Protokoll der Sitzung vom 24.09.2015

Für 2015 rechnen wir mit etwa 12 000 Wohnungen, die in der Stadt gebaut werden, aber es kommen 80 000 Menschen zu uns. Und für 2016 sind wir bisher davon ausgegangen, dass in der Stadt 15 000 Wohnungen gebaut werden, und alle Anzeichen deuten darauf hin, dass wieder etwa 80 000 Menschen zu uns kommen werden. Dieses Wachstum verändert die Stadt und hat die Stadt schon verändert.

[Elke Breitenbach (LINKE): Ach!]

Wenn wir das Thema Flüchtlinge, das im Moment die Schlagzeilen beherrscht – zu Recht die Schlagzeilen beherrscht –, analysieren, stellen wir fest: Das sind Menschen, die über viele Jahre bei uns bleiben werden. Viele Tausende Menschen, die jetzt zu uns kommen, werden über viele Jahre bei uns bleiben, und wenn wir wissen, dass wir im Moment dafür sorgen, Obdachlosigkeit zu vermeiden, indem wir Notunterkünfte schaffen, alte Bürogebäude wieder aktivieren, Zeltstädte errichten und Sporthallen in Beschlag nehmen, dann wissen wir auch: Wir werden die Menschen auf Dauer nicht in diesen Notunterkünften lassen können. Es wird nur gehen, wenn wir die Menschen in Berlin integrieren, und integrieren heißt, dass wir Wohnraum zur Verfügung stellen müssen.

Vor diese Aufgabe gestellt, müssen wir das Tempo und die bisherige Logik des Wohnungsbaus verlassen. Die

(Oliver Höfinghoff)

bisherige Logik des Wohnungsbaus sagt, dass wir mit Bebauungsplanverfahren arbeiten, die zwei, drei, vier Jahre Anlauf brauchen, bis endlich die Wohnungen gebaut sind, oder dass wir gar noch eine Bauausstellung vorher veranstalten. Natürlich müssen wir innovative Lösungen suchen, und das tun wir auch. Aber die Drucksituation ist viel größer, und die Herausforderung ist für uns viel größer, jetzt schnell Wohnraum zu schaffen.

Und wir müssen aufpassen, dass wir nicht das Thema der Neu-Berliner gegen das Thema der Alt-Berliner – so jung oder alt die Alt-Berliner sein mögen – ausspielen. Wenn sie 18 oder 19 Jahre alt sind, schon die ganze Zeit über in Berlin gewohnt haben und jetzt eine Wohnung suchen, dann sind sie genauso vor die Frage gestellt, wie sie bezahlbaren Wohnraum in Berlin finden, und auch Flüchtlinge, die anerkannt sind, sind letztendlich Wohnungssuchende. Das heißt, wir brauchen Wohnraum für alle.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Deshalb arbeiten wir im Senat intensiv daran – der Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen und ich sind damit im Moment intensiv beschäftigt –, zusätzlich zu den 15 000 Wohnungen, die wir im normalen Wohnungsbau für 2016 vorgesehen haben, eine Ergänzung durch modulare Wohnungen zu erreichen, die den Vorteil haben, innerhalb kürzester Zeit – sechs bis zehn Monate Errichtungszeit – tatsächlich gebaut zu sein und als Wohnraum zur Verfügung zu stehen. Das sind keine Elendsunterkünfte. Sie können diese Häuser heute schon sehen. Das sind die modularen Ergänzungsbauten bei Schulen. Die sind an verschiedenen Stellen in einem besseren Zustand als die Stammschulen. Die sind barrierefrei und entsprechen der Energieeinsparverordnung. Ich denke, dass es dringend notwendig ist, an dieser Stelle schnell zu arbeiten, denn vieles deutet darauf hin, dass das aktuelle Wachstum, das wir erleben, eben keine Eintagsfliege ist, sondern dass es von Dauer sein wird. Das heißt wiederum für uns, dass wir uns strategisch auf dieses Wachstum einzustellen haben. Dem haben wir als Senat im Haushaltsentwurf 2016/17 schon Rechnung getragen. Aber klar ist auch, dass das, was wir für die Jahre 2016/17 vorgesehen haben, noch nicht ausreichen wird, wenn das in den nächsten Jahren mit dem Wachstum so weitergeht. Das heißt in jedem Falle wachsende Infrastruktur, mehr Personal, mehr Integrationsleistung.

