Bitte schön! Ich weiß, wenn man hier oben liest, die Aufmerksamkeit ist doch manchmal bei anderen Themen.
Wer ist dagegen? Wer enthält sich? – Damit stelle ich Einstimmigkeit fest, und das Gesetz ist so beschlossen.
Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 1. Juni 2016 Drucksache 17/2977
Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die zweite Lesung der Gesetzesvorlage und schlage vor, die Einzelberatung der drei Artikel miteinander zu verbinden. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel 1 bis 3 – Drucksache 17/2713.
In der Beratung beginnt die Fraktion der SPD. Die Kollegin Spranger, der ich das Wort erteile, steht bereits in den Startlöchern. – Bitte schön!
Herzlichen Dank! – Verehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Diese Novellierung ist ein großer Kraftakt über mehrere Jahre gewesen. Deshalb geht unser sehr herzlicher Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, aber auch an die beteiligten Verbände, Kammern, Institutionen und Vereinigungen, die durch ihre Stellungnahmen auch im Rahmen der Anhörung, die wir durchgeführt haben, wichtige Impulse und Anregungen gegeben haben, die wir auch eingearbeitet haben. Was wir früher in Normen festgelegt haben, wird jetzt in dieses Gesetz überführt. Lassen Sie mich die wesentlichen Änderungen aus der Gesetzesvorlage in Spiegelstrichen kurz erläutern!
Es geht zum einen um die Einführung eines Sonderbautatbestandes für die Pflege von Personen, insbesondere für die sogenannten Pflegewohngemeinschaften. Es geht um Erleichterungen im Abstandsflächenrecht, um Vereinfachungen für städtebauliche Nachverdichtungen, um Erleichterungen für den nachträglichen Anbau von Aufzügen sowie Erleichterungen für Nachjustierungen für Maßnahmen der Energieeinsparung. Es geht um die Anpassung an die europäische Bauproduktenverordnung und die Pflicht zum Einbau von Rauchwarnmeldern. Die Pflicht zur Herstellung von Abstellplätzen für Fahrräder bleibt bestehen. Es geht um Verbesserungen der Personalqualität in den Bauaufsichtsbehörden und um vereinfachte Baugenehmigungsverfahren in bestimmten Fällen. Es geht um Verfahrensbeschleunigungen u. a. durch klarere Regelungen bei der Beteiligung von unterschiedlichen Fachbehörden im Rahmen der Behandlung von Bauanträgen. Etwas längere Fristen sind beim Denkmalschutz vorgesehen.
Frau Kollegin Spranger! Wenn die Bauordnung ein so wichtiges Gesetz ist, wie Sie es beschrieben haben, ist es dann nicht auch aus Ihrer Sicht bedauerlich, dass der Senat komplett zurückgetreten ist und niemand mehr da sitzt?
Herr Geisel, der zuständige Senator, ist im Raum, und der zuständige Staatssekretär ebenfalls. Das ist völlig in Ordnung, Herr Otto. Ich denke, dass Sie das genauso sehen wie ich.
Besonders wichtig war uns der Begriff der Barrierefreiheit. Hier haben wir eine klare Definition formuliert, damit es auch später keine Auslegungsschwierigkeiten gibt. Wir stellen deutlich stärkere Anforderungen an die Barrierefreiheit. Diese neuen, verschärften Regelungen für barrierefrei nutzbare Wohnungen tragen dem demografischen Wandel Rechnung und sind ein Wert an sich. Eine Wohnung ist barrierefrei – lassen Sie mich das noch mal stichpunktartig sagen –, wenn insbesondere die Wohnung stufen- und schwellenlos erreichbar ist, die lichte Breite der Wohnungstür mindestens 90 cm beträgt – für die übrigen Türen in der Wohnung mindestens 80 cm –, die Bewegungsflächen in Wohn- und Schlafräumen sowie Küchen und Bädern mindestens 1,20 m mal 1,20 m betragen und mindestens ein Bad einen bodengleichen Duschplatz hat. Es gab aus der Anhörung heraus den Wunsch, dass wir auch noch definieren, dass es maximal 2 cm Abstand zum Betreten der Loggia sein sollen. Das werden wir in einer entsprechenden Verordnung klar definieren. Das haben wir mit dem Senat abgesprochen, und das wird dann auch getan.
In Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen und mit nach § 39 Abs. 4 Satz 1 erforderlichen Aufzügen muss bis zum 31. Dezember 2019 ein Drittel der Wohnungen barrierefrei nutzbar sein und ab dem 1. Januar 2020 sogar die Hälfte. Da sind wir – das darf ich an dieser Stelle sagen – das erste Bundesland, das für die Zeit ab 2020 klar definiert, dass die Hälfte der Wohnungen barrierefrei nutzbar sein muss.
Für die SPD war es ebenfalls wichtig, dass wir die Verpflichtung zum Vorhalten einer Toilette in Verkaufsstätten mit einer Verkaufsfläche von mehr 400 Quadratmetern klar in der Bauordnung definieren.
Ich habe jetzt einige Maßnahmen aus dem Gesetzentwurf aufgezählt, und ich denke, dass das sehr gute Veränderungen sind, insbesondere was die Barrierefreiheit angeht. – Ich danke Ihnen und bitte um Zustimmung!
Ich danke auch. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Otto. – Bitte!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bauordnung ist in der Tat ein wichtiges Gesetz, weil sich darin das Leben widerspiegelt. Man merkt das gar nicht, weil es so trocken klingt – irgendwelche Vorschriften über Türbreiten und über Aufzüge. Aber die Bauordnung hat etwas mit dem Leben zu tun, und darüber möchte ich jetzt ein wenig sprechen.
Zunächst einmal sei gesagt, dass wir uns im Ausschuss sehr ausführlich damit beschäftigt haben. Wir haben im April eine umfängliche Anhörung durchgeführt. Wir hatten Verbandsvertreter, Architekten und Vertreter der Behindertenverbänden, der Wohnungswirtschaft und der Baubranche eingeladen. Alle waren sie da und haben uns sehr viel erzählt, und wir haben sehr viel zugehört und auch gelernt. Für mich war das eindeutig wichtigste Thema, das dort behandelt wurde, die Barrierefreiheit. Es gab dort Leute, die uns gesagt haben: Wir möchten, dass grundsätzlich jeder Mensch, der vielleicht mit einem Rollstuhl unterwegs oder anders mobilitätsbehindert ist, jede Neubauwohnung überhaupt erst mal nur betreten bzw. berollen kann. – Das ist bisher nicht gegeben, und da müssen wir in Berlin hinkommen.
Gerade wenn in den nächsten Jahren in Berlin viele Wohnungen gebaut und viele öffentlich zugängliche Gebäude errichtet werden, ist es die Anstrengung wert, alle diese Gebäude so herzurichten, dass sie wirklich zukunftsfähig sind, dass sie barrierefrei sind, dass jeder rein und raus kann und dass dort auch Menschen wohnen können, die eine Behinderung haben. Das ist ein großes Thema.
Wir haben uns – das will ich Frau Spranger attestieren – sehr ernsthaft darüber unterhalten, wie viel man da schafft und wie viel man schaffen muss. Wir als Bündnis 90/Die Grünen sind zu einem anderen Ergebnis gekommen als Sie. Wir haben gesagt, dass wir in einem absehbaren Zeitraum da landen müssen, dass wir wirklich 100 Prozent der Wohnungen barrierefrei haben. Das ist unser Ziel, und das beantragen wir heute mit unserem Änderungsantrag.
Barrierefreiheit war aber auch bei kleineren Themen wichtig. Das betrifft solch simple Dinge wie die Tatsache, dass man als jemand, der vielleicht nicht laufen kann oder blind ist, an Baustellen in Berlin regelmäßig Gefahr läuft, in einen Graben zu fallen. Wir haben beantragt, einen Passus aufzunehmen, der sagt: Auch Baustellen in Berlin müssen für Menschen mit Behinderungen passierbar sein. – Ich war sehr enttäuscht, dass die Koalition das nicht aufgegriffen hat. Dass Sie uns an dieser kleinen Stelle die Zustimmung verweigert haben, ist nicht in Ordnung. Das müssen wir dringend nachholen.
Der zweite große Punkt neben der Barrierefreiheit ist für uns das ökologische Bauen. Beton ist grau, aber der Mensch braucht mehr Grün. Wir haben vorgeschlagen, Regelungen zur verstärkten Begrünung von bebauten Grundstücken aufzunehmen – seien es Fassaden, seien es Dächer. Denken Sie an das 1 000-Dächer-Programm! All das haben wir vorgeschlagen, aber es ist nicht aufgenommen worden. Auch das ist ein Mangel an der heute zur Abstimmung stehenden Novelle.
