Protokoll der Sitzung vom 23.06.2016

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Vielen Dank, Kollege Otto! – Für die CDU-Fraktion erteile ich jetzt dem Kollegen Evers das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Otto! Es ist immer eine ganz besondere Freude, nach Ihnen zu sprechen. Ich muss feststellen, auch wenn der Ausschussvorsitzende zu Beginn gesagt hat, dass er in den vergangenen Jahren viel gelernt hat,

[Martin Delius (PIRATEN): Ich?]

hatte ich immer noch den Eindruck, wie in all den Jahren zuvor, dass Sie meinen, der Aufsichtsrat dieser Flughafengesellschaft sei wahlweise ein Baubeirat oder ein Steuerungsgremium.

[Beifall von Ole Kreins (SPD)]

Beides ist er nicht, lieber Herr Otto!

Aber auch anderes hätte ich nach fast vier Jahren Arbeit nicht für möglich gehalten, heute hier zu stehen und immer noch nicht zu wissen, wann dieses wichtigste Infrastrukturprojekt endlich an den Start geht. Das ist historisch wohl ziemlich einmalig, genauso wie der Umstand – auch der dürfte einmalig sein –, dass wir in unserer Arbeit und selbst in dieser Plenarsitzung von einem weiteren Untersuchungsausschuss noch überholt wurden, der erst deutlich nach uns eingesetzt wurde. Das hätte ich nicht gedacht.

Ich hätte auch nicht gedacht – das will ich hier und heute auch sehr kritisch anmerken –, dass wir es nach allem, was wir geleistet und herausgearbeitet haben, auch an Fehlern gerade in der Kommunikation, immer noch erleben müssen, dass ein Geschäftsführer der Flughafengesellschaft vor der versammelten Berliner Wirtschaft erklärt, es komme eigentlich gar nicht so recht auf das Eröffnungsjahr an. Mit Verlaub: Da bin ich persönlich anderer Auffassung. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir es den Berlinerinnen und Berlinern schulden, ihnen vor der Wahl klar zu sagen, woran sie sind.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und den GRÜNEN]

Und ich möchte diese Klarheit so schnell, wie es irgendwie möglich ist. Das heißt nicht, dass ich mir eine Verschiebung wünsche – im Gegenteil. Ich wünsche mir aus vielerlei Gründen die Eröffnung noch im Jahr 2017. Und alles, was wir aus diesem Parlament heraus dazu beitragen können, möge man uns sagen. Wir werden es tun.

(Andreas Otto)

Aber wenn der Termin nur noch zu halten ist, wenn Weihnachten und Ostern 2017 auf einen Tag fallen, dann schulden wir den Menschen in Berlin den Mut zur Ehrlichkeit.

[Antje Kapek (GRÜNE): Na, immerhin dann!]

Auch eine Aussage zu den zusätzlichen Lasten, den Kosten und Risiken, die mit einem Weiterbetrieb von Tegel verbunden wären, vermisse ich bis heute. Das soll es aber an kritischer Reflexion der letzten Woche gewesen sein.

Jetzt zu unserem Ausschuss: Mut zur Ehrlichkeit! Wenn dieser Untersuchungsausschuss etwas für mich ganz Wesentliches herausgearbeitet hat, dann das, dass der Mut zur Ehrlichkeit oft und viel zu lange in diesem Projekt gefehlt hat. Dem einen fehlte der Mut, schlechte Nachrichten auszusprechen, sie gegenüber übergeordneten Ebenen anzusprechen oder sie an Entscheidungsträger in der Geschäftsführung, im Aufsichtsrat oder wo auch immer weiterzuleiten. Dem anderen fehlte der Mut, sie sich überhaupt anzuhören. Wir hatten es mit einer Geschäftsführung zu tun, die sich innerhalb dieser Flughafengesellschaft gegenüber allen warnenden Hinweisen geradezu abgeschottet hat. Allen entscheidenden Verantwortlichen fehlte jedenfalls der Mut, aus der Fülle von Warnsignalen, die es durchaus gab, rechtzeitig die richtigen Konsequenzen zu ziehen.

