Zweite Frage: Brauchen wir in der öffentlichen Hand Großprojekte, oder sollen wir sie lieber ganz lassen? Die Frage ist vorhin schon bei der Staatsoper diskutiert worden. Die Prämissen mit der realistischen Finanz- und Kostenplanung, mit der transparenten Risikoberichterstattung sind auch benannt worden.
Als Parlament müssen wir – das ist die dritte Herausforderung – solche Prozesse intensiver begleiten. Wir haben in der letzten Legislaturperiode relativ wenige Anfragen gestellt, in dieser Legislaturperiode wesentlich mehr. Das verdeutlicht den Blick der Parlamentarier auf dieses Problem. Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, innerhalb von Themensetzungen zu arbeiten. In Brandenburg gibt es einen Sonderausschuss, und im Bundesinnenministerium gab es eine Untersuchung einer Sonderkommission. Aber den Austausch der Erkenntnisse zwischen den Ebenen muss man organisiere. Da gibt es noch verfassungsrechtliche Hürden.
Wo stößt der Ausschuss an seine Grenzen? – An dem Punkt haben wir die rückblickende Wertung abgeschlossen und sind zum Tagesgeschäft gekommen. Wir stießen immer wieder an Grenzen, wenn der Untersuchungsauftrag unkonkret war, wir uns also an die Frage der Standortentscheidung, der Planfeststellungsverfahren, des Planfeststellungsbeschlusses und der gescheiterten Privatisierung abarbeiten mussten oder an der Frage – ein Lieblingsthema der Grünen – der Flugrouten von Flugzeugen, die noch gar nicht starten und landen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe Ihnen die Empfehlung, sich die 380 Seiten durchzulesen. Dabei wird Ihnen niemand das Wort abschneiden. – Vielen Dank!
Geht doch! Danke schön! – Kollege Otto, ich erteile Ihnen das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die nächste Episode zum Thema Flughafen ist die Debatte hier. Wir tauschen uns über drei Jahre Arbeit im Untersuchungsausschuss aus. Ich will das aber noch ein bisschen in das einordnen, was hier heute im Rahmen der Regierungserklärung und der Aktuellen Stunde gesagt wurde. Da ist etwas gesagt worden zu dem Beschluss vor 25 Jahre über Berlin als Hauptstadt. Wer hier heute früh von der Bundesregierung dies und jenes gefordert hat, der muss auch mal liefern. Eine Hauptstadt, die nicht einmal einen Flughafen gebaut kriegt, die nicht einmal einen Flughafen eröffnen kann, die Milliarden in eine Bauruine steckt, sollte ein bisschen Demut zeigen und nicht so viele Forderungen stellen. Sie sollte ihre Hausaufgaben machen, und darum geht es hier.
Vor 20 Jahren ist die Flughafenstandortentscheidung für Schönefeld gefallen. Vor zehn Jahren war der erste Spatenstich, und vor fünf Jahren – 2011 – sollte der Flughafen eröffnet werden. All das ist nicht geschehen. Wir haben in dem Ausschuss versucht herauszubekommen, warum das so ist.
Jetzt muss ich nochmal auf den Kollegen Kreins von der SPD eingehen. Er hat ganz am Anfang seines Redebeitrags gesagt, ganz wichtige Störfaktoren seien das Wetter und der Winter gewesen. – Meine Damen und Herren! Lassen Sie sich so etwas nicht einreden! Der Winter hat am allerwenigsten zum Scheitern des BER beigetragen. Das ist klar.
Wir haben es mit Fehlentscheidungen, Fehlplanungen, Fehlausgaben und einem verfehlten Krisenmanagement zu tun. Das sind die Dinge, die wir untersucht haben und die man ändern muss.
Herr Müller! Es ist gut, dass Sie jetzt mal nach vorne kommen. Einen solchen Flughafen kann man nicht aus der dritten Reihe steuern und von dort auch nicht zum Erfolg führen. Das kann nicht funktionieren.
Das ist genau die Frage, in der sich auch der Ausschuss nicht einig geworden ist. Was ist eigentlich von einem Aufsichtsratsvorsitzenden, von Aufsichtsratsmitgliedern und insbesondere von denen, die durch das Land Berlin entsandt wurden, zu erwarten? Der Ausschuss hat die Anforderungen in seinem Mehrheitsbericht relativ niedrig gehängt. Wir haben uns als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen darüber ein paar Gedanken mehr gemacht. Wir
haben in unserem Sondervotum, das sich in Band II findet – – Ich habe mal nur den zweiten Band mitgebracht, damit ihn die Leute am Fernseher sehen können. Er beinhaltet die eine Hälfte der Ausschussarbeit. Das sind die Sondervoten von Bündnis 90/Die Grünen, Linken und Piraten. Die andere Hälfte ist der Mehrheitsbericht. Wir haben in unserem Sondervotum – das mussten wir machen, weil der Mehrheitsbericht aus unserer Sicht sowohl sachlich als auch politisch nicht umfassend aufgedeckt hat – in 39 Fragen und Antworten aufgeschrieben, was schiefgelaufen ist. Wir haben in einem Fazit aufgeschrieben, was man ändern muss. Gleich am Anfang, in der Frage zwei, steht, was unser Sondervotum nötig gemacht hat und wo es sich von dem Hauptbericht unterscheidet, welche Punkte strittig waren, welche unserer Änderungsanträge von der Koalition abgelehnt wurden, welche Sachen die Koalition nicht haben wollte. All das finden Sie hier drin. Ich bitte Sie, das nachzulesen.
