Protokoll der Sitzung vom 26.05.2016

[Beifall von Wolfram Prieß (PIRATEN) und von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Auf einen anderer Punkt, den man ansprechen muss, ist bereits mehrfach hingewiesen worden: Man muss sich die Finanzlage angucken. Das korreliert mit dem gleichen Problem. Die Finanzlage war in den letzten fünf Jahren positiv für das Land Berlin. Wir haben es aber in diesen fünf Jahren nicht geschafft, den Investitionsstau in Berlin signifikant abzubauen. Er ist sogar noch angewachsen. Das heißt, die Finanzlage hat nur darüber hinweggetäuscht, wie katastrophal das Land Berlin dasteht. Das sehen wir nicht nur bei den Bürgerämtern, beim Personal und anderen Dingen, sondern innerhalb der gesamten Stadt, indem wir uns über Brücken, Straßen, Schulen und andere Infrastruktur unterhalten, die nicht instand gesetzt wird. Das ist nicht irgendetwas, das herumliegt, sondern das sind Schulden. Es sind zwar keine fiskalischen Schulden im klassischen Sinn, aber andere. Diese Schulden haben auch einen Zinstitel. Der nennt sich Inflation, Baukostensteigerung usw.

Das größte Problem, das ich habe – es wurde schon angesprochen –, ist, wie das mit dem SIWA kaschiert werden soll. Das wird nämlich nicht kaschiert. Sie bauen mit dem SIWA aktuell eine Lüge auf, weil Sie sagen, Sie investie

ren zusätzlich in die Stadt. Es wurde angesprochen: Gerade einmal 10 Prozent sind aus diesen Mittel abgeflossen. Wir bekommen demnächst das dritte SIWA-Paket. Es ist noch nicht einmal richtig klar, wir das mit den SIWA-Mitteln ablaufen soll und wie das Controlling stattfindet. Was passiert, wenn wir SIWA 10 haben und dann in der mittelfristigen Finanzplanung angekommen sind, wenn SIWA irgendwann einen längeren Zeitraum hat als die mittelfristige Finanzplanung? Heißt das dann, dass vor elf Jahren beschlossene SIWA-Töpfe dann einfließen müssen u. Ä.? Bekommen wir eine Haushaltsarithmetik, die keiner mehr überblicken kann? Ich bin sehr darauf gespannt, wie dann die Hauptausschüssler in Zukunft dasitzen werden, sich damit beschäftigen und die einzelnen SIWA-Listen nebeneinanderpacken, um festzustellen, wann, wie und wo mal was geplant war, nicht umgesetzt wurde und jetzt vielleicht umgesetzt wird.

Ein weiteres Problem, das Sie aktuell haben und das Sie in Zukunft noch viel massiver haben werden, ist: Sie tun so, als würden Investitionen stattfinden. Die schreiben Sie alle in die Liste und den Haushaltsplan hinein. Irgendwann werden diese Investitionen fällig. Sie können aber in einem Jahr nur eine bestimmte Anzahl an Investitionen abbauen, weil es nur eine bestimmte Anzahl an Baufirmen gibt oder begrenzte Mittel, die flüssig gemacht werden können. Die Liste, die Sie aufbauen, und die Ideen, die Sie da reinbringen, werden immer umfangreicher. Das kann man in einem Jahr gar nicht abbauen. Meiner Meinung nach müssen wir von diesem Konstrukt, das geschaffen worden ist, wieder weg. Niemand aus der Opposition hat angezweifelt, dass wir Schulden tilgen müssen. Gleichzeitig haben wir aber gesagt, dass Investitionen gestartet werden müssen. Unserer Meinung nach müssen diese Mittel wieder in eine normale Haushaltsplanung zurück.

