Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

Kollege Lux! Ich habe am Montag im Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung deutlich gemacht, dass ich mich dieser Debatte stellen werde. Das betrifft insbesondere die bereits erwähnte Bundesratsinitiative aus Sachsen. Sie sollten sich aber auch darüber im Klaren sein, was das heißt und welche Hoffnungen sich damit verbinden. Sachsen hat im vergangenen September einen Gesetzentwurf eingebracht, um die nicht individualisierte Funkzellenabfrage neu zu regeln. Sie kennen die Vorgänge in Dresden, die mit denen, über die wir heute in Berlin diskutieren, nicht vergleichbar sind. Um sicherzustellen, dass künftig von vornherein nur konkrete, besonders gravierende Straftaten einen Anlass für Funkzellenabfragen bieten, sieht der Vorschlag vor, entsprechende Ermittlungen lediglich für die Katalogtaten des § 100a Abs. 2 StPO sowie für solche Straftaten zu ermöglichen, die im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bedroht sind. Nichts anderes ist in Berlin im Zusammenhang mit den Brandstiftungen passiert.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Eins ist klar – das wurde vorhin angesprochen –: Ich lege Wert auf Verhältnismäßigkeit und den Schutz der Bürger vor unvertretbaren und rechtswidrigen Grundrechtseingriffen.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Lippenbekenntnis!]

Ich habe dabei – anders als offensichtlich manch anderer hier im Haus – großes Vertrauen in unsere Justiz. Ich werde den Strafverfolgungsbehörden aber nicht aus einer Laune heraus rechtsstaatliche Mittel verwehren. Es ist ein Skandal, wenn Strafverfolgungsbehörden sich an Recht und Gesetz halten.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Wissen Sie, was Sie reden?]

Ich habe gesagt: Es ist kein Skandal, wenn Strafverfolgungsbehörden sich an Recht und Gesetz halten.

[Zurufe]

Das ist kein Skandal. Aber es ist ein Skandal, wenn einige meinen, bei jeder Gelegenheit unseren Rechtsstaat skandalisieren zu müssen, um daraus politisches Kapital zu schlagen, wie Sie es hier heute offensichtlich versucht haben. Im Fazit ist Ihnen das nicht gelungen.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Herzlichen Dank, Herr Senator Henkel! – Für die zweite Rederunde liegt mir eine Wortmeldung vor, und zwar von der Fraktion der Piraten. – Sie haben noch 3 Minuten und 42 Sekunden, Kollege Morlang. – Bitte schön!

[Uwe Doering (LINKE): Oh Gott! Dann mal los!]

Wenn sich die CDU und Die Linke batteln, können wir nur gewinnen. Großartig! – Sehr geehrte Damen und Herren! Liebes Präsidium! Hier haben einige Leute einen ganz hervorragenden Hack gelandet. Wir nennen das Neusprech. Sie nennen es Funkzellenabfrage. Der Kollege Lederer hat mir viel Redezeit gespart. Er hat nämlich erklärt, dass es Rasterfahndung ist, dass eine große Datenmenge gespeichert, erhoben, verknüpft und weiterverarbeitet wird. Nennen wir das Kind beim Namen: Es ist Handyrasterfahndung. Denn, wenn Sie eine Funkzellenabfrage oder Funkzellenüberwachung machen, ist das ein technischer Vorgang eines Technikers, ob der Funkmast noch lebt und funktioniert. Das ist etwas ganz anderes. Wir reden von Rasterfahndung. Die Definition kennen wir. Es gibt eine wunderbare Studie vom Max-PlanckInstitut für Strafrecht aus dem Jahr 2008. Die haben geguckt, wie erfolgreich das ist. So wirklich erfolgreich ist es allerdings nicht. Okay, wir haben die Wirksamkeit.

Wir wissen inzwischen alle, dass wir, wenn wir Mist machen, unterschiedliche Handys und Nummern haben. Wir kaufen die Dinger, benutzen sie einmal und werfen

sie weg. Das funktioniert ganz hervorragend. Die Profis kriegen das wieder nicht mit. Profi heißt: einmal ins Internet und „Umgehung Funkzellenabfrage“ googeln. Dann haben Sie eine Anleitung, wie das geht. Die Idioten können sie damit kriegen. Aber die Idioten kriegen Sie auch mit herkömmlichen Ermittlungsansätzen. Super Sache! Das hat sich hier auch gezeigt: Hat nichts gebracht!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Udo Wolf (LINKE)]

Kommen wir zum Missbrauchspotenzial! Hierzu gibt es eine schöne Geschichte. Vor ein paar Jahren haben die Kameraüberwacher in England gesagt: Das sind aber schicke Kameras. Damit kann man in die Schlafzimmer zoomen. Die Bilder gab es bei YouTube, bei YouPorn, und Sie können heute noch bei Fail Blog gucken, was es an Kameraüberwachungsvideos im Internet gibt. Der Missbrauch findet statt.

