Protokoll der Sitzung vom 14.04.2016

Erste Lesung

in Verbindung mit

lfd. Nr. 6:

Kitaoffensive III: Etablieren eines Berliner Qualitätsdialogs für die Erzieher- und Erzieherinnenausbildung

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 10. März 2016 Drucksache 17/2798

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1958

in Verbindung mit

lfd. Nr. 16:

Kitaqualität auf Bundesebene gesetzlich regeln

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2761

in Verbindung mit

lfd. Nr. 20:

Öffentlich geht vor privat! Soziale Einrichtungen wie Kitas vor Mietwucher schützen

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2807

Wird den Dringlichkeiten widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Die Koalitionsfraktionen haben soeben den Gesetzesantrag Drucksache 17/2685 zurückgezogen. Somit ist die dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses Drucksache 17/2825 gegenstandslos. Der Änderungsantrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2825-1 geht ins Leere.

Ich eröffne die erste Lesung zum Gesetzesantrag Drucksache 17/2829. – Für die Besprechung der Aktuellen Stunde beziehungsweise der Beratung der Anträge steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt für die Fraktion der SPD der Kollege Schneider. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem jetzt die formalen Angelegenheiten geklärt sind, können wir endlich miteinander über die Sache diskutieren.

[Lachen bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Was erheitert Sie?

(Präsident Ralf Wieland)

[Udo Wolf (LINKE): Arbeiten wie die Profis!]

Das Ihnen vorgelegte Haushaltsumsetzungsgesetz lässt sich gut abgrenzen von dem von Ihnen angemeldeten Thema zur Aktuellen Stunde „Uneinigkeit in der Koalition in Bildungsfragen“.

[Uwe Doering (LINKE): Haben wir gerade gemerkt!]

Wir geben Ihnen heute eine Antwort. Ich werde Ihnen nachher noch verdeutlichen, wo wir unterschiedlicher Auffassung sind, aber wir sind uns jedenfalls einig, dass wir diese Stadt nach vorn bringen wollen.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Evrim Sommer (LINKE): Oh, Mann!]

Ich habe mir heute fest vorgenommen, dass ich auf Ihre fehlende Stringenz nicht hinzuweisen gedenke, sondern nur über uns selbst reden möchte.

[Udo Wolf (LINKE): Das kann man jetzt ja ausnutzen!]

Wir haben Ihnen in den Haushaltsberatungen verschiedene Vorschläge gemacht. Erstens: Wir haben Ihnen gesagt, dass wir Probleme sehen bei gewissen Mangelberufen im Justizvollzugsbereich und bei der Feuerwehr und dass wir dort Anreizsysteme schaffen wollen und für erforderlich halten. Das haben wir im Haushalt abgebildet und schlagen Ihnen heute vor, die dafür erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen zu ändern.

Zweitens: Wir haben Ihnen im Haushalt – darüber haben wir auch eine politische Debatte geführt – vorgeschlagen, gewisse Stellen anzuheben. Das ist im Haushalt abgebildet. Heute schlagen wir Ihnen vor, die dafür erforderlichen Gesetzesänderungen vorzunehmen. Wir haben das im Haushalt abgebildet und Ihnen die politische Debatte aufgezwungen, die außerschulischen Lernorte gesetzlich abzusichern.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Das Einzige, was Sie uns aufgezwungen haben, ist eine halbe Stunde Verzögerung! – Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Ich weiß, dass ist für die Grünen jetzt schwierig, und Sie sind ja sowieso die Erfinder alles Guten. – Wir haben dafür Haushaltsmittel von fast 3 Millionen Euro zur Verfügung gestellt und werden Ihnen heute vorschlagen, die außerschulischen Lernorte – Jugendkunstschulen, Jugendverkehrsschulen, Gartenarbeitsschulen – zur gesetzlichen Pflichtaufgabe zu erklären und dafür das Schulgesetz zu ändern. Das ist ebenfalls ein Vollzug dessen, was politisch in den Haushaltsberatungen beschlossen worden ist.

Wir haben eine alles überlagernde Kitadebatte miteinander geführt. Dazu gibt es Anträge verschiedener Fraktionen. Ich habe auch gelesen, dass sich manche Verbände nicht hinreichend mitgenommen fühlen und Stellung

nahmen abgeben wollen etc. etc. Jedenfalls aber bleibt Folgendes festzuhalten: Das Haus ist sich in einem wesentlichen Punkt einig, nämlich, dass unsere Kitas wichtige Bildungseinrichtungen sind. Dazu bekennt sich die SPD ausdrücklich.