Und wir haben leider auch eine Entwicklung in Berlin, die dem noch zuwiderläuft. Das ist das Thema der niedrigen Kapitalmarktzinsen. Die niedrigen Zinsen sind sehr gut, weil sie den Wohnungsbau beschleunigen. Allerdings haben wir auch die Entwicklung, dass dann Menschen versuchen, ihr Geld zu retten, und in Bodenspekulation investieren. Das hat dazu geführt, dass der Bodenrichtwert im Durchschnitt in Berlin um 30 Prozent gestiegen ist. Das erschwert uns die Situation für die kommenden Jahre. Aber ich erkläre hier deutlich: Wir wollen und wir werden nicht akzeptieren, dass Wohnen in der Innenstadt zum Luxus wird. Wir wollen und wir werden

die Berliner Mischung erhalten, das heißt sozial gemischte Quartiere, lebendige Nachbarschaften, Teilhabe für alle, und zwar in allen Stadtteilen unserer Stadt. Menschen unterschiedlichster Einkommensgruppen müssen auch zukünftig die Möglichkeit haben, überall in der Stadt zu wohnen. Das ist unsere Politik.

Und deshalb sind wir seit mehreren Jahren, drei, vier Jahren mindestens, im Stakkato dabei, die Mietpreisentwicklung in Berlin zu dämpfen, denn das drängendste Thema an dieser Stelle ist in der Tat die Versorgung mit bezahlbaren Wohnungen. Herr Höfinghoff hat es vorhin ausgeführt: Wir haben im Moment alle Instrumente, die uns das Bundesmietrecht bietet, ausgeschöpft: Das Bündnis für soziale Wohnungen ist geschlossen, Kappungsgrenzenverordnung, Zweckentfremdungsverbotsverordnung, Umwandlungsverordnung, zum Schluss die Mietpreisbremse. All das war wichtig, um Bestandswohnen zu sichern. In der Tat ist es deshalb wichtig, dieses Wohnraumversorgungsgesetz jetzt auch im Abgeordnetenhaus, ich hoffe, mit breiter Mehrheit, zu beschließen, um soziales Bestandswohnen schon im Januar 2016 zu sichern und nicht erst einen langen Streit anzufangen und zu sehen, was wir in den Jahren 2017 und 2018 machen.

Die Einigung mit dem Mietenvolksentscheid ist gut für Berlin, ist gut für die Mieterinnen und Mieter. Ich scheue mich, offen gesagt, hier von einem Kompromiss zu sprechen, denn es ist eine wirklich gute Lösung. Auch unser Portfolio ist größer geworden. Mit dem Mietenvolksentscheid haben wir unser Programm an dieser Stelle erweitert. Da hätte man das Stichwort des Modernisierungsprogramms: Das Modernisierungsprogramm, dass wir zukünftig 1 000 Wohnungen im Jahr in Berlin modernisieren werden, finanziert durch ein KfW-Programm, haben wir dem Mietenvolksentscheid zu verdanken. Das hatten wir vorher noch nicht im Programm. Deswegen sage ich auch an dieser Stelle Dank an die Initiative. Danke dafür, dass Sie an dieser Stelle um Wohnraum in Berlin gekämpft und Ideen eingebracht haben

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

und sich auch demokratisch mit uns auseinandergesetzt haben! Offen gesagt habe ich auch die Erwartung an die Opposition: Die Opposition hat den Mietenvolksentscheid unterstützt. Ich habe jetzt die Erwartung, dass Sie auch diesem Gesetz zustimmen,

[Beifall bei der SPD und der CDU]

damit deutlich wird, dass Sie die Ziele der Initiative tatsächlich teilen. Denn ich gehe ja davon aus, dass es Ihnen um die Sache geht.

