Es hilft immer mal wieder, sich zu vergegenwärtigen, worüber wir sprechen. Nehmen wir das Thema dieser Aktuellen Stunde. Genau über Ausmaß und Hintergründe der Funkzellenabfrage haben wir vor drei Tagen im Innenausschuss ausführlich gesprochen. Ich kann mir schlecht vorstellen, dass man den Sachverhalt mit einer solch kurzen Vorlaufzeit detaillierter darstellen kann, als es die Polizeivizepräsidentin am Montag getan hat.
[Benedikt Lux (GRÜNE): Aber Sie haben keine Haltung! – Zuruf von den PIRATEN: Schieben Sie es nicht auf die Polizeivizepräsidentin!]
Wir haben uns bemüht, Transparenz herzustellen. Wir haben Ihnen die Rechtslage geschildert, wir haben Ihnen die Zahlen offengelegt, die uns am Montag nach kurzfristigen Recherchen und qualifizierten Schätzungen für den Bereich des Staatsschutzes vorlagen. Das wissen Sie auch. Mein Staatssekretär hat heute vorläufige Verfahrenszahlen, die über das LKA V hinaus durchgeführt wurden, ergänzt. Ich, Kollege Lederer, Kollege Lux, maße mir nicht an, zum jetzigen Zeitpunkt eine abschließende Zahl zu nennen. Aber Sie können sicher sein, dass die Polizei unter meiner Amtsführung fortlaufend für Transparenz sorgen wird und wir das, was wir wissen, auch mitteilen werden, so, wie wir es am Montag im Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung bereits getan haben.
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Wolf! Ich habe gestern mit großem Interesse Ihr Interview in der „taz“ gelesen. Da haben Sie eine intellektuelle Meisterleistung vollbracht, und die Rede des Kollegen Lederer hat das insgesamt nicht besser gemacht. Sie haben die Haltung der Linksfraktion auf einen ganz einfachen Nenner gebracht: Wir wussten von nichts. Wir haben nichts gehört und nichts bemerkt, und ob die politische Führung seinerzeit überhaupt informiert wurde, das könnten Sie auch nicht sagen. Aber was Sie sagen können, das ist ganz klar, das ist jetzt die Angelegenheit des Innensenators, er wollte ja immerhin diesen Job. – Lieber Herr Wolf! Lieber Herr Lederer! Sie können sicher sein, dass ich mit dieser Rolle überhaupt kein Problem habe, und Sie können auch sicher sein, dass ich sehr gerne für Transparenz sorgen werde. Ich werde es Ihnen aber auch nicht durchgehen lassen, dass Sie sich jetzt in dieser Art und Weise, wie Herr Lederer es hier getan hat, aus dieser Angelegenheit herauswinden.
Sie müssen sich schon die Frage gefallen lassen, was Sie in Ihrer Regierungszeit getan haben, um Transparenz herzustellen, was Sie damals wissen wollten, was Sie kritisch erfragt haben und wie Sie eigentlich Ihre Rolle als Koalitionspartner verstanden haben. Ich finde es – vorsichtig formuliert, Herr Präsident – amüsant, wenn Sie, Kollegen Wolf und Lederer, davon sprechen, sich die Möglichkeit – Herr Lederer hat es heute nicht getan, aber Sie haben es im Interview gegenüber der „taz“ getan – eines Untersuchungsausschusses offenhalten wollen.
Ich weiß nicht, was Sie dort untersuchen wollen. Die rechtlichen Grundlagen für eine Funkzellenabfrage können Sie in jeder Bibliothek nachlesen.
Wenn Sie ernsthaft von einem Untersuchungsausschuss sprechen, dann dürfte Ihnen hoffentlich klar sein, wer dann wem Fragen stellen wird zu Vorgängen, die in Ihre Regierungsverantwortung fallen. Seien Sie sich bewusst, dass Sie sich als Vorsitzender der damaligen Regierungsfraktion auf einer Anhörungsbank wiederfinden könnten.
Deshalb sage ich hier in aller Ernsthaftigkeit: Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, wenn wir diese Debatte endlich versachlichen würden.
Zu dieser Sachlichkeit gehört, dass die Polizei sich an Recht und Gesetz gehalten hat. Die Funkzellenabfrage unterliegt strengen rechtlichen Kriterien. Sie erfolgt auf
der Grundlage eines richterlichen Beschlusses. Das sollten auch diejenigen endlich respektieren, die jetzt hier wieder aus politischem Kalkül die Berliner Polizei an den Pranger stellen wollen.
Was wir hier führen, ist eine seltsame Debatte darüber, ob die Behörden schwere Verbrechen mit rechtsstaatlichen Mitteln verfolgen dürfen. Wenn ich mir die gestrige Umfrage im „Tagesspiegel“ ansehe, dann stelle ich jedenfalls erfreut fest, dass 93,5 Prozent der Teilnehmer diese Ermittlungsmaßnahmen befürworten.
Die Bevölkerung hat sich also, anders als offenbar mancher Abgeordneter, ein klares Rechtsverständnis bewahrt.
Ich nehme übrigens auch mit Interesse zur Kenntnis, dass die Piraten sich dafür stark gemacht haben, ihre Smartphones auch in den Ausschüssen weiter zu benutzen. Das heißt, das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat kann auch bei Ihnen nicht gänzlich erschüttert sein.