Wir müssen wieder ordentliche mittelfristige Finanzplanungen aufstellen, und wir müssen Projekte so planen, dass sich auch umgesetzt werden können. Was nützt es uns denn, wenn wir eine Schulsanierung in eine SIWAListe schreiben, wofür noch nicht einmal richtige Bauplanungsunterlagen vorhanden sind, und wir wissen, dass sie nicht umgesetzt werden kann? Stattdessen hätte ich viel lieber eine Mittelfristplanung, in der steht, dass die Schule in fünf Jahren saniert wird und bis dahin der Bebauungsplan definitiv feststeht, da in zwei Jahren dann der Bebauungsplan hier vorgelegt wird und beschlossen werden kann und in den nächsten Doppelhaushalt einfließen und dann in fünf Jahren auch wirklich gebaut werden kann. Aktuell ist es so, dass wir die ganzen SIWA-Listen haben und bei einem Großteil von diesem ganzen Zeug überhaupt nichts passiert. Das ist meiner Meinung nach die größte Kritik in diesem Rechnungshofbericht, dass sich nämlich an dieser grundlegenden Investitionsplanung, diesem grundlegendem Abbau von Investitionsproblemen im Land Berlin in den letzten fünf Jahren nichts geändert hat.

(Dr. Manuela Schmidt)

Nur dadurch, dass wir Millionen bzw. Milliarden Euro Überschüsse hatten, einfach so viel mehr Cash in der Stadt hatten, sind diese Probleme nicht gravierend geworden. Hätten wir eine ähnliche Haushaltslage, wie die fünf Jahre davor gehabt, wäre Ihr ganzes Konstrukt vorne und hinten auseinander geflogen und Sie hätten ernsthafte Probleme bekommen. Ich habe Angst davor, dass die finanzielle Lage des Landes Berlin mal wieder ein paar Prozentpunkte heruntergeht, denn mit der katastrophalen Verwaltung, die Sie aktuell nicht in der Lage sind zu sanieren, werden wir die Problem nicht gelöst bekommen. – Danke schön!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Kollege Herberg! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Frau Präsidentin Claßen-Beblo ! Ich möchte es nicht versäumen – Sie haben es auch schon von verschiedenen Kollegen gehört –, Ihnen und auch Ihrer Mitarbeiterschaft ganz herzlich für die geleistete Arbeit und für diesen Bericht zu danken. Herzlichen Dank!

[Beifall]

Zu dem Bericht Drucksache 17/2899 wird die Überweisung an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht – dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4:

Bericht des Petitionsausschusses über seine Tätigkeit im Jahr 2015

Bericht Drucksache 17/2925

Wie üblich erstattet zunächst der Vorsitzende des Petitionsausschusses seinen mündlichen Bericht. – Herr Kollege Kugler! Sie haben das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt, wie Sie sicher bemerkt haben, zum wichtigsten Tagesordnungspunkt des heutigen Tages.

[Beifall von Monika Thamm (CDU) und Regina Kittler (LINKE)]

Sehr gut! Danke, Frau Kittler! Wir kommen nämlich zum Bericht über die Tätigkeit des Petitionsausschusses im Jahr 2015. Es ist für jeden Parlamentarier insofern ein bedeutsamer Bericht, da kein Ausschuss so dicht an die Menschen herankommt wie der Petitionsausschuss, und deshalb lohnt sich ein Blick in dieses Heft.

[Redner zeigt Broschüre hoch]

Ich möchte mich zu Beginn beim Präsidenten Ralf Wieland und dem Referat Öffentlichkeitsarbeit herzlich bedanken, dass wir diesen Bericht wieder als Broschüre herausgeben können – Sie haben ihn auf den Plätzen liegen. Es ist, wenn man sich an die Menschen richtet, durchaus wichtig, es in attraktiver Form zu tun. – Dafür herzlichen Dank!

[Beifall]

Zum Bericht: Wir erhielten im vergangenen Jahr 3 141 Petitionen und ergänzende Zuschriften und haben davon in 40 Sitzungen 1 820 Vorgänge abgeschlossen. Davon waren dann wiederum 1 076 Vorgänge positiv, teilweise positiv oder eine Auskunft, sodass wir in etwa 59 Prozent der Fälle helfen konnten. Das bedeutet andersherum aber auch, dass die Behörden und Einrichtungen des Landes Berlin weiterhin eine unvermindert gute Arbeit machen, und dafür könnten wir an dieser Stelle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Dienst einmal Dank sagen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Damit wir nicht nach Aktenlage entscheiden, gehen wir gerne vor Ort, sprechen mit den Menschen, verschaffen uns ein eigenes Bild und machen auch Öffentlichkeitsarbeit, das heißt, wir haben auch im letzten Jahr Plakate verteilt, öffentliche Sprechstunden abgehalten und Einrichtungen besucht. Wir haben, wie in den Jahren zuvor, im Rahmen des Tages der offenen Tür hier im Hause eine Veranstaltung durchgeführt.

