Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD hat Frau Radziwill das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPDFraktion und diese Koalition setzen sich aktiv für den Erhalt der Durchmischung in den Stadtteilen und Kiezen ein. Wir werden alles Sinnvolle veranlassen und eine weitere Verdrängung von Transferleistungsbeziehenden an den Stadtrand verhindern und stoppen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Mit der SPD und dieser Koalition wird es keine Aufteilung der Stadt in Armuts- oder Reichtumsinseln geben. Die Berliner Mischung ist uns wichtig, und das Thema Mietrichtwerte für Alg II- und Sozialhilfebeziehende hat für die rot-schwarze Koalition hohe Priorität. Sie betrifft rund 20 Prozent der Berliner und Berlinerinnen, die zur Miete wohnen.

[Uwe Doering (LINKE): Dann mal los!]

Dieser Senat wird mit Augenmaß eine neue AV Wohnen bzw. Nachfolgeregelung zügig auf den Weg bringen. Wir befinden uns in der Koalition noch in Abstimmungsprozessen und werden auch Ihre Vorschläge beraten. Beispielsweise findet die Bindung an den Mietspiegel und die Berücksichtigung der Heizkosten in unserer Beratung viel Beachtung, meine Zustimmung und die vieler anderer.

Die Fortführung der bisher gültigen Sonder- und Härtefallregelung ist uns wichtig, und dort brauchen wir uns nicht von Ihnen beraten zu lassen. Das steht auf unserer Agenda. Die Richtwerte werden weiterhin für das gesamte Stadtgebiet gelten.

Ich befürworte eine Prüfung einer regionalisierten Erweiterung der Richtwerte um die mittlere Wohnlage, speziell in den Innenstadtbezirken. Darüber müssen wir uns Gedanken machen.

Frau Abgeordnete! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! Vielen Dank für das Interesse!

[Heiterkeit]

Ferner wollen wir eine Beschleunigung bei den Genehmigungen der Umzugsanträge und schnellere Verfahrensabwicklung bei den Jobcentern erreichen. Das liegt in unser aller Interesse, und das liegt im Interesse der Betroffenen. Dieser Senat wird hier die richtigen Schritte unternehmen, und hoffentlich hat es hier in der Vergangenheit Anstrengungen und Vorbereitungen der ExArbeitssenatorin Frau Bluhm, nun Mitglied in Ihrer Fraktion, gegeben. Ich hoffe es für sie.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken! Sind Sie sich eigentlich über die Folgen Ihres Antrags bewusst? – Wenn man es sich genau anschaut, stelle ich fest: Sie fördern mit den Vorschlägen in Ihrem Antrag zum einen die Beschleunigung der Mietpreisspirale nach oben, und zum anderen erweitern Sie die Mitnahmemöglichkeiten für die Wohnungsanbieter, zum Beispiel durch das Instrument der Neuvermietungszuschläge. Sie bieten damit unnötig Subventionen für die Wohnungswirtschaft an. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Ihr Ziel ist, –

Gestatten Sie nun eine Zwischenfrage?

Nein, vielen Dank! –, es sei denn, Sie versuchen, eine neue Wählergruppe für die Linken zu gewinnen, und das zulasten des Berliner Haushalts. Die Linke könnte sich demnach dann auch als vermieterfreundliche Partei titulieren.

Wir werden gemeinsam im Sozialausschuss diesen Antrag und auch unsere Vorschläge beraten und schnell zu einer Verbesserung der Richtwerte für die betroffenen Berliner und Berlinerinnen kommen. Wir setzen uns für eine durchmischte Stadt und für durchmischte Kieze ein. Die Berliner Mischung macht’s. Das ist unser Ziel. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Abgeordneter Beck das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt genug Gründe, die aktuelle Regierung zu kritisieren, aber jetzt ist doch noch ein Rückblick auf die ehemalige rot-rote Regierung erforderlich.

Den Antrag der Linken-Fraktion empfinden wir als dreist und unverschämt.

[Lachen bei der LINKEN]

Ihre Senatorin war doch für die Bearbeitung dieses Vorgangs zuständig. Es ist verwunderlich, wie die Linke, nunmehr in Opposition, alle unsere langjährigen Forderungen aufgreift, die sie seinerzeit in devoter Haltung gegenüber der SPD abgelehnt hatte.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Die Linke als Regierungspartei wollte aus taktischen Gründen keine Rechtssicherheit herstellen, weil sie Angst hatte, ihre politische Klientel zu verärgern. Sie hat die Erstellung einer rechtsverbindlichen Satzung bewusst verschleppt. Sie handelte nach dem Motto: Jede schlechte Hartz-IV-Nachricht ist eine gute für die Linken.

[Beifall bei den GRÜNEN – Udo Wolf (LINKE): Wenn man keine Ahnung hat, sollte man die Klappe halten!]