Es ist nicht so, dass dieser Untersuchungsausschuss keine Ergebnisse zutage gefördert hätte, die relevant wären oder die interessant wären, um sie nachzuvollziehen. Im Gegenteil: Wir konnten vor allem die Fülle von Warnsignalen dokumentieren, die es reichlich gab. Aber wann immer wir es mit Verantwortungsträgern aus dieser Zeit insbesondere vor der geplanten Eröffnung 2012 zu tun hatten, wurde deutlich, dass der Glaube an diesen Eröffnungstermin 2012 und der unbedingte Wille zu diesem Eröffnungstermin so weit reichten, dass für eine objektive Wahrnehmung und Abschätzung der Risiken buchstäblich kein Raum mehr blieb. Herr Kollege Kreins hat es schon gesagt. Ich habe in diesem Zusammenhang oft von der offensichtlich autosuggestiven Kraft eines Eröffnungstermins gesprochen. Diese Kraft zog sich quer durch alle Hierarchieebenen und sämtliche Projektbeteiligten. Wir blieben immer wieder im Ausschuss ratlos zurück, wenn sich Zeugen ganz offensichtlich und auch glaubhaft selbst nicht erklären konnten, warum sie schlicht blind für die einfache Frage waren, für wie wahrscheinlich man in den Jahren 2011 und 2012 die geplante Eröffnung halten durfte.

Aber auch die Unternehmenskultur und die Struktur der Flughafengesellschaft und des Projekts – das haben auch alle bisherigen Redner deutlich gemacht – haben sich als extrem anfällig für risikoanfällige und im Rückblick auch für fehlerhafte Entscheidungen erwiesen. Der Flughafenbau erinnert in seinen entscheidenden Phasen – das habe ich am Montag schon gesagt – mitunter an eine Konzertaufführung, bei der mehrere Dirigenten am Pult stehen –

vom Kampf der Alphatiere ist schon gesprochen worden –, was nur funktionieren kann, wenn man zu einem gemeinsamen Takt findet. Schon den meine ich zu vermissen. Wenn dann auch noch während der Aufführung ständig neue Noten aufgelegt werden, wird auch dem Letzten klar: Dieses Konzert besucht man nicht. Dabei kann nichts Ordentliches herauskommen. – Dieses Ergebnis kann also nicht überraschen.

Teilweise chaotische Abläufe im Projekt, fehlerhafte Planungs- und Finanzierungsgrundlagen, Planungsänderungen selbst noch während der Bauphase, die schon erwähnte Abschottung der Geschäftsführung von allen Problemen, ihre katastrophale Kommunikation nach innen in die Gesellschaft hinein wie auch nach außen und insbesondere in Richtung des Aufsichtsrats, widerstreitende politische Interessen der Gesellschafter – über das Thema Lärmschutz haben wir hier noch gar nicht gesprochen –, schwache Strukturen der Kontrolle und des Risikomanagements, aber auch die Ignoranz der Flughafengesellschaft und ihrer führenden Köpfe gegenüber den zuständigen Behörden – die Liste der Probleme bei diesem Projekt ist unvorstellbar lang. Sie ist es, die die über 1 000 Seiten füllt, die wir Ihnen hier als Bericht übermitteln.

Dieses Versagen und seine weitreichenden Folgen müssen sich viele Beteiligte vorwerfen lassen, vor allem die Geschäftsführung, aber natürlich auch Planer, Projektsteuerer, Bauüberwacher – sie alle innerhalb oder außerhalb der Flughafengesellschaft. Und natürlich auch, aber nicht an allererster Stelle der Aufsichtsrat! Lieber Kollege Otto, das sei deutlich gesagt: Dem ist sicherlich kein Verstoß gegen gesetzmäßige Pflichten vorzuwerfen. Insofern geht Ihr Haftungsbemühen wie immer ins Leere. Das ist nicht der Punkt. Im Gegenteil: Legen wir den nüchternen gesetzlichen Maßstab an, der an die Arbeit von Aufsichtsräten anzulegen ist, kann man sogar die Bilanz ziehen, dass gemessen daran in diesem Aufsichtsrat sogar überdurchschnittlich viel gearbeitet worden ist! Aber das ist nicht der Maßstab, den wir politisch in diesem Parlament anlegen.

[Andreas Otto (GRÜNE): Was ist denn Ihr Maßstab?]

