Protokoll der Sitzung vom 28.05.2015

[Andreas Baum (PIRATEN): Mehr fällt Ihnen zur Rad- wegplanung nicht ein? – Christopher Lauer (PIRATEN): Sie haben eine Mehrheit in diesem Parlament!]

Ja, da seien Sie mal schön ruhig! Sie haben zwei Drittel Ihrer Mitglieder verloren als Piraten. Dann müssen die paar, die noch dabei sind, natürlich besonders laut schreien. Mit der Wahl dieser Aktualität haben Sie ein weiteres Mal unter Beweis gestellt, dass Sie im politischen Alltag eben noch nicht angekommen sind und Ihnen die wahren Sorgen und Nöte der Menschen völlig gleichgültig sind. Aber gut, wir können zum wiederholten Mal an dieser Stelle das Thema Radverkehrsstrategie des Senats verabreden und besprechen.

Es ist in der Tat so, dass Radfahren in Berlin immer beliebter wird.

[Zuruf von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Ganz ruhig, Herr Abgeordneter! Toben Sie sich bei Springer aus, aber nicht hier im Abgeordnetenhaus!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der SPD]

Ja, Herr Lauer, ich weiß, Sie müssen immer dazwischenrufen. Das dürfen Sie wahrscheinlich bei Ihrem neuen Job nicht. Aber tun Sie´s, ich lasse Ihnen den Spaß! – Rund 1,5 Millionen Wege werden bereits täglich in der Hauptstadt mit dem Fahrrad zurückgelegt, zumindest bei gutem Wetter. Das Radroutenhauptnetz wird bis 2017 weiter ausgebaut, dann rund 350 Kilometer umfassen und ausgeschildert sein. Damit wird der wachsenden Bedeutung des Radverkehrs in unserer Stadt Rechnung getragen, also auch hier beredte Beispiele erfolgreichen Handelns.

So erfreulich diese Entwicklung auch ist, sie stellt gleichzeitig eine große Herausforderung für die Stadt- und Verkehrsplanung in Berlin dar, denn gerade in Berlin ist in den letzten Jahren grundsätzlich zu wenig in die allgemeine Verkehrsinfrastruktur und damit auch in das Fahrradwegenetz investiert worden. Dabei gilt es jetzt und in Zukunft, nur einen enormen Instandhaltungsrückstau in der betreffenden Verkehrsinfrastruktur abzubauen. Auch hier steht die Koalition klar zu diesem Programm und wird dieses auch bei den nächsten Haushaltsberatungen unterlegen. Die Förderung des Radverkehrs war deshalb auch ein erklärtes Ziel der Koalitionsvereinbarung. Wir haben dieses im Rahmen der letzten Haushaltsberatungen schon als einen Schwerpunkt definiert und die finanziellen Mittel zur Radwegesanierung aufgestockt. 4 Millionen Euro stehen damit allein dem Radwegesanierungsprogramm jährlich zur Verfügung. Nicht unerwähnt sollte an dieser Stelle bleiben, dass die Bezirke neben dem vereinbarten Zuschuss von 50 Millionen Euro weiterhin einen jährlichen Betrag von 25 Millionen Euro im Rah

men des Schlaglochsanierungsprogramms zur allgemeinen Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur erhalten.

Uns ist bewusst, dass diese Beiträge nicht immer ausreichen, um das gesamte Netz schnellstmöglich instandzusetzen. In Anbetracht der finanziellen Situation unserer Stadt ist das jedoch ein nennenswerter Beitrag, den wir als Koalition gemeinsam, als SPD und CDU, auch zur Förderung der allgemeinen Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung gestellt haben. Das sind erst einmal einige Fakten, die belegen, dass die Koalition und der Senat sich offensiv diesen Aufgaben stellen und zukunftsweisendes Handeln unter Beweis stellen. Nicht zuletzt deshalb haben wir dafür gesorgt, dass die Berliner Radverkehrsstrategie erarbeitet wurde. Dieses Strategiepaket soll beispielsweise dazu beitragen, dass zur besseren und sicheren Abwicklung des Radverkehrs fortlaufend auch die Einrichtung von Radfahrstreifen auf Hauptverkehrsstraßen geprüft und in Abhängigkeit von der jeweiligen Verkehrs- und der baulichen Situation umgesetzt wird.

