Protokoll der Sitzung vom 28.05.2015

[Zuruf von Regina Kittler (LINKE)]

In unserem Fall: Wenn Berlin-Energie tatsächlich den Fehler gemacht hat, eine nicht formgerechte Bewerbung abzuliefern, dann darf dieser Fehler nicht zulasten der anderen Bewerber gehen. Das wird wohl auch nicht so sein. Wie gesagt, die Juristen in der Finanzverwaltung müssen da die endgültige Beurteilung und Entscheidung fällen, aber in meiner politischen Bewertung sehe ich das so: Ein Fehler des Mitspielers Berlin-Energie darf nicht dazu führen, dass die anderen Mitspieler einen Nachteil haben.

Nun ist es so, ein Herausfallen von Berlin-Energie beim Stromverfahren und ein Weiterführen des Verfahrens ohne Berlin-Energie ist sicherlich für den einen oder anderen politisch höchst unerwünscht. Aber ich glaube, dass auch die Opposition einsieht, dass das Recht über den politischen Wünschen steht, und dann ist es eben so, auch wenn man das nicht gerne möchte.

Lieber Herr Kollatz-Ahnen! Ich beneide Sie nicht um Ihre Aufgabe, wirklich nicht.

[Martin Delius (PIRATEN): Ich schon!]

Ihr Vorgänger hat angesichts dieser sehr verfahrenen Situation beschlossen, lieber wieder mit Fischen zu handeln als mit Zitronen.

[Zuruf von Martin Delius (PIRATEN)]

Ich bin aber sicher, dass Sie mit tatkräftiger Unterstützung Ihrer Kollegin Cornelia Yzer ein gutes Verhandlungsergebnis erreichen werden, ein Verhandlungsergebnis, das vielleicht nicht jeden Parteitag zufriedenstellt, das mag sicher so sein, aber ein Verhandlungsergebnis, das im Interesse der Beschäftigten der Netzgesellschaft und der Strom- und Gaskunden in dieser Stadt ist. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]

Vielen Dank, Herr Dr. Garmer! – Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat jetzt der Abgeordnete Harald Wolf. – Bitte!

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Garmer! Ich möchte zwischen uns beiden Nichtjuristen gerne den juristischen Disput weiterführen

[Heiterkeit – Martin Delius (PIRATEN): Mut zur Lücke!]

und bei Ihrem Beispiel mit Schiedsrichtern und Mitspielern und dem Fußballspiel bleiben.

[Michael Dietmann (CDU): Das verstehen ja alle!]

Ich hoffe es! – Also, wenn eine Mannschaft in einem Fußballspiel sagen wir jetzt mal mit 22 Spielern aufläuft, ist das erst einmal ein Fehler des Mitspielers. Wenn aber der Schiedsrichter diese Mannschaft dann zulässt in Kenntnis dessen, dass sie mit 22 Spielern aufläuft, und das Spiel anpfeift, bin ich sicher, wird vor dem Sportgericht das Ergebnis dieses Fußballspiels für ungültig erklärt.

[Michael Dietmann (CDU): Aber nicht bei der Fifa! – Allgemeine Heiterkeit]

Wenn Sie den Senat – so weit würde ich als Opposition nicht gehen – mit der Fifa vergleichen,

[Allgemeine Heiterkeit – Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Beifall von Daniel Buchholz (SPD)]

werden Sie den seltenen Moment erleben, dass ich mich schützend vor diesen Senat stelle.

[Beifall und allgemeine Heiterkeit]

Zurück zum eigentlichen Thema! Das Problem ist doch: Nach Auffassung des Landgerichts ist Berlin-Energie rechtswidrig zugelassen. Es hätte erst gar nicht zum Verfahren zugelassen werden dürfen. Das sagt das Landgericht. Das ist ein Fehler der verfahrensleitenden Stelle, wenn sich diese Rechtsposition durchsetzt. Dieser Fehler ist im laufenden Verfahren nicht zu korrigieren, weil es schon passiert ist, und zwar ganz zum Anfang des Verfahrens. Das war sozusagen der erste Verfahrensschritt.

Mit anderen Worten, das ist meine Schlussfolgerung: Gerade mit Ihrer Argumentation, dass man die Fehler der verfahrensleitenden Stelle nicht den Mitspielern zurechnen kann, ist es zwingend, dass zurückgesetzt wird, da dieses Verfahren in jeder Hinsicht angreifbar ist unter der Voraussetzung, dass sich die Rechtsauffassung des Landgerichts weiter durchsetzt. Aber wie gesagt, da sind wir alle in der Unsicherheit. Wir wissen nicht, wie das in den nächsten Verfahren ausgeht.

