Protokoll der Sitzung vom 10.12.2015

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2567

b) „Was die Stadt braucht“ – Moderne und zukunftsfähige Schulbauten

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2568

Es beginnt die Fraktion Die Linke in der Beratung, und zwar in Gestalt der Kollegin Kittler, der ich jetzt das Wort erteile. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! In Berlin-Kaulsdorf wurde zum Schuljahresbeginn im September ohne Vorwarnung die Franz-CarlAchard-Grundschule geschlossen und geräumt. Ursache:

fortschreitender Hausschwamm – seit mindestens 2013 bekannt, durch Nichthandeln der zuständigen Bezirksstadträte nicht bekämpft, jetzt auch begründet mit dem Argument, es wäre kein Geld da gewesen.

Für den Bezirkselternausschuss Steglitz-Zehlendorf ist das das Kalenderblatt 2 des Adventskalenders, der alarmierende Zustände an Schulen in ganz Berlin anklagt. – Herr Saleh ist gerade rausgegangen. Nein, da ist er noch. – Ich frage Sie, an welchen Stammtischen haben Sie denn erfahren, dass die SPD konsequent die Schulsanierung vorangetrieben habe?

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Joschka Langenbrinck (SPD): 1,4 Milliarden Euro in fünf Jahren!]

An den Berliner Schulgebäuden gibt es einen auf mindestens 2 Milliarden Euro, neuerdings bis 6 Milliarden Euro geschätzten Sanierungsstau, der immer größer wird. Der Senat weiß weder, wie hoch dieser tatsächlich ist, noch, wie er ihn mittelfristig abbauen kann.

Die Linksfraktion fordert deshalb vom Senat einen Masterplan, der genau dies leistet. Grundlage muss eine standortgenaue Analyse des Sanierungsbedarfes sowie – zur Durchsetzung der inklusiven Schule – des Bedarfs für die Schaffung von Barrierefreiheit der Bestandsschulen sein. Wir brauchen ein Sanierungskonzept, das angibt, wie, in welchem zeitlichen Rahmen und mit welchen finanziellen Mitteln der bestehende Sanierungsstau an den Berliner Schulgebäuden schnell aufgelöst werden soll. Der Masterplan muss außerdem Richtlinien vorgeben, wie mit der Schulsanierung den veränderten pädagogischen Anforderungen, der energetischen Sanierung und nachhaltigem Bauen entsprochen werden kann.

Die Linke fordert ebenso ein Neubauprogramm auf der Grundlage einer realistischen und zukunftsorientierten Schulentwicklungsplanung, um den wachsenden Schülerinnen- und Schülerzahlen gerecht werden zu können. Eine weitere Verdichtung und die Anwendung des Raumnutzungskonzepts nur auf Neubauschulen dürfen nicht mehr zugelassen werden. Der erforderliche und zügige Schulneubau darf dabei aber nicht nur durch immer weitere Schulergänzungsbauten ersetzt werden, denn diese sorgen nicht für eine mitwachsende Schulinfrastruktur wie Mensen, Fachräume, Sportanlagen usw.

Der Senat hat im Sommer des Jahres zwar endlich einen Schulentwicklungsplan für Berlin von 2014 bis 2018 vorgelegt, aber dieser wurde vom Rat der Bürgermeister heftig kritisiert und zu Recht als unaktuell und nicht den Anforderungen der inklusiven Schule entsprechend abgelehnt. Der Abbau des Sanierungsstaus und der Schulneubau müssen mit einer Modernisierung der Schulgebäude verbunden werden, um den Erfordernissen der Barrierefreiheit und dem Lernen im 21. Jahrhundert gerecht zu werden.

(Vizepräsident Andreas Gram)

[Beifall bei der LINKEN]

Um die damit verbundenen Aufgaben bewältigen zu können, fordert die Linksfraktion über den konzentrierten Einsatz von Landesmitteln hinaus ein bundesweites Investitions- und Aktionsprogramm, für das sich der Senat einsetzen muss. Dazu liegt Ihnen heute auch ein Haushaltsantrag der Linksfraktion vor.