Wir können kritisch die Bilanz ziehen, dass auch der Aufsichtsrat sehr wohl hätte mehr tun können und sollen, um sich ein eigenes Bild der Lage zu verschaffen. Das ist der zentrale Kritikpunkt gegenüber dem Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft, den wir auch nicht verschweigen und nicht schönreden.

Es ist also nicht so, dass der Untersuchungsausschussbericht keine Antwort auf die Frage nach Verantwortlichkeiten gibt. Das war mitunter in der Presse zu lesen, wo das Stichwort „Verantwortungsvakuum“ so gern fiel. Ganz im Gegenteil gibt er eine sehr umfassende Antwort auf die Frage nach Verantwortlichkeiten. Er macht es sich gerade nicht so leicht wie Sie mit Ihrem Bemühen, ein

fache Antworten zu finden und mit dem Finger auf den einen Schuldigen im Aufsichtsrat – am liebsten Herrn Wowereit – oder in der Geschäftsführung zu zeigen.

Was folgt für mich aus dieser Arbeit der vergangenen Jahre, aus Hunderten Stunden des Aktenstudiums und der Zeugenbefragung? – Für mich ist dieser Untersuchungsbericht ein umfangreiches Manifest eines kollektiven – Sie haben gesagt: multiplen – Versagens in einem öffentlichen Großprojekt. Er redet nichts schön, er mahnt aber, jenseits des Wahlkampfgetöses, das wir gerade gehört haben, für die Zukunft – das ist der entscheidende Punkt – die richtigen Lehren aus den strukturellen, den politischen und auch den persönlichen Defiziten zu ziehen, die wir herausgearbeitet haben. Er mahnt, zu einer neuen Corporate Governance in öffentlichen Unternehmen zu kommen. Dazu gehört auch – das will ich ausdrücklich sagen –, beispielsweise die Rolle aktiver Politiker in Aufsichtsgremien und vor allem an deren Spitze neu zu bewerten. Er mahnt aber auch uns im Parlament, zukünftige Projekte dieser Art und vor allem dieser Größenordnung enger zu begleiten, als uns das heute in der Struktur insbesondere von Bau- und Hauptausschuss und erst recht für uns als Untersuchungsausschuss, der immer nur in die Vergangenheit und eigentlich gar nicht in die Zukunft schauen soll, möglich ist.

Ich schließe in der Hoffnung, dass ein Ausschuss wie dieser und erst recht in dieser Dimension nicht noch einmal nötig wird und dass unsere Arbeitsergebnisse einen kleinen Beitrag dazu leisten können, dass es genau so kommt. Ich hoffe, dass wir alle der Versuchung widerstehen, die Ergebnisse dieser Arbeit zu missbrauchen und unsere Stadt schlechter zu reden, als sie ist. Das schafft der „Tagesspiegel Checkpoint“ schon ganz allein. Da müssen wir jetzt nicht noch unnötig etwas dazutun. Wir sollten unsere Verantwortung darin sehen, nach vorn zu schauen und in unserem Handeln und in unseren Entscheidungen zu beweisen, aus Fehlern der Vergangenheit gelernt zu haben. Denn darauf – und nur darauf – kommt es für die Zukunft an.

Zu guter Letzt bedanke auch ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für die bei allen inhaltlichen Auseinandersetzungen – da habe ich wieder Herrn Otto im Blick, zwischen uns hat es ja gern besonders gefunkt – doch konstruktive Zusammenarbeit. Ich bedanke mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschussbüros. Auch das ist schon oft gesagt worden. Ohne sie wären wir keinen Schritt weit vorwärts gekommen. Ich bedanke mich auch ganz besonders bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen, denn ohne sie wäre uns diese Arbeit ebenfalls nicht möglich gewesen. Gerade für sie endet mit dem heutigen Tag die Beschäftigung in diesem Hause. Diesen Abschied möchte ich auch an dieser Stelle noch einmal mit einem großen Dankeschön für die geleistete Arbeit gewürdigt wissen. Ich hätte es ohne diese Unterstützung auf jeden Fall nicht

geschafft, und ich glaube, den Kolleginnen und Kollegen auch in den anderen Fraktionen ist es ähnlich ergangen. – In diesem Sinne herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Danke schön, Kollege Evers! – Kollegin Matuschek! Sie haben jetzt die Möglichkeit. Ich erteile Ihnen das Wort – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich als Erstes bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusses für die umfangreiche Arbeit und das außerordentliche Engagement bedanken. Herr Wagner, Frau Huang, Frau Kunze – sie saß vorhin dort oben –: Vielen, vielen Dank für die Arbeit!

