Protokoll der Sitzung vom 26.03.2015

Und das ist nur ein Beispiel von vielen.

Was wir jetzt vorliegen haben, ist etwas länger, weil es eine Mischung aus vielen kleinen Dingen ist. Es ist auch gar nicht alles verkehrt, was hier vorgelegt wird. Dazu hat auch der Kollege Lux vorhin schon einiges gesagt. Aber als Ganzes ist es halt auch nichts Richtiges.

Um mal einige Dinge der Reihe nach durchzugehen, bei denen das besonders auffällt: Da ist das Kennzeichenscanning, das, ich glaube, alle meine Vorredner schon angesprochen haben. Das ist eine Maßnahme, deren Einführung begründet wird mit: Na ja, wir haben das immer schon gemacht, wir wollen es jetzt mal explizit ins Gesetz schreiben. – Das ist die Methode, die wir kennen, auch schon von den Übersichtsaufnahmen bei Demonstrationen: Wenn sich herausstellt, dass die Sicherheitsbehörden etwas tun, was nicht im Gesetz steht, dann sind es nicht die Sicherheitsbehörden, die etwas falsch gemacht haben, sondern das Gesetz ist unvollständig – oder, wie Sie es vorhin ausgedrückt haben, nicht transparent genug.

Fraglich ist allerdings, ob diese Maßnahme, so wie sie hier zur Gefahrenabwehr vorgesehen ist, überhaupt einen sinnvollen Zweck erfüllt. Gleichzeitig allerdings eröffnet sich mit dieser gesetzlichen Grundlage eben doch eine neue Form von Datenerfassung und Datenverarbeitung, die auch Profilbildung ermöglicht. Das ist in der Tat problematisch und kann nicht einfach nur als Klarstellung bezeichnet werden. Es handelt sich in der Tat um einen eigenen Grundrechtseingriff.

Dann Polizeieinsätze im Ausland und Einsatz ausländischer Polizei in Berlin: Es ist in der Tat richtig, dass das im ASOG geregelt gehört. Die Frage stellt sich allerdings, warum man an der Stelle nicht einfach die Regelungen, die es auf Bundesebene gibt, übernimmt, wo eine parlamentarische Kontrolle vorgesehen ist, wo Schranken für die Einsatzbereiche vorgesehen sind. Das tut der Senat hier nicht, und Sie haben an dem Gesetzentwurf nichts geändert. Es ist in der Tat auch nicht so, wie Sie gesagt haben, Herr Juhnke, dass es sich um Bereiche handelt, in denen zwischenstaatliche Verträge es vorsehen. Diese Bedingung des Gesetzes ist – so steht es dort – durch einen einfachen Beschluss des Senats aushebelbar. Fragt sich, wozu diese Befugnis eigentlich nötig sein soll, aber diese Frage konnte uns auch während der Beratung niemand beantworten.

Die Verlängerung des Unterbindungsgewahrsams ist in der Tat eine – Sie haben es jetzt gesagt und es zugegeben – Grundrechtsverletzung, für die es überhaupt keine Begründung gab. Die einzige Begründung, warum die Zeit, in der auf reinen Verdacht hin eine Ingewahrsam

nahme stattfinden kann, verdoppelt werden soll, ist: Na ja, ich paraphrasierte mal, vier Tage sind mehr als zwei, und mehr ist ja besser. – Eine konkrete Begründung, irgendwelche konkreten Fälle, in denen das vielleicht mal sinnvoll gewesen wäre, oder auch nur eine plausible Begründung mit Beispielen – Großereignisse wie der Kirchentag sind mit Sicherheit keine plausible Begründung an der Stelle – ist ausgebleiben. Es gibt überhaupt keine Begründung. Das reicht halt nicht. Sie scheitern hier daran, die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung auch wirklich vorzunehmen.

