter Industriegebäude. – Also, genau das, was die IHK eigentlich nicht will und nicht braucht. Aber okay, das wiederholen Sie gebetsmühlenartig mit dem Begriff „quartiersbezogene Aufwertungsstrategien“ – alles ganz toll, was auch immer das ist. Jetzt wird es konkret: Sie wollen eine Art industriegeschichtliches Wanderwegenetz ausschildern lassen. – Na ja, wenigstens Schilder aufstellen und Wanderkarten dazu zeichnen, das ist auch hübsch. Der Thüringer Wald lässt grüßen.
Ich bin gleich am Ende. – Sie wollen Marketing. – Womit und wofür, sagen Sie nicht. Sie wollen eine Mitgliedschaft im Netzwerk europäische Route der Industriekultur prüfen. – Da stellen Sie schon selbst unter nachhaltigen Beweis, dass Sie keine Ahnung von dem haben, was Sie hier schreiben, weil zumindest das Berliner Zentrum Industriekultur da schon drin ist. Da wurde im Herbst eine Kooperationsvereinbarung unterschrieben. Im einzig konkreten Punkt ist Ihr Antrag veraltet.
Sie haben ein absolut unkonkretes Projekt ohne Adressaten. Finanziell untersetzt ist auch nichts.
Ein Stichwort geben Sie allerdings: Museen. – Da wird es interessant. Berlin hat tatsächlich kein Industriemuseum. Schauen Sie einfach mal nach Hamburg oder Chemnitz! Dort gibt es vorbildliche Institute dieser Art, die auch Berlin schmücken würden und zu einem erstrangigen Tourismusfaktor werden könnten. Das wäre doch was. Siedeln Sie dieses Museum in Oberschöneweide an! Da ist einer der historischen Orte Berliner Industriegeschichte. Da ist Platz. Da stehen noch historische Gebäude. Und da gibt es Kooperationspartner mit dem nötigen Knowhow.
So bleibt uns nur übrig, bei Ihrem Antrag mit der Schulter zu zucken. Mein Gott, was wollen die eigentlich? Aber okay, der Antrag schadet nichts, er nutzt auch nichts, na gut, er hat uns Zeit geraubt. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Geduld.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, das waren eben zwei schöne Erfolgsberichte. Ich bin mir sicher, der Regierende Bürgermeister wird das nachher fortsetzen. Herr Müller! Das sei Ihnen gegönnt, aber ein bisschen Realitätssinn schadet auch dieser Koalition ein dreiviertel Jahr vor deren Abwahl überhaupt nicht. Deswegen zu
(Stefan Schlede)
einigen Positionen, die Sie hier vor uns ausgebreitet haben:
Ich denke, dass wir als Oppositionspartei einiges nicht viel anders gemacht hätten, aber wir hätten andere Akzente gesetzt, wir hätten uns bestimmte Dinge einfach verkniffen, Frau Lange! Insgesamt gesehen, ist der Berliner Kulturetat ein einziges hilf- und konzeptionsloses Herumgewurstele. Sie wollten allen etwas Gutes tun – die Koalitionsabgeordneten natürlich auch noch ihren Wahlkreisen und guten Freundinnen und Freunden –, aber die Decke reicht bei allem Aufwuchs – übrigens sind Verträge zu bedienen, das muss man nicht noch hervorheben – von hinten bis vorne nicht. Die Mittel für die – ich zitiere – „besonderen künstlerischen Projekte“ waren eine Erfindung der Künstlerinnen und Künstler selbst, die nicht zu Unrecht meinten, ein größerer Anteil an den zusätzlichen Einnahmen der Stadt, die sie selbst durch ihren Anteil an der Attraktivitätssteigerung Berlins erwirtschafteten, möge auch der Kunst zugutekommen. Was macht der Senat? – Er verklapst die Künstlerinnen und Künstler Berlins zum zweiten Mal in Folge. Für den Doppelhaushalt 2014/15 war statt eines verlässlichen prozentualen Anteils am Gesamtvolumen eine Art Überschussbeteiligung vorgesehen. Das war die erste Schummelnummer.
Die zweite folgt jetzt. Diese Überschussbeteiligung wird offenbar, weil die Überschüsse deutlich höher ausfallen als prognostiziert – man munkelt von 40 Millionen Euro –, auf einen vergleichsweise lächerlichen Minimalbetrag von 3,5 Millionen Euro festgezurrt. Dann streicht man noch die Teilerläuterung „Ausgaben aus Übernachtungssteuer“ ersatzlos, das Bubenstück soll keiner merken. Ich finde, das ist ziemlich frech.
Die Linke schlägt stattdessen in Anlehnung an eine Forderung der Koalition der freien Szene einen mit 10 Millionen Euro auszustattenden freien Kulturfonds vor, der von den Künstlerinnen und Künstlern selbst verwaltet werden soll. Wir wollen Transparenz in der Mittelvergabe durch eine deutlich ausgebaute Partizipation. Das ist etwas völlig anderes als Ihre zunehmend undurchsichtiger werdenden Vergabekriterien für – ja, sie sind dankenswerterweise erhöht worden – die Stipendienansätze und die Mittel für die Verbesserung von Arbeitsraumsituationen.
Apropos Arbeitsräume – da fällt einem doch gleich das Bernhard-Heiliger-Gedenkmuseum ein, für das Ateliers zerstört worden sind. Und – vergleichen wir mal – die Sicherung des Nachlasses eines der bedeutendsten Metallgestalter der deutschen Nachkriegsmoderne, Fritz Kühn, war dem Senat keinen müden Cent wert. Aber Kühn lebte in Bohnsdorf, das ist im Osten, da hat er Pech gehabt. Heiliger werkelte im Westen, und selbst des Führers Lieblingssteinmetz hielt ihn für begabt. So unterschiedlich ist das in der Berliner Politik.
