Protokoll der Sitzung vom 11.06.2015

Im ersten Quartal 2015 sind die Zahlen erneut positiv: Einzelhandel 6,9 Prozent Wachstum; Industrieumsatz 6,9 Prozent Wachstum; das Bauhauptgewerbe sogar 8,8 Prozent. Mit der Konjunktur wachsen die Beschäftigtenzahlen.

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Nehmen Sie die Monatszahlen im Vergleich: allein im IKT-Bereich fast 5 000 Beschäftigte mehr als im Vorjahresmonat; auch in der Industrie 1 100 Beschäftigte mehr als im Vorjahresmonat. Dennoch gibt es einzelne schwierige Situationen. Das Plenum hat dies heute mit Blick auf Siemens bereits entschieden – und für diese Resolution bin ich dankbar. Gleichzeitig sage ich aber auch, dass das wichtigste produzierende Unternehmen der Stadt auch in schwieriger Zeit Flankierung und Rückendeckung durch die Politik braucht.

[Steffen Zillich (LINKE): Hört, hört!]

Da muss man ehrlich adressieren, was man an Erwartungen hat. Da muss man aber auch deutlich das Signal geben, wozu man als Senat bereit ist, ein Unternehmen zu begleiten. Der Regierende Bürgermeister und ich führen in diesen Tagen immer wieder Gespräche mit führenden Vertretern von Siemens, weil ich überzeugt bin, dass das Gasturbinenwerk technologisch eine Zukunft hat und dass trotz eines schwierigen Marktumfelds Qualifikationen am Standort nicht verspielt werden dürfen.

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Darüber hinaus sind die sonstigen Kompetenzen, mit denen Siemens als führendes Unternehmen in der Stadt aktiv ist und wo in vielen Projekten des Senats mit Siemens zusammengearbeitet wird, Ansatzfelder, um für die Zukunftsausrichtung des Unternehmens ein Angebot aus der Stadt heraus zu machen. Daran zu arbeiten, ist die Verantwortung, die wir als Senat haben und auch wahrnehmen.

[Beifall bei der CDU – Udo Wolf (LINKE): Reden Sie mal mit der Bundesregierung über die Energiewende!]

Und wenn ich die Industrieunternehmen in dieser Stadt sehe, die 2,3 Milliarden Euro investiert haben –

(Pavel Mayer)

[Steffen Zillich (LINKE): Glauben Sie eigentlich, dass Wirtschaftspolitik ein Kernthema der CDU ist?]

General Electric, BMW, Daimler –, dann sind das die großen Beispiele, die glücklicherweise jedem präsent sind. Aber es sind auch die vielen Mittelständler: Es ist Viessmann, es ist Jonas & Redmann, es ist KnorrBremse, es ist Brose, es ist Braun Melsungen. All das sind Investitionen in Industrieunternehmen dieser Stadt allein in den vergangenen Monaten gewesen.

Bei den Investitionen hat Digitalisierung einen hohen Stellenwert. Industrie 4.0 wird die gesamte industrielle Wertschöpfungskette verändern. Da werden wir uns in Deutschland als Industriestandort insgesamt, aber natürlich auch in Berlin auf Umbrüche einstellen müssen. Aber Industrie 4.0 hat auch das Potenzial, die Bruttowertschöpfung um 30 Prozent zu steigern. An diesem Potenzial wollen wir teilhaben.

[Ajibola Olalowo (GRÜNE): Wie denn?]