Dort, wo das Umfeld es zulässt, soll auch der Bau von sogenannten Fahrradstationen, insbesondere im Umfeld von U- und S-Bahnhöfen, in unserer Stadt realisiert werden. Denn die gegenwärtige Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass Fahrradabstellanlagen häufig nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Dieses Defizit gilt es vorrangig zunächst einmal zu beseitigen. Bereits heute existieren Fahrradstationen an einigen Stellen im Stadtgebiet. Das Potenzial kann aber noch wachsen. Der Berliner Senat prüft deshalb aktuell, an welchen Stellen die Errichtung von zusätzlichen Fahrradabstellmöglichkeiten im Allgemeinen und von Fahrradstationen im Besonderen möglich ist. Wir setzen uns auch dafür ein, dass eine größere Kapazität des öffentlichen Nahverkehrs zur Beförderung von Fahrrädern zur Verfügung gestellt wird, um diese umweltfreundliche Art auch zu fördern. Der Senat steht in dieser Frage mit den betreffenden Verkehrsunternehmen, sowohl den landeseigenen als auch der Deutschen Bahn, im Kontakt. Ein beredtes Beispiel ist diese S-Bahn-Ausschreibung, die momentan läuft, die die Grünen ja auch anhalten wollen, damit in dieser Stadt gar nichts mehr funktioniert.

Die verstärkte Nutzung des Verkehrsraums durch die unterschiedlichen Mobilitätsformen erfordert jedoch noch stärkere Anstrengungen im Bereich der Mobilitätserziehung. Da besonders Kinder und junge Menschen aufgrund fehlender Erfahrung im Straßenverkehr besonders gefährdet sind, unterstützen und stärken wir die Rolle der Jugendverkehrsschulen und passen die Rahmenlehrpläne im Schulgesetz entsprechend an.

Die zunehmende Verbreitung von Elektrofahrrädern, den Pedelecs, schafft neue Möglichkeiten, auch im Fahrradverkehr. Das größte Verlagerungspotenzial sehen wir im Bereich von Entfernungen bis zu fünf Kilometern. Das ist der Bereich, in dem mehr als 50 Prozent aller Autofahrten

in Berlin stattfinden. Wir unterstützen ein Miteinander der verschiedenen Verkehrssysteme, und es ist unser erklärtes Ziel, das Radwegenetz weiter auszubauen, das Fahrrad besser mit anderen Verkehrsmitteln zu verzahnen und es eben nicht zu anderen Verkehrsmitteln in eine kritische Distanz zu bringen. Ziele in der Stadt müssen zu Fuß, per Rad und mit einem guten öffentlichen Nahverkehr gut erreichbar sein. Zudem setzen wir auf neue Mobilitätskonzepte wie beispielsweise die Elektromobilität, das Carsharing und auch Mietfahrräder. Wir fördern auch weiterhin die wachsende Attraktivität des Fahrradverkehrs und wollen die Sicherheit von Radfahrern u. a. mit besseren Radwegen erhöhen.

Verkehrssicherheit hat für uns sehr hohe Priorität. Jedes Unfallopfer ist eines zu viel. Die Zahl der Verkehrsopfer wollen wir weiterhin deutlich senken und damit die rückläufigen Entwicklungen der letzten Jahre fortsetzen. Die verstärkte Nutzung des Verkehrsraums durch die unterschiedlichen Mobilitätsformen erfordert jedoch noch stärkere Anstrengungen im Bereich der Mobilitätserziehung. Dazu gehört natürlich auch, dass endlich jeder Fahrradfahrer einen Fahrradhelm trägt und zu seiner eigenen Sicherheit auch einiges beiträgt, damit es eben nicht zu schweren Unfällen kommt. Auch als Vertreter der Union sage ich: Ich wünschte mit, dass wir, auch von Berlin ausgehend, eine Initiative starten, dass Fahrräder mit Kennzeichen ausgestattet werden. Ich finde, gleiches Recht gilt für alle im Straßenverkehr,

[Beifall bei der CDU – Beifall von Iris Spranger (SPD)]

für Autos, für Motorradfahrer, aber auch für Fahrradfahrer. Sie nutzen heutzutage schon Fahrräder – die besagten Pedelecs –, die weit über 30 Stundenkilometer fahren und Schäden verursachen. Auch zur Beweissicherung, das darf man nicht verschweigen, ist es ein Recht aller zu erfahren, wer etwas verursacht hat oder wer unschuldig ist. Deswegen ist es wichtig, diese Kennzeichnung einzuführen.