Die Kernerkenntnis, Herr Kollege Kreins, ist: Wir haben es mit einem multiplen Organversagen der Flughafengesellschaft zu tun. Das hat mit dem Bauen erst einmal noch gar nichts zu tun, sondern die Gesellschaft ist – so, wie sie aufgestellt war, wie sie insbesondere von dem Aufsichtsratsvorsitzenden, Herrn Wowereit, nicht kontrolliert wurde – nicht gut konstruiert. Man könnte sagen, es war eine Fehlkonstruktion. Es gab Geschäftsführer, die nicht geführt haben, Projektsteuerer, die nicht gesteuert haben, aber auch Aufsichtsräte, die nicht beaufsichtigt haben. Da sind wir beim Land Berlin, bei der Gesellschafterversammlung mit Gesellschaftervertretern des Landes Berlin, Beamten, Mitarbeitern der untersten Ebene, von denen überhaupt nicht zu erwarten war, dass sie Aufsichtsratschefs wie Herrn Wowereit kontrollieren oder gar kritisieren. Das ist aber die Aufgabe der Gesellschafterversammlung. Das sind die Vertreter des Landes Berlin. Wir entsenden Aufsichtsräte in die Gremien, und die Gesellschaftervertreter müssen kontrollieren, ob sie ordentlich arbeiten. Also, die Organe dieser Gesellschaft, der Flughafengesellschaft, haben nicht funktioniert. Multiples Organversagen haben wir hier auf allen Ebenen festgestellt.
Die Vertreter des Berliner Senats waren auch nur begrenzt lernfähig. Das setzt jetzt vielleicht langsam ein. Ich hoffe, dass sich Herr Müller nachher dazu auch äußert – das hat er heute früh zugesagt. Der Zeuge Wowereit hat uns im Ausschuss erklärt, dass er niemals Unterstützung der Senatsbauverwaltung in Anspruch genommen hat – in seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat für ein damals 2, 3 Milliarden Euro teures Bauprojekt. Das finde ich schon sehr bemerkenswert: Niemals Unterstützung von Fachleuten in Anspruch zu nehmen, aber so zu tun, als ob man alles im Griff hat, das ist einer der Hauptstreitpunkte im Ausschuss gewesen, wo wir, Bündnis 90/Die Grünen, gesagt haben: Leute, das geht so nicht! Ein Aufsichtsrat ist dafür zuständig zu beaufsichtigen. Und wenn er Sachverhalte
Die Koalition hat es jederzeit bestritten, dass man das so sehen muss. Allerdings habe ich am vergangenen Montag gelernt, dass Kollege Kreins von der SPD das jetzt doch ein bisschen anders sieht. Da konnten wir in der Presse nachlesen, für das Debakel am Hauptstadtflughafen trage Klaus Wowereit, wie alle Mitglieder des Aufsichtsrats und der Gesellschafterversammlung, eine herausgehobene Verantwortung. Das hat Herr Kreins gesagt. Da würde ich denken, dass Sie in den drei Jahren ein bisschen dazugelernt haben. Dass das jetzt erst nach Verabschiedung des Berichts bei Ihnen herausgekommen ist, darüber sehen wir mal hinweg.
Es ging natürlich auch um Baufragen; das ist ganz klar. Der BER, das Terminal, ist ein Experimentalbau. Alles, was da gebaut wurde, oder vieles davon sind Dinge, die nicht ausprobiert waren, die nicht erprobte Technik waren. Worüber wir uns aktuell Gedanken machen, ist diese Verbindung Bahnhof/Terminal/Eingangshalle: Eine Superidee, aber niemand hat sich vergewissert, ob das genehmigungsfähig ist, ob das funktioniert oder welchen Ärger wir damit kriegen. Das ist es, was einen Bauherrn auszeichnen sollte, dass er ein Gespür dafür hat, was geht und was nicht geht, und dass er, wenn er das nicht selber herauskriegt, vielleicht andere fragt. Das hat die Flughafengesellschaft nicht gemacht, weil sie kein guter Bauherr war, sondern sich darauf verlassen hat, was Generalplaner erzählen, was Projektsteuerer erzählen, was ausführende Firmen erzählen. Sie konnte es aber selber nicht überblicken. Das ist eines der wesentlichen Dinge, die wir herausgefunden haben: Die Bauherrenfunktion ist durch die Flughafengesellschaft nicht ordentlich ausgeführt worden.