Havemann-Gesellschaft – Geschichte! Die peinliche Nummer, Herr Müller, die sich Ihre Verwaltung und die Koalitionsparteien in den letzten Monaten geleistet haben, spottet jeder Beschreibung. Es geht um sage und schreibe 270 000 Euro, mehr nicht! Allerdings verstehe ich das: Die Erinnerung an den stillen, aber zutiefst wirksamen Widerstand der Vielen wachzuhalten, das ist ein gefährlich Ding. Irgendwann könnte das Volk, der große Lümmel, auf Nachahmungsgedanken kommen, und das geht nun gar nicht. Also weg damit!
Zu den Theatern! Zur Volksbühne ist ja schon gesprochen worden, da gehört einfach mal der politische Zahn gezogen. Erst mal benennen wir sie um: „neue volksbühne“, klein geschrieben, das ist innovativ, das ist kreativ, international, klingt beinahe irgendwie englisch, zumindest so ähnlich. Und dafür ein Konzept, das tatsächlich auf einem halben Dutzend Seiten Schaum und Blase von sich gibt. Und dafür geben Sie locker 2,23 Millionen Euro aus. Das finde ich unerhört! Aber bitte schön, das Theaterpublikum Berlins kann ja auch nach Hamburg oder Dessau fahren! Warum nicht, schöne Städte!
Einer kann’s nicht, das sind die Kinder, und das ist perfide, Herr Müller, denn die Kinder- und Jugendtheater des Landes Berlin – und das betrifft fast ausnahmslos alle, vom Theater an der Parkaue bis hin zu Platypus und den Puppenspielern in der Zitadelle in Spandau – vegetieren weiter in einem erbärmlichen finanziellen Zustand dahin. Ich finde, für Kinder muss man spielen wie für Erwachsene, nur besser. Die Koalition handelt aber nach dem Motto, für kleine Leute genüge kleines Geld. Frau Lange, Herr Saleh, Herr Graf! Sie sollten sich in Grund und Boden schämen für diese Art von Politik.
Von der CDU erwarte ich aber nichts anderes, sie verwechselt sowieso permanent das P wie Pädagogik mit dem P wie Polizei. Aber auch für Sie zum Mitschreiben: Eine einzige Aufführung vom Atze Musiktheater oder dem Theater Strahl wirkt nachhaltiger humanisierend als fünf lange Reden des Innensenators der Stadt Berlin. Ich wünsche mir mehr Theater für unsere Kinder. – Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!
Stopp! Einen Satz möchte ich noch sagen, den müssen Sie sich noch anhören! – „Uns ist bange, aber wir verzagen nit“, sagte Martin Luther. Wir sind im nächsten Jahr kurz vor 500 Jahre Reformation. Im September 2016 machen wir den Haushalt noch mal. – Vielen Dank!
Frau Harant! Die Kabarettnummer haben Sie eben mit dem schönen Satz über Trennung von Kirche und Staat abgeliefert. Pardon! Es ist schon einigermaßen paradox, dass durch diese Stadt täglich Tausende von Menschen irren, die nicht wissen, wie sie über den Tag kommen und den bevorstehenden Winter überstehen werden, während Sie, Frau Seibeld, uns heute hier binnen kurzer Zeit zum dritten Mal mit einer Plenardebatte über einen im Jahr 2017 einmalig durchzuführenden Feiertag traktieren. Drastischer können Sie die Politikunfähigkeit Ihrer Fraktion nicht unter Beweis stellen, wenn das Ihr prioritäres Thema ist.
Sei es aber drum, ich finde es vollkommen legitim, Frau Harant, wenn Menschen die Gründungsjubiläen ihrer Vereinigungen feierlich begehen. Ich finde es aber absolut unverständlich – Sie haben mich provoziert; ich mache jetzt kein Kabarett – wenn letztere, die Kirchen zum Beispiel, neben den satten Staatszahlungen in Höhe von rund einer halben Milliarde Euro bundesweit alljährlich sich nun auch noch die Feier eines Gründungsjubiläums staatlich alimentieren lassen. Die geplanten 23 Millionen Euro Gesamtkosten für den evangelischen Kirchentag 2017 in Berlin werden mit 11,9 Millionen Euro staatlicher Mittel unterstützt. Das sind einmalige fast 52 Prozent der Gesamtkosten. Das Land Berlin ist mit 8,4 Millionen Euro dabei. Frei nach dem Dominikanermönch Johannes Tetzel, gegen den Luther war, ist man beinahe geneigt zu sagen: Nur wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt. Ich bedauere das.
(Dr. Susanna Kahlefeld)
Kommen Sie mir jetzt bitte nicht mit verfassungsrechtlichen Zwängen! Die Art und Weise dieser Zahlungen ist ausschließlich Ländersache. Ich zitiere die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage Drucksache 18/1110 des Deutschen Bundestages:
Den Ländern als Träger der Staatsleistungen steht es dagegen frei, einvernehmlich mit den Kirchen die Staatsleistungen zu verändern und neue Rechtsgrundlagen zu schaffen. Das Verfassungsrecht steht dieser Lösung nicht entgegen.
Ich verstehe überhaupt nicht, weshalb Sie so lemmingartig ständig die Großkirchen dieser Debatte aussetzen müssen, und nicht endlich tatsächlich veränderte ordentliche Verhältnisse schaffen, statt sich ausschließlich auf ein im Jahr 1803 gefundenes, sehr merkwürdiges Finanzgebaren zurückzuziehen. Das ist schon ein Stück aus dem Tollhaus.