Das gilt aber auch für andere Fragen – Stichwort Holzbau. Wir haben bei den Flüchtlingswohnhäusern, den Modulbauten, darüber geredet, dass das nicht alles Beton sein muss. Wir müssen moderner werden. Wir müssen sagen, dass es möglich sein muss, in Segmenten auch mit anderen Werkstoffen zu bauen. Das ist genehmigungstechnisch nach wie vor in Berlin sehr schwer. Das wollen wir erleichtern. Sie sind uns nicht gefolgt. Da bleiben wir aber daran.
In die Bauordnung gehört aber auch – ich habe gesagt, dass das mit dem Leben zu tun hat – der Naturschutz. In Berlin sind seit 1990 50 Prozent des Vogelbestandes eingegangen. Sie sind weg. Sie sind nicht mehr da. Wir haben gesagt, dass wir auch etwas für die gefiederten Freunde tun müssen, wenn wir hier in Berlin so viel bauen. Wir müssen sagen, dass an Gebäuden Nistmöglichkeiten beispielsweise für Gebäudebrüter vorhanden sein müssen. An der Stelle sind Sie uns nicht gefolgt. Vielleicht hat es der Eine oder die Andere nicht verstanden. Das ist ein Thema. Nachhaltigkeit in Berlin muss auch Naturschutz umfassen. Der gehört sehr wohl auch in die Bauordnung hinein.
Wir haben uns über den Brandschutz unterhalten. Sie haben an zwei Stellen unsere Vorschläge aufgegriffen. Wir sind sehr dankbar dafür. Das sind zum einen Sicherheitstreppenräume. Das ist beim Dachgeschossausbau ganz wichtig, damit man einen solchen überhaupt durchführen kann. Zum anderen sind es die Rauchwarnmelder. Die haben wir hier schon vor zwei Jahren beantragt. Es hat lange gedauert. Sie sind jetzt in der Bauordnung. Das funktioniert.
An anderen Stellen, an denen es auch um Brandschutz geht, sind Sie uns nicht gefolgt. Ich will einmal kurz auf das Thema der Pflegewohnungen hinweisen. Die Kollegin Spranger hat auch schon davon gesprochen. In der Musterbauordnung steht, eine Pflegewohnung, in der Menschen eine Wohngemeinschaft bilden, die Pflegebedarf haben, ist bis sechs Personen eine normale Wohnung. Darüber ist es ein Sonderbau mit erhöhten Anforderungen, weil es im Brandfall schwieriger ist, diese Personen zu retten. Das haben Sie in Berlin – das ist für uns nicht begründet – auf acht Personen erhöht. Sie haben hier die Sicherheit aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen etwas zurückgeschraubt. Das ist hier erklärungsbedürftig. Dem können wir nicht folgen. An der Stelle lautet unser Antrag anders.
Ein allerletzter Punkt hat mit den Menschen, der Wohnungspolitik zu tun. Wir wollen nicht, dass Abrisse einfacher werden. Wir wollen nicht, dass billiger Wohnraum einfacher vernichtet werden kann. Wir wollen, dass ein ordnungsgemäßes Verfahren erforderlich ist. In Anlehnung an die Zweckentfremdung, in Anlehnung an das, was wir in Gebieten mit Erhaltungssatzung tun, wollen wir eine ordentliche Regelung beim Abriss. Das ist ganz wichtig. Wenn viel gebaut wird, wird auch viel übersehen. Das wollen wir nicht. Wir wollen eine gedeihliche Entwicklung, eine ordentliche Entwicklung für Berlin. Ich habe die Punkte genannt. Unser Änderungsantrag liegt Ihnen vor. Ich bitte um Zustimmung. – Herzlichen Dank!
Danke, Herr Kollege Otto. – Für die CDU-Fraktion ergreift jetzt das Wort der Kollege Brauner. – Bitte sehr!
Werte Kollegen, Mangel war gestern. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kommen wir zur Bauordnung. Es ist tatsächlich ein langes Gesetzgebungsverfahren für ein doch auch umfangreiches und dickes Gesetz. Alle Kollegen, die daran beteiligt waren, und vor allem auch die Verwaltung wissen davon ein Lied zu singen. Es gebührt auch einmal der Dank, dass die Verwaltung hier so intensiv an dem Thema gearbeitet hat, und auch der Dank an die Fachverbände, die die Diskussion über die lange Dauer begleitet haben. Im Kern kann man feststellen, dass es etwa alle zehn Jahre eine Novelle gibt. Insofern passt es an der Stelle sehr gut.