Protokoll der Sitzung vom 09.02.2012

[Beifall bei den PIRATEN]

Wir halten also, was das angeht, die Volksinitiative grundsätzlich für die bessere Rechtsform. Die momentane Ausgestaltung der Volksinitiative im Berliner Abstimmungsgesetz ist aber mit sehr hohen Hürden verbunden. Wenn man das vergleicht, ist niemandem verständlich zu machen, warum, um eine parlamentarische Anhörung im Bundestag zu erreichen, der immerhin für 80 Millionen Menschen zuständig ist, 50 000 Klicks reichen, während hier in einer Dreieinhalb-Millionen-Stadt für das Gleiche beim Parlament 20 000 Unterschriften nötig sind.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Wir wollen also mit unserem Antrag in Zukunft die Möglichkeit schaffen, Volksinitiativen und Volksbegehren einmal auch elektronisch mitzuzeichnen über eine entsprechende Plattform. Dabei müssen wir bei dieser Ausgestaltung auch nicht auf die nötige Sicherheit und Nachvollziehbarkeit verzichten. Die erstmalige Anmeldung zu dieser Plattform würde unserem Antrag entsprechend auch schriftlich erfolgen. Gleichzeitig wollen wir die Hürde, die momentan bei 20 000 liegt auf 2 500 senken, sowohl für die elektronische als auch für die schriftliche Unterstützung. Das entspricht proportional der Hürde von 50 000 im Deutschen Bundestag. Und die Erfahrung der letzten Jahre beim Deutschen Bundestag hat gezeigt, dass diese Hürde nicht zu hoch ist.

[Beifall bei den PIRATEN Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Damit wäre Berlin gleichzeitig das erste Bundesland, das tatsächlich eine explizite und ordentliche gesetzliche Regelung für diese Form von Onlinepetitionen schafft.

[Beifall bei den PIRATEN]

Wie gesagt, was das grundsätzliche Ziel angeht, scheint mir hier in der Sache Einigkeit zu bestehen. Ich hoffe, dass wir jetzt vor allem in den Ausschüssen eine konstruktive Diskussion über die genaue Ausgestaltung führen werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Kugler das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Piraten! Es ist gut, dass Sie die Anträge gestellt haben, weil

ich glaube, es ist eine gute Möglichkeit, über diese wichtige Frage miteinander zu reden. Ich stelle fest – ich hatte mich für meine Rede ein bisschen anders vorbereitet –, dass Sie doch etwas mehr Fachkenntnis haben, als es aus diesen Anträgen erkennbar ist, –

[Zuruf von den PIRATEN: Danke! – Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN): Täterätä! – Wolfgang Brauer (LINKE): Wenn es jetzt regnen würde, würden Sie ertrinken! – Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

Bitte schön! Hören Sie doch erst einmal zu! – denn in Ihrer Überschrift steht „Onlinepetitionen“. Daraufhin gucken alle auf mich und sagen, da muss der Vorsitzende des Petitionsausschusses reden, der kennt sich damit aus. Dann lese ich mir diese Anträge durch und stelle allerdings fest, Sie wollen gar nicht das Petitionsgesetz ändern, sondern Sie wollen das Abstimmungsgesetz ändern.

[Martin Delius (PIRATEN): Richtig! – Dr. Klaus Lederer (LINKE): Mensch, ja!]

Warum schreiben Sie über die Änderung des Abstimmungsgesetzes denn dann „Onlinepetitionen“?

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Wie viel Sachkenntnis wir hier erleben! – Zuruf von den PIRATEN]

Deswegen ging ich davon aus, dass es hilfreich wäre, Ihnen zum Beispiel zu sagen, dass die Onlinepetition, die Sie in der Überschrift fordern, seit 3. September 2011 bereits eingeführt worden ist, dass sie auch von den Berlinerinnen und Berlinern genutzt wird, dass wir mit heutigem Stand 291 Eingänge auf diesem Weg schon hatten, was ungefähr 12 Prozent der Gesamteingänge ausmacht, sodass das also angenommen wird, wir deshalb von einem Erfolg sprechen können. Aber zurück zu Ihren Anträgen.

Sie wollen also das Abstimmungsgesetz und nicht das Petitionsgesetz ändern,

[Martin Delius (PIRATEN): In der zweiten Zeile steht das! – Antje Kapek (GRÜNE): Was heißt, Sie lesen das nicht!]

das heißt, eigentlich geht es Ihnen um eine Entwicklung oder Fortschreibung oder Veränderung der direktdemokratischen Mittel, die wir bereits in Berlin haben.

[Beifall bei den PIRATEN]

Zu der Frage ist die Position der SPD-Fraktion relativ schnell und klar dargestellt, die ist ziemlich eindeutig, nämlich: Erstens wird die beabsichtigte Absenkung der Quoren mit uns nicht zu machen sein, weil wir der Überzeugung sind, dass die Quoren, die wir im Abstimmungsgesetz im Jahr 2006 mit der Einführung festgeschrieben haben, sich bewährt haben und wir deshalb davon im Moment nicht abweichen müssen.

[Antje Kapek (GRÜNE): So viel zum Thema Bürgerbeteiligung!]