Für uns steht immer der Interessenausgleich mit allen Verkehrsteilnehmern im Vordergrund. Ein Gegeneinander der unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer wird es jedenfalls mit der Union nicht geben. Das Programm der Koalition aus SPD und CDU umfasst Radrouten, Fahrradstraßen, Fahrradstreifen, Fahrradwegweisung, Verkehrssicherheitsaktionen der Polizei und der Innenverwaltung,

[Benedikt Lux (GRÜNE): Welche denn?]

eine Routenplanung „Unterwegs in Bus und Bahn“ und auch der Ausbau des Netzes und die Reaktion darauf bei der S-Bahn-Ausschreibung sowie der Ausbau des Wegenetzes für Radfahrer. Das lässt sich sehen! Die Koalition geht diesen Weg erfolgreich weiter. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Danke schön! – Für eine Zwischenbemerkung hat jetzt der Kollege Gelbhaar das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Für den letzten Teil der Rede hätte ich mich, ehrlich gesagt, nicht noch einmal nach vorne begeben. Das war so ruhig vorgetragen wie von einem Verwaltungsbeamten. Da konnte ich kein Engagement für den Radverkehr oder für irgendein anderes Thema wahrnehmen. Der erste Teil bestand aber noch aus etwas mehr als nur aus modularen Bausteinen einer Rede. Das scheint nicht nur eine Variante der SPD zu sein, Reden zu bauen, das gibt es anscheinend auch bei der CDU. Deswegen meinte ich, mich noch einmal melden zu müssen.

Sie, liebe Herren und Damen von der Koalition, müssen unter Beweis stellen, dass Sie das mit der Fahrradstadt auch nur einen Zentimeter weiterbringen wollen. Herr Friederici! Sie können die Unfallzahlen gerne anders bewerten. Sie können auch das Leihfahrradsystem anders bewerten. Widerspruch muss aber folgen, wenn Sie unterstellen, dass hier die Unwahrheit geäußert wurde.

[Steffen Zillich (LINKE): Ja!]

Ich frage Sie einfach mal zurück: Wann ist der Vertrag für das Leihfahrradsystem ausgelaufen? – Am 31. Dezember 2014. Was macht man, um einen Anschlussvertrag abzuschließen? – Man startet rechtzeitig eine Ausschreibung und hat dann zum 1. Januar 2015 einen neuen – oder auch den alten – Vertragspartner mit einem neuen Vertrag. Das haben wir aber nicht. Wir sind stattdessen mitten in der Ausschreibung. Es ist noch nicht einmal der Zuschlag erteilt worden. Da kann man doch wohl mit Fug und Recht behaupten, dass da eine Verspätung eingetreten ist, zumal wenn man, wie in meinem Fall, auch noch nachfragen musste, damit überhaupt etwas in Gang kommt, und zwar im Oktober letzten Jahres. Mit Verlaub: Da liegen Sie einfach falsch! Ich verkneife es mir, irgendwelche anderen Ausdrücke zu verwenden. Sie sollten sich dazu einfach noch mal informieren.

Zu den Unfallzahlen: Ich weiß nicht, an welcher Veranstaltung Sie teilgenommen haben, aber die Unfallzahlen für das Jahr 2014 waren nun wahrlich kein Ruhmesblatt. Es gab mehr Tote im Radverkehr, und das schreckt mich auf. Wenn Sie das nicht aufschreckt, dann frage ich mich, wo Ihre von den Worten her an einigen Stellen durchaus unterschreibenswerte Aussage emotional begründet ist. Ich glaube Ihnen das nicht! Sie müssten mal nach Amsterdam oder Kopenhagen fahren oder die „Fahrradprofessorin“ aus Breda einladen und sich erzählen lassen, wie das anderswo funktioniert. Denn das geht, und es ist traurig, dass es anderswo möglich ist, eine Fahrradstadt zu errichten, nur nicht in Berlin. Das ist der Fehler,

(Oliver Friederici)

deshalb müssen wir weiterhin darum streiten, und deswegen bin ich so traurig über Ihre Rede, Herr Friederici!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Herr Friederici! Für eine Erwiderung haben Sie jetzt das Wort.

