Protokoll der Sitzung vom 10.09.2015

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das hätten Sie schon vor zwei Jahren haben können!]

Wir stehen kurz vor Vertragsabschluss mit mehr als nur einer Kasse, was ein besonderes Ergebnis ist und nicht in allen Bundesländern üblich.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Als wir diese Schritte unternommen haben, waren die Entwicklungen in Ungarn noch nicht absehbar. Ich bin daher dankbar, dass der Regierende Bürgermeister dazu beigetragen hat, die Bewältigung dieser Aufgabe auf eine gesamtgesellschaftliche Ebene zu heben. Nur gemeinsam mit gesamtstädtischer Verantwortung und über Ressortgrenzen hinweg können wir diese Aufgabe bewältigen.

Ich will auch herzlich Dank sagen für die unbürokratische Unterstützung der Innenverwaltung und des Innensenators Henkel, um zusätzliches Personal für all unsere Aufgaben zu bekommen.

[Udo Wolf (LINKE): Hat er auch nicht freiwillig gemacht!]

Wir haben den landesweiten Koordinierungsstab ins Leben gerufen, damit er unter Federführung meiner Verwaltung die Fülle an Aufgaben koordinieren kann. Aber wie gesagt, das war alles vor der Entwicklung in Ungarn.

Auch jetzt müssen wir uns noch mal auf eine veränderte Situation einstellen. Ja, es gilt, nicht darum herumzureden, die Situation am LAGeSo in der Turmstraße 21 war keine gute. Wir waren vor Engpässe und Probleme gestellt, die ohne die Initiativen von „Moabit hilft“ und anderen nicht zu bewältigen gewesen wären. Das LAGeSo in einem Verwaltungsgebäude in der Turmstraße 21, aber auch die vorgeschriebenen Abläufe sind für derartige Zugangszahlen nicht ausgelegt. Deswegen sage ich herzlichen Dank an „Moabit hilft“ und alle anderen, die uns bei der Bewältigung dieser Aufgabe geholfen

haben. Dies war für uns elementar und wichtig. Wir sind alle dankbar dafür.

[Beifall bei der CDU, der SPD den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Aber wir haben eben auch sofort medizinische Versorgung und Verpflegung in Auftrag gegeben. Die BVG hat mit Bussen geholfen, die jeden Abend kommen und Flüchtlinge zu den Unterkünften bringen. Wir haben von Vivantes und Charité die Essensversorgung auf dem Gelände organisiert bekommen. Die Berliner Wasserbetriebe, Vattenfall, die Berliner Unternehmer, die landeseigenen, aber auch die, die in privater Hand sind, helfen, um diese Aufgabe zu erledigen. Wir selbst haben mobile Teams geschaffen, um an den dezentralen Standorten zusätzliche Registrierung möglich zu machen, um damit tagelanges Warten in der Turmstraße zu vermeiden.

Wir sind in der Kooperation mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, der Polizei und der Ausländerbehörde, um die Registrierungsverfahren zu vereinfachen. Das hilft nicht nur bei der schnellen Bearbeitung der Flüchtlingsanträge, sondern es hilft auch den Betroffenen selbst, weil sie nicht mehrfach an unterschiedlichen Orten ihre Leidensgeschichte erzählen müssen, an unterschiedlichen Stellen registriert werden und vorsprechen müssen, sondern weil damit eben auch schnelle Verfahren und schnell Rechtssicherheit für jeden einzelnen möglich sind.

Wir haben jetzt in höchster Geschwindigkeit weitere Unterkünfte akquiriert – innerhalb kürzester Zeit in der Köpenicker Allee in Karlshorts 1 000 Plätze, im Rathaus Wilmersdorf, in der Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne, diese Nacht im Korber-Zentrum, letzte Nacht in der JahnSporthalle und am Glambecker Ring. Seit vergangenen Samstag hat Berlin 3 900 Flüchtlinge aufgenommen, menschenwürdig untergebracht, für medizinische Versorgung gesorgt, alle Fragen des Ehrenamtes rund um diese Unterkünfte organisiert. Dafür kann man der Verwaltung und den Mitarbeitern der Verwaltung auch mal genauso danken, wie man das bei den Initiativen tut, und ich will das von dieser Stelle tun. Das Bashing meiner Mitarbeiter ist nicht länger hinnehmbar bei der Aufgabe, die sie für die Stadt erfüllen!

[Beifall bei der CDU und der SPD – Zurufe von der LINKEN und den PIRATEN]

Und es ist beeindruckend, dass sich trotz dieser Kritik, dieser Arbeit, die sie 24 Stunden und viele von ihnen in Zwei-und-drei-Schichtsystemen erledigen, die Verwaltung auch solidarisch gezeigt hat. Es war nicht zu erwarten, dass sich gleich in einer Woche mehr als 200 Mitarbeiter aus allen Senatsverwaltungen und aus den Bezirken melden, um an unterschiedlichen Stellen im LAGeSo und in unserem Haus bei dieser Aufgabe zu helfen. Auch diese Kultur der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesbetriebe und der Verwaltung des Landes ist hoch