Ich will jetzt einen Fall herausgreifen und darstellen, da ich finde, dass er mehrere Dinge deutlich macht. Es geht um das Thema Schwarzfahren. Ein rüstiger Rentner hat das Abo 65plus für Berlin-Brandenburg und fährt mit größter Freude in Richtung Leipzig. Und damit er dort nicht schwarzfährt, hat er sich auch ein Sachsen-Ticket gekauft. Er wird kontrolliert, und zwar zwischen dem letzten Bahnhof in Brandenburg und dem ersten Bahnhof in Sachsen. Man erklärt ihm, er würde schwarzfahren. Er hätte ein Ticket für den Abschnitt zwischen dem letzten Bahnhof in Brandenburg und dem ersten in Sachsen kaufen müssen. Er soll 40 Euro bezahlen, worüber er natürlich erzürnt ist und sich dann an die Bahn wendet. Die Bahn hat ein Einsehen und sagt: Okay, das nehmen wir zurück. – Aber 2,30 Euro hätte er ohnehin bezahlen müssen, und die möchte die Deutsche Bahn haben. Damit ist er immer noch nicht zufrieden, und das ist der Zeitpunkt, wo er den Petitionsausschuss ins Boot holt und um Unterstützung bittet.

Wir wenden uns unsererseits an den Senat, der das nachvollziehen kann, dass das irgendwie nicht so ganz logisch ist. Er bittet den VBB, sich mit den angrenzenden Organisationen zu einigen. Das ist nach zwei Jahren – immerhin – dann doch passiert. Seit Anfang dieses Jahres kann man also, wenn man ein Abo 65plus Berlin-Brandenburg

(Heiko Herberg)

und ein Sachsen-Ticket hat, aber auch in Kombination mit allen anderen angrenzenden Bundesländern, entsprechend von hier nach dort fahren, ohne der Gefahr ausgesetzt zu sein, schwarzzufahren.

[Vereinzelter Beifall – Dr. Manuel Heide (CDU): Großer Erfolg! Bravo!]

Großer Erfolg, Herr Heide – das sehe ich nicht so. Es ist gut, dass es am Ende geklappt hat. Aber niemand – ich glaube, auch niemand aus diesem Hause – wäre tatsächlich auf den abwegigen Gedanken gekommen, wenn man zwei Abos in der Tasche hat, auch noch ein Einzelticket zu kaufen.

[Sven Heinemann (SPD): Natürlich! Verkehrspolitiker schon!]

Da ich auch Verkehrspolitiker bin, möchte ich das für mich zumindest von mir weisen.

Ich kann Ihnen nur dringend empfehlen: Nehmen Sie sich mal den Bericht zur Hand – Sie haben ihn alle bekommen! Er ist ganz interessant. Er zeigt einen guten Überblick über die gelösten, aber auch die nicht gelösten Aufgaben im Land Berlin.

Da dies jetzt der letzte Bericht in dieser Legislaturperiode ist, gestatte ich mir einen Rückblick über die gesamte Wahlperiode und möchte als erstes anmerken, dass wir in der Zeit vom 27. Oktober 2011 bis Ende vergangenen Jahres insgesamt 7 326 neue Petitionen erhalten haben und uns bis zu dem Zeitpunkt in 157 Sitzungen mit den Sorgen der Berlinerinnen und Berliner beschäftigt haben.

