Abschiebung ist nicht nur am Ort, an dem die Menschen ankommen, lebensgefährlich, es gab immer wieder Abschiebefälle, bei denen Menschen bei der Abschiebung gestorben sind. Es ist auch unwürdig, wie Menschen teilweise mit Medikamenten, Spritzen und jeglichen Methoden ruhiggestellt werden, die sie ihrer Willenskraft entheben und sie eigentlich nur noch zu Objekten gemacht werden, Objekten einer Abschottungspolitik, einer Politik, mit der der CDU-Landesvorsitzende, Frank Henkel, sich als starker Mann inszenieren will. Wie lächerlich er dabei ist, hat der Kollege Zimmermann gerade ausgeführt, wird an den Zahlen deutlich, Kollege Lauer hat es auch dargestellt.
Das Schreckliche an der Situation ist tatsächlich, wie diese Abschiebungen stattfinden: aus den Klassenzimmern, aus den Frauenhäusern, aus Einrichtungen, in denen es sehr viele Menschen gibt, die sich für die Geflüchteten einsetzen. Zurück bleiben nicht nur die traumatisierten, abgeschobenen Menschen, zurück bleiben auch Klassenkameraden, Freunde, Nachbarn, die einfach nicht verstehen, warum Menschen abgeschoben werden, deren einziges Vergehen es ist, in irgendwelchen Kategorien abgeheftet zu werden, unter anderem der Kategorie die schon an sich eine falsche Konstruktion ist: die sicheren Herkunftsstaaten. Menschlichkeit und Menschenrechte sind etwas anderes und sind mit Abschiebungen generell nicht vereinbar.
Herr Kollege Zimmermann! Auch wenn ich diese SPDPosition seit Langem kenne, bleibt sie für mich falsch. Es ist falsch, Menschen abzuschieben, ohne zu bedenken, was es hier für die Menschen bedeutet, die Angst davor haben, auch abgeschoben zu werden, und es ist falsch für die Menschen, die abgeschoben werden und im Elend landen, wie insbesondere die Romafamilien, für die wir auch und besonders eine historische Verantwortung als Deutschland haben. Da reicht es nicht, Gedenkorte einzuweihen und derer zu gedenken, denen in Deutschland Unrecht geschehen ist. Da muss man sich auch um die Roma kümmern, die derzeit unter uns leben und unter dem permanenten Druck, abgeschoben zu werden. Dagegen stellen wir uns.
Menschenrechte achten, Menschenwürde achten, das würde auch aus einem ganz praktischen Grund sinnvoll sein. Was kostet uns eigentlich diese Abschiebemaschinerie? Was kostet es an Personal bei der Polizei, an Beschäftigung an Gerichten, an zig-fachen Versuchen, die Menschen abzuschieben, die nicht gelingen? – Ich habe das in den Haushaltsberatungen nachgefragt. Eine genaue Zahl konnte mir nicht genannt werden. Es konnte nicht gesagt werden, wie viel Geld das Land Berlin für misslungene Abschiebungen bezahlt. Stellen Sie sich einmal vor, wir würden all dies Geld für die Menschen ausgeben statt gegen sie. Wie viel weiter kämen wir damit beim Thema Versorgung von Geflüchteten, wie viel weiter
wären wir beim Thema Integration, wenn wir das Geld für die Menschen statt gegen sie einsetzen würden.
Auch wenn ich weiß, dass Sie den Antrag in den Ausschüssen verschleppen und letztlich ablehnen werden, bin ich dennoch der Ansicht, dass es richtig und wichtig ist, dass wir gemeinsam als Oppositionsfraktionen diesen Antrag immer wieder stellen und Sie damit konfrontieren, dass diese Koalition nicht nur an diesem Punkt eine Politik betreibt, die von der Mehrheit des Hauses nicht getragen wird.