1517 – Was soll da eigentlich gefeiert werden? – Es soll die Reformation Martin Luthers gefeiert werden. Die historischen Wurzeln meiner Vorfahren liegen in der Gegend zwischen dem Kyffhäuser und dem Harz. Sie nahmen damals die Reformation Luthers sehr ernst und allzu wörtlich mit dem Ergebnis, dass sich die Bauern und Bergknappen dieser Gegend Folgendes anhören durften:
Drum, lieben Herren, loset hie, rettet hie, helft hie! Erbarmet euch der armen Leute! Steche, schlahe, würge hie, wer da kann! Bleibst du druber tot, wohl dir! Seliglichern Tod kannst du nimmermehr uberkommen.
Das war Frühneuhochdeutsch und ein Zitat aus Luthers Schrift „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“. Er richtete das natürlich nicht an die Bauern, sondern an die Fürsten. Allein bei Frankenhausen starben 6 000. Danach wurden die Dörfer verwüstet. Wenn Sie dies feiern wollen, gern. Machen Sie dies!
Yadegar Asisi will in seinem Wittenberger Panorama „Luther 1517“ übrigens auch die Hexenverfolgungen thematisieren. Auch die erhielten durch Luther in der Folge der Reformation – das ist alles andere als Kabarett, Frau Harant – einen heftigen Innovationsschub:
Die Zauberinnen sollen getötet werden, weil sie Diebe sind, Ehebrecher, Räuber, Mörder... Sie schaden mannigfaltig. Also sollen sie getötet werden, nicht allein weil sie schaden, sondern auch, weil sie Umgang mit dem Satan haben.
Mindestens 25 000 Menschen gingen in den Feuertod, sicherlich nicht allein wegen Martin Luther, aber auch.
Nein, ich bin gleich fertig. – Das sollen wir feiern? Ich würde hier lieber Friedrich Spee, einen Jesuiten, der das Ende dieser Frauenverfolgung einleitete, feiern. Aber meinethalben: Ich spare mir jetzt die allen bekannten Ausfälle des Reformators gegen die Juden. Es ist zu heftig, was er gesagt hat. Das lassen wir bitte sein. Ich finde es legitim, wenn die EKG ihr Gründungsjubiläum begeht, aber machen Sie bitte in Gottes Namen daraus keine Zwangsfeier für die ganze Stadt! Man riecht die Absicht hinter dieser Missionsfeier und ist verstimmt, noch dazu, wenn man sie mit bezahlen muss. Sie haben es aber schon angedeutet, dass Sie das Vorhaben durchwinken. Auch darin liegt ein Trost, meinte Luther. Vom 28. bis 31. Oktober 2017 wird Berlin ein langes Wochenende haben. Liebe Berlinerinnen und Berliner, nehmen Sie Ihre Kinder an die Hand, verlassen Sie an diesem Wochenende die Stadt! Denn: „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt“, dichtete Freiherr Joseph von Eichendorff. Leider haben wir dieses Erlebnis nur einmalig. Wenn Sie ein bisschen Traute hätten, würden Sie den Reformationstag als ständigen Feiertag einführen und Allerheiligen gleich mit wegen der konfessionellen Gleichberechtigung. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Was ist die Berliner Landesregierung zu tun gewillt, um in Richtung Geschäftsleitung des Staatsballetts Berlin respektive der Stiftung Oper Berlin die anhaltende Verweigerung des Diskurses mit der von den Tänzerinnen und Tänzern gewünschten Interessenvertretung nach der inzwischen siebten bestreikten Vorstellung, einem Einnahmeausfall von mindestens 160 000 Euro und den gescheiterten Mediationsbemühungen des Staatssekretärs für Kulturelle Angelegenheiten endlich zu einer anderen Qualität zu bringen?
Herr Regierender Bürgermeister! Sie sind Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Oper in Berlin, und Sie wissen, dass der Geschäftsführer des Staatsballetts sich beharrlich weigert, auch nur in Gespräche mit der mehrheitlich von den Beschäftigten gewollten Interessenvertretung einzutreten – ich rede nicht von Verhandlungen. Er weigert sich zu sprechen –
Das ist die Frage, Herr Präsident! – und ignoriert dabei geflissentlich Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz und § 2 des Tarifvertragsgesetzes. Ich möchte wissen, wie weit Sie dieses noch tolerieren werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich gar nicht auf die Diskussion in den Ausschüssen, weil ich befürchte, dass wir dort wieder in eine Endlosschleife kommen.
Ich sagte, wir kommen wieder in die Endlosschleife. Ich werde jetzt versuchen zu argumentieren. – Ich verstehe ja, Frau Kapek, dass Ihnen Tempelhof im Magen liegt. Das ist ja auch ein ziemlich großer Stein, zumal die Tempelhof-Schöneberger Stadträtin für Stadtentwicklung, unsere geschätzte ehemalige Kollegin, Frau Dr. Klotz, von den Grünen kommt. Irgendwie müssen Sie im Vor
feld der Wahlen auch in Tempelhof-Schöneberg mal wieder etwas positiver als Gestalterinnen in die Medien kommen. Da kann ich alles nachvollziehen. Das waren Sie – und damit lassen Sie es doch bitte gut sein!
