Protokoll der Sitzung vom 12.11.2015

Dann kommen wir zur Abstimmung über den so geänderten Antrag. Zu dem Antrag Drucksache 17/2123 neu empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich gegen die Oppositionsfraktionen die Ablehnung auch mit Änderung. Wer diesem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion, die Piratenfraktion. – Gegenstimmen? – Das sind die Fraktion der SPD und die Fraktion der CDU. Enthaltungen? – Keine Enthaltungen. Dann ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir haben es jetzt 19.00 Uhr. Mir ist allerdings signalisiert worden, dass eben unsere letzte Rederunde stattgefunden hat, es aber Einvernehmen zwischen den Fraktionen besteht, dass wir gemäß § 91 unserer Geschäftsordnung von dem üblichen Sitzungsende 19.00 abweichen, um die weiteren Punkte noch aufzurufen, abzustimmen und abzuarbeiten. Gibt es hierzu Widerspruch? – Den höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Die Tagesordnungspunkte 14 und 15 stehen auf der Konsensliste.

Ich komme nun zur

lfd. Nr. 16:

a) Mehr Nachhaltigkeit in den Schulen: Umweltmentoren und -mentorinnen für Berlin

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 1. Oktober 2015 Drucksache 17/2505

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2225

b) Bildung für nachhaltige Entwicklung in Berlin: Es gibt viel zu tun

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 1. Oktober 2015 Drucksache 17/2506

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2333

Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass Reden zu Protokoll gegeben werden können. Dazu haben Sie nun die Gelegenheit.

Was verbirgt sich hinter dem Kürzel BNE? – Nein, keine neue Tierseuche und auch kein Ableger unseres Nachrichtendienstes. Bildung für nachhaltige Entwicklung – kurz BNE – soll zu nachhaltigem Denken und Handeln befähigen. Was bedeutet das? – Kinder, Jugendliche, aber natürlich auch Erwachsene sollen lernen, wie sich ihr Handeln auf spätere Generationen und das Leben in anderen Ecken der Welt auswirkt.

Um dieses Denken voranzubringen, haben die Vereinten Nationen von 2005 bis 2014 eine Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ausgerufen. Zum Ende der Dekade vor fast genau einem Jahr haben wir bei einem Fachgespräch ein erstes Fazit gezogen: Was ist in Berlin erreicht worden? Welche Ziele wurden erreicht? Welche Aufgaben liegen noch vor uns? – Am Ende der Diskussion mit mehr als 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Projekten, Vereinen und Initiativen – meist ehrenamtlich Engagierte – war klar: Die politischen und finanziellen Rahmenbedingungen für Bildung für nachhaltige Entwicklung in Berlin müssen verbessert werden.

So gibt es in Berlin keine Stelle, die die zahllosen Einzelprojekte – von der Schüleruni Nachhaltigkeit und Klimaschutz an der FU Berlin bis zum gewässerpädagogischen Netzwerk – koordiniert und vernetzt. Es gibt in Berlin – anders als z. B. in NRW – kein Nachhaltigkeitskonzept, mit dessen Hilfe die erfolgreichen Einzelprojekte in den Regelbetrieb überführt werden könnten. Brandenburg hat einen Landesaktionsplan mit eigenem Haushaltstitel und einem Runden Tisch zwischen Verwaltung und Akteurinnen und Akteuren.

Ein solches Konzept würde auch deutlich machen, wo es noch „blinde Flecken“ gibt, denn BNE ist nicht nur ein Thema für Kitas und Schulen, sondern auch für die berufliche Bildung sowie für die Fort- und Weiterbildung. Der öffentliche Dienst sowie öffentliche Einrichtungen sollten hier Vorreiter sein, und das gilt auch für das Berliner Abgeordnetenhaus. Es gibt zwar Solarzellen und Bienen auf dem Dach, es gibt aber noch nicht einmal Mülltrennung, und bei Ausschussreisen müssen die Abgeordneten darum kämpfen, mit dem Zug reisen zu dürfen. Ein Vorbild sieht anders aus!

