Ich eröffne die erste Lesung zum Gesetzesantrag. In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte, Herr Kollege Gelbhaar, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Senator Geisel! Was meinen Sie, wie es zu einem Volksbegehren kommt? Ich persönlich glaube, dass drei Punkte ein Volksbegehren ins Rollen bringen. Erstens ein politischer Missstand, ein Problem, zweitens, eine Regierung nimmt diese Sache dann
nicht ernst, und drittens, die Regierung ist nicht gewillt oder ihr wird nicht mehr geglaubt, das Problem beheben zu wollen.
Wir haben hier im Parlament immer wieder den Radverkehr auf die Tagesordnung gesetzt, denn wir wollen die Verkehrswende, hin zu Bus und Bahn, zu Rad- und Fußverkehr.
Sie haben nicht mitgezogen. SPD und CDU haben unseren Vorschlag für ein Berliner Fahrradstraßennetz ohne eine richtige Begründung abgelehnt.
Sie haben mehr als die Hälfte der Hauptstraßen ohne Fahrradinfrastruktur belassen, und die andere Hälfte besteht zum großen Teil aus alten Buckelpisten. Von den mehr als 1 500 km Hauptverkehrsstraßen verfügen nicht einmal 150 km über Radfahr- oder Schutzstreifen, also nicht einmal 10 Prozent, und das muss sich dringend ändern.
Sie haben die Prüfung von Radschnellwegen, obwohl diese in Ihrer eigenen Radverkehrsstrategie sogar steht, jahrelang nicht vorgenommen. Sie haben nicht einmal die eigenen Zahlen für Fahrradbügel umgesetzt. Sie haben die Kreuzungen nicht sicherer gemacht, obwohl das Ihre verdammte Aufgabe ist. Sie haben die falschen Schwerpunkte gesetzt. Für A 100 und TVO ist Kohle drin, fürs Fahrrad nicht. SPD und CDU haben kein Personal bereitgestellt.
SPD und CDU haben die Verkehrslenkung nicht im Griff, die Busse, Bahnen, Rad- und Fußverkehr dem Auto unterordnet. Die Kritik daran muss Ihnen noch in den Ohren klingen, auch Ihnen, Herr Oberg. Sie verschleppen die Leihfahrradausschreibung um fast zwei Jahre. Diese Liste ist nicht abschließend. Die könnte man fortsetzen. Was für eine desaströse Bilanz! Mit Verlaub, Herr Senator Geisel, es reicht nicht, die Anzahl der Pressemitteilungen zum Radverkehr um 183 Prozent zu steigern, ohne die Anstrengungen bei der Umsetzung zu erhöhen. Das muss sich ändern.
Viele der gerade genannten Punkte finden sich im Volksentscheid Radverkehr wieder. Wissen Sie, warum ich glaube, dass diese Koalition den Volksentscheid verlieren würde? – Weil Ihnen nicht geglaubt wird, dass Sie etwas ändern wollen, weil Sie immer noch nicht von der autogerechten Stadt weg sind und die Fahrradstadt nur im Munde führen. Die Berlinerinnen und Berliner sind da schon viel weiter. Die wollen ein Berlin, das gute Luft
Warum haben wir das Gesetz eingebracht? – Genau deswegen, um zeitnah mit der Umsetzung beginnen zu können! Nun lassen Sie Ihren Staatssekretär Gaebler immer wieder andere Argumente gegen das Volksbegehren vortragen. Erst hieß es, mit einem Gesetz könne man keine Verkehrsplanung betreiben.
Diese Position haben Sie inzwischen geräumt. Dann hieß es, ein solches Gesetz würde keine Änderung bewirken. Allein die Debatte über das Gesetz hat schon eine Änderung bewirkt. Die SPD hat angekündigt, dass sie die Investitionsmittel für den Radverkehr auf 40 Millionen Euro steigern wird. Vor einem Jahr war eine solche Äußerung noch undenkbar.
Ich glaube, die Verwaltung würde dieses Gesetz auch beachten. Also diese Position haben Sie schon wieder geräumt. Schließlich trugen Sie vor, das Gesetz würde die Einzelfallprüfung und die Verhältnismäßigkeit nicht ermöglichen. Wie kommen Sie auf so was?
Natürlich muss man prüfen, wann und wo und wie eine grüne Welle funktionieren kann, wo ein Radschnellweg Sinn macht, wo und wie Radstreifen anzulegen oder Fahrradstraßen auszuweisen sind. Das wollen wir tun. Die CDU hat einen Beschluss des Radverkehrsgesetzes heute mit Geschäftsordnungstricks verhindert. Das ist bedauerlich, aber heilbar. Ich erwarte hier heute von Ihnen klare Worte, wie die Fraktionen zu diesem Gesetzentwurf stehen. Ich glaube, dass das Radverkehrsgesetz in den nächsten Wochen und Monaten eine umso größere Bedeutung spielen wird. Ich sage, wer eine grüne Verkehrswende will, der kann diese mit seiner Stimme am 18. September einleiten. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich dachte, jetzt kommt noch mal ein Feuerwerk über alle angeblichen Missstände, aber Sie benennen durchaus sinnvolle Infrastrukturprojekte, die Anwohnerinnen und Anwohner in den Wohnlagen in Friedrichsfelde, Karlshorst, Biesdorf, Mahlsdorf und Kaulsdorf entlasten sollen. Sie themati
Aber ich will zu Ihrer Rede kommen: Die Geschäftsordnungsspielchen sind Spielchen der anderen. Daran haben wir uns nicht beteiligt, das müssen Sie zugeben. Und ich will auch lieber zum Inhalt kommen. Geschäft der Opposition ist – das ist eine Binsenweisheit – die Nörgelei. Und wenn die Nörgelei nicht funktioniert, dann stellt man das Volk gegen den Senat, gegen die Regierung auf und tut so, als wäre alles ganz tragisch.
Ich will Sie noch von einem Irrtum befreien, Herr Kollege Gelbhaar, hier hätte irgendjemand die Verkehrswende verschlafen. Das heißt, dass Sie sie nicht wahrgenommen haben.
Die haben Sie schon längst verschlafen, denn wir reden nicht mehr über Pferdekutschen, Zeppeline und Elektrobusse, nein, die Verkehrswende ist im vollen Gang. Der ÖPNV wird ausgebaut. Neue Straßenbahnstrecken kommen hinzu. Die Nord-Süd-S-Bahnverbindung wird gebaut. Im ÖPNV verzeichnen wir jährlich Fahrgastrekorde bei BVG und S-Bahn. Die BVG erwirtschaftet wieder Gewinne. Wir sind bei S-Bahn und BVG in Milliardengrößenordnungen in die Fahrzeugbestellung eingestiegen. Die Taktzeiten verdichten sich. Betriebszeiten verlängern sich. Das Thema Barrierefreiheit und Sicherheit beim ÖPNV wird verbessert.
Wir haben eine anerkannte und erfolgreiche Fußverkehrsstrategie. Trotz der wachsenden Stadt und der wachsenden Bevölkerung nimmt der Anteil der Pkw am Modal Split ab. Die Berlinerinnen und Berliner legen ihre Wege mit Rad, aber auch mit Bahn und zu Fuß zurück. Warum sage ich das? – Weil die Grünen im Hause so tun – das war auch Schwerpunkt dieser Legislaturperiode –, als würde jeder und jede in Berlin ausschließlich mit dem Fahrrad unterwegs sein und es wäre scheinbar nur die einzige Möglichkeit, durch diese Stadt zu kommen. Die Berliner SPD steht zum Umweltverbund aus Rad-, Fußverkehr und ÖPNV.