Vielen Dank, Frau Bayram! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort Herr Abgeordneter Dr. Juhnke. – Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Jahre wieder, auch in einem Jahr,
in dem es einen historisch noch nie dagewesenen Ansturm von Asylbewerbern gibt, auch in einem Jahr, in dem alle Kräfte mobilisiert werden müssen, um die Lage in den Griff zu bekommen, und in einem Jahr, wo es deutlicher denn je ist, dass wir unsere Hilfe nur auf diejenigen konzentrieren können, die tatsächlich unseren Schutz brauchen, und in einem Jahr, in dem selbst führende Grünen-Politiker die Notwendigkeit von Abschiebungen betonen, wenn auch mit wenig Überzeugung, auch in solch einem Jahr kommt dieser Antrag, obwohl Ihnen bekannt ist, liebe Opposition, dass niemand, der tatsächlich schutzbedürftig ist, aus diesem Land abgeschoben wird. Denn die, die schutzbedürftig sind, die dürfen auch hier bleiben. Dazu gibt es einen hinreichenden rechtlichen Schutz, dazu gibt es eine einschlägige Rechtsprechung,
dazu gibt es rechtstaatliche Verfahren, dazu gibt es die Härtefallkommission und anderes mehr. Deutschland hat ein weltweit beachtetes und humanitäres Recht. Die Zahlen unterstreichen das in einer nie dagewesenen Deutlichkeit. Ich darf daran erinnern: Es handelt sich hierbei um vollziehbar Ausreisepflichtige, die ihrer Ausreisepflicht bisher nicht freiwillig nachgekommen sind, das heißt also, die in jeder Hinsicht kooperationsunwillig sind. Wir können nur helfen, wenn wir dazu in der Lage sind.
Unsere Kapazitäten sind nicht endlich. Es muss das Ziel einer den bestehenden Gesetzen und dem Wohl der Bun
desrepublik Deutschland und auch unserer Stadt verpflichteten Politik sein, den Zuzug nach Deutschland auf das humanitär berechtigte Maß zu beschränken. Deshalb ist das Gebot der Stunde, nicht Abschiebung auszusetzen, sondern im Gegenteil Abschiebungshemmnisse zu beseitigen.
Weil hier die Frage aufgeworfen wurde, ob die Abschiebungen aufgrund ihrer geringen Zahl von Bedeutung sind: Herr Zimmermann hat dargestellt, dass wir diese Konsequenz im Endeffekt auch zeigen müssen. Dass die meisten freiwillig gehen, die hier keinen Aufenthaltsstatus bekommen, liegt auch daran, dass zum Schluss die Abschiebung droht. Deshalb hat dies auch eine Signalwirkung, die man nicht unterschätzen darf. Deshalb teile ich auch nicht diese kurzschlüssigen Argumente, die der Herr Regierende Bürgermeister in der vergangenen Sitzung vorgebracht hat,
Ich frage mich, weshalb Sie den Antrag wieder stellen. Ich glaube, es gibt dafür ein Bündel von Gründen. Sie inszenieren hier jährlich einen Politklamauk. Ich sage Ihnen, warum ich das glaube: Dieser Antrag kommt regelmäßig zu spät. Er kommt grundsätzlich zu spät. Sie behaupten, der Abschiebestopp soll am 1. November beginnen. Heute haben wir bekanntlich Ende dieses Monats. Wenn Sie es ernsthaft meinten und es wirklich rechtzeitig initiieren wollten, warum legen Sie den Antrag nicht auf Wiedervorlage und bringen ihn rechtzeitig in das Parlament ein?
Warum reichen Sie ihn immer drei Wochen später ein? Vielleicht fällt Ihnen dann ein, dass Sie noch diesen Antrag stellen müssen. Die Ernsthaftigkeit, die Sie damit verbinden, kann ich an der Stelle nicht erkennen.
Nein! Frau Bayram hat lange genug geredet. Ich glaube auch, dass sie weiter nur ihre Argumente, die sie immer vorträgt, Deutschland sei inhuman und so weiter, unterstreicht.
Ihnen geht es im Grundsatz darum, die Grenzen bedingungslos öffnen zu wollen und alle Schranken und Ge
setze fallen zu lassen. Damit erreichen Sie genau das Gegenteil von dem, was Sie wollen. Das ficht Sie auch nicht an. Die Akzeptanz des Asylrechts würde dramatisch abnehmen, und die Möglichkeiten der Hilfe wären im Übrigen gleich Null. Dieses moralische Pathos, das Sie immer an den Tag legen,
wird vor allem dann ad absurdum geführt, wenn wir folgende Dinge bedenken: Auch im Grün-regierten BadenWürttemberg gibt es keinen Winterabschiebestopp, auch wenn man dort inzwischen von Rückkehrmanagement spricht. Das ist aber egal. Auch im leider Dunkelrot regierten Thüringen gibt es keinen Winterabschiebestopp, um es noch einmal auf den Punkt zu bringen. Deshalb hat es selbst unter Rot-Rot hier in dieser Stadt auch keinen formellen Winterabschiebestopp gegeben. Was Sie hier verbreiten, ist wieder reines Pathos, das Sie jedes Jahr wiederholen und versuchen, mit zu spät eingebrachten Anträgen zu unterstreichen. Das zeigt, dass es Ihnen einfach nur um den Showeffekt geht.