Konkret zum Antrag: Sie werfen dem Senat Unvermögen im Umgang mit diesem Nazibetonklopper vor. Da stimme ich Ihnen zu, recht haben Sie. Sie wissen aber auch, dass das momentan selbst für Sie nicht so einfach wäre. In seiner Neigung zu miserabel kommunizierten Einzelentscheidungen nach Gutsherrenart hatte der seinerzeitige Regierende Bürgermeister zugunsten seiner Modelabelfreunde vollendete Tatsachen geschaffen, und die sind nicht so leicht zu ignorieren. Da hat sich nun einmal Bread and Butter eingenistet und so leicht sind die nicht rauszukriegen. Mit den Zalando-Managern, die das Format übernommen haben, ein Agreement zu treffen, Frau Wirtschaftssenatorin, das haben Sie leider verpasst. Zalando wurde schließlich mit nicht unbeträchtlichen GRW-Mitteln des Landes unterstützt. Da hätte man miteinander reden müssen.
Das ist Blödsinn, was Sie da schwätzen, Herr Kollege! – Sie wollen einen Kulturhafen im weitesten Sinne, nun gut. Wenn die Politik mit einer Schrottimmobilie oder einem heruntergekommenen Stadtviertel nicht mehr weiterweiß, muss immer die Kultur zum Aufhübschen ran. Ich finde das einfallslos, zumal die Künstlerinnen und Künstler in der Regel die Ersten sind, die wieder rausfliegen, wenn die Stadtentwicklungsmaßnahme, deren Mittel zum Zweck sie waren, gegriffen hat. Als Zwischennutzer sind Künstlerinnen und Künstler immer gut genug, kann man dann aber wieder Rendite aus der Immobilie herausschneiden, dann müssen sie gehen. Was soll das eigentlich?
Als Ankermieter zwei oder drei Museen nach Tempelhof zu locken, das ist auch nicht besonders originell. Das Alliiertenmuseum geht völlig in Ordnung, daneben ein Museum des Kalten Krieges, mein Gott, wie witzig soll denn das sein? Weil es jetzt am Checkpoint Charlie nicht mehr klappt? – Übrigens, wenn man das seinerzeitige Senatskonzept aufmerksam liest, war das durchaus als wissenschaftlich solide begründeter Kontrapunkt zur musealen Rumpelkammer des Hauses am Checkpoint Charlie gedacht. In Tempelhof aber macht das neben dem Alliiertenmuseum eigentlich keinen Sinn. Ein Luftfahrtmuseum, wie Sie dieser Tage und soeben wieder verkündeten, nun ja, warum eigentlich nicht? Aber das Land Berlin wäre damit vollkommen überfordert. Berlin hat schon erhebliche Probleme, das Deutsche Technikmuseum einigermaßen auskömmlich zu finanzieren. Sehen Sie sich doch bitte einfach den Zustand des Stadtmuseums oder – nicht vom Stadtmuseum getragen, aber gleich daneben – des historischen Hafens an. Jetzt fehlt nur noch der wiederholte Prüfauftrag, die ZLB wieder in das
(Frank Jahnke)
Gebäude zu wuchten. Das war alles schon einmal da. „Viel Lärm um nichts“ heißt das bei Shakespeare.
Mit Verlaub, hier geht es nicht um irgendwie besonders kunsttaugliche Räume, es geht überwiegend um Büro- und Gewerbeflächen – und das in Größenordnungen.
Aber einen sinnvollen Ansatz enthält Ihr Antrag: eine breite öffentliche Diskussion über die Möglichkeiten einer künftigen Nutzung des Bestandsgebäudes zu entfachen. Die braucht aber ihre Zeit, und das kostet. Ein schlüssiges Gesamtkonzept, wie Sie schreiben – ich höre dann immer gleich „Masterplan“, aber Masterpläne in Berlin zeichnen sich ja meistens dadurch aus, dass sie scheitern und fortgeschrieben werden müssen –, gemeinsam mit vielfältigen Nutzerinnen und Nutzern aus Kultur, Kreativwirtschaft und Start-up-Szene – das sind ja wirklich die berühmten Äpfel mit den Birnen und dann auch noch den Zitronen vermischt – bis zum 31. Dezember 2015 zu entwickeln, wie Ihr Antrag verlangt, das würde, glaube ich, noch nicht einmal eine grüne Alleinregierung hinkriegen.
Apropos Regierung: Frau Kapek! Wir halten die jetzige ja auch für hochgradig unfähig, solche Probleme zu lösen, und wir würden auch ganz gern mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, einen Schritt weiterkommen, aber ein bisschen mehr Augenmaß und Rationalität als in diesem Antrag muss dann schon hinein. Wir erkennen die Absicht, aber das Mittel ist relativ untauglich. – Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon ein bisschen merkwürdig. Mit weihevollem Pathos wird hier eine Gesetzesänderung beschworen. Die, die es inhaltlich angehen sollte, beispielsweise der christdemokratische Teil der Landesregierung, glänzen hier durch Abwesenheit. Die Reihen der CDU-Fraktion leeren sich auch sukzessive. Ich finde es immer toll, wie ernst Sie Ihre ureigensten Anliegen nehmen. Wenn Sie uns nicht hätten, meine Damen und Herren!
Ich bedauere es ein wenig, dass Sie die Diskussion, die wir hier in diesem Hohen Haus am 29. Januar dieses Jahres zu eben diesem Thema schon einmal geführt haben, nicht etwas verinnerlicht haben. Sie hätten dann vermutlich ein anderes Gesetz vorgelegt. Sie hätten beispielsweise – das ist von den Grünen angedeutet worden – die anderen Religionen berücksichtigt. Nun bin ich
(Dr. Susanna Kahlefeld)
nicht Mitglied der SPD-Fraktion und halte darum dieselbe Rede nicht zum wiederholten Mal, sondern versuche, es anders auszudrücken.