Auch im Bereich BNE kann Berlin viel von anderen Bundesländern lernen. Das gilt etwa für das ausgezeichnete Programm „Schülermentorinnen und -mentoren für den Umweltschutz“ aus Baden-Württemberg. Darin werden Schüler und Schülerinnen zu Umweltmentoren und -mentorinnen ausgebildet und setzen das Erlernte sofort um, indem sie zum Beispiel das eigene Schulgebäude einem Energiecheck unterziehen. Damit lässt sich das überwinden, was wissenschaftlich als „Einstellungsverhaltenslücke“ beschrieben wird. Wissen führt nicht automatisch zu Handeln. Daher muss der Senat BNEVerhaltensweisen und unzählige ehrenamtliche Projekte und Initiativen in Berlin politisch und finanziell fördern.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Koalition, vielleicht hatten Sie während der Haushaltsberatungen, als Sie unsere Anträge im Ausschuss weggestimmt haben, zu wenig Zeit, sich damit zu befassen. Jetzt hatten Sie diese Zeit und ich hoffe, dass Sie nicht gegen eine nachhaltige Entwicklung unserer Stadt sind.

Bildungspolitik ist heute nicht mehr vorstellbar ohne den zentralen Gedanken des Umweltschutzes. Und Umweltpolitik geht nicht mehr, das wissen wir seit langem, ohne Bildungspolitik. Wir müssen unsere Kinder darauf vorbereiten, dass der Erhalt und der Schutz der Umwelt ein fundamentales Gut ist. Es ist die Basis unseres Lebens und die unserer Zukunft. Wir müssen das Interesse unserer Kinder für dieses sensible Thema wecken, auf dass sie kreativ und mit dem richtigen Kompass im Herzen die Zukunft mitgestalten.

Und Sie haben vollkommen recht, dafür ist die Schule der richtige Ort, denn es geht hier um Bildung im wortwörtlichen Sinne. Deutschland ist in diesem Bereich auch deshalb führend, weil wir über das Know-how verfügen. Das Wissen, das dahinter steht, entwickeln wir an unseren Schulen, an unseren Unis und an unseren Forschungszentren. Deshalb spielt Umweltschutz gerade an unseren Schulen auch eine bedeutende Rolle im Lehrplan, in Projekten und im herausragenden Engagement unserer Lehrkräfte.

Bildung für nachhaltige Entwicklung – BNE – soll Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen nachhaltiges Denken vermitteln und die Nerven kitzeln, damit künftige Generationen die Chance haben, einen Prozess nachzuholen, den wir zu lange verschlafen haben. Die verheerenden Folgen dessen sehen wir täglich, auch wenn wir sie nicht immer hier in Deutschland spüren. Deshalb war und ist es unser Anliegen, in diesem Bereich voranzukommen.

Wir haben auf die Herausforderungen bezüglich des Umgangs mit den Ressourcen und des Klimawandels reagiert und bemessen diesem Thema einen hohen Stellenwert zu, wie es beispielsweise in der aktuellen Anhörungsfassung des Rahmenlehrplans und in den „Curricularen Vorgaben in globalen Zusammenhängen im Rahmen einer Bildung für nachhaltigen Entwicklung“ zum Ausdruck kommt. Mithilfe von Unterstützungs- und Anreizsystemen werden Klima- und Ressourcenschutz gestaltungskompetenzorientiert im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung unterrichtet. Hier ist die Umweltschule in Europa/Internationale Agenda 21-Schule zu nennen, Siegel und Wettbewerb der „Berliner Klimaschulen“, weitere Tagungen und Handreichungen. In Berliner Schulen werden bereits innerhalb bezirklicher Energiesparprojekte Energielotsen ausgebildet. Ich möchte hier z. B. „Fifty-fifty“ in Reinickendorf und „Köpfchen statt Kohle“ in Pankow hervorheben. Da können Sie gerne den Vergleich zum Mentorenprogramm in BadenWürttemberg ziehen. In anderen Schulen wurden für Projekte wie z. B. „Klimafrühstück“ Peer-to-Peer-Ausbildungssituationen geschaffen.