Eine Bemerkung muss ich noch machen: Nicht rückholbar ist für Berlin eben leider, dass die Koalition in den vergangenen Jahren die unerwartet hohen Steuermehreinnahmen in eine vom Bund nicht geforderte, zusätzliche Schuldentilgung gesteckt hat, statt diese Mittel für den Abbau des Sanierungsstaus zu nutzen. Was die Stadt braucht, sind Sanierung und Schulneubau und auf keinen Fall einstürzende Schulbauten.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Kittler! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Kollege Nolte. – Bitte sehr!

Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Wir haben im Rahmen der Haushaltsberatungen wenig Zeit, uns mit diesen beiden wichtigen Anträgen auseinanderzusetzen, und deshalb werden wir sie im Ergebnis auch an den Bildungsausschuss und an den Hauptausschuss überweisen, damit sie dort ausgiebig diskutiert werden können. Ich will aber doch ein paar Worte einerseits zur Bilanz bei den Schulsanierungen und andererseits zum Ausblick sagen.

Zur Bilanz: Sie können der Antwort des Senats auf die Schriftliche Anfrage meines Kollegen Joschka Langenbrinck vom Januar dieses Jahres entnehmen, dass in den Jahren 2009 bis 2014 in den Bezirken 2 850 Sanierungsmaßnahmen an Berliner Schulen durchgeführt wurden. In diesen fünf Jahren von 2009 bis 2014 wurden fast 400 Millionen Euro für die Sanierung ausgegeben. Dazu kamen in den Jahren 2009 bis 2011 über 500 Millionen Euro aus dem Konjunkturprogramm II für Modernisierungen, Instandsetzungen und Neubau von Schulen. Wenn man die anderen Finanzmittel, die auch noch für Sanierungsmaßnahmen genutzt worden sind, dazu nimmt, summiert sich das in den fünf Jahren auf insgesamt 1,4 Milliarden Euro. Ich denke, das ist ein Beitrag, der sich durchaus sehen lassen kann. Und wie sähen die Schulen heute aus, wenn wir nicht seit 2009 sehr angestrengt dieses Sanierungsprogramm vorangetrieben hätten. Das im Jahr 2014 beschlossene Sondervermögen „Infrastruktur der Wachsenden Stadt“ wird uns bei der

Sicherung und beim Ausbau der Bildungsinfrastruktur ein weiteres großes Stück voranbringen.

Es wurde heute schon mehrmals gesagt, der Haushalt steht unter dem Motto „konsolidieren und investieren“. Je mehr es uns gelingt, dabei den Schwerpunkt zugunsten des Investierens zu verschieben, desto mehr Mittel werden wir auch für die Sanierung und für den Neubau der Berliner Schulen zur Verfügung haben. Im vorherigen Tagesordnungspunkt haben wir sehr viel über zusätzliches Personal geredet. Das ist ein Bereich, der auch z. B. in den Bürgerämtern wichtig ist, aber den anderen Bereich, das Investieren, zu verstärken, ist eine Aufgabe, die wir uns in den kommenden Jahren mit höchster Priorität vornehmen müssen, damit wir noch stärker die Sanierung der Schulgebäude und der übrigen Infrastruktur vorantreiben können.

Einige Worte zum Ausblick: Voraussetzung für einen zielgerichteten Einsatz der Sanierungsmittel für die Schulen ist eine seriöse Bestandsaufnahme in den Bezirken. Die meisten Beobachter und Beteiligten, einschließlich der Lehrer, Eltern, Schüler, verstehen gar nicht, dass es so etwas nicht gibt, dass es erst von der Landesebene angeschoben werden muss. Deshalb ist es aber gut, wenn die gemeinsame Arbeitsgruppe von Senat und Bezirken mit dem Titel „Statuserhebung Sanierungsbedarf“ bis zum 30. März 2016 einen Vorschlag für eine einheitliche Erhebung des Sanierungsbedarfs in den Bezirken machen wird. Auf dieser Grundlage können dann in den Bezirken Zeit- und Maßnahmenpläne erarbeitet und umgesetzt werden, die den Abbau des Sanierungsstaus dann auch für die am Schulleben Beteiligten – die Lehrer, Eltern und Schüler – transparent und nachprüfbar machen. Die Bestandsaufnahme – Frau Kittler, da stimme ich Ihnen zu – fehlt, und der Abbau des Sanierungsstaus ist nicht transparent genug. Ich glaube, da müssen alle Beteiligten nacharbeiten. Ich denke, die Arbeitsgruppe von Senat und Bezirken wird auch Vorschläge dazu machen.