Dennoch hat der Antrag etwas Gutes und macht deutlich, wo die Grenze verläuft, zwischen denjenigen, die eine Politik nach dem Motto vertreten: Jeder darf kommen, und jeder darf bleiben und denjenigen, die in einer schwierigen Lage zwischen denen, denen geholfen werden muss und denen, die deshalb wieder gehen müssen, unterscheiden können. Die CDU gehört zur letzten Gruppe. Aus diesem Grund kann ich nur ankündigen, dass der Antrag hier nicht unsere Zustimmung finden wird, falls er tatsächlich noch einmal in diesem Plenum behandelt werden soll. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Dr. Juhnke! – Nun hat das Wort zu einer Zwischenbemerkung Frau Abgeordnete Bayram. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Juhnke! Sie haben doch noch diesen Brief an Angela Merkel geschrieben – können Sie sich noch erinnern? –, dass Ihr Innensenator nicht genug abschiebt. Natürlich reden Sie sich und auch Ihre Senatskollegen „besoffen“ beim Thema Abschiebungen, so, wie es Michael Müller, Regierender Bürgermeister, in der letzten Sitzung gesagt hat. Genau deswegen stellen wir solche Anträge. Sie haben dreimal nachgefragt, warum wir immer dieselben Anträge stellen. Ich sage es Ihnen: Wir tun es genau deswegen. Weil Sie es nicht verstehen, müssen wir es wiederholen.
Es ist auch totaler Quatsch zu sagen, der Antrag käme zu spät, weil Sie sich dann freuen müssten, wenn es so wäre. Vielmehr kommt der Antrag genau rechtzeitig, denn wir geben Ihrem Senator die Gelegenheit – ich erkläre es Ihnen einmal –, von selbst auf die Idee zu kommen, dass es Menschlichkeit und Menschenrechte gibt und dass es vielleicht auch einen Weg gibt, insbesondere den hiervon betroffenen Menschen, den Roma-Familien, es zu ersparen, ins Elend, in die Obdachlosigkeit, in die Mittellosigkeit abgeschoben werden. Ja, es gab keinen offiziellen Winterabschiebestopp in der Zeit, als Rot-Rot hier regiert hat.
Als Abgeordnete war ich damals auch in der Opposition. Deswegen bin ich jetzt nicht in der Gefahr, die Kollegen von der Linksfraktion zu verteidigen. Es gab aber dennoch im Hintergrund Absprachen. Der frühere Senator hat sich größtenteils daran gehalten. Deswegen ist es doch albern, sich hier hinzustellen und zu sagen: Einen formalen Abschiebestopp habe es nicht gegeben. Wir hätten diesen Antrag auch nicht gestellt, wenn der Herr Senator Henkel mit sich reden lassen würde. Er macht es nicht. Warum tut er es nicht? – Er tut es nicht, weil er einen starken Max als CDU-Landesvorsitzender markieren will. Warum macht er das? – Er tut es, weil ihm sonst nichts gelingt. Entweder ist er nicht in der Stadt oder packt die Probleme nicht an, für die er zuständig ist, hat dann aber immer die Parole: Ausländer raus, Roma raus, Westbalkanabschiebezentrum. Das sind wir leid. Dafür ist heute auch ein Antrag eingegangen. Wir werden ihm auch dieses Abschiebezentrum in Köpenick versauen. Wir werden nicht mit anschauen, dass er dort ein Westbalkanausreisezentrum errichtet. Es kann nicht sein, dass ein Senator jahrelang nichts tut und am Ende nur noch Sprüche klopft, die tendenziell rassistisch sind und sich gegen Menschen wenden.
Dagegen werden wir weiterhin Anträge stellen, Herr Kollege Juhnke. Sie können weiterhin Briefe an die Bundeskanzlerin schreiben, dass Ihr Senator zu wenig abschiebt.
Vielen Dank! – Ich persönlich empfinde das Wort „versauen“ als relativ grenzwertig, wenn ich das einmal ganz diplomatisch sagen darf.
Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, dass Sie sich in Ihrer Logik permanent widersprechen. Entweder unterstellen Sie dem Innensenator, dass er nichts tut, oder Sie unterstellen ihm, dass er ein Hardliner ist und sich seitdem das Klima in dieser Stadt verschlechtert habe und repressiver geworden ist.