Genauso sind wir der Überzeugung, dass der Wegfall der Altersbeschränkung für uns auch nicht in Frage kommt. Aber dazu muss ich nichts ausführen, über die Änderung des Wahlrechts haben wir vor 14 Tagen gesprochen, wenn ich es richtig erinnere, und das damit im Prinzip schon vorweggenommen. Das ist das Gleiche.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Ich habe es vergessen, können Sie es noch mal anführen?]

Wie gesagt, ich finde aber, es gibt etwas Positives an Ihren Anträgen, deshalb will ich auf Ihre Begründung abzielen, in der Sie den Deutschen Bundestag heranziehen. Ich kann zwar nicht nachvollziehen, wie Sie diese proportionale Runterrechnung mit den 2 500 hinbekommen,

[Martin Delius (PIRATEN): Dreisatz!]

das ist aber auch wurst, die wirklich spannende Frage ist: Ich glaube, man kann tatsächlich den Versuch unternehmen, ein bisschen Klarheit und – wie Sie es gerne mögen – Transparenz zu schaffen,

[Antje Kapek (GRÜNE): Im Gegensatz zu Ihnen!]

indem man darauf hinweist, dass es eben sehr ähnliche Verfahren gibt – das haben Sie eben auch getan, Herr Weiß –, nämlich die direktdemokratischen Mittel, hier die Volksabstimmung, die laut § 9 als Konsequenz dann hat, dass Sie eine Befassung im Abgeordnetenhaus und eine in den Fachausschüssen und Anhörungsrecht bekommen.

[Zuruf von Simon Weiß (PIRATEN)]

Wenn Sie jetzt den Deutschen Bundestag als Vergleich heranziehen, kriegen Sie im Prinzip das gleiche Ergebnis nur im Petitionsausschuss. Wenn Sie sich dann anschauen, was wir in der Geschäftsordnung haben, dann werden Sie feststellen, dass der Petitionsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses die Fachausschüsse des Abgeordnetenhauses, das Plenum mit einbeziehen kann.

[Martin Delius (PIRATEN): Kann!]

Ja, kann! Das kann er im Deutschen Bundestag auch nur. „Kann“ – das ist eine Kann-Regelung.

[Martin Delius (PIRATEN): Wir können doch besser werden!]

Im Übrigen: Der Ausschuss für Gesundheit und Soziales hat gerade die Bitte um Stellungnahme in einer uns wichtigen Frage vorliegen. Wir tun das also auch. Insofern merken Sie, die liegen eng beieinander. Ich glaube, die Diskussion in den Ausschüssen – da haben Sie möglicherweise recht – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, wer will denn fragen?

Der Abgeordnete Claus-Brunner. – Bitte!

Herr Brunner!

Es handelt sich doch hier um eine Kann-Regelung, keine Soll-Regelung. Die Onlinepetition ist doch, soweit ich mir das ins Gedächtnis zurückrufe, für Einzelfallpetitionen, die die persönlich Betroffenen direkt eingereicht haben, nicht für eine Gemeinschaftspetition von Bürgerinitiativen? Oder ist das falsch?

[Beifall bei den PIRATEN]

Nein, das ist falsch. Das ist eine verengte Betrachtungsweise, die leider in den letzten 40, 50 Jahren immer wieder gemacht worden ist. Wenn Sie ganz weit zurückgehen wollen, als die ersten Fälle dazu im Preußischen Landrecht aufgeschrieben wurden, war das nicht so. Es ging immer darum, dass man sich an den Petitionsausschuss oder an seinen Fürsten oder Monarchen wenden kann in allen Angelegenheiten, die einem auf der Seele liegen. Ich glaube, das ist etwas, wofür es sich lohnt zu arbeiten, dass wir diese verengte Sichtweise wieder ein bisschen aufbohren. Der Deutsche Bundestag hat es getan, mit dieser öffentlichen Petition werden keine Einzelanliegen beraten. Wenn ich das Gefühl habe, von meinem Arbeitgeber gemobbt zu werden, –

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

[Lars Oberg (SPD): Lasst ihn doch das beantworten!]

Nein! – und das ist eine öffentliche Einrichtung, dann wende ich mich in der Tat mit einer nichtöffentlichen Petition an das Landesparlament, weil ich das geklärt haben will. Habe ich aber zum Beispiel die A 100 oder etwas anderes als Thema, dann kann ich das anders regeln, und zwar in einer öffentlichen Petition. Ich kann mich also auch in Massenfragen an den Petitionsausschuss wenden. Ich glaube, es gibt hier ganz große Unterschiede. Deshalb ist die Annahme, es ginge nur um Einzelfragen, schlicht falsch. – Im Übrigen, wenn Sie es sich anschauen wollen: Bremen ist ein gutes Beispiel. Da kann

man auch sehen, wie stark solch ein Element genutzt wird.

Nein, ich glaube, es ist sinnvoll, in den Ausschüssen einmal sachlich darüber zu diskutieren, welche Verfahren wir wählen wollen.

[Antje Kapek (GRÜNE): Wozu? Sie lehnen es eh ab!]

Dann muss man es aber auch ordentlich aufschreiben und muss auch die Verfahren auseinanderhalten, weil ich glaube, dass in diesem Parlament die Möglichkeit vorhanden ist, das Petitionsrecht tatsächlich, so wie Sie es für richtig empfinden, weiterzuentwickeln. Das muss man miteinander diskutieren, aber im Wege der Volksabstimmung halten wir als SPD-Fraktion das für falsch, deswegen lehnen wir Ihre Anträge ab. – Vielen Dank!