[Allgemeiner Beifall]

Wir Linke haben dem Mehrheitsbericht nicht zugestimmt, weil er im Widerspruch zur Beweislage Märchen und Mythen, die es doch eigentlich aufzuklären galt, in vielen Facetten kolportiert, und Kollege Kreins hat sie auch wieder vorgetragen.

Ich will versuchen, in der kurzen Rede – ich könnte darüber zwei Stunden reden, aber ich muss mich an die Redezeit halten – einige von diesen Märchen und Mythen anzusprechen. Fangen wir beim Geld an! Der Untersuchungsauftrag hat die Aufklärung der Kostenentwicklung an herausgehobener Stelle impliziert. Dazu hat die Koalition aber gar keine Initiative ergriffen. Die Behauptung, der BER sei deshalb teurer, weil er größer geworden ist, wird bis heute von Wowereit, Mehdorn und neuerdings auch von Mühlenfeld vorgetragen. Das ist aber nur die halbe Wahrheit und deswegen nicht richtig.

Es waren und sind die vielfältigen Fehler des Baumanagements und der Bauherren, die dazu geführt haben, dass mehr als 25 Prozent der Kosten auf die Nachtragsforderungen der Baufirmen und weitere Kosten auf die Mängelbeseitigung zurückzuführen sind. Diese Nachträge haben mehrere Ursachen: erstens eine unklare Leistungsbeschreibung bei der Auftragsvergabe, zweitens die willkürliche, nicht mit Planern und sonstigen Baubeteiligten abgestimmte Anordnung von Leistungen durch die FBB, drittens ausufernde, sogenannte Beschleunigungsmaßnahmen, die etwas beschleunigen sollten, was bautechnologisch gar nicht umsetzbar war – diese Maßnahmen waren zum großen Teil einfach hinausgeworfenes Geld –, viertens der Verzicht auf Nachbesserungen von Schlechtleistungen und die Übernahme der finanziellen Verantwortung durch die FBB auch von Mängeln bei der Bauausführung. Dies wurde zuletzt bei der Firma Imtech öffentlich bekannt. Im Klartext heißt das, dass die

(Stefan Evers)

bauausführenden Firmen schlecht oder gar nicht arbeiten konnten, trotzdem aber bezahlt wurden, weil sie den Grund der Mängel der FBB zuordnen konnten und die FBB den Konflikt in der Fixierung – da teile ich die Meinung von Herrn Evers – auf den Eröffnungstermin nicht austragen konnte oder wollte.

Das traurige Bild, das wir Ergebnis konstatieren mussten, war, dass es eine stringente Kostensteuerung weder bei der Geschäftsführung noch beim Projektsteuerer gegeben hat, der sich nach eigenen Aussagen auch eher für das Geldausgeben interessierte als für das Geldzusammenhalten.

Der Aufsichtsrat nahm die Kostenexplosion wie ein Naturereignis hin oder glaubte bei den vielen Planungsänderungen den vagen Versprechungen der Geschäftsführung über sprudelnde Geldquellen in der Zukunft, weswegen man in der Gegenwart nicht knausern sollte. Der Aufsichtsrat kam allen Forderungen der Geschäftsführung nach, ohne sie ernsthaft zu prüfen. Er gab sich mit dem Mantra zufrieden, es sei alles im Finanzierungsrahmen. Das war natürlich nicht richtig, denn der Finanzierungsrahmen, der zu Beginn des Projektes tatsächlich relativ üppig ausgestattet war, war schon 2010 an seine Grenzen gestoßen und wurde klammheimlich in den Jahren 2011 und 2012 ausgeweitet, übrigens ohne das Parlament darüber zu unterrichten.