Was haben wir also an Missbrauchspotenzial? Stellen wir uns vor, ich wäre nicht Polizist, sondern Techniker bei einem Mobilfunkprovider. Das ist ein schönes Gedankenspiel.

[Dr. Robbin Juhnke (CDU): Sind wir bei der Sendung mit der Maus?]

Ja, wir machen jetzt die Sendung mit der Maus, weil Sie es nicht verstanden haben.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Dann haben wir ungefähr 200 Mobiltelefone, die sich alle zwei Wochen am Donnerstag in diesem Plenarsaal treffen. Super! Die kann ich relativ gut herausrastern. Was machen diese Telefone? Die kommen hier ins Büro. Ich kann sogar messen, in welchem Büro sie sind, ob im Ost- oder Westflügel. Und was machen die nach dem Büro? – Sie gehen zur Arbeit, nach Hause oder ganz woanders hin. Davon sollte eigentlich niemand erfahren. Macht aber nichts. Ich erfahre es trotzdem; ich bin nämlich der Techniker. Das ist aber gar kein Problem. Sie haben ja alle nichts zu verbergen, auch nicht die kleine Affäre, den kleinen Deal oder die kleine Nachtbeglaubigung eines Vertrags.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Das muss nicht so schlimm sein.

Jetzt haben wir die Geschichte mit der Massen-DNA. Die können Sie mir übrigens nicht heimlich abnehmen. Was können wir da machen? – Wir haben die Daten beim Provider. Ganz ehrlich, das mit den Technikern funktioniert. Ich kenne Techis, die haben schon vor zehn Jahren genau errechnet, welcher Senator eine Affäre hatte, denn sie konnten die Daten an der Avus abgreifen und genau sehen, wer wann mit wem telefoniert. Ich war damals noch zu jung, um das zu machen.

Es gibt Leute, die glauben, man könnte die nicht benachrichtigen. Wir haben die IMEI, die International Mobile Equipment Identity, und die IMSI, die Subscriber Identity. Wir haben genügend Daten, um Leuten einfach mal eine SMS zu schicken. Wir müssen dafür keine Daten verarbeiten. Wenn Sie jetzt sagen, zum Schicken einer SMS müssten Daten verarbeitet werden, dann sage ich Ihnen: zum Schicken eines Briefs auch. Oh my fucking god! Das kann doch gar nicht angehen. Es müssen Daten verarbeitet werden, um Leute zu benachrichtigen. Okay! 90 Prozent der Bevölkerung haben kein Problem damit, hat der Kollege von der CDU gesagt. Dann benachrichtigen wir sie doch einfach!

Herr Kollege Morlang, Sie müssen zum Ende kommen!

Das tue ich. – Wir schicken ihnen eine SMS, wir packen URL mit rein, das Ganze geht auf eine Webseite der Polizei, und die erklärt sachlich, um was es geht. Damit haben wir das Problem mit dem Eingriff in Grundrechte erledigt. Wenn die Bevölkerung dann ein Problem damit hat, wird der politische Preis für diese Maßnahme steigen, aber wir wollen den Straftäter ja kriegen.

Jetzt ist Schluss!

Der Begriff „Oh fucking!“ ist nicht parlamentarisch. Ich muss mich heute etwas wundern. Ich kenne andere Debatten mit geschliffenerem Wortschatz. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit hat sich die Aktuelle Stunde erledigt. – Vielen Dank!

Wir kommen zur

lfd. Nr. 4:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Ich rufe auf

(Vizepräsident Andreas Gram)

lfd. Nr. 4.1:

Priorität der Piratenfraktion

Tagesordnungspunkt 6

a) Wahlalter 16 I: Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0106

Erste Lesung

b) Wahlalter 16 II: Gesetz zur Änderung des Landeswahlgesetzes

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0107

Erste Lesung

in Verbindung mit

lfd. Nr. 7:

a) Wahlrecht ohne Altersbegrenzung I : Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/0111

Erste Lesung