Insgesamt vermisse ich in diesem Antrag doch etwas den Rückbezug auf das, was wir hier in Berlin schon realisiert

(Dr. Turgut Altug)

haben. Sich nun an der sicherlich wünschenswerten Koordinierungsstelle aufzuhängen, halte ich für wenig hilfreich. Angesichts der bestehenden Unterstützungssysteme für eine Bildung für nachhaltige Entwicklung erscheint eine Hauruckeinführung des Mentorenprogramms nicht sinnvoll. Ich bin davon überzeugt, dass wir auf diesem Weg – und dies betone ich – gemeinsam weitergehen sollten.

Die Fraktion der Grünen drückt in ihren Anträgen die Befürchtung aus, dass mit Auslaufen der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ wichtige Errungenschaften und Netzwerke verloren gehen könnten, außerdem spricht sie sich für die Einrichtung eines freiwilligen Programms für Umweltmentoren an Schulen aus. Die Koalition hatte beide Anträge im Rahmen der Haushaltsdebatte im Bildungsausschuss negativ beschieden. Lassen Sie mich hier nochmals kurz ausführen, weshalb:

Das Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung – BNE – findet sich seit 2012/2013 im Rahmenlehrplan und wurde im neuen Rahmenlehrplan von diesem Jahr als übergreifendes Thema „Lernen in globalen Zusammenhängen im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung“ weiter festgeschrieben. Für die curriculare Ausformulierung dieses Themas sind 43 Abordnungsstunden, die sich auf sechs Lehrkräfte verteilen, reserviert. Diese Lehrkräfte betreuen auch das Projekt „Klimaschulen“, zu denen eine ganze Reihe berufliche Schulen gehört. Die Auszeichnung „Klimaschule“ wird seit 2004 verliehen und wird fortgeführt. Es gibt schon jetzt Fortbildungsangebote für Lehrer im Bereich BNE, und für die Umsetzung der eben genannten curricularen Vorgabe wird es im Rahmen der regionalen Fortbildung weitere geben.

Das Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung ist auch als Ziel für Schul- und Qualitätsentwicklung verankert. Die pädagogische Beratungsstelle für ökologische und kindgerechte Schulhofgestaltung „Grün macht Schule“ wird weiterhin mit 65 000 Euro gefördert.

In diesem Juni wurden an drei Oberstufenzentren Zertifikate an „Nachhaltigkeitstrainees“ verliehen. Bei diesem Projekt kooperieren Oberstufenzentren, Partner aus der Wirtschaft und BNE-Netzwerke miteinander, dieses Projekt kann von anderen Schulen übernommen werden. Zusätzlich werden in bezirklichen Projekten wie „Fiftyfifty“ In Reinickendorf oder „Köpfchen statt Kohle“ in Pankow Energielotsen ausgebildet. Und schließlich unterstützt der Senat den „Green Day“, der Schülern erste Erfahrungen in „grünen“ Berufen ermöglicht.

Diese Beispiele zeigen, dass in allen Bereichen, in denen die Grünen Maßnahmen fordern, schon Aktivitäten und Strukturen bestehen, die auch nicht abgebaut werden

sollen, sondern regulär weiterlaufen. Eine Projektkoordinierungsstelle – um dies abschließend auch noch anzuführen – gab es übrigens in der Senatsverwaltung nie, doch wird sich eine Senatsmitarbeiterin auch weiterhin mit dem Thema BNE befassen.