Deshalb sind wir dafür, dass wir uns als Land Berlin auf die sichere Seite begeben. Und dann zahle ich gerne die Schadenersatzforderungen von Vattenfall und ggf. auch von Bürger-Energie Berlin, weil wir hier über die nächsten 15 Jahre Infrastruktur im Land Berlin reden. Dafür bin ich gerne bereit, ein bisschen Geld hinzulegen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Vielen Dank! – Herr Dr. Garmer! Möchten Sie antworten? Dann hätten Sie jetzt die Gelegenheit. – Nein, Sie verzichten. – Dann hat jetzt für die Piratenfraktion das Wort der Herr Abgeordnete Mayer. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Und ewig grüßt die Netzvergabe, hat man so langsam das Gefühl. Das Thema verfolgt uns jetzt schon seit zwei Jahren und wird es sicherlich noch eine ganze Weile weiter tun. Ganz ohne Häme muss man jetzt immer wieder feststellen, dass sich halt rächt, dass das Land Berlin seinerzeit leider die Bewag und die GASAG für sehr wenig Geld verscherbelt hat.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Wir sind dagegen, das Verfahren zur Stromnetzvergabe jetzt abzubrechen. Aus unserer Sicht kann das nur das letzte Mittel sein, nämlich wenn das laufende Vergabeverfahren tatsächlich so schwerwiegende Mängel haben sollte, dass es wirklich undurchführbar wird, aber das können wir derzeit nicht feststellen. Derzeit überwiegen aus unserer Sicht die Nachteile, wenn man das tun würde. Auf der einen Seite erweckt es den Eindruck, dass man die Vergabe so oft wiederholen möchte, bis es dann irgendwie passt und funktioniert. Über die Schadenersatzforderungen der Bewerber wurde auch schon einiges gesagt. Dem muss man sich auch nicht ohne Not aussetzen.

Mit der GASAG zu reden, wie wir gehört haben, ist okay. Im Zusammenhang mit dem Stromnetz allerdings – das wurde auch schon von einigen Vorrednern gesagt – haben wir eine ganz andere Situation. Wir haben beim Stromnetz drei Bewerber. Wir haben noch keine Entscheidung beim Stromnetz. Aus unserer Sicht moniert die BürgerEnergie Berlin tatsächlich zu Recht, dass es bei den Gesprächen, die jetzt auch mit Vattenfall als GASAGAnteilseigner geführt werden, auch um das Stromnetz gehen könnte, denn ich kann mir nicht wirklich vorstellen, wie man miteinander reden und dieses Thema komplett ausklammern will. Das steht ja, selbst wenn man nicht darüber spricht, ständig als Geist im Raum.

Herr Schäfer hat zu Recht gesagt, wir haben uns hier alle in den letzten zwei Jahren ziemlich ins Hemd gemacht, wenn man nicht mit allen Bewerbern gleich redet, dass das Probleme gibt. Wie sich dieses Problem jetzt vermeiden lassen soll im Zusammenhang mit den Gesprächen nur mit der GASAG, das sehe ich noch nicht. Und es macht von der Sache her dummerweise auch gar keinen Sinn, nur über das eine oder das andere mit Vattenfall zu reden.

Wie wir gestern in der Enquete-Kommission gehört haben, das fand ich sehr interessant, ist eigentlich der integrierte Betrieb von Strom- und Gasnetz das, was üblich ist. Das heißt, was wir in Berlin haben, ist eigentlich eher die Ausnahme. Die gibt es auch noch anderswo, aber üblicherweise nimmt man einen Betreiber für beides, weil die Vorteile offenbar überwiegen, das so zu tun. Von

(Harald Wolf)

daher macht es auch Sinn, wenn wir gucken, wie wir auch in diese Situation kommen.

Wie jetzt weitermachen? – Guter Rat ist jetzt natürlich teuer. Die Situation ist verfahren. Das haben wir, glaube ich, alle gesehen, aber man muss es ja jetzt nicht noch ohne Not schlimmer machen. Die Variante, für die wir uns aussprechen, ist, das Vergabeverfahren für das Stromnetz so zügig wie möglich zu Ende zu bringen. Das haben Sie natürlich nicht allein in der Hand. Da macht es natürlich Sinn, weitere Urteile abzuwarten, aber geklagt wird am Ende ohnehin, egal wie die Verfahren ausgehen. Wiederholen kann man Verfahren auch immer noch. Aber etwas zu wiederholen, bevor man es wirklich zu Ende geführt hat?

