Protokoll der Sitzung vom 28.01.2016

neuen Kampfbegriffen fündig geworden sind und versuchen, aus Divestment ein Geschäftsmodell zu machen, auf dass die Spenden wieder fließen.

Sie sehen, wir haben bei diesem Thema ernsthafte Bedenken. Lassen Sie uns in den Ausschüssen darüber reden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Dr. Garmer! – Nun gibt es zunächst die Anmeldung einer Zwischenbemerkung des Abgeordneten Schäfer. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Geschätzter Kollege Dr. Garmer! Ich möchte einmal zitieren, was wir gemeinsam beschlossen haben:

Die Enquete-Kommission empfiehlt dem Senat, Berlin mit einem entsprechenden Schritt zur ersten Divestment-Hauptstadt der Welt zu machen, indem er sich verpflichtet, Anlagen aus Unternehmen, deren Geschäftsmodell den Zielen der Klimaneutralität widerspricht, innerhalb der nächsten fünf Jahre abzuziehen und diese Investitionen in Zukunft durch Anlagerichtlinien auszuschließen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Das war ein guter Beschluss, den wir gemeinsam gefasst haben. Sie haben dazu keinen Änderungsantrag gestellt. Sie haben ihn mit beschlossen. Ich bin davon ausgegangen, dass das, was wir im Oktober letzten Jahres gemeinsam für richtig erachtet haben, auch heute noch gemeinsam richtig finden.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ich frage mich – wenn Sie jetzt von einer der damals mitbeschlossenen Empfehlungen Abstand nehmen –, ob das auch für andere gilt. Ist das eine Ausnahme? Ist für Sie der ganze Enquete-Bericht nicht verbindlich?

[Martin Delius (PIRATEN): Das war doch nur eine Enquete-Kommission!]

Wollen wir nicht den dort gemeinsam beschriebenen Weg auch gemeinsam beschreiten? Diese Frage stelle ich Ihnen ganz ernsthaft.

Ihr Hauptargument war, dass Sie Konsequenz anmahnen. Sie sagen, dass es konsequent umgesetzt werden muss, wenn man es umsetzt. Da haben Sie recht. Der Kollege Wolf hat argumentiert, dass zwei Drittel der bekannten fossilen Energiereserven nicht genutzt werden dürfen, damit wir das 2-Grad-Ziel erreichen können. Der Marktwert der Unternehmen spiegelt das nicht wider. Deswegen sei es ökonomisch sinnvoll auszusteigen. Natürlich muss man dann auch die Frage bei fossilen Infrastruktu

ren wie dem Gasnetz stellen. Das haben wir in der Enquete-Kommission auch getan. Wir haben in der EnqueteKommission ganz klar gesagt: Nur wenn der Kaufpreis den Ertragswert nicht überschreitet, den das Gasnetz im Fall einer Konsequenz in der Klimapolitik noch hat, können wir eine Rekommunalisierung empfehlen. Diese Konsequenz, die Sie hier anmahnen, findet sich im Abschlussbericht der Enquetekommission. Nur weil der Senat nicht bereit ist, diese Beschlüsse umzusetzen, können wir doch nicht noch von den anderen Empfehlungen abrücken. Dann machten wir uns wirklich lächerlich.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Die Gründe, aus denen wir diese Empfehlungen beschlossen haben, gemeinsam, einstimmig, in der EnqueteKommission, gelten heute immer noch. Deshalb bitte ich Sie sehr darum, dass wir das, was wir gemeinsam erarbeitet haben, auch gemeinsam umsetzen. Das gilt nicht nur für diese Empfehlung, sondern auch für die anderen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Vielen Dank, Herr Schäfer! – Herr Dr. Garmer, bitte, Sie haben jetzt die Gelegenheit zur Antwort.