Die Topthemen – und das ist interessant – waren in den letzten drei Jahren Soziales, Ausländerrecht und Einbürgerungen sowie Justiz. Seit 2003 liegt das Thema Ausländerrecht auf Platz zwei. Daran kann man einmal mehr erkennen, dass sich aufkommende Aufgaben des Landes frühzeitig durch Petitionen erkennen lassen und deshalb allen empfohlen wird, sich immer mal wieder mit den dort aufgeworfenen Fragen zu beschäftigen.

Zu den Themen der vergangenen Jahre: Da hatten wir im Jahre 2012 zum Beispiel die Wartezeiten beim BAföG, das Rundfunkbeitragsgesetz, die automatische Absenkung der BVG-Busse. 2013 waren es die Wartezeiten beim Elterngeld, der Berlin-Pass oder Beschwerden gegen Bauvorhaben, 2014 Müll in Parkanlagen, Barrierefreiheit und die Dauer der Verfahren bezüglich Schwerbehindertenausweise und 2015 Flüchtlinge, Wartezeiten bei Behörden – das hat eben schon eine Rolle gespielt – und Sicherheit für Radfahrer. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das sind alles Themen, die Ihnen im Plenum, in den Ausschüssen oder aber auch in den Bürgerbüros begegnet sind, also ein Schnitt dessen, was im Land Berlin passiert, und summierend eine gute Bilanz für den Petitionsausschuss im Dienste der Menschen in dieser Stadt.

Aber, wo es Licht gibt, gibt es auch Schatten. Waren die Einführung der Broschüre, die ich eben schon genannt habe, im Jahr 2010 und die Einführung unseres OnlineFormulars im Jahr 2011 die ersten guten Schritte und wichtigen Meilensteine beim Ausbau von Bürgernähe und Bürgerbeteiligung, so wäre der weitere Ausbau in diese Richtung die Veröffentlichung von Petitionen von allgemeinem Interesse

[Beifall von Regina Kittler (LINKE)]

sowie die Möglichkeit der Unterstützung, also Mitzeichnung, und auch deren Diskussion im Internet gewesen. Das haben wir, habe ich leider nicht geschafft. So bleibt es – und da bin ich sicher – eine Aufgabe des Berliner Abgeordnetenhauses der kommenden Wahlperiode, sich mit dieser Frage erneut auseinanderzusetzen.

[Vereinzelter Beifall]

Ich bin überzeugt, dass in diesem Zusammenhang auch die Entscheidung für die Einrichtung eines Bürgerbeauftragten im Interesse der Menschen ist. BadenWürttemberg hat uns das gerade vorgemacht.

In diesem Sinne möchte ich mich abschließend bedanken, und zwar zunächst bei den Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses. Wir haben inzwischen in 174 Sitzungen nicht nur gut gearbeitet, sondern das auch vertrauensvoll getan. Wir haben nur wenig abgestimmt und in der Regel, ich sage mal, Seite an Seite die Fragen geklärt. Ganz besonders möchte ich mich allerdings bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseres Petitionsbüros bedanken.

[Allgemeiner Beifall]

Ohne ihre intensive und in der Regel auch sehr empathische Unterstützung wäre unsere Arbeit nie in der Qualität zu leisten gewesen. Dafür herzlichen Dank!

[Allgemeiner Beifall]

Ich freue mich auf die weitere Arbeit im Petitionsausschuss, denn – das möchte ich nicht unerwähnt lassen – der Petitionsausschuss wird einer guten alten Tradition folgend – sonst würde man auch nicht auf 40 Sitzungen im Jahr kommen – die Parlamentsferien hindurch tagen oder fast hindurch tagen und auch bis zur Neukonstituierung des zu wählenden Parlaments – also voraussichtlich im Oktober – weiter tagen, denn Sorgen und Nöte der Menschen enden ja nicht mit dem letzten Plenum, sondern die gibt es dauerhaft. Auf diese Arbeit freue ich mich. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

[Allgemeiner Beifall]

Vielen Dank, Herr Kollege Kugler! Ich glaube, im Namen des ganzen Hauses sprechen zu dürfen, wenn ich mich bei Ihnen für die Leitung des Ausschusses und genauso bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanke. Ganz herzlichen Dank! Wir wissen, was da an Arbeit drinsteckt.

(Andreas Kugler)