Dann vielleicht noch etwas zu Herrn Schäfer und der Grünen-Position zum Gas als furchtbarer fossiler Energieträger: Was ich gelernt habe, ist, dass das Thema Speicher in Zukunft auf jeden Fall relevant werden wird. Spätestens wenn wir 70, 80 Prozent erneuerbaren Anteil haben, werden wir das Gasnetz wieder brauchen. Davon bin ich überzeugt, es gibt beim Thema Langzeitspeicher keine Alternative zum Gasnetz, also Langzeitspeicherung von Strom. Da gibt es keine technische Alternative. Insofern ist es auch wichtig, die Gasinfrastruktur dort auch zu erhalten. Das ist aus unserer Sicht kein Auslaufmodell.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schäfer?

Ja!

Bitte!

Vielen Dank, Herr Kollege! – Stimmen Sie mir zu, dass es – a – noch völlig offen ist, ob Power-to-Gas jemals wirtschaftlich wird, leider, wir hoffen alle darauf, und – b – wenn es wirtschaftlich wird, es eine große Wahrscheinlichkeit dafür gibt, dass es wahrscheinlich eher die großen Anlagen sein werden, die wirtschaftlich sind, und dass dann es sehr gut sein kann, dass es effizienter in der Fernwärme als im Gas dezentral genutzt werden kann und als reines Speichermedium wir auch den Erdgasspeicher haben, von dem wir laut Klimaneutrales-BerlinStudie nur 10 Prozent brauchen? Also woher nehmen Sie die Gewissheit, wenn Power-to-Gas kommt, dass dann auch das Gasnetz an Relevanz gewinnt?

Danke schön!

Ich habe mir im Rahmen der Arbeit in der EnqueteKommission einen Großteil der existierenden Speicherstudien angesehen und durchgearbeitet, und das war sozusagen der Hintergrund. Wir werden Kurzzeit- wie auch Langzeitspeicher benötigen. Die Größenordnungen sind in etwa bekannt. Wann wir sie benötigen werden, ist in etwa bekannt. Für die Kurzzeitspeicher gibt es eine ganze Reihe von technischen Lösungen: Pumpkraftwerke, Batteriespeicher. Für Langzeitspeicher ist die einzige derzeit bekannte Lösung, die diese Energiemengen aufnehmen und diese Leistung bereitstellen kann, Power-toGas-Verfahren. Insofern gibt es dazu derzeit keine sichtbare Alternative. Natürlich kann es sein, dass in 15 Jahren irgendwas völlig Neues kommt. Ich halte das aber eher für unwahrscheinlich. Daher nehme ich halt mittlerweile meine Überzeugung, wir haben zu Power-to-Gas einfach keine Alternative für die Hälfte unserer Speicherleistung, die wir benötigen.

[Beifall von Alexander Morlang (PIRATEN)]

Vielleicht komme ich mal langsam zum Schluss. Noch eine Sache: Wir werden auch die Übertragungskapazitäten des Gasnetzes benötigen, denn wenn man sich anschaut, wie viel Energie Höchstspannungsleitungen transportieren können, dann ist es doch erschreckend wenig. Um beispielsweise Berlin zu versorgen und den Berliner Energiebedarf zu decken, braucht man die Leistung von sechs Höchstspannungsleitungen.

Jetzt noch ein letzter Punkt zu Herrn Dr. Garmer: Ich fand, was Sie hier gesagt haben, nicht nur erstaunlich, sondern in Teilen auch ungeheuerlich, dass die CDU das vorher gewusst hat, dass es nicht funktionieren wird. Ich finde es auch nicht redlich, wie Sie mit Herrn Nußbaum umgegangen sind. Das hat mir so auch nicht gefallen. Ich finde das nicht in Ordnung, sich hier über jemanden zu äußern, der nicht mehr da ist, ganz egal, was er hier gemacht hat.

[Zuruf von Heidi Kosche (GRÜNE)]

Das muss ich jetzt hier einfach loswerden. – Noch mal abschließend: Bringen Sie das Vergabeverfahren zum Stromnetz zu Ende! Wie gesagt, wiederholen kann man es immer noch, wenn es denn nicht funktionieren würde. Ein integrierter Betreiber für Strom- und Gasnetz sollte nach wie vor das Ziel für uns sein, weil das volkswirtschaftlich die beste Alternative ist. – Danke!

[Beifall bei den PIRATEN]

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

(Pavel Mayer)

Zu dem Antrag Drucksache 17/2209 empfiehlt der Hauptausschuss mehrheitlich – gegen Grüne und Linke – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke und zwei Stimmen aus dem Kreis der Piratenfraktion. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU, der fraktionslose Abgeordnete,

[Torsten Schneider (SPD): Und der Rest! – Heiko Herberg (PIRATEN): Am besten nach Enthaltungen fragen!]