Deshalb stellen wir die Weichen in Berlin, um diese Chance zu nutzen. Dank der Stärke unserer Digitalwirtschaft haben wir gute Voraussetzungen, eine führende Rolle zu übernehmen. Wir arbeiten vor allen Dingen in enger Kooperation mit den Forschungseinrichtungen dieser Stadt und mit Unternehmen daran, dass wir Kompetenzen weiter aufbauen können. Das Big-Data-Institut, das gerade zur Technischen Universität gekommen ist, ist ein Kompetenzzentrum Industrie 4.0, dessen Konzept wir gerade mit den Forschungseinrichtungen und den Unternehmen der Stadt gemeinsam entwickeln, um uns erfolgreich um die Bundesförderung bewerben zu können. Wir wollen ein Anwendungszentrum und nicht nur Entwicklungszentrum für Industrie 4.0 schaffen. Dass viele, auch große Player sehen, welchen hohen Stellenwert die Digitalwirtschaft und ihre Kompetenz in dieser Stadt hat, sieht man daran, dass Berlin zum Zentrum der Labs, der Inkubatoren und Akzeleratoren geworden ist. Hier nur beispielshaft nennen möchte ich Deutsche Bahn, Deutsche Bank, Klöckner, Otto Bock, E.ON oder Cisco. Heute Morgen habe ich gerade ein neues Zentrum von Amazon eröffnet. 450 Arbeitsplätze werden hier aufgebaut.

Wir sind IT- und Digitalstandort Nr. 1 in Deutschland und ein führender Hub in Europa. Wenn Sie das „VentureCapital Magazin“ in diesen Tagen lesen, dann sehen Sie, dass die Firmen der Hauptstadt im ersten Quartal 2015 876 Millionen Euro mehr Wagniskapital einsammelten als alle anderen europäischen Metropolen. Letztes Jahr waren wir noch hinter London – dicht hinter London – auf Platz 2. Wir haben alle Chancen, jetzt die führende Rolle zu übernehmen. Ich weiß noch, dass diese Ankündigung als „nach den Sternen gegriffen“ bezeichnet wurde, als ich sie letztes Jahr machte. Wir haben alle Chancen, dass die Ankündigung Realität wird.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Frau Senatorin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Höfinghoff?

Bitte!

Vielen Dank! – Frau Senatorin! Sie haben gerade einige Entwicklungszahlen der Wirtschaft in Berlin genannt. Sie haben auch noch mal auf das Amazon-Zentrum abgestellt. Dazu meine Frage: Wie haben sich denn die Reallöhne in Berlin in den letzten Jahren entwickelt? Haben Sie den Eindruck, dass dieser wirtschaftliche Aufschwung, den Sie skizziert haben, auch bei der Berliner Bevölkerung ankommt?

Ja! Die Berliner Bevölkerung profitiert selbstverständlich von diesem Aufschwung, und die Beschäftigtenzahlen weisen es aus. Richtig ist, dass wir durchaus unterschiedliche Entwicklungen in den Sektoren haben. Sie wissen aber auch, dass gerade in der IT- und Digitalbranche inzwischen sehr positive Entwicklungen im Lohnbereich zu verzeichnen sind. Es ist immer so, dass ein Wirtschaftsstandort seine Stärke entwickeln muss und die Löhne folgen. Dafür treten wir auch ein. Das ist ein wichtiges Thema. Letztendlich ist aber die starke wirtschaftliche Basis Voraussetzung dafür, dass wir nicht nur als Wirtschaftsstandort, sondern auch als Standort für Beschäftigung und Lohnentwicklung zu den übrigen Regionen Deutschlands aufschließen und uns möglichst auch an die Spitze setzen.

Wenn jeder achte Arbeitsplatz in der Digitalbranche geschaffen wird, dann belegt dies, dass wir hierbei auf einem guten Weg sind. Dass hier Wirtschaftsförderung auch einen Beitrag leistet, das zeigen gerade die Unternehmen, die mit Förderung des Landes in den letzten Jahren aus der Start-up-Phase in die Wachstumsphase gegangen sind. Nehmen Sie „6Wunderkinder“! Die Übernahme durch Microsoft zeigt, dass hier ein mit ProFIT-Förderung gefördertes Unternehmen mit einer enormen Wachstumsdynamik vorangehen kann. Delivery Hero hat inzwischen eine Bewertung von 3 Milliarden Euro. Nokia Here hat eine Bewertung von 3 Milliarden Euro. Gerade konkurrieren Daimler-Benz und Facebook um das Unternehmen. Das zeigt auch, dass hier große Player und junge Unternehmen in der Stadt zum Zuge kommen.

[Ajibola Olalowo (GRÜNE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

(Senatorin Cornelia Yzer)

Frau Senatorin! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Olalowo zulassen.

Gerne!

Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank! – Eigentlich hatte ich eine andere Frage, aber da Sie es gerade ansprechen: In Bezug auf „6Wunderkinder“ würde mich interessieren, für wann der Exit des Venture-Capital-Investments Berlins geplant ist.

Herr Olalowo! Ich weiß, dass Sie Schwierigkeiten haben, ProFIT-Förderung und Venture-Capital-Fonds bei der IBB auseinanderzuhalten. Die Debatte hatten wir ja kürzlich schon einmal im Plenum. Ich habe hier von einer ProFIT-Förderung im Jahr 2013 gesprochen, und da können Sie sehen, dass man mit zielgerichteter Förderung große Wachstumssprünge bei einem Unternehmen hervorrufen kann.

[Beifall bei der CDU – Ajibola Olalowo (GRÜNE): Und auf die Rückflüsse verzichtet – geschickt gemacht!]

Herr Olalowo! Ihre Frage belegt, dass Sie die Start-upWachstumsfinanzierung nicht ganz im Überblick haben.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Carsten Schatz (LINKE)]

Berlin ist auch für große Unternehmen zunehmend ein starker Standort. Nehmen Sie einmal den Sektor der Shared-Service-Einrichtungen: 75 Prozent der deutschen Top-Unternehmen haben inzwischen ein Shared-ServiceCenter in Berlin. Dazu gehören E.ON, Mercedes, Deutsche Bank, Deutsche Bahn oder auch die BASF.

Und die Wirtschaftsentwicklung: Natürlich sind es die Investitionen der Unternehmen, es ist die Leistungskraft der Menschen in dieser Stadt, die in diesen Unternehmen arbeiten, aber das Entscheidende ist, dass wir diese Risikobereitschaft und dieses unternehmerische Engagement beflügeln, und zwar dadurch, dass wir bürokratische Hemmnisse niederreißen. Den einheitlichen Ansprechpartner – heute schon von Herrn Dietmann erwähnt – hat es schon länger gegeben. Ich weiß es genau. 2012, als ich in das Amt kam: 80 Zugriffe im Jahr. – 2015 sollen es 13 000 Zugriffe werden. 9 000 waren es bereits im Jahr 2014. Diese Entwicklung zeigt, dass wir den Hebel um

gelegt haben und dass die Wirtschaftsverwaltung nicht nur leidlich das umsetzt, was die Europäische Union von ihr erwartet, sondern dass wir als Verwaltung aus solchen Instrumenten eine Dienstleistungsfunktion für die Wirtschaft machen.

[Beifall bei der CDU]

Genauso verhält es sich beim Aktionsprogramm Handwerk und seinen 33 Maßnahmen, um Hürden abzubauen und Handwerksunternehmen in dieser Stadt konkret in ihren Bedarfen zu befördern.

Die Vergabereform – um das einmal klarzustellen –: Wirtschaft und Vergabestellen haben sie gebraucht, denn auch die Ressourcen der Vergabestellen reichten nicht aus, um mit dem schwierigen Instrumentarium, wie es in Berlin installiert war, in angemessenen Zeiträumen umzugehen. Und wie sollen wir eigentlich einen Referenzstandort für neue Technologien entwickeln, wenn wir nicht durch Vergabe Innovationen befördern?

Die Beförderung der Konsortialbildung von Unternehmen, um an europäischen Calls teilzunehmen, ist ein weiterer Schritt, den wir als Senatsverwaltung eingeleitet haben. Allein der Smart-City-Call, der aktuell läuft und nicht nur Großunternehmen dieser Stadt, sondern Forschungseinrichtungen und erstmals auch Mittelständler einbindet, soll 8 Millionen Euro an Fördermitteln nach Berlin bringen.

Die GRW-Mittel sind in Berlin erstmals im vergangenen Jahr in voller Höhe abgeflossen. Wir haben 120 Millionen Euro GRW-Mittel gewerblich bewilligt. Dadurch werden Investitionen der Wirtschaft in Höhe von 780 Millionen Euro angeschoben. Und im ProFIT-Bereich wurden 110 Projekte entwickelt. Das sind die kleineren Projekte für die Wachstumsfinanzierung. Herr Olalowo, zur Erinnerung! 37,4 Millionen Euro sind hier bewilligt worden. Und wir haben die VC-Fonds – das ist nämlich ein anderes Instrument – aufgestockt. 100 Millionen Euro an frischem Kapital stehen hier zur Verfügung.