(Senator Mario Czaja)

zu schätzen, und ich danke dafür, dass alle beteiligten Stadträte, aber auch die anderen Senatoren bei ihren Mitarbeitern dafür geworben haben, dass wir diese Mitarbeiter für die Senatsverwaltung und für das LAGeSo bekommen haben.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Karlheinz Nolte (SPD) und Alex Lubawinski (SPD)]

Ich weiß, dass wir in den kommenden Wochen auch weiter kurzfristige Lösungsansätze umsetzen müssen. Das bedeutet auch, dass wir in bestimmten Fällen bisherige Entscheidungen infrage stellen, geplante Nutzungen von Objekten verschieben, Zwischennutzungen zulassen müssen, damit wir Ressourcen für andere Aufgaben gewinnen. Das betrifft insbesondere auch die Planung für im Landeseigentum befindliche Gebäude.

Wir denken diese Herausforderung natürlich zusammen mit der Kältehilfe und der Wohnungslosenhilfe, die vor allem in der kalten Jahreszeit weitere Unterbringungsplätze erforderlich machen. Daher wird es weiter eine zügige Prüfung von Immobilien insbesondere auch im Bereich von Baurecht und Brandschutz geben. Wir brauchen in den Bezirken die schnellen Ansprechpartner, um diese Aufgabe zu bewältigen. Die Bezirksbürgermeister haben dies zugesagt.

Ich weiß aber auch, dass wir den Berlinerinnen und Berlinern in dieser Situation viel abverlangen. Ich bitte daher darum, dass es auch Verständnis gibt, wenn in der einen oder anderen Turnhalle der Sportverein mal kürzer treten muss und in dieser Situation für geflüchtete Menschen Verzicht geübt werden muss. Wir nehmen die Ängste und Sorgen ernst, aber das bedeutet natürlich nicht, dass wir allen, die diese Ängste und Sorgen missbrauchen wollen, nach dem Mund reden wollen, sondern es ist wichtig, mit Zahlen, Daten und Fakten aufzuklären.

Ich bin froh, dass die Bundesregierung nun auch auf die Herausforderung reagiert hat und zusätzliche Mittel bereitstellt. Ja, es wäre richtig, wenn der Bund auch mehr Verantwortung bei der Erstaufnahme übernimmt. Klar ist: Nur beschleunigte Asylverfahren können dazu führen, dass viele schnell Rechtssicherheit haben. Und ja: Im Juni und Juli dieses Jahres kamen noch über 40 Prozent der Antragsteller aus sicheren Herkunftsländern. Es muss gewährleistet sein, dass die Voraussetzungen für die Gewährleistung von Asyl- und Aufenthaltstiteln schnell erfüllt werden, und wenn sie nicht erfüllt werden, eben auch schnell eine Rückkehr ins Heimatland erfolgt. Passiert das nämlich nicht, wird die Akzeptanz bei der einheimischen Gesellschaft weiter abnehmen. Das wollen wir nicht, um den Menschen, die aus den wahren Kriegsregionen und den wahren Krisenregionen dieser Welt kommen, hier Schutz und Zuflucht zu ermöglichen. Und das sind derzeitig, bei denen die aus Ungarn kommen, 80, 90, teilweise sogar 100 Prozent. Aber diese beiden Seiten

der Medaille gehören dazu, damit wir diese Aufgabe bewältigen können.

[Beifall bei der CDU]

Und ja: Die Menschen, die aus Ungarn kommen, werden hier bleiben – Raed Saleh hat es gesagt und Florian Graf auch. Diese Menschen werden in Berlin bleiben, und sie werden bei uns willkommen geheißen. Und sie werden unsere Stadt verändern. Wir brauchen dafür noch stärker Zugang zu Arbeit, zu Bildung, zu Wohnen, und der Senat hat viel dafür getan. Das System der Integrationslotsen ist ausgebaut. Frau Scheeres hat über 500 Lehrer in den Willkommensklassen eingestellt. Arrivo wird ausgebaut und für weitere Berufe geschaffen. Wir wollen dies auch dezentral an den Standorten noch mehr einsetzen, nicht nur an einem. Die Sprachkurse werden genutzt, nicht nur die von den Volkshochschulen, sondern auch jene, die zusätzlich zur Verfügung gestellt wurden. Der gesamte Senat zieht an einem Strang. Er arbeitet zusammen, um diese Aufgabe zu bewältigen – ressortübergreifend, zügig und im Interesse der Stadt und im Interesse der Flüchtlinge.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Hinter all diesen Zahlen stecken einzelne Schicksale. Dahinter stecken Schicksale von vielen, die in diese Stadt gekommen sind, um in unserer Stadt Zuflucht und Hilfe zu finden. Sie wissen, dass ich oft unterwegs bin und viel mit den Helfern und Betroffenen spreche. Ein Bild von den vergangenen Tagen: Ein syrischer Mann, der mit zwei kleinen Kindern hier angekommen ist, nach 40 Tagen Flucht, der seine Frau auf dieser Flucht verloren hat, hat einen jungen Berliner Unternehmer getroffen, der ihm jetzt dabei hilft, seine Frau zu finden. Diese Bilder sind es, die zu einer weltoffenen Stadt Berlin passen!