Lieber Herr Kollege Schäfer! Wir sind im Grundsatz gar nicht so weit voneinander entfernt. Wir haben auch die meisten Dinge einmütig in der Enquete-Kommission beschlossen. Ich habe auch darauf hingewiesen, dass im Einzelfall das Herausgehen aus Investitionen durchaus sinnvoll sein kann. Das haben wir auch in der EnqueteKommission besprochen. Wenn es aber stimmt, dass wir mit 10 Millionen Euro – ich kann die Zahl jetzt nicht nachvollziehen – in ETFs investiert sind, wird der fossile Anteil daran unterhalb der Nachweisgrenze liegen. Ob es sinnvoll ist, darauf die politische Kraft zu lenken, halte ich für sehr zweifelhaft. Ich halte es für sinnvoller, den Emissionshandel zu stärken. Wir brauchen beim Emissionshandel die Einbeziehung weiterer Branchen. Wir brauchen ambitionierte Minderungsziele nach 2020,

[Zuruf von den GRÜNEN]

wir brauchen die Erweiterung auf weitere Regionen in der Welt. Drauf sollten wir unsere politische Kraft lenken. Dann erreichen wir insgesamt mehr für den Klimaschutz, als wenn wir jetzt weitere politische Instrumente entwickeln und halbfertig in den Raum stellen. Lassen Sie uns das nutzen, was wir schon haben, und weiterentwickeln zum Wohle des Klimas! – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Zurufe von Stefanie Remlinger (GRÜNE) und Benedikt Lux (GRÜNE)]

Vielen Dank, Herr Dr. Garmer! – Es gibt den Wunsch nach einer weiteren Zwischenbemerkung, durch den Abgeordneten Harald Wolf. – Bitte!

Sehr geehrter Herr Dr. Garmer! Ihrem Schlusssatz, „Lassen Sie uns das nutzen, was wir schon haben!“, kann ich mich nur anschließen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Lassen Sie uns die Instrumente nutzen! Wir haben diese Investitionen, und wir können sie umswitchen auf ökologisch verträgliche und rentable Investitionen. Um nichts anderes geht es.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Sie haben mit Nebelkerzen geworfen. Sowohl im Antrag als auch in der Empfehlung der Enquete-Kommission heißt es, man solle aus Investitionen rausgehen, die den Zielen des Klimaschutzes entgegenstünden. Sinnvolle Anwendung von Gas im Rahmen der Energiewende, z. B. in dezentralen Kraft-Wärme-Kopplungskraftwerken, widerspricht diesen Zielen nicht. Was diesen Zielen widerspricht, ist z. B. Fracking. Das sind die Themen, um die es geht. Und es geht um die Konzerne, die in diese Bereiche investieren und die immer noch in Kohle investieren – um nichts anderes. Das heißt, es geht darum, dass wir aus Investitionen in Aktien von RWE rausgehen, aus Investitionen in Aktien von Gaz de France, in Aktien von Repsol und wie sie alle heißen, diese ganzen Konzerne. Um nichts anders geht es. Das sind die Instrumente, die wir haben.

Und wenn Sie, Herr Garmer, davon sprechen, dass das eine Idee der Kampagnenindustrie sei – die mir bisher noch nicht untergekommen ist; es wird alles immer industrieller; es gibt schon Finanzindustrie, wo ich mich frage, was sie überhaupt produzieren; jetzt gibt es eine Kampagnenindustrie.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Ich frage: Gehört die deutsche Allianz Aktiengesellschaft zu dieser Kampagnenindustrie, die aus der Kohle ausgestiegen ist? Das ist alles hanebüchener Unsinn, das ist eine Nebelkerze.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich erinnere Sie an den Konsens, den wir mal in der Enquete-Kommission gehabt haben. Nichts anderes ist hier beantragt; das ist der Wortlaut dessen, was wir in der Enquete-Kommission gemeinsam beschlossen haben, das wird hier beantragt, als Beschluss des Abgeordnetenhauses festzuhalten. Deshalb bitte ich die CDU-Fraktion, zu diesem Konsens zurückzukehren, dass wir das hier gemeinsam machen können. Wenn das das Zeichen dafür ist, wie wir bei anderen, gesellschaftlich wesentlich kon

flikthafteren Themen der Energiewende, die in diesen Empfehlungen der Enquete-Kommission enthalten sind – wenn wir so weitermachen, dann ist der Konsens zumindest mit Ihnen nichts wert.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Wolf! – Herr Dr. Garmer, Sie verzichten auf die Möglichkeit, zu replizieren? – Dann hat jetzt das Wort für die Piratenfraktion der Herr Abgeordnete Mayer. – Bitte!

Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Werte Gäste! Normalerweise würde man die Ideologen hier eher links von der CDU verorten, aber wenn es um manche Energiethemen geht, dann wird Herr Garmer zum Klassenkämpfer.