Also, um es kurz zusammenzufassen: Wir sehen hier anders als die Grünen zurzeit keinen Handlungsbedarf. Wenn überhaupt Verstärkungen oder Änderungen vorgenommen werden sollten, dann aus unserer Sicht im bestehenden System, beispielsweise dahingehend, dass der – übrigens Grün-geführte – Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg seiner Gartenarbeitsschule genügend Mittel bereitstellt, um Freiwillige im ökologischen Jahr zu bezahlen, oder dass auch freie Schulen zu dem mit 15 000 Euro dotierten Wettbewerb „Klimaschule“ zugelassen werden. Aufgrund der genannten Fakten bleibt es bei unserem Nein zu den vorgelegten Anträgen.

Die in Berlin gewachsenen Strukturen für die UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung – BNE –, das Netzwerk verschiedener Bildungsträger und schulischer und außerschulischer Rahmen drohen verloren zu gehen, weil diese ausläuft. Daher wird der Senat im ersten Antrag aufgefordert, wachsende Strukturen zu erhalten oder auszubauen. Die Grünen fordern einen Aktionsplan und eine umfassende Verankerung von BNE in allen schulischen und außerschulischen Bildungseinrichtungen, ein Fortbildungskonzept für pädagogisches Personal, Bildungslandschaften in den Kiezen und einige weitere sinnvolle Forderungen. Der Antrag ist sehr umfangreich und würde enorme Mehrbedarfe bei verschiedenen Haushaltstiteln hervorrufen. Die Frage ist, wie hoch die jeweiligen Mehrbedarfe wären. Schwierig wird es, kurzfristig mehr Personal zu fordern, das umgehend eingestellt werden müsste. Tatsächlich sind aber haushälterische Probleme und Umsetzungsschwierigkeiten zu lösen, ggf. muss mehr Zeit für die Umsetzung in die Hand genommen werden.

Wir stimmen dem Antrag aber grundsätzlich zu, weil die Senatsverwaltung auch hier nicht tätig geworden ist. Der Senat berichtet in der roten Nummer 2227, dass für BNE, für die Implementierung der übergreifenden Umweltthemen im Rahmenlehrplan sowie für das Projekt „Klimaschutz am Schulstandort“ Abordnungsstunden von 43 Stunden, verteilt auf sechs Lehrkräfte für ganz Berlin zur Verfügung stehen. Das ist zu wenig. Honorare und Sachmittel werden aus der laufenden Haushaltswirtschaft finanziert, aus Kapitel 1010. Explizite Mittelansätze gibt es nicht. Beim Senat gab es während der UN-Dekade zur BNE auch keine Koordinierungsstelle. Es gibt nur Projektkoordinatoren für die Projekte „Klimaschutz am Schulstandort“ und „Zukunft gestaltet Schule“. Auch die Forderung nach einer umfassenden Verankerung von BNE in allen schulischen und außerschulischen Bildungseinrichtungen sowie ein umfassendes Fortbil

(İlkin Özışık)

dungskonzept darüber hinaus wird von der Piratenfraktion geteilt.

Zu den Umweltmentorinnen: Grundsätzlich kann es sich bei dieser Forderung nur um einen Kompromiss handeln. Was Berliner Schulen eigentlich brauchen, ist eine Implementierung der Themen Klima-, Umwelt- und Tierschutz im regulären Unterricht und vor allem in allen Schulen, insbesondere dort, wo das Thema Umwelt- und Naturschutz kein Thema ist, wo es an Engagement der Lehrkräfte oder der Schüler und Schülerinnen fehlt. Dafür fehlt es in Berlin bis heute an einem Konzept.

Darin könnten Themen wie z. B. der Klimawandel oder Aspekte des Umwelt- oder Tierschutzes aus den Fächern Ethik und Geografie vertieft werden. Jegliche Parlamentsdokumente zum Thema offenbaren, dass die Themen Klima-, Umwelt- und Tierschutz lediglich an wenigen Schulen und Klassen als Projekte kurz auftauchen, sei es durch die Schule selbst oder durch die Senatsverwaltungen für Bildung oder Umwelt initiiert.