Der Finanzierungsrahmen war lange gesprengt, bevor der Eröffnungstermin abgesagt werden musste. Schlimmer noch, die Geschäftsführung Schwarz/Körtgen hat das Unternehmen FBB Mitte 2012 finanziell an die Wand gefahren. Wowereit hatte davon spätestens zu dem Zeitpunkt Kenntnis, als aus seinem Haus versucht wurde, die absehbare Liquiditätsklemme durch Verzicht auf Bürgschaftsentgelte zu kaschieren. Die FBB musste Mitte 2012 durch Steuergelder aufgefangen werden, selbst wenn die Eröffnung gelungen wäre.

Wenn etwas zu viel in dem Projekt war, dann war es die feste Rückversicherung, dass der Steuerzahler zahlen wird. Deshalb mangelte es auch an Risikobewusstsein. Deshalb wurde das Geld ohne wirtschaftliche Vernunft mit beiden Händen ausgegeben. Umso erschreckender ist es, heute feststellen zu müssen, dass sich an dieser Rückversicherungsmentalität immer noch nichts geändert hat. Der Vortrag von Herrn Mühlenfeld bei der IHK war ein beredtes Beispiel dafür. Ich fordere den Aufsichtsrat auf, dieses laxe Schwadronieren über Steuergelder nicht kritiklos durchgehen zu lassen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Zum Mitschreiben: Seit 2006 stecken in dem Unternehmen FBB 2 Milliarden Euro direkte Steuergelder. Hinzu kommt die Bürgschaft, für die der Steuerzahler geradestehen muss. Gestern ist der Geldhahn im Hauptausschuss weiter aufgedreht worden. Es ist unverantwortlich,

wie frühere und jetzige Geschäftsführer, aber auch Aufsichtsratsmitglieder leichtfertig so tun, als sei das alles ganz normal. Nichts daran ist normal.

Damit bin ich bei dem zweiten Märchen, der Aufsichtsrat sei falsch informiert worden. Richtig ist, die Geschäftsführung hat katastrophale Fehler begangen, hat beschönigt, wichtige Schreiben vorenthalten, brisante Probleme nicht offengelegt, keine Risikoabwägung getroffen und anderes. Das haben wir alles aufgeschrieben.

Falsch ist, der Aufsichtsrat hätte von alledem nichts erkennen können. Vielmehr war der Aufsichtsrat offensichtlich nicht in der Lage, die vielfältigen Alarmsignale zu hören. Es mangelte ihm schlicht an Expertise. Er hat sie sich auch nicht eingeholt. Der Aufsichtsrat unterließ es, überhaupt die Tätigkeit der Geschäftsführung von unabhängiger Stelle prüfen zu lassen, selbst als das Kind schon in den Brunnen gefallen war. Diese Unterlassung ist eindeutig auf Klaus Wowereit zurückzuführen, der als Aufsichtsratsvorsitzender dafür die Verantwortung trug.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kreins?

Ich habe zu wenig Zeit für Zwischenfragen. – Entschuldigung!

Sie wird nicht angerechnet. Das wissen Sie? – Trotzdem nicht!

Der Aufsichtsrat hat sich darüber hinaus wichtige Entscheidungen von der verantwortungsscheuen Geschäftsführung regelrecht zuschanzen lassen und gleich selbst entschieden. Drei Fälle seien genannt. Erstens betrifft es die Entscheidung zur ersten Verschiebung im Jahr 2010. Diese Verschiebung war nicht – wieder ein Märchen, Herr Kreins, hören Sie zu – von außen durch die EUVerordnung oder die Insolvenz des Planers bedingt. Sie hätte in jedem Fall auch ohne EU-Verordnung wegen der etwa auf ein Jahr angewachsenen Bau- und Planungsrückstände vorgenommen werden müssen. Doch mit dem Verweis auf das quasi von außen hereingebrochene Ungemach, unterließ es der Aufsichtsrat, die Prospektstrukturen und die Arbeit der Geschäftsführung zu überprüfen. Der Aufsichtsrat hat seine Zustimmung trotz der erkennbar mangelhaften Vorlagen gegeben. Obendrein wurde zugleich die Geschäftsführung sogar noch mit einer Gehaltserhöhung und Herr Schwarz mit einer Vertragsverlängerung belohnt.