[Heiterkeit und Zuruf von Dr. Michael Garmer (CDU)]

Ich sage jetzt nicht, für welche Klasse Sie kämpfen!

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Steffen Zillich (LINKE)]

Das Anliegen des vorliegenden Antrags ist, was man im Angelsächsischen als no-brainer bezeichnet – eine Selbstverständlichkeit.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN]

Natürlich sollte für das Land und seine Unternehmen gelten, kein Geld in Unternehmen zu investieren, die mit Kohle, Erdöl und Frackinggas ihr Geld verdienen.

[Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Das gebieten allein Sicherheit und Rentabilität als zwei wichtige Grundsätze der Anlagepolitik. Die Wertverluste in letzter Zeit insbesondere bei den Kohlestromern – das wurde schon erwähnt – sprechen da für sich.

Warum stehen wir Piraten dann nicht mit auf dem Antrag? – Hauptgrund ist, dass wir bereits im November, vielleicht von vielen unbemerkt, einen Antrag mit dem Titel „Risiken vermeiden – unerwünschte Investments systematisch ausschließen“ eingebracht haben – Drucksache 17/2594 für diejenigen, die das gern mal nachlesen wollen –, der jetzt im Wirtschaftsausschuss und im Hauptausschuss liegt. Aus unserer Sicht ist unser Antrag vielleicht sogar noch etwas besser geeignet, das Problem unerwünschter Investments umfassender zu regeln. Unser Antrag sieht vor, dass der Senat eine Negativliste von Unternehmen und Investments erarbeitet, die das Land Berlin, seine Unternehmen und Stiftungen zu meiden haben. Unser Antrag erwähnt dabei nicht nur explizit die

Sache der Unternehmen, die klimapolitischen Ziele, die da laufen, sondern nennt auch weitere wichtige Gründe für Divestment. Neben ökologischer Nachhaltigkeit sind es auch allgemeine ethische und soziale Ziele. So sollte auch nicht in Unternehmen investiert werden, die Sozialstandards und Menschenrechte missachten, beispielsweise mit Kinderarbeit produzieren, die die gewerkschaftliche Organisation von Mitarbeitern verhindern, die totalitäre politische Systeme stützen oder das friedliche Zusammenleben von Menschen beeinträchtigen. Sicher will auch niemand mit Unternehmen oder Organisationen in Verbindung gebracht werden, die etwa Scientology gehören oder Terrorismus finanzieren.

Des Weiteren habe ich mich gefragt, warum sich das Land Berlin nach dem Antrag der Grünen und Linken weiterhin an Unternehmen beteiligen können soll, die Kernkraftwerke betreiben. Ich weiß nicht, ob das Absicht war, aber zumindest aus unserer Sicht greift da der Antrag etwas zu kurz.

Allerdings müssen Divestmentvorgaben handhabbar bleiben. Man sollte den Unternehmen und Verwaltungen nicht aufbürden, jeweils für sich solch eine komplexe Prüfung und Entscheidung vorzunehmen. Deswegen zeigt unser Antrag einen praktikablen Weg auf. Der Senat stellt eine Negativliste von Unternehmen auf. Diese Liste sollte dabei auch unabhängig von bestehenden Investitionen erarbeitet werden. In einem weiteren Schritt wird geprüft, von welchen Anlagen sich das Land zu trennen hat, und ein Plan vorgelegt werden, bis wann und wie man das in einem ökonomisch sinnvollen Maß umsetzen kann, also sich von den Anlagen trennen kann.

Im Übrigen ist das, was wir vorschlagen, in jedem größeren Unternehmen normale Praxis. Jedem, der am Markt agiert, ist daran gelegen, Reputationsrisiken zu vermeiden. Das sollte es in viel höherem Maße für das Land Berlin geben. Solch eine Negativliste, wie von uns gefordert, schafft mehr politische Sicherheit für alle Beteiligten und ist geeignet, die Welt ein wenig zu einem besseren Ort für uns alle zu machen. Der vorliegende Antrag der Grünen und Linken konkretisiert Kriterien für die Aufstellung einer Negativliste, unser Antrag schlägt einen konkreten Weg zur Umsetzung vor. Ich würde mich freuen, wenn wir diese Selbstverständlichkeit hinbekämen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Nikolaus Karsten (SPD)]