Sie schreiben hier in der Rechtsfolgenabschätzung, die derzeitige Regelung gebe nämlich gewissermaßen nur evangelischen Christen die Möglichkeit, das Reformationsjubiläum in einem zeitlich angemessenen Rahmen zu begehen. – Ja, mein Gott, was soll das? Warum sollen eigentlich katholische Christen das Reformationsjubiläum in einem angemessenen Rahmen begehen? So schlecht können Ihre Kirchengeschichtskenntnisse nicht sein, dass Sie nicht wüssten, dass sich Luthers Maßnahmen eigentlich gegen die katholische Kirche richteten.
Weshalb sollen Muslime das Reformationsjubiläum in einem angemessenen Rahmen begehen? Das ist mir irgendwie schleierhaft, wenn nicht gleichzeitig zumindest das Zuckerfest als gesetzlicher Feiertag in Berlin eingeführt wird.
Dasselbe trifft für die Anhänger der mosaischen Religion, Hindus, Feueranbeter und was es sonst nicht alles noch gibt, zu. Das fällt bei Ihnen alles in dieser wunderschönen Multikultistadt gewissermaßen durch.
Ganz putzig wird es, wenn Sie uns hier stattdessen eine ökumenische Einheitssoße servieren, die ziemlich ungenießbar ist. Gut, Herr Verrycken: „Licht und Schatten der Reformation.“ Pardon! Hier steht etwas von seelischer Erhebung. Dort steht seelische Erhebung und nicht Diskussion von Licht und Schatten der Reformation.
Ganz verräterisch wird es, wenn wir dann auf die Kostenauswirkungen kommen. Frau Seibeld hat mit einer bemerkenswerten Offenheit schon das Problem der Umsatzeinbußen beschworen. Hier steht:
Handel und Tourismus werden von zusätzlichen Einnahmen durch zusätzliche Besucherinnen und Besucher in der Stadt zum Reformationsjubiläum profitieren.
Mir fällt sofort Johannes 2, Vers 13 bis 16 ein. Das ist die hübsche Geschichte, in der Jesus die Wechsler aus dem Tempel jagt,
nämlich mit der Bemerkung: „Macht nicht meines Vaters Haus zum Kaufhause.“
Genau das aber steht in Ihrem hundsmiserablen Gesetz. Sie machen das Haus des Herrn zu einem Kaufhaus und schauen zuerst auf Umsatz und Rendite. Pardon! Aber Sie geben den Berlinern und Berlinerinnen eine kleine Chance, Ihrem Kommerz und Ihrer Kommerzgier aus dem Weg zu gehen, indem wir nämlich gemeinsam in jeweils anderen Bundesländern diesem Jubiläum beiwohnen
dürfen – gut, ich räume ein, ich bin in Wittenberg –. Viele Berlinerinnen und Berliner werden die Wälder des Landes Brandenburg an diesem Jahr heimsuchen. Es ist Pilzsaison. Ich wünsche ihnen viel Glück! – Vielen herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Keine Furcht! Ich werde mich nicht an der Ästhetikdiskussion beteiligen.
Ich zitiere jetzt einmal einen Maler aus der Zeit, in der Luther mit seinen Thesen zu Wittenberg zugange war. Ein Nürnberger Maler, der wohlweislich keine Graffiti gemacht hat:
Denn was die Schönheit ist, vermag ich nicht zu sagen, allein ich weiß, sie haftet vielen Dingen an.
Das stammt von Albrecht Dürer, und damit will ich es einmal belassen, was die Inhalte anbelangt.
Ich möchte zwei, drei Dinge zum Aspekt des Beauftragten sagen. Wir haben in Berlin einen Tierschutzbeauftragten und sind die Hauptstadt der Tierversuche. Wir haben in Berlin einen Radverkehrsbeauftragten und sind die Hauptstadt der exorbitant anwachsenden Schlaglöcher und sonstiger Hindernisse für Radfahrer.
Wir haben in Berlin einen Datenschutzbeauftragten. Der Zustand der Datensicherheit in dieser Stadt ist säuisch, das wissen wir alle. Darüber haben wir hinlänglich im zurückliegenden Jahr – zwischen den beiden Sommerpausen, der bevorstehenden und der zurückliegenden – diskutiert. Ich weiß nicht, ob ein Graffitibeauftragter einen Quantensprung bewirken könnte, was dieses Thema anbelangt. Das Grundproblem aller Beauftragten und aller Beiräte liegt darin, dass wir eine Landesregierung haben, die sich einen Deibel darum schert, was externer Sachverstand empfiehlt. Das wird auch bei diesem Thema der Fall sein, auch wenn die hervorragend arbeitende Kulturverwaltung, Herr Magalski, dankenswerterweise in
(Stefan Schlede)
Ihrem Antrag nicht mitverantwortlich gemacht wird. Aber das ist keine Gewähr dafür, dass sich der Rest des Senats anders verhält, als er sich hinsichtlich der Empfehlungen der anderen Beauftragten verhalten wird.
Ihr Antrag ist interessant. Vorhin habe ich zum Thema Kulturhafen gesagt, ich habe keine Lust auf die Diskussionen in den Ausschüssen. Hier bin ich sehr interessiert daran, Ihrer Diskussion mit der SPD und der CDU zu folgen. Sie haben ja die genannten Fraktionen dazu eingeladen. Kollege Schweikhardt hat es schon gesagt, die Grünen und wir sind eigentlich nicht verfahrensbeteiligt aufgrund Ihrer Äußerung, aber wir sind lernwillig. Wir kommen mit dazu und werden schauen, was dabei herauskommt. – Vielen, herzlichen Dank – und schöne Sommerferien!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Verehrte Kollegin Lange! Mit den Zahlen ist es ja so, dass man sie schön selektiv benutzen kann: Man sucht sich die Vergleichswert heraus, um das Rechenergebnis zu erhalten, das man rauskriegen möchte.