Und weil Sie hier etwas von Verweigerung gesagt haben: Wir haben uns differenziert mit diesem Entwurf auseinandergesetzt. Wir hätten ihn auch einfach – dafür hätte es guten Grund gegeben – in einem Bausch ablehnen können. Wir haben uns differenziert damit auseinandergesetzt. Wir haben die Spreu vom Weizen getrennt, und wir haben einen ausführlichen Änderungsantrag vorgelegt. Sie waren nicht mal in der Lage, die handwerklichen und formalen Probleme, die dieser Entwurf hat, zu adressieren. Sie haben nichts geändert. Sie haben nicht mal die Bezugnahme auf eine inzwischen veraltete und – wohlgemerkt – nicht verfassungskonforme Version des Antiterrordateigesetzes im Gesetz geändert. Insofern finde ich es bemerkenswert, dass Sie ausgerechnet uns an dieser Stelle eine Verweigerungshaltung vorwerfen.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Sie haben jetzt die Wahl. Sie können das nachholen. Sie können unseren Änderungsantrag annehmen, und dann können wir noch zu einer Form dieser Vorlage kommen, die akzeptabel wäre, oder Sie lassen es jetzt in der Tat ohne jede Beschäftigung damit passieren. Ich fürchte, dass das damit passieren wird. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Regina Kittler (LINKE)]

Danke schön, Kollege Dr. Weiß! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Oppositionsfraktionen Drucksache 17/1795-1 abstimmen. Wer dem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Linke, Grüne und Piraten geschlossen. Wer ist dagegen? – Das ist die Koalitionsmehrheit. Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag abgelehnt. Der fraktionslose Abgeordnete hat auch dagegen gestimmt.

Zur Vorlage Drucksache 17/1795 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen die Oppositionsfraktionen die Annahme. Wer der Gesetzesvorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? – Wiederum die Oppo

(Dr. Simon Weiß)

sitionsfraktionen geschlossen. Wer enthält sich? – Keiner. Damit ist das Sechzehnte Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes so beschlossen, weil das Erstere die Mehrheit war.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.3:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 18

Deutschland braucht ein Einwanderungsgesetz – Berlin muss die Initiative ergreifen

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2141

Es beginnt die antragstellende Fraktion, und Frau Kollegin Bayram hat das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dilek, Emine, Raed, das sind Namen, die wir hier ganz selbstverständlich hören und in Verantwortung sehen, und sie machen es wahrscheinlich auch nicht schlechter oder besser als Frank, Michael oder Karsten. Dennoch ist es in unserem Land nicht selbstverständlich, dass Menschen mit diesen Vornamen in verantwortungsvollen Positionen agieren und damit auch sichtbar als Ausdruck von Einwanderung, von Integration, von selbstverständlichem Miteinander in der Stadt stehen können. Deswegen haben wir heute einen Antrag eingebracht, mit dem wir eine Initiative für ein modernes Einwanderungsgesetz für ganz Deutschland fordern.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Derzeit unterhalten wir uns viel darüber, wofür Berlin eigentlich steht, nicht nur jetzt, sondern wofür es auch stehen kann. Stellen wir uns vor, wie Berlin 2025 aussehen soll. Wie wollen wir gemeinsam in dieser Stadt leben, und wie wollen wir diese Stadt gestalten?

In letzter Zeit hört man insbesondere von Herrn Oppermann aus der Bundestagsfraktion der SPD, dass 2025 6 Millionen Fachkräfte aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden werden, weil es der geburtenstarke Jahrgang ist, der dann in Rente geht. Er fragt zu Recht, was dann eigentlich passiert, wie es weitergeht und welche Fachkräfte diese Lücke, die dann entsteht, füllen sollen. Er sagt auch – und wir finden das richtig –, dass wir Einwanderung brauchen, und – und zwar heute schon – die Weichen für die Einwanderung stellen müssen, die wie ein Naturereignis kommen wird. Ob die CDU das politisch gut oder schlecht findet, ob sie an die AfD Stimmen verliert oder nicht, diese Realität kommt.

Ich würde mir wünschen, dass wir darüber diskutieren und dass wir uns verständigen, welchen Ansatz wir bei

diesem Einwanderungsgesetz wollen. Ich sage Ihnen auch: Ich persönlich finde Arbeitsmigration gut. Das ist etwas, was meine Eltern schon erfolgreich gemacht haben und viele andere auch. Es hat funktioniert. Wir können es besser – das sollten wir uns diesmal vornehmen – machen als bei der Aufnahme der Generation der Gastarbeiter. Da ist noch Luft nach oben.

Aber wir Bündnis 90/Die Grünen sagen auch: Nur mit Hochqualifizierten werden wir unser Demografieproblem und den Bedarf von Einwanderung, auch von Arbeitsmigration, nicht lösen können. Wir möchten soziale Kriterien, anhand derer dann entschieden wird, ob Menschen außerhalb Europas zu uns kommen können oder nicht. Wir möchten, dass die Menschen, die Geflüchteten, die gerade in unserer Stadt sind, für den Fall, dass sie über das Asylrecht keinen Aufenthalt erhalten, wechseln können, dass sie in den Status der Migration wechseln können und dass sie ihre Potenziale, ihre Kompetenzen dort einbringen, wo unsere Gesellschaft nicht nur die Möglichkeit hat, sie unterzubringen, sondern die Bedarfe oder zumindest aus humanitären Gründen die Verpflichtung hat.