Dabei zeigte die letzte Schriftliche Anfrage zum Thema von Monika Thamm, CDU, vom Januar 2014, Drucksache 17/12999, dass der Senat Daten über die Teilnahme allgemeinbildender Schulen an geförderten umweltpolitischen Projekten nicht erhebt, sich also für das Engagement der Berliner Schulen kaum interessiert. Es gibt, so der Senat in der besagten Anfrage, eine Reihe von umweltpolitischen Projekten für Schüler und Schülerinnen, die vom Senat initiiert wurden. Diese werden aber entweder nur an wenigen Schulen umgesetzt oder sie werden von zu wenigen Schülern und Schülerinnen genutzt. So nahmen im letzten Jahr z. B. 3000 Schüler und Schülerinnen von 142.000 an der Schüler- und Schülerinnenuniversität „Klimaschutz und Nachhaltigkeit“ des Forschungszentrums für Umweltpolitik an der FU teil. Die GESOBAU führte einmalig im Jahr 2013 zusammen mit SenBildJugWiss eine Projektwoche zur Nachhaltigkeit in der Thomas-Mann-Oberschule und in der Bettina-vonArnim-Schule durch. Teilgenommen haben lediglich sieben Klassen.

Es gibt das Projekt „Grün macht Schule“. Dabei handelt es sich um eine Beratungsstelle für ökologische und kindgerechte Schulhof- und Kitagestaltung. Es geht dabei allerdings weniger um Umweltschutz, als um Aufenthaltsqualität. An der Stelle gibt es Fortbildungen. Im Haushalt sind dafür lediglich 65 000 Euro veranschlagt. Klar ist, dass das Projekt nicht alle Schulen im Blick haben kann. So verkommen viele Schulhöfe, und potenzielle Schulgärten bleiben ungenutzt.

Der Senat brüstet sich mit seinen „Berliner Klimaschulen“. In der Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt vom 2 November 2015 war zu lesen, dass für das Jahr 2016 Schulen Beiträge zum Thema Umweltschutz einreichen können. Es winken

Preisgelder von 5 000 Euro. Im letzten Jahr haben an dem Projekt 23 Schulen teilgenommen von ca. 700. Es werden also Schüler und Schülerinnen und Schulen gefördert, die bereits aktiv sind. Das ist gut und richtig, aber die Frage bleibt weiterhin: Wie erreichen wir Schüler und Schülerinnen und Schulen, die von Klima- und Umweltschutz nichts wissen wollen?

Christian Gaebler, Umweltstaatssekretär sagte in der genannten Pressemitteilung – ich zitiere –:

Umweltbewusste Schulwettbewerbe bieten großartige Möglichkeiten, Kinder und Jugendliche mit dem Thema anzusprechen. Auf kreative Art und Weise werden Schülerinnen und Schüler angeregt, sich über die Umwelt und das Klima Gedanken zu machen.

Hinter diesem Zitat offenbart sich, dass Schüler und Schülerinnen erst über jährlich stattfindende Projekte an das Thema Umwelt- und Tierschutz herangeführt werden müssen, weil die Senatsverwaltungen für Bildung und Umwelt keine Anstrengungen unternommen haben, um das Thema Nachhaltigkeit und Umwelt in den laufenden Schulbetrieb zu implementieren, weder in den Unterricht noch in die Schulkultur jeder einzelnen Schule. Es gibt zum Thema keine Verordnungen, keine Ausführungsvorschriften und keine Regelungen der Senatsverwaltungen, an die sich Schulen halten müssten. Es wäre mal interessant zu prüfen, wie umweltgerecht und naturschützend Schulen in Berlin täglich handeln, wie z.. Müll entsorgt wird oder was und wie von welcher Schulleitung eingekauft wird.