Ich hoffe und wünsche mir, dass wir diese Bilder vor und in all unseren Einrichtungen, die wir in Berlin eröffnet haben und in Zukunft eröffnen werden, tragen können, um denjenigen Menschen, die in unserer Stadt Schutz suchen und des Schutzes bedürfen, zu zeigen, dass sie willkommen sind und Berlin diese Aufgabe bewältigen wird. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Danke schön, Herr Senator! – In der zweiten Rederunde hat jetzt für die Piratenfraktion Herr Reinhardt das Wort.

[Torsten Schneider (SPD): Jetzt kommt der große Durchbruch! – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Von euch ist der ja nicht zu erwarten!]

(Senator Mario Czaja)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier jetzt einiges besprochen und diskutiert, und es ist auch viel Richtiges gesagt worden. Aber diese Beschönigung, die hier von Senator Czaja vorgenommen wird, ist wirklich unglaublich.

Wir haben momentan keine richtige Registrierung von Geflüchteten. Wir haben keine vernünftige Informationspolitik. Wir haben keine Standards. Wir haben Zeltunterbringung zu Beginn des Winters. All dies kann hier nicht schöngeredet und muss endlich ernst genommen werden und ernsthaft angenommen werden.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ja, wir haben viele Tausend Menschen in Berlin, die sich engagieren, und diese ehrenamtliche Arbeit kann nicht oft genug gelobt werden. Diese Menschen, die Unglaubliches leisten, die zum Teil noch nach zwölf Stunden Hilfeleistung abends immer noch schauen, dass Menschen ein Dach über dem Kopf bekommen, und Menschen auch selber mit nach Hause nehmen, dieses schöne Bild mit internationaler Strahlkraft sollte und kann nicht oft genug betont werden. Dafür vielen Dank an alle Menschen, die helfen!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Aber dieses Bild strahlt eben nicht die aktuelle Arbeit aus, die hier getan wird. – Senator Czaja! Ich habe es schon einmal gesagt, ich sage es noch einmal: Ich finde es unglaublich, wie Sie ihr eigenes Versagen hier dazu benutzen, um zu behaupten, wir würden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung kritisieren. Ich spreche häufig, fast jede Woche, mit den Menschen im Landesamt, diese Menschen, die dort Zwölf-StundenSchichten schieben und danach vielleicht immer noch bis abends um 22 Uhr dort sitzen. Diese Tätigkeiten sind auf ihr Versagen zurückzuführen! Es ist unglaublich, wie Sie das zu beschönigen versuchen!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Herr Kollege Graf! Es ist auch unglaublich, wenn Sie hier so tun, als würde Senator Czaja sich um die Ehrenämtler kümmern. Das, was Sie hier nennen, gute Ehrenamtskoordinierung, das findet nicht statt. Die Situation am Landesamt, mit den langen Schlangen, mit den Menschen, die mit geschundenen Rücken dort im Stehen warten müssen, ist nicht neu. Das war auch schon im Januar und Februar so. Monatelang mussten die Ehrenämtler dort die Arbeit übernehmen, die eigentlich eine staatliche Aufgabe ist. Es gibt keine Koordinierung. Letzte Woche noch wurde verkündet, es seien dort bis zu fünf Ärzte anwesend. Das sind alles ehrenamtlich Tätige, es gibt dort keine hauptamtlich tätigen Ärzte. Das sind Menschen, die

das in eigener Verantwortung, auf eigene Gefahr und Haftung machen. Das muss immer wieder erwähnt werden. Dagegen haben die ehrenamtlich Tätigen noch nicht einmal die Möglichkeit, im Koordinations- und Krisenstab vertreten zu sein und dort ihre Anliegen zu formulieren. Das geht alles aneinander vorbei, und es ist wirklich unsinnig, hier von einer Koordination der Ehrenamtlichen zu sprechen.

Wir haben jetzt schon – und damit komme ich zum Schluss – mehrfach über die Probleme gesprochen, die unter anderem durch das Kaputtsparen beim Landesamt auftreten. All diese Probleme rächen sich jetzt und sind auf Ihr dauerhaftes Versagen zurückzuführen. All diese Probleme verschlimmern sich gerade natürlich: Die Verträge, die nicht abgeschlossen wurden oder die ungültig sind, werden wahrscheinlich auch in absehbarer Zeit nicht abgeschlossen bzw. geheilt.

Herr Kollege! Kommen Sie bitte zum Schluss!

Es wird also auch weiterhin Vergaben durch Handschlag geben. Die Mindeststandards, die nicht eingehalten werden, werden auch in Zukunft nicht eingehalten. Selbstverwaltete Strukturen, die – –

Herr Kollege! Sie kommen bitte zum Ende!

Ich komme jetzt zum Ende: Diese Beschönigung kann nicht stattfinden. Wir müssen hier endlich ernsthaft anpacken. – Danke schön!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2434 – Stichwort: Flüchtlingspolitik (I) – wird die Überweisung an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2435 – Stichwort: Flüchtlingspolitik (II) – wird die Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und an den Hauptausschuss empfohlen. – Auch

hierzu höre ich keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.