Ich kann mir auch vorstellen – das wurde diese Woche schon bei einer Tagung des DGB diskutiert –, dass wir Legalisierungsmöglichkeiten für die Menschen finden, die es zu Tausenden in dieser Stadt gibt, die keine Papiere haben. Das hat es zwar in Deutschland noch nie gegeben, aber das wäre etwas, was wir in einem Einwanderungsgesetz mit regeln könnten, um die Türen für die Menschen zu öffnen, die eigentlich schon da sind.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Aber das würde ein Umdenken erfordern, das heißt, wir müssten uns von der Kriminalisierung von Migrantinnen und Migranten verabschieden und eine Entkriminalisierung von Migration wagen.

Denn eines steht für mich fest: Migration ist ein Menschenrecht, das es so, wie es das immer gegeben hat, auch immer geben wird. Nur wie wir damit umgehen oder nicht, das ist unsere Entscheidung. Einen Menschen zu bestrafen oder ins Gefängnis zu stecken, nur, weil er für sich oder seine Familie eine bessere Zukunft sucht und bei uns vielleicht auch finden könnte, das ist ein Fehler, und dagegen wehren wir uns.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Alexander Spies (PIRATEN)]

Bei diesem Einwanderungsgesetz wollen wir nicht nur mehr Menschen die Möglichkeit bieten, in Deutschland zu bleiben – wenn Sie so wollen, auch ein Bleiberecht für die Menschen eröffnen –, sondern wir wollen uns insgesamt integrations-/migrationspolitisch besser aufstellen. Das heißt, wir brauchen den Ausbau von Integrations- und Teilhabemöglichkeiten. Sprachkurse sind da ein

(Vizepräsident Andreas Gram)

Stichwort oder der diskriminierungsfreie Zugang zu Bildung, zu Arbeit und zu Gesundheit. Und wir wollen eine generelle Zulassung von Mehrstaatlichkeit, denn es sollte nicht davon abhängig sein, welche Vorfahren man hat. Wer in Deutschland geboren wird, sollte deutsch sein.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Eines wird es mit uns Grünen nicht geben, und zwar den Abbau der bereits bestehenden Rechte, sei es im Asylrecht, sei es im Familiennachzug – nein, vielmehr wollen wir diese ausbauen und stärken.

Wenn Sie es nicht so gewohnt sind, dass ich hier so ruhig und freundlich rede, wie ich es heute tue, dann sage ich Ihnen, warum ich das mache: Schon die Debatte über ein Einwanderungsgesetz könnte ein klares Signal aussenden, dass Deutschland Einwanderer nicht nur akzeptiert, sondern auch willkommen heißt, und zwar egal, aus welchen Gründen auch immer sie kommen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lenz, Frau Kollegin?

Ich bin fast fertig.

Zwischenfrage ist Zwischenfrage.

Wenn der Herr Kollege Lenz möchte, dann gestatte ich das gerne.

Bitte schön, Herr Kollege Lenz!

Entschuldigen Sie, Frau Kollegin Bayram, aber ich habe eine Verständnisfrage, und ich will sicher sein, dass ich das, was ich bisher gehört habe, richtig verstanden habe: Wem wollen Sie denn in Zukunft überhaupt noch die Einreise in die Bundesrepublik verwehren und wenn ja, aus welchen Gründen?

[Benedikt Lux (GRÜNE): Das fällt Ihnen zum Thema Einwanderung ein!]

Herr Kollege Lenz! Wir können doch erst einmal bei denen anfangen, die schon da sind und dann – das ist,

wenn Sie den Antrag lesen, genau die Intention – eine Kommission bilden aus gesellschaftlichen Akteuren, Wissenschaftlern, aber gerne auch verantwortlichen Politikerinnen und Politikern, die genau diese Frage beantworten soll. Wir Grünen machen da jetzt keine Vorgaben, sondern wir sagen, es ist die eigentliche Verantwortung, sich darüber zu verständigen. Vielleicht fallen uns beiden ja auch ein paar Leute ein, die wir gerne noch hier hätten.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]