Insgesamt steckt das Thema bei der Berliner Verwaltung in der „Projektitis“-Falle. Projekte und Preise werden ausgeschrieben. Fördermittel gibt es für Projektträger. Interessieren werden sich für diese Projekte die Schüler und Schülerinnen, die bereits mit dem Thema vertraut sind, sei es durch Projekte im außerschulischen Freizeit- oder im familiären Bereich. Erreicht werden aber die Schüler und Schülerinnen nicht, die mit dem Thema überhaupt nicht vertraut sind, eben jene, die zu Hause oder im Freizeitbereich mit dem Thema nichts zu tun haben und weiterhin intensiv darüber diskutieren, welche der weltweiten Fast-Food-Ketten zu ihren Lieblingen gehört, jene Fast-Food-Ketten, die mit Meals, die „happy“ machen, gezielt Kinder und Jugendliche als Zielgruppen ausgemacht haben.

Die Themen Klima-, Umwelt- und Tierschutz sind seit Jahren so komplex und umfangreich, dass es regelmäßig und wiederkehrend im Unterricht behandelt werden muss, von der Grundschule bis zum Abitur und zwar nicht nur in einer Unterrichtsreihe im Ethikunterricht. Es sind viele Unterrichtsfächer gefragt. In Deutsch oder im Fach Kunst können Texte oder Kunstwerke ausgewählt und interpretiert werden, die das Thema weiter vertiefen, im Fach Chemie lassen sich Auswirkungen chemischer Zusammensetzungen auf die Umwelt vertiefen, das Fach

Geografie eignet sich hervorragend, um geologische Vorgänge und das Thema Umweltschutz zu verbinden. Ins Fach politische Bildung – heißt zurzeit noch Sozialkunde – gehört sicher auch die Darstellung umweltpolitischer Zusammenhänge in Bund, Ländern und EU.

Die Realität zeigt uns aber, dass nicht nur das Thema Umweltschutz zu kurz kommt. Aufgrund der Zusammenlegung der Fächer Geografie, Sozialkunde und Geschichte – in den Klassen 7 bis 10 in den ISS sogar in zwei Stunden pro Woche – fallen wichtige Themen der politischen Bildung oder Themen aus Geografie weg, wenn nicht gar die gesamte politische Bildung oder Geografie insgesamt wegfällt. Alles in allem bleiben umweltpolitische Themen immer außen vor, sodass der Senat gezwungen ist, Projekte zu initiieren, um Schüler und Schülerinnen überhaupt an das Thema heranzuführen.

Tatsächlich soll das Thema im neuen Rahmenlehrplan auftauchen, im Teil B soll es als fächerübergreifendes Thema implementiert werden neben zwölf weiteren Themen, die alle beiläufig, quasi neben dem regulären Fachunterricht behandelt werden sollen. Wie das funktionieren soll, ist völlig unklar. Umgesetzt werden sollen die neuen Rahmenlehrpläne im Schuljahr 2017/18. Im Dezember dieses Jahres will der Senat offenlegen, welche Änderungen bei der bisherigen Fassung vorgesehen sind. Bisher ist nicht bekannt, dass die Themen Umwelt- und Tierschutz einen größeren Raum erhalten. Im Gegenteil: Die Fächer Politische Bildung, Geschichte und Geografie sollen jetzt auch noch mit Ethik zusammengelegt werden, die Stundentafeln, die festlegen, wie viele Fächer pro Woche behandelt werden, sollen aber nicht geändert werden. Das heißt für die integrierten Sekundarschulen, dass in zwei Stunden pro Woche vier Fächer behandelt werden, zu denen es vier Lehrpläne gibt. Wo die Zeit bleibt, sich nebenbei um den Umweltschutz zu kümmern, bleibt dabei auch völlig offen.

Dabei hat der Senat sich hohe Ziele gesteckt: Bis 2050 soll die Stadt „klimaneutral“ werden. Dafür hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt sogar eine Machbarkeitsstudie veröffentlicht. In dieser taucht das Thema Bildung nicht auf. Fraglich bleibt, wer bis 2050 die Studie umsetzen soll, wenn nicht die jungen Menschen, die sich zurzeit in der Schule aufhalten und zum Thema nichts erfahren.