Der rot-rote Senat hatte viele Jahre Zeit, eindeutige Regelungen zu treffen. Die Arbeits- und Sozialsenatorin hat auf dem Rücken der schwächsten Menschen in der Stadt das Verfahren verschleppt. Obwohl das Problem bekannt ist, wurde nicht gehandelt. Über 30 000 Alg-IIEmpfängerinnen und -Empfänger zahlen aus ihrem wenigen Einkommen noch etwas zur Miete hinzu. Sie leben damit unter dem Existenzminimum. Durch das Nichtstun ist die Segregation in einzelnen Stadtteilen und die soziale Spaltung in der Stadt noch verstärkt worden.

Die Berliner Jobcenter arbeiten mit der AV Wohnen von 2009. Diese ist nicht rechtswirksam und bindend für die Sozialgerichte. Die Berechnungstabelle für die Ermittlung der Unterkunftskosten hat das Bundessozialgericht für rechtswidrig erklärt. Das war und ist bekannt. Trotzdem hat der Senat aus SPD und Linke deren Anwendung angeordnet. Wissen Sie denn nicht, was es bedeutet, von Transferkosten abhängig zu sein und dann auch noch gerichtlich gegen Bescheide vorgehen zu müssen, um den Mindeststandart an Lebensunterhalt zu sichern? – Das ist zusätzlich erniedrigend und demütigend.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Hauptsächlich wegen dieser mangelhaften Bescheide gibt es eine Klageflut am Berliner Sozialgericht, die nicht zu bewältigen ist. Die Zahl von Zwangsumzügen steigt kontinuierlich – über 1 000 Betroffene müssen jährlich umziehen, weil der Senat keine Rechtssicherheit schafft. 2011 sind über 14 000 Leistungsberechtigte aufgefordert worden, ihre Wohnkosten zu senken. Ein sofortiges Moratorium erscheint uns daher zwingend.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Im Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses laufen zahlreiche Beschwerden zu dem Thema auf. Warum weigert sich der Berliner Senat immer noch, transparente

Mietobergrenzen festzusetzen? – Herr Senator Czaja, bitte handeln Sie jetzt! Beseitigen Sie das Überbleibsel der Verwaltungsuntätigkeit der Vorgängerregierung!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Über 500 000 Menschen warten darauf, endlich Rechtssicherheit zu erhalten. Sie wollen wissen, ob sie langfristig in ihrer Wohnung bleiben und die Miete bezahlen können. Beenden Sie das asoziale Nichtregierungshandeln Ihrer Vorgänger!

Nun noch einiges Konkrete zum Antrag der Linken. Wir schlagen Richtwerte für das gesamte Stadtgebiet vor. Wir meinen, dass sozialraumbezogene, differenzierte Richtwerte möglich sein sollten, wie sie die Landesarmutskonferenz vorschlägt. Zumindest sollten bezirksbezogene Richtwerte für die Kosten der Unterkunft eingeführt werden. Bei pauschalen Sätzen kann es noch verstärkt dazu kommen, dass viele Betroffene z. B. nach Spandau oder Reinickendorf-Ost umziehen müssen. Wir wollen aber eine gute soziale Mischung auch in Köpenick oder in Charlottenburg.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Natürlich ist uns bekannt, dass bei Zahlung eines Mietausgleichs bis zur vollständigen Bruttomiete unseriöse, geldgierige Vermieter sofort entsprechende Mieterhöhungen vorgenommen haben – da bedarf es noch einer vernünftigen Lösung. Außerdem möchten wir, dass bei einer energetischen Sanierung ein Klimabonus zu gewähren ist. So können wir die Aufwertung von Wohngebieten durch Sanierung sozial abfedern und die Verdrängung der dort lebenden einkommensschwächeren Bevölkerung verhindern. Herr Senator Czaja, bitte handeln Sie schnell!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Das Wort für eine Kurzintervention hat die Abgeordnete Breitenbach – bitte sehr!

Lieber Herr Beck! Meine Partei war – im Gegensatz zu Ihrer Partei und im Gegensatz zu manch anderer Partei hier im Hause – gegen die Hartz-Gesetze.

[Beifall bei der LINKEN – Özcan Mutlu (GRÜNE): Und ihr wart zehn Jahre in der Regierung und habt nichts gemacht!]

Den Satz, eine schlechte Nachricht über Hartz IV ist eine gute für die Linke, den konnten Sie in vielen Reden von Frau Pop hören, er ist aber in den letzten zehn Jahren dadurch nicht besser geworden. Diese Hartz-Gesetze haben dazu geführt – auch innerhalb der letzten Jahre –, dass das Leid und die Armut von vielen Menschen viel schlimmer geworden ist als vorher. Dafür, liebe Grüne, tragen Sie die Verantwortung!

[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Martina Michels (LINKE): Genau!]

Es war die Linke, und es war im Übrigen Rot-Rot – –

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Ich sagte, unter anderem von allen Parteien hier, die Piraten waren nicht dabei, und wir haben uns anders entschieden.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Kann ich jetzt bitte weitermachen?

[Benedikt Lux (GRÜNE): Sie haben doch schon Hartz IV mitgemacht!]

Kann ich jetzt bitte weitermachen? – Ein Bundesgesetz muss von jeder Landesregierung umgesetzt werden.

[Ah! von den GRÜNEN]