Wie gesagt, da meine Redezeit auch zu Ende ist: Wir werden die Anträge an den Bildungsausschuss und den Hauptausschuss überweisen, und dann sehen wir weiter.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Remlinger. – Frau Kollegin, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich über das Signal, die Anträge ernsthaft in den Ausschüssen beraten zu wollen. Hoffen wir, dass das mehr ist als ein Signal.

(Regina Kittler)

Wir haben hier schon öfter über Schulsanierung gesprochen, und als Bildungspolitiker wissen wir auch, man lernt über Wiederholung und Variation. Deshalb ist es gut, dass wir so lange und so oft hier darüber sprechen, bis Sie dann tatsächlich mal einen über diesen ersten Punkt hinausgehenden – was wir gesagt haben, Herr Nolte, die Bestandsaufnahme haben wir vor über einem Jahr als Teil eines Fünf-Punkte-Plans beantragt – Plan vorlegen, wie Sie verhindern wollen, dass immer weiter Kletterpflanzen durch die Mauerritzen sprießen, wie Sie dafür sorgen wollen, dass frische Luft in den Klassenzimmern nicht daher kommt, dass es durch die Fenster zieht wie Hechtsuppe, und wie Sie verhindern wollen, dass die Kinder weiterhin den ganzen Vormittag nichts trinken, weil sie Angst haben, in der Schule aufs Klo gehen zu müssen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Ja, wir brauchen einen Masterplan wie ihn Die Linke völlig richtigerweise beantragt. Wir brauchen ein Konzept und wir brauchen einen unbedingten Willen zur Verbesserung, auch deshalb weil es nicht nur um Schulsanierung geht, sondern auch um neue Schulen. Auch das hat Die Linke völlig richtig beantragt. Denn neue Schulen braucht das Land Berlin, und zwar gute neue Schulen, und wir brauchen sie in einer Anzahl und einem Ausmaß, das Sie offensichtlich nicht ansatzweise wahrhaben wollen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Wir brauchen schon in wenigen Jahren eine Unzahl an Schulen und wir sagen nicht wie Sie in Ihrer Schulentwicklungsplanung: Das, was nach 2017 kommt, überlegen wir uns nach 2017. – Ihre Schulentwicklungsplanung vom Dezember 2014: Da stimmt keine einzige Zahl mehr, und darauf beruht Ihre Investitionsplanung. Keine einzige Zahl steht mehr da! Das Ding ist nicht das Papier wert, auf dem es steht. Das Papier verdient nur einen Namen: Schulausbaubedarfsverschleierungsplan.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Aber, lieber Senat, ich sage Ihnen ganz deutlich – vorsichtshalber sage ich auch, das ist nicht der Job von Frau Scheeres, nicht von ihr allein –, allein davon, dass Sie uns Zahlen vorenthalten, geht die Realität nicht weg. Es ist nicht der Job der Eltern, Ihnen Ihre Zahlentrickserei nachzuweisen. Sie haben etwas viel Besseres getan, als auf Heller und Cent nachzurechnen, sie haben Ihnen einen Adventskalender gebastelt. Und in diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen frohe Weihnachten!

[Torsten Schneider (SPD): Den haben sie schwarz-grün gebastelt! Das ist ein schwarz-grüner Kalender! – Weitere Zurufe von Antje Kapek (GRÜNE) und Torsten Schneider (SPD)]

Vielen Dank! – Für die CDU erteile ich jetzt dem Kollegen Schlede das Wort. – Bitte sehr, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Fakten: Die Zahl 2 Milliarden mag stimmen, sie geistert im Haus herum, und ich glaube, das hat auch einen Grund. Es stimmt aber auch, dass wir aufgrund der Gegebenheiten an den Berliner Schulen in eine Situation gekommen sind, die in diesem Doppelhaushalt singulär ist im Vergleich zu den Vorjahren. Es ist vorhin vom Regierenden Bürgermeister nicht zu Unrecht die Zahl 564 Millionen genannt worden, die wir im Doppelhaushalt dafür investieren werden.