Zweitens: Wir haben auch zur Kenntnis genommen, dass wir im Unter-Dreijährigen-Bereich im bundesweiten Durchschnitt eine Fehlgewichtung vorfinden, was die Relation zwischen Erziehern und Kindern anbelangt, und da nicht den letzten, aber jedenfalls keinen vorderen Platz belegen. Auch da sind sich alle einig. Die Koalition schlägt Ihnen heute zwei wesentliche Dinge vor: Erstens: Wir ändern schrittweise genau diese Relation von jetzt 1 : fast 5 Kindern auf perspektivisch 1 : 3,75 Kindern. Das ist ein bundesweiter Spitzenplatz. Davon müssen Sie sich mal eine Scheibe abschneiden.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Wir sind uns auch einig, dass wir jedes Jahr den Befund haben, dass wir möglicherweise nicht ausreichend viele Kitaplätze haben. Das lesen wir auch in den Zeitungen nach, stellen dann aber retrospektiv fest: Das ist gar nicht richtig. – Das hat verschiedene Ursachen. Eine Ursache ist jedenfalls, dass es Mehrfachanmeldungen gibt. Deshalb folgen wir dem Vorschlag des Senats an dieser Stelle gern, ein elektronisches Meldesystem für alle Träger verpflichtend einzuführen. Dazu ist die Koalition zu der Auffassung gelangt, den administrativen Mehraufwand, den wir erleben werden, beim sogenannten Leitungsschlüssel auszugleichen. Das hat die Opposition überhaupt nicht auf dem Radarschirm gehabt. Ich nehme an, das werden Sie noch mit irgendwelchen Änderungsanträgen korrigieren. Wir schlagen Ihnen vor, im ersten Schritt von 1 : 110 zu kommen, also pro 110 Kinder eine volle Freistellung, und im zweiten Schritt auf 1 : 100. Das kostet am Ende des Prozesses pro Jahr fast 15 Millionen Euro. Das ist ein Riesenerfolg, da können Sie sich auch eine Scheibe abschneiden!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Und ja, ich hatte es ja bereits angekündigt: Es gibt tatsächlich, ohne dass ich jetzt hier schon in die Wahlkampfrhetorik verfalle – das ist aber kein Geheimnis –,

[Lachen bei den GRÜNEN und der LINKEN]

das freut mich ja – unterschiedliche Vorstellungen in einer Koalition. Und genau die wollten Sie ja heute mit Ihren Formaldebatten zum zentralen Gegenstand machen.

Erstens: Das ist der Änderungsantrag der Linken, den wir in der zweiten Lesung im Hauptausschuss sicher noch einmal wiederfinden. Die Linken wollen vorschlagen, die sogenannte Bedarfsprüfung abzuschaffen. Die SPDFraktion ist da völlig klar aufgestellt, unsere Beschlusslage ist: Das wollen wir auch. Es ist nur nicht der Zeitpunkt dafür erreicht. Da haben wir unterschiedliche Auffassungen, das heißt aber nicht, dass wir uns nicht einig sind, was den Gestaltungsanspruch anbelangt.

Zweitens: Das haben Sie überhaupt noch nicht vorgeschlagen, auch das ist Beschlusslage der SPD-Fraktion – wir sagen: Ordnungspolitisch haben wir eine klare Vorstellung, was die Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit anbelangt. Für die SPD, und zwar bundesweit, ist Bildung von der Kitas bis zur Universität gebührenfrei. Und da lassen wir uns von niemandem etwas anderes sagen, da sind wir fest aufgestellt.

[Beifall bei der SPD]

Und aus diesem Grund schlagen wir eben auch vor, die Hortgebühren abzuschaffen. Insoweit habe ich an zwei Stellen der Koalition tatsächlich unterschiedliche Auffassungen vorgestellt. Das ist aber überhaupt nicht Gegenstand der Gesetzesberatung, auch nicht Gegenstand irgendeines Änderungsantrags. Deshalb gehen Sie an der tatsächlichen Lebensrealität vorbei, wenn Sie meinen, hier sei die Zerreißprobe in der Koalition. Nein! Wir legen Ihnen ein Konsenspapier vor.

Ich will Ihnen noch eines sagen, was uns auch sehr wichtig ist. Es gibt einen Punkt, wo wir gestern gemeinsam im Hauptausschuss identifiziert haben, dass wir da Justierungsbedarf haben. Die SPD-Fraktion bestärkt da auch die Bildungsverwaltung, sich im Verordnungsweg Gedanken zu machen, um was es da genau geht. Wir erleben bei den freiwilligen Zusatzleistungen, die wir im Grunde nicht infrage stellen, aber tatsächlich auch bedenkliche Vorgänge. Das haben die Grünen gestern auch so konstatiert. Dafür muss es eine Lösung geben. Womit die SPDFraktion politisch nicht einverstanden ist, ist die Situation, dass Eltern bei einem Träger um einen Kitaplatz nachsuchen und zugleich dann hören: Ja, das können wir uns vorstellen, wir haben mehrere Bewerber. Gucken Sie mal, hier haben wir aber noch chinesisches Yoga für Kleinkinder, machen Sie doch mal Ihre Kreuze! – Diese Kausalität finden wir unangemessen und der treten wir entgegen! – Was wir auch kritisch sehen, sind Zuzahlungsbeträge von 800 Euro. Das konterkariert unseren politischen Anspruch von gebührenfreier Kita, ist aber schwierig abzugrenzen im Rahmen der Privatautonomie.

Zusammenfassend will ich Ihnen sagen, mit einem deutlichen Schwerpunkt im Bildungsbereich in der frühkindlichen Bildung ist der Koalition hier ein großer Wurf gelungen. Und wenn Sie jetzt in die Trägerlandschaft gehen und Ihre eigenen Änderungsanträge zum Maßstab machen, dann müssen Sie das zugestehen. Genau das ist der Grund, warum Sie in der Sache nicht mehr mit uns diskutieren, sondern das Ganze im Verfahren skandalisieren wollen.

[Steffen Zillich (LINKE): Dafür gibt es auch ganz schön viel Anlass!]

Ich will ausdrücklich sagen: Hier ist eindeutig Hand in Hand zwischen der SPD-Fraktion, der Senatsbildungsverwaltung, dem Senat in Gänze und dem Koalitionspartner ein großer Wurf gelungen. Das ist ein eindeutiger

Erfolg der Bildungssenatorin Sandra Scheeres. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der CDU]