Ich möchte jetzt nicht Winston Churchill zitieren, Sie kennen das,
(Sabine Bangert)
ich möchte nur daran erinnern, dass, Herr Kollege Gram, vor einigen Jahren die Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten den Jahresbericht über den Zustand der öffentlichen Bibliotheken Berlins abgeschafft hat, weil diese Berichte es mit ihren Vergleichsdaten über die Jahre hinweg zugelassen haben, die Berliner Bibliothekslandschaft in ihrer Prozessentwicklung einigermaßen verlässlich an immer wieder denselben Kriterien, an immer wieder demselben Maßstab zu messen. Wenn man dieses tut, kommt man zu keinem sehr fröhlichen Ergebnis, sondern einem ziemlich vernichtenden, dass sich nämlich tatsächlich die Landschaft der öffentlichen Bibliotheken Berlins, der kommunalen Bibliotheken sozusagen, ich rede nicht von den Wissenschaftsbibliotheken, in einem durchaus beklagenswerten Zustand befindet. Den hat die Senatskulturpolitik zu verantworten, niemand anderer.
Konterkariert wird das mitnichten durch die Tatsache, dass es in einigen Bezirken verdienstvollerweise Bibliotheksbusse gibt, dass in einigen Bezirken sehr schöne Stadtteilbibliotheken neu gebaut wurden. Dagegen rechnen müssen wir aber die vielen, vielen Standorte, die verlorengegangen sind. Die kennen Sie auch. Die Entwicklungstendenz ist einfach beklagenswert.
Nein! Ich bin gebeten worden, mich an meine Zeit zu halten und das nicht auszudehnen. Ich weiß, das wird nicht angerechnet, verlängert aber trotzdem.
Außerdem, Frau Lange, habe ich wirklich keine Lust auf einen Disput in diesem Saal, weil sich sowohl die Sozialdemokratie als auch die CDU – Frau Bangert hat darauf hingewiesen – seit Jahren dieser Diskussion dort verweigern, wo sie hingehört, nämlich in den Fachausschüssen.
Da tauchen Sie einfach ab. Da machen Sie kontinuierlich, alle beide, einen auf Käpt‘n Nemo, sagen gar nichts und sind ein paar Tausend Meilen unter dem Meeresspiegel. Das bringt uns überhaupt nicht weiter.
Ich stelle einfach einmal fest – das ist so ein bisschen meine Kritik, das ist eine rein formale am Antrag der Grünen –: Frau Bangert! Sie fordern, gemeinsam mit den Bezirken eine Kommission einzusetzen. Hier müsste fairerweise stehen „erneut eine solche Kommission einzusetzen“. Die hatten wir schon. Die gab Strukturempfehlungen in der 15. Wahlperiode – Frau Harant nickt, Frau
Lange wird sich vielleicht erinnern –. Die Arbeitsergebnisse dieser Kommission wurden dann aber in der 16. Wahlperiode vom Regierenden Kultursenator Klaus Wowereit einfach in die ovale Ablage gedrückt. Punkt. Weg waren sie. Danach krähte kein Hahn mehr. Es ist ein bisschen müßig, und das ist die Krux in der Bibliothekspolitik in diesem Land Berlin, in Permanenz auf eine Totalignoranz seitens des Senats zu stoßen. Im schlimmsten Fall wird die Verantwortung abgewälzt auf die Bezirke. Die sagen: Dann stattet uns mal besser aus. – Na Klasse!
Zweite Sache: Kooperation Zentral- und Landesbibliothek mit Bezirksbibliotheken. Ja, wir haben den Verbund öffentlicher Bibliotheken in Berlin. Das ist alles eine tolle Sache. Der soll erhalten bleiben. Wir sind für die Qualifizierung dieses Verbundes. Wir sind aber dagegen – und das ist jetzt meine Kritik am Friedrichshain-Kreuzberger Modell –, auf schleichenden Wegen die Bibliothekslandschaft dahingehend umzubauen, dass wir sozusagen eine Oberhauptbibliothek haben, die ZLB, mit Filialen in den Bezirken. Dazu müsste vorher eine Strukturdiskussion erfolgen. Die gibt es nicht, was mir sehr leidtut.
Wir sind durchaus der Auffassung, und das ist unser Vorschlag, dass es Sinn machen würde, zum Beispiel in gemeinsamer Verantwortung des Landes Berlin und der Bezirke einen gemeinsamen Bibliotheksbetrieb zu bilden, bei dem sich das Land aber auch nicht aus seiner Finanzierungsverantwortung rausmogeln darf. Daran scheiterten die bisherigen Modelle wie das Olympiamodell: am Geld. Es war keine Bereitschaft da, für die Finanzierung aufzukommen. Daran scheitern Personalausstattungskoeffizenten und Ähnliches. Es scheitert immer daran, dass Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, immer bereit sind, schicke Anhörungen zu machen, eventuell so ein bisschen rumzuschwadronieren,
aber da, wo dann sozusagen die Pflicht des Handelns kommt, die vornehmste Pflicht dieses Hauses, für die Finanzierungsgrundlagen zu sorgen, da tauchen Sie ab. Da muss ein Paradigmenwechsel erfolgen.