[Zuruf von der LINKEN: Immer!]

Klar ist aber auch, dass es weitere gesetzliche Änderungen auf Bundesebene geben muss. Was wir hier heute vorlegen, reicht noch nicht aus. Beispielsweise muss

(Senator Andreas Geisel)

Schluss sein mit den immer neuen Angriffen auf den Mietspiegel.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Hier brauchen wir absolute Rechtssicherheit, und die können wir nur über Bundesrecht herstellen. Berlin ist eine Mieterstadt, und der Mietspiegel ist das zentrale Instrument, um Rechtsstreitigkeiten zwischen Vermietern und Mietern auszuschließen. Und deshalb wird auf Bundesebene eine klare Regelung erforderlich sein.

Bei allem Bekenntnis zum Bestandswohnen – ich habe Ihnen anfangs die Zahlen genannt, Sie kennen die Zahlen des Wachstums –: Ohne Neubau wird es nicht gehen; und zwar Neubau überall in der Stadt, und zwar bezahlbarer Neubau. Und gerade deshalb, weil wir von bezahlbarem Neubau sprechen und die Entwicklung der Bodenpreise in Berlin kennen, sind die Grundstücke des Landes Berlin von enormer Bedeutung für bezahlbaren Wohnraum. Und gerade deshalb, weil wir die soziale Mischung in Berlin in allen Stadtteilen erhalten wollen, müssen wir innen bauen, innen in der Stadt, und außen bauen.

Wir wissen alle miteinander: Gebaut wird immer in der Nachbarschaft, das ist also nicht einfach. Frau Lompscher hat es vorhin noch mal vorgeführt. Fast haben Sie ein bisschen enttäuscht gewirkt, dass es jetzt zu dieser Einigung gekommen ist.

[Heiterkeit von Torsten Schneider (SPD)]

Aber ich sage Ihnen: Weggucken hilft nicht. Sie können nicht beim Bebauungsplan am Mauerpark sagen: Da keine soziale Mischung! In der Elisabethaue sagen Sie: Da keine soziale Mischung!

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Welche soziale Mischung?]

Sie können nicht an allen Standorten – – Udo Wolf z. B. als Fraktionsvorsitzender geht dann noch hin in die Michelangelostraße und verspricht den dortigen Mietern, sie könnten ihre kostenlosen Pkw-Stellplätze zu Tausenden auf Grundstücken des Landes Berlin behalten, in der Innenstadt. Das ist Klientelpolitik, die Sie sich als Opposition leisten können.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Das ist der Unterschied dazu, wenn man in Verantwortung steht. Das ist der Unterschied, wenn wir sagen, was wir tun, und wir tun dann, was wir sagen.

[Lachen bei der LINKEN – Steffen Zillich (LINKE): Weil wir der Sitz des Allgemeinwohls sind. Und wer dann meckert, der ist ein Egoist!]

Wir haben im Haushaltsentwurf 2016/17 die Wohnungsbauförderung verdreifacht, und wir brauchen Partner für den Neubau in Berlin. Wir brauchen die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften. Aber klar ist auch, angesichts der Wachstumszahlen, die wir haben, brauchen wir auch privaten Wohnungsbau. Und auch die müssen wir in

die Wohnungsbauförderung einbeziehen, auch den Genossenschaften müssen wir den Weg zum Neubau eröffnen.

Und der Neubau allein reicht nicht, denn wir brauchen eine soziale Stadtentwicklung. Dazu haben wir die Förderprogramme Stadtumbau, Quartiersmanagement, städtebaulicher Denkmalschutz, aktive Zentren. Dafür geben wir pro Jahr 110 Millionen Euro aus, um sozialen Zusammenhalt in den Wohnquartieren zu organisieren. Und das wird wichtig, wenn neue Wohnquartiere in der Stadt entstehen.