Dennoch verbleiben Förderlücken, die wir schließen wollen: Investitionen, die die GRW nicht begleiten kann, weil die bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen es nicht hergeben. – Davon sind Handwerksbetriebe ohne überregionalen Absatz oder Unternehmen im IT-Bereich betroffen, deren überwiegende Umsatzerlöse auf Provisionsgebühren oder Cloud-Computing-basierten Geschäftsmodellen beruhen. Hier auch mit Investitionszuschüssen zielgerichtet tätig zu werden, haben wir uns als wirtschaftspolitische Aufgabe mit baldiger Umsetzung vorgenommen.

Und wir müssen auch weiterhin Flächen für die bereitstellen, die als Investoren und Wachstumsunternehmen hier in der Stadt etwas bewegen wollen. Das gilt insbesondere auch für die Digital- und Kreativwirtschaft, wo es eine Menge privater Initiativen gibt. Denken Sie nur an

die Aktivitäten an der Bötzow-Brauerei durch das Unternehmen Otto Bock. Wir werden aber auch vonseiten der öffentlichen Hand weiterhin auf die entsprechende Flächenentwicklung zügig achten müssen.

Wenn es um Digital- und Kreativwirtschaft geht, geht es eben auch um Gebäude in Tempelhof. Wir haben ein Gebäude, das H2rund, bereits identifiziert. Hier ist eine europäische Investorenabfrage bereits gelaufen. Nun wollen wir gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dafür Sorge tragen, dass dieses Objekt bald Interessenten zur Verfügung steht, damit hier ein Digital- und Kreativwirtschaftszentrum in privater Hand entstehen kann.

Hinsichtlich der Bundesratsinitiativen wird Berliner Wirtschaftspolitik erstmals seit über einem Jahrzehnt wieder aktiv, beispielsweise mit der Venture-Capital-Initiative, weil hier Handlungsbedarf besteht trotz des hohen Volumens an Wachstumskapital, das bereits nach Berlin fließt. Was sich da tut, zeigt sich in diesen Tagen auch bei der NOAH; weil wir trotzdem noch international konkurrenzfähigere Rahmenbedingungen brauchen, denn unsere Unternehmen sind weiterhin hungrig. Sie wollen weiter wachsen. Wie wir beim Kleinanlegerschutzgesetz im Bund durch unsere Bundesratsinitiative belegt haben, dass aus Berlin heraus konkret etwas für das Crowdinvesting getan werden konnte, wollen wir es für VentureCapital allgemein über diese neue Bundesratsinitiative tun.

Die Gesundheitswirtschaft ist ein wichtiger und nach wie vor der am stärksten wachsende Sektor in unserer Stadt. Hier wird es auch darum gehen, die Translation aus den Forschungseinrichtungen weiter zu befördern. Hier sind wir gerade mit den BIG, aber auch mit den betroffenen Unternehmen der Stadt im Gespräch, wie das neue BIG mit Projekten jetzt konkret in die Entwicklungstätigkeit der Unternehmen einfließen kann. Nebenbei bemerkt: Gerade hat ein Pharmaunternehmen seinen Sitz komplett nach Berlin verlegt. Riemser als mittelständisches Unternehmen befindet sich jetzt am Hohenzollerndamm. Am 1. Juli wird Sanofi MSD als Impfstoffhersteller seinen Sitz aus Baden-Württemberg nach Berlin verlegen.

Wir sind ein attraktiver Standort, sind aber auch weiterhin in der Pflicht, alle Weichen so zu stellen, dass Investitionsbereitschaft nicht gelähmt wird, so wie es viele Jahre unter anderer wirtschaftspolitischer Verantwortung der Fall war. Wir werden für die Weichenstellungen Sorge tragen, die Unternehmen in dieser Stadt zu Recht erwarten.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Frau Senatorin! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

[Udo Wolf (LINKE): Wir sind auch erledigt!]

Ich komme zur