Solange taugt das sonst alles nichts. Da fassen wir uns bitte gemeinsam an die eigenen Nasen und versuchen, das zu entwickeln, was man Courage nennt, nämlich mit den entsprechenden Ansätzen in die Haushaltsberatungen zu gehen. Ich weiß, dass wird in dieser Wahlperiode sicher nichts mehr werden, aber ich hoffe einfach auf ein bisschen mehr guten Willen bei unseren Nachfolgern in der 18. Wahlperiode. – Vielen herzlichen Dank!
Den Begriff „Bibliotheksgesetz“ habe ich kürzlich in einem Papier gelesen, das heute schon mehrfach zitiert worden ist. Ich will jetzt die offenen Wunden vom heutigen frühen Nachmittag nicht noch einmal aufreißen.
Genau! Da steht das auch drin.
Frau Lange! Sie haben vollkommen recht. Bibliotheksgesetz, okay. Meinethalben auch ein Landeskulturgesetz. Wenn es aber finanziell nicht untersetzt wird, dann liegt das einzig und allein am haushälterischen Nichthandlungswillen der Koalition. Es ist Ihre Entscheidung, ein solches Gesetz mit den entsprechenden Mitteln zu unterlegen. Wenn Sie das nicht wollen oder nicht tun, sorry, dann setzen Sie sich bitte mit Ihren eigenen Haushältern auseinander, aber nicht mit der Opposition. Wir sind bereit, diesen Weg zu gehen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kapek! Wenn man sozusagen so eine Vision realisieren will, muss man auch das Geld dafür in der Tasche haben, ansonsten wird es schwierig.
Warten Sie es doch ab! – Ich muss Ihnen in zwei Dingen widersprechen. Das Erste ist das „großartige Geschenk“ von 200 Millionen Euro. Ich weiß nicht, ob es ein Geschenk ist, ich weiß, der Bund geht in die Finanzierung mit 200 Millionen Euro. Er ging auch bei der Staatsoper mit 200 Millionen Euro in Finanzierung, und jetzt setze ich drei Punkte: … Schauen wir, was daraus wird, ich hoffe, das Projekt funktioniert.
Die vorhin schon von Frau Haußdörfer angesprochene ÖPP-Finanzierung lehnen auch wir strikt ab. Das ist irgendwie Voodoo und bestimmt nicht gut für die Stadt.
Zum Thema Unort: Das ist eine hübsche Diskussion, die Sie hier eben losgetreten haben. Ich darf einen der Vorgänger von Herrn Senator Geisel zitieren, der sorgte dafür, der seinerzeitige Senator für Stadtentwicklung, dass 30 Pflanzen namens Ailanthus altissima – schöner Name, nicht? –, Ailanthus altissima sind Götterbäume – dort in den märkischen Sand gesteckt wurden. Die siechen seitdem mehr oder weniger optimal vor sich hin und hoffen darauf, dass sie von ihrem irdischen Dasein erlöst werden. Das wird dann auch hoffentlich passieren.
Das wird hoffentlich passieren, denn die stehen genau auf diesem Baufeld an der Potsdamer Straße, das zur Untersuchung für das Museum der Moderne vorgesehen ist.
Damit zum Thema: Unort sicher nicht, aber wir haben hier einen vollkommen vermurksten Stadtraum vor uns, der seine eigene Geschichte hat, an die man ab und zu erinnern sollte. Erstens: Dieser Museums- und Kulturstandort – Philharmonie etc. – wurde seinerzeit im Schatten der Mauer gebaut. Die Mauer ist Gott sei Dank weg, aber entsprechend sieht das da von der Struktur her immer noch aus. Dann muss ich daran erinnern, wir haben hier im Saal solche Tangentenfreunde.
Genau, solche Tangentenfreunde. Im Schatten der Staatsbibliothek sollte einmal die Westtangente langegezogen werden, vierspurig. Die gibt es nun auch nicht, aber die Schneise existiert immer noch.
Ach, sechsspurig! Genau. – Jetzt habe ich einfach Probleme, darüber nachzudenken, da fehlt mir einfach die visionäre Kraft, wie Sie im Rahmen eines umfassenden Ideenwettbewerbes diesen merkwürdigen Standort aufhübschen wollen, ohne wirklich eine vierstellige Millionensumme in die Hand nehmen zu wollen
Na ja, das dürfte es vielleicht kosten. Sagen wir einmal: einen entsprechenden Betrag in die Hand nehmen zu wollen, um dort diese ganzen Probleme zu lösen. Es geht nicht. Wir werden lediglich – und damit ist, glaube ich, schon eine ganze Menge gewonnen – uns in die Lage versetzt sehen, dort dieses Museum der Moderne – hoffentlich an der Potsdamer Straße – zu bauen, um dann in der Folge – entsprechend ist dieser Untersuchungsraum gefasst worden – das, was sich so verschämt Piazzetta nennt, aufzuwerten, sodass tatsächlich eine platzräumliche Struktur hergestellt wird für das Kulturforum, die den Namen Forum dann auch verdient. Damit wäre schon viel, viel gewonnen, wenn man das hinbekäme.
Was wir uns wünschen, ist eine große Transparenz im Verfahren von Anfang an. Hier schließen wir uns
durchaus den Intentionen der Grünen an, die schreiben, dass die eingehenden Wettbewerbsbeiträge des offenen Ideenwettbewerbs bereits vor der Jurierung möglichst öffentlich auszustellen sind und diskutiert werden sollten. Hier wird in vermutlich sehr kurzer Zeit ein weiterer Pfosten in den Stadtraum gesetzt, der lange Zeit stehen bleiben wird. Hier besteht seitens der Stadtgesellschaft durchaus der Anspruch, diese Veränderungen öffentlich zu diskutieren. Was dann daraus wird im Sinne der Zusammenführung der Sammlungen der Klassischen Moderne der Nationalgalerie Berlin, das muss man alles sehen.