Ich werde es nicht zulassen, dass der Eindruck entsteht, die Polizei hätte unrechtmäßig gehandelt oder würde mit Kanonen auf Spatzen schießen. Wir waren uns am Montag im Ausschuss darüber einig, dass wir es hier nicht mit Bagatelldelikten, sondern mit schweren Straftaten zu tun haben. Wir waren uns leidlich darüber einig. Diese schweren Straftaten müssen auch so benannt und vor allem konsequent verfolgt werden.
Herr Kollege Lux! Es geht um eine verheerende Brandserie. 537 Anschläge allein im vergangenen Jahr. Mit den möglichen Konsequenzen hat sich der Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung – und das wissen Sie auch – häufig befasst. Die Vizepolizeipräsidentin hat Ihnen die Folgen eindringlich beschrieben: Temperaturen bis zu 1 000 Grad bei brennenden Autos, die Explosionsgefahr von Tanks, herumgeschleuderte Teile, die erhebliche Verletzungen verursachen können. Es gab Fälle, bei denen Bäume Feuer gefangen haben, wodurch die Gefahr eines Übergreifens auf Wohnhäuser bestand. Dass hier bislang keine Opfer zu beklagen waren, ist nicht der Umsichtigkeit der Täter zu verdanken, sondern einzig und allein dem Zufall und dem schnellen Handeln unserer Feuerwehr. Das gibt uns aber keinen Anlass, uns entspannt zurückzulehnen.
Und auch das will ich noch mal in Richtung von Herrn Lederer und vor allem in Richtung von Herrn Lux sagen:
Ich jedenfalls mache den Strafverfolgungsbehörden keinen Vorwurf, dass sie alles versucht haben, die Täter zu ermitteln und die Bevölkerung vor weiteren Anschlägen zu schützen. Nein, das ist sogar das, was ich von ihnen erwarte.
Herr Kollege Lederer! Wenn Sie auf den Bundesgesetzgeber verweisen, dann sage ich: Genau dafür hat der Bundesgesetzgeber in der Strafprozessordnung Eingriffsinstrumente zur Verfügung gestellt. In § 100 Strafprozessordnung finden Sie die Voraussetzungen für den Einsatz der Funkzellenabfrage.
Sie darf nur bei besonders schweren Straftaten Anwendung finden, orientiert am Deliktskatalog des § 100a Abs. 2 Strafprozessordnung. – Schön, dass der Hinweis kam, dass Sie das kennen und dass Sie das studiert haben, umso unverständlicher ist Ihr Redebeitrag. –
Dazu zählen gemeingefährliche Straftaten, also auch die Brandstiftung an Kraftfahrzeugen. Vielleicht müssen wir uns noch einmal klar werden, worüber wir hier heute eigentlich reden. Was war in den vergangenen Tagen nicht alles zu lesen?
Telefone würden ausgespäht, überwacht. Das klingt so, als ob die Polizei mitliest, was unbescholtene Bürger schreiben, als ob sie Bewegungsprofile erstelle. Das ist der Eindruck, der hier entsteht, und diesen Eindruck weise ich nachdrücklich zurück.
Dann muss man sich, wenn man die Debatte richtig verfolgt, auch noch mal auf der Zunge zergehen lassen, was alles miteinander vermengt wurde. Meine Damen und Herren von der Opposition! Wir reden hier nicht über Telefonüberwachung. Wir reden hier nicht über Rasterfahndung, und wir reden auch nicht über Vorratsdatenspeicherung. Wir reden hier darüber, dass die Polizei aufgrund einer richterlichen Entscheidung von den Te
lekommunikationsanbietern auf rechtlicher Grundlage die Herausgabe bestimmter Rechnungsdaten verlangt hat. Die Maßnahme der Funkzellenabfrage wurde von den Ermittlungsbehörden durchgeführt, um bei einer länger anhaltenden Serie schwerer Straftaten Ermittlungsanhalte zu gewinnen. Die Funkzellenabfrage ist eine grundsätzlich geeignete Maßnahme. Wenn Sie diese Maßnahme im Nachhinein bewerten, ohne die konkrete Ermittlungssituation zu berücksichtigen, dann ist das Ihre Sache, aber ich mache mir diese Kritik ausdrücklich nicht zu eigen.
Wir haben Ihnen am Montag Zahlen aus dem Bereich des polizeilichen Staatsschutzes vorgestellt, der auch für die Ermittlungen im Komplex Kfz-Brandstiftung zuständig ist.
Wir reden hier über den Zeitraum 2008 bis heute, also etwa vier Jahre. Dabei sage ich auch ganz deutlich: Nur im Fall auffälliger Trefferhäufungen werden weitere Maßnahmen ergriffen, um den Inhaber des Anschlusses zu ermitteln. Um den Kreis der Unbeteiligten so gering wie möglich zu halten, wird die Datenerhebung auf ein begrenztes Zeitfenster beschränkt. Die Polizei stimmt ihre Vorgehensweise – auch das sollten Sie wissen – dabei immer eng mit der Staatsanwaltschaft ab. In etwa der Hälfte aller durchgeführten Verkehrsdatenerhebungen, die mir bislang bekannt sind, sind die Daten zwischenzeitlich nach Eingang der staatsanwaltschaftlichen Löschungsverfügung gelöscht worden. In den verbleibenden Fällen liegt eine Löschungsverfügung z. B. wegen noch laufender Ermittlungen nicht vor. So weit zur Lage in Berlin. Wenn Sie daraus eine Debatte über die bundesgesetzlichen Grundlagen ableiten wollen, steht Ihnen das selbstverständlich frei.