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Gelbhaar! Meine Damen und Herren! Ich kann ja verstehen, dass die Grünen getroffen sind, dass die Piraten jetzt ein Thema aufrufen, das ursprünglich mal Kernthema der Grünen war.

[Oh! von den GRÜNEN und den PIRATEN – Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN): Langweilig!]

Ich weiß das, und so ist ja auch der einheitliche Chor der Proteste zu verstehen. Sie müssen allerdings zur Kenntnis nehmen: Wenn Sie hart austeilen, dann müssen Sie auch einstecken können.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wir teilen doch gar nicht hart aus! Was für ein Blödsinn!]

Und wenn Sie zum Beispiel, wie gerade schon wieder, behaupten, uns seien Verkehrstote und verunfallte Menschen egal, dann sage ich Ihnen ganz einfach: Das ist es nicht!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Deswegen treten wir hier nämlich auch an und halten Reden, die inhaltlich rüberkommen, die Ihnen vielleicht als beamtenmäßig zur ruhig rüberkommen, die aber inhaltlich zumindest so untersetzt sind, dass die, die sich damit auskennen, etwas damit anfangen können.

[Antje Kapek (GRÜNE): Wer denn?]

Ich will Ihnen nur noch mal in Erinnerung rufen: Der Winter des Jahres 2012/2013 wie auch der folgende Winter sowie die warme Zeit dazwischen waren deutlich kürzer und im Jahr 2014 deutlich länger. Allein deswegen, aber auch durch den glücklichen Zuwachs von 40 000 Menschen, die neu in der Stadt wohnen, sowie den Zuwachs von über einer Million Touristen, den wir im Jahr 2014 zu verzeichnen hatten, ist es bedauerlicherweise – und ich sage deutlich: bedauerlicherweise und schlimmerweise – zu mehr Unfällen gekommen, leider auch zu Verkehrstoten. Deswegen haben wir uns als Koalition, Senat und Parlamentsfraktionen aus SPD und CDU, eine Verkehrssicherheitsinitiative überlegt, zu der ich Entsprechendes vorgetragen habe. Wenn Sie das nicht verstehen und begreifen wollen, erkenne ich daran nur, dass Sie getroffen sind,

[Steffen Zillich (LINKE): Mann, Mann, Mann!]

dass Sie für einen Bereich, für den die Grünen einmal gestanden haben, nämlich für den Fahrradverkehr, für umweltgerechtes Bewegen von Menschen von A nach B,

nicht mehr stehen wollen oder können und sich eigentlich nur darüber ärgern, dass andere Parteien da inzwischen schon viel weiter und besser sind. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD – Beifall von Fabio Reinhardt (PIRATEN) – Zuruf von den PIRATEN: Jetzt auf einmal!]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Kollege Wolf das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor ziemlich genau einem Jahr hatten wir eine Aktuelle Stunde zu einem ähnlichen – um nicht zu sagen: zum selben – Thema. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass es eine gewisse Ähnlichkeit der damals gehaltenen Redebeiträge zu den heutigen Beiträgen gibt. Ich habe gelernt, dass der Kollege Michael Müller damals die Rede von Ole Kreins gehalten hat. Das ist zumindest ein Erkenntnisgewinn, den ich aus der heutigen Debatte gewonnen habe.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Aus gegebenem Anlass will ich deshalb auch noch mal aus meiner damaligen Rede zitieren.

[Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ich habe damals gesagt:

Wir haben kein Erkenntnisdefizit. Wir haben auch kein Defizit an guten Konzeptionen, die auf dem Papier stehen. Wir haben ein Finanzierungsdefizit, ein Umsetzungsdefizit und ein Kontrolldefizit wie in vielen anderen Bereichen auch, und das muss sich ändern.