Und vor allem – das müssen wir uns für die nächsten Jahre überlegen – müssen wir in öffentliche Räume investieren. Die wachsende Stadt führt dazu, dass öffentliche Räume, öffentliche Parks intensiver genutzt werden als bisher. Wir haben auf dem Alexanderplatz an der einen oder anderen Stelle Kriminalitätsvorfälle. Wir haben im Görlitzer Park Kriminalität. Es ist richtig, dass der Kollege Henkel dort Polizei hinschickt, um aufzupassen und diese Situation zu unterbinden. Nur, es ist eben keine dauerhafte Lösung.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Bebaut es doch wie den Mauerpark!]

Wenn die Berlinerinnen und Berliner den Eindruck haben, dass in öffentlichen Räumen sich das Recht des Stärkeren durchsetzen kann, dann werden wir keine Akzeptanz finden. Wenn die Berlinerinnen und Berliner den Eindruck haben, dass öffentliche Räume in der Stadt durch die wachsende Stadt, durch die zunehmende Einwohnerzahl verwahrlosen, dann werden wir keine Akzeptanz finden.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Deshalb ist die Gestaltung öffentlicher Räume, ist die Investition in öffentliche Räume, in die öffentlichen Parks, in den öffentlichen Straßenraum eine entscheidende Voraussetzung, wenn wir wollen, dass die wachsende Stadt Akzeptanz bei den Berlinerinnen und Berlinern findet.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU und den GRÜNEN]

Natürlich gehört auch eine veränderte Liegenschaftspolitik zu unserer Politik. Wir haben die Konzeptverfahren eingeführt. Wir verhandeln gerade mit der BImA, um weitere mindestens 5 000 Wohnungen für Berlin anzukaufen, um dort soziale Mieten zu ermöglichen. Gerade deshalb ist es auch wichtig, die Bundespolitik bei der Liegenschaftspolitik zu verändern. Es kann nicht sein, dass es eine Bundesregierung schafft, eine Mietpreisbremse zu beschließen, und gleichzeitig das DragonerAreal im Höchstpreisverfahren verkaufen will.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU, den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

(Senator Andreas Geisel)

Wir haben für die Zukunft auch das Thema, wie wir die erforderliche Infrastruktur in Berlin bezahlen. Wachsende Stadt heißt ja auch, wir brauchen mehr Schulen, wir brauchen mehr Kindertagesstätten, wir brauchen mehr Kinderspielplätze. Wir brauchen übrigens auch die eine oder andere Straße. All das muss finanziert werden. Deshalb setzen wir das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung durch, um diese Infrastruktur finanzieren zu können, denn Wohnungspolitik ist Sozialpolitik.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Und dieses kooperative Baulandentwicklungsmodell wird auch dafür sorgen, dass wir bei den großen Bauvorhaben unserer Stadt 25 Prozent Sozialwohnungen überall durchsetzen – im Inneren der Stadt und im Außenbereich.

Diese Entwicklung Berlins ist nicht gegen die Berlinerinnen und Berliner durchzusetzen. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, das Thema der Bürgerbeteiligung ernst zu nehmen und bei der Bürgerbeteiligung um Vertrauen zu werben.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Deshalb schränkt ihr die erst mal ein!]

Dazu gehört, auf Augenhöhe miteinander zu arbeiten. Wir haben deshalb vor wenigen Wochen beispielsweise die Onlineplattform meinberlin.de veröffentlicht, um allen Senatsverwaltungen und allen Bezirken ein Instrument für Bürgerbeteiligung an die Hand zu geben; einmal für Bauplanungsverfahren, aber auch für alle anderen Verfahren, die wichtig sind, um um Vertrauen bei den Berlinerinnen und Berlinern zu werben und sie in die Entscheidungen einzubeziehen.

[Zuruf von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]