Das geht hin bis zum Risikomanagement. Wir haben einen Vermerk aus der Senatskanzlei gefunden, den ich auszugsweise vorlese. Da hat jemand aufgeschrieben: „Das Risk-Management der FBS“ – so hieß die damals – „verdient daher nach Einschätzung des Unterzeichners seinen Namen nicht. Anstatt potenzielle Risiken beim Bau des BBI frühzeitig, also bei noch geringerer Eintrittswahrscheinlichkeit, zu identifizieren und damit mittelfristige Finanzierungsprognosen zu ermöglichen, werden sogenannte Risiken mit hoher Realisierungstendenz kurzfristig benannt und sind nach dem Willen der Geschäftsführung sogleich zeitnah in die Prognose zu überführen.“ – Das bedeutet, man hat gewartet, bis das Risiko fünf Minuten vor dem Eintritt war, ist dann zum Aufsichtsrat gelaufen und hat gesagt: Wir brauchen jetzt mal 10, 20, 50, 100 Millionen Euro mehr, und der hat das abgenickt. Das ist ein Systemfehler in der Flughafengesellschaft, und ich bin nicht sicher, ob er inzwischen abgestellt ist. Das muss anders werden!
In unseren Schlussfolgerungen steht ganz vorne, dass die Haftungsfrage noch mal geprüft werden soll. Das haben wir hier vor ein paar Wochen schon einmal diskutiert. Die Leute, die Entscheidungen getroffen haben, die Fehlentscheidungen getroffen haben, müssen dafür auch geradestehen. Eine der markantesten Fehlentscheidungen, wie ich finde, ist die Entlassung des Generalplaners im Mai 2012, in der Aufsichtsratssitzung am 16. Mai. Dieses Sitzungsprotokoll wollten wir Ihnen gerne in unserem Anhang hinten anheften. Leider hat die Koalition dem widersprochen. Da hätten Sie in einer szenischen Lesung nachvollziehen können, wie Leute beschließen, erstens die Entlassung des Generalplaners und zweitens ein Eröffnungstermin ein halbes Jahr später. Stellen Sie sich mal vor, Sie bauen ein Haus, schmeißen den Architekten raus und fünf Minutenspäter wissen Sie, wann Sie einziehen. Dass so etwas nicht gehen kann, ist doch wohl jedem klar!
Es haben aber handelnde Personen aus diesem Senat beschlossen. Da war der Regierende Bürgermeister Wowereit dabei. Da war Herr Henkel dabei. Da war die Finanzstaatssekretärin dabei. Sie alle haben dem zugestimmt. Da kann man sehen: Es mangelt an Qualifikation der Leute in diesen Gremien.
Jetzt geht die Redezeit hier zu Ende. Ich will noch einmal kurz auf die Geheimhaltungsfrage eingehen.
Ich komme zum Ende. Wir haben im Mai 2016 ein Schreiben von Frau Dr. Sudhof bekommen, in dem steht: Der Schutz der Interessen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder … sei durch die Arbeit unseres Ausschusses in Gefahr. – Nicht der Schutz der Bundesrepublik Deutschland war hier im Fokus, sondern der Schutz der Geheimnisse von Leuten, die nicht wollen, dass ihre Verfehlungen aufgedeckt werden. Und wenn
einem das dieselben schreiben, dann ist das traurig. – Lesen Sie den Bericht, meine Damen und Herren!
Kollege Braun hat noch eine Zwischenfrage, und die lasse ich noch zu, weil er sich noch vor Ablauf der Redezeit gemeldet hat.
Herr Kollege Otto! Ich hatte mich gemeldet, als Sie die Haftungsfrage ansprachen. Ich stelle Ihnen die Frage: Glauben Sie, dass sie tatsächlich etwas bringt, das heißt, dass die Aufsichtsräte, unterstellt, sie hätten erhebliche Fehler gemacht, für die sie zur Verantwortung gezogen werden könnten, tatsächlich einen erheblichen finanziellen Beitrag dazu leisten könnten, den Schaden zu minimieren?
Vielen Dank für die Frage! Erstens geht es darum, Herr Kollege Braun, auch mal zugeben zu können, dass da etwas schiefgelaufen ist und wer für Fehlentscheidungen zuständig und verantwortlich ist. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt – das finde ich, ist eine ganz merkwürdige Frage: Nirgendwo im Rechtsverkehr, nirgendwo im Sozialwesen, nirgendwo, wenn irgendjemand seine Miete nicht bezahlt, wird diese Frage gestellt: Kann der denn eigentlich zahlen? Hier wird die plötzlich vorab gestellt. Da würde ich mal als Erstes sagen: Die sind dafür versichert.
Da gibt es eine D&O-Versicherung, so heißt das Teil, und diese ist auch für die Aufsichtsratsmitglieder abgeschlossen worden. Und wenn sich herausstellt, dass da jemand in Haftung genommen werden kann, dann zahlt zuerst die Versicherung.
Ich erkläre Ihnen das gerne später noch einmal. Es geht zunächst darum – Herr Kollege Braun, das sei gesagt –, dass man sich nicht – wie bei der FBB 2013 geschehen – mit zweifelhaften Gutachten, auf die die handelnden Personen selbst Einfluss genommen haben oder nehmen konnten, Persilscheine ausstellt, sondern es geht um eine unabhängige Begutachtung dessen, was an Fehlentschei