Selbstverständlich betrachten wir auch mit großer Skepsis, dass das, was sich Betriebskosten nennt, nirgendwo eingestellt ist, nirgendwo angedacht wird. Allein beim Humboldt-Forum kommen auf die Stiftung Preußischer Kulturbesitz etwa 55 Millionen Euro zusätzlich zu, mit denen bisher noch niemand kalkuliert. Hier wird offenbar die nächste Pleite programmiert. Ich hoffe, dass hier eine Lösung gefunden werden kann. Vielleicht kann Frau Grütters die dann auch noch lockermachen. Herr Graf! Sprechen Sie mit ihr! Aber weisen Sie bitte die Kollegin Staatsministerin darauf hin, dass das keine Einmalzahlung ist, sondern diese Betriebsmittel jährlich fällig sind. Das ist ein ziemlicher Batzen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Der kleine Unterschied macht es aus.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Das war eben eine schöne Aussage der Koalition: Sie wollen lernen, und Sie wollen korrekt arbeiten. Das finde ich gut. Die Wahlperiode neigt sich den Ende zu; da können wir damit anfangen.
Ich räume eines ein, Herr Prieß: Ich habe mich etwas geärgert, und ich bin etwas verwundert über Ihren Antrag. Ich verstehe die Intention, kann mich aber doch einer gewissen Skepsis nicht verschließen, weil gut gemeint nicht unbedingt gut gemacht ist, und Ihr Antrag ist nicht gut gemacht.
(Matthias Brauner)
Das fängt an mit der Begründung. Ich darf zitieren:
Das Bauprojekt Sanierung der Deutschen Staatsoper ist offenkundig außer Kontrolle geraten.
Das ist ein Satz wie aus einem schlechten Opernlibretto: Man fängt mit einem Understatement an, und dann wird heftig gemordet. Ich glaube, da kommen wir nicht weiter. Es ist völlig klar: Das Ding ist außer Kontrolle geraten, aber nicht offenkundig, sondern schon seit Längerem. Genau deswegen hat dieses Haus den schon mehrfach zitierten Untersuchungsausschuss eingesetzt. Dessen Tätigkeit ist zeitlich bis Mai 2016 befristet. Das ist verteufelt knapp. Ich möchte uns alle dringlich bitten, unsere Kraft darauf zu konzentrieren, in diesem äußerst kargen Rahmen – ich denke, wie werden um ein, zwei Sitzungen mehr, als wir bisher geplant hatten, nicht herumkommen, denn das geht gar nicht anders – zu einem sinnvollen Arbeitsergebnis zu kommen, das alle Fraktionen öffentlich vertreten können. Dieser Antrag ist darum überflüssig.
Ich muss an dieser Stelle – es tut mir leid, Herr Herberg – daran erinnern, dass an der verspäteten Zeit auch Ihre Fraktion schuld ist, denn Herr Kollege Lauer hatte vor einiger Zeit, vor gut anderthalb Jahren, diesen Ausschuss angeregt, und dann wurde er von Ihrer eigenen Fraktion ausgebremst.
Aber sicher! – Das war verspielte Zeit.
Das ist völliger Quatsch. – Mit dieser Hektik, die jetzt hier das Haus ergreift, kommt man vielleicht in die Zeitung, aber nicht zu Ergebnissen. Das können Sie sich auch selbst ausrechnen, aber machen wir es hier mal: Die ursprüngliche Kostenplanung belief sich auf 239 Millionen Euro. Jetzt ist die Rede von 400 Millionen Euro. Ich teile Ihre Skepsis. Ich halte diese Zahl – zielgenau 400 000 000 – auch für sehr poetisch. Das war so kurz vor Pfingsten ein wahres Pfingstwunder. Wer an Pfingstwunder glaubt, bitte schön! – Ich tue es nicht. Übrig bleiben dann tatsächlich 161 Millionen Euro Mehrkosten. Da brauchen wir keinen zusätzlichen Bericht. Das können Sie selbst ausrechnen. Und was zwischen dem 18. Mai, dem Berichtsdatum, und dem 31., in diesen paar Tagen, dazukommt – na ja!
Auch die Auswirkungen auf den Landeshaushalt, die Sie erfragen, sind relativ banale Übungen. Natürlich hat er die zu tragen, weil der Bund – das wurde mehrfach gesagt – bei 200 Millionen Euro vorausschauenderweise gedeckelt hat. Und Dritte, wie irgendwelche berühmten Freundeskreise, für die Folgen von Fehlplanung und Misswirtschaft post festum haftbar zu machen, geht nicht.
Das wäre auch ein bisschen unanständig.
Ein Wunder wäre es auch – ich wünsche mir dieses Wunder, Herr Senator –, wenn das Haus tatsächlich im Juli 2017 fertiggestellt wäre, wie Sie so schön schreiben. Was heißt eigentlich fertiggestellt? – Na gut!
Nun würden wir, folgten wir diesem Antrag, unser Heil in einer zweimonatlichen Sonderberichterstattung suchen. Jetzt zitiere ich mal diese berühmte rote Nummer, die gestern im Hauptausschuss zustimmend akzeptiert wurde:
Gegenstand der Prüfung waren die … bestätigten Ergänzungsunterlagen, die im Rahmen der Prüfung ergänzt wurden.