Herr Nolte! Das ist übrigens nicht alles, denn Sie als Haushälter haben noch eine Zahl vergessen, nämlich das, was den Bezirken jährlich im Rahmen ihres Globalhaushalts zugewiesen wird. Die Gebäudesanierung in den Bezirken findet ja zu 70 Prozent an den Schulen statt. Ich kann pro Jahr noch mal 60 Millionen drauflegen, für den Doppelhaushalt also noch mal gut 120 Millionen – ich bin fast bei 700 Millionen in diesen beiden Jahren. Das ist schon was. Da kann man natürlich sagen, gleichzeitig laufen uns die Sanierung und die Schulneubauten – aufgrund der Zahlen, Frau Remlinger! – schon wieder davon. Das stimmt trotz dieses hohen Investitionsbedarfs und der Befriedigung dieses Bedarfs durch das, was wir nachher verabschieden werden im Haushalt. Es kommt natürlich das hinzu, was uns an zusätzlichen Schülern über die Flüchtlinge noch an Bedarf droht. Es stimmt auch, was Sie bezüglich 2014 gesagt haben: Der Schulentwicklungsplan ist sofort überholt gewesen, als es mit den Flüchtlingen anfing –

[Regina Kittler (LINKE): Das hat doch nicht nur mit den Flüchtlingen zu tun. Die Stadt wächst auch so, Herr Schlede!]

auch natürlich aufgrund gewisser Versäumnisse der Bezirke, die nicht rechtzeitig ihre Planung abliefern, damit sie zentral umgesetzt werden können.

Nun hat der Senat ausdrücklich in Zusammenarbeit – von Herrn Nolte gerade genannt – mit den Bezirken die AG Statuserhebung/Sanierungsbedarf gegründet. Und wissen Sie, was wir da hören? – Im letzten Schulausschuss wurde gesagt, zum Quartal 2016/1, Ende des Quartals haben drei Bezirke signalisiert, dass sie die Zahlen liefern werden. Mit anderen Worten, neun Bezirke haben überhaupt noch nicht die Vorarbeit geleistet; und das ist ein Kreuz. Ich will keinen Verschiebebahnhof von Schuld und Ähnlichem, aber das ist schon ein Kreuz. Hier muss schon die Arbeit vor Ort gemacht werden.

Denn wir gehen davon aus, dass diese AG Statuserhebung/Sanierungsbedarf sowohl in Bezug auf die Sa

(Stefanie Remlinger)

nierung als auch in Bezug auf die Neubauten die Grundlage für das bietet, was in den nächsten fünf bis zehn Jahren notwendig ist – sowohl was den Maßnahmenplan zur zeitlichen Umsetzung als auch die inhaltliche Prioritätensetzungen angeht, und was auch über all die Maßnahmen, die in den verschiedensten Programmen beschlossen worden sind, zu welcher Zeit tatsächlich stattfindet. Da reift also das Konzept bereits. Ich bin nicht unbedingt sicher, dass wir jetzt noch einen aufwendigen Masterplan in Abstimmung mit den Schulen im Lande Berlin erarbeiten müssen.

Ein letztes Wort: Die Schulen, die betroffen sind, sind immer mit in den Planungen, auf jeden Fall. Und ich kann Ihnen sagen, Frau Remlinger und Frau Kittler, es ist auch nicht so, dass es in Schulen nur Frischluft über ziehende Fenster gibt, sondern wir haben in Berlin auch – und man sollte es auch mal positiv werten – herausragend restaurierte und sanierte Schulgebäude.

[Thomas Birk (GRÜNE): Zwei Drittel sind marode!]

Ganz so schlimm ist es nicht, aber es ist schlimm genug, da haben Sie recht, und das wollen wir in Angriff nehmen mit dem, was wir im Haushalt zur Verfügung stellen. – Danke!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Kollege Schlede! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zu diesen Anträgen a und b wird die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht – dann verfahren wir so.