Protokoll der Sitzung vom 04.05.2017

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Herr Goiny das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat ist es ein weiterer Gesetzentwurf aus dem Hause der Finanzverwaltung, der sich strukturell mit der Finanzsituation des Landes Berlin beschäftigt. Ich glaube, Frau Kollegin Becker, wir können tatsächlich einen Teil der Diskussion, zumindest, was die haushälterische Seite betrifft, in den Hauptausschuss verlagern. Deswegen will ich es relativ kurz machen.

In der Tat gibt es einige Argumente – die hat der Finanzsenator aufgezählt –, die für solch ein Gesetz und solch eine Zweitwohnungsteuer sprechen. Auf der anderen Seite gibt es aber durchaus auch noch eine Reihe von seriösen Fragen dazu, die wir gerne noch im Hauptausschuss thematisieren wollen.

Zum einen ist es richtig, dass die Einnahmesituation Berlins noch weiter verbessert werden kann. Steuererhöhung ist natürlich ein sehr simples und profanes Mittel, hier die Kassen voller zu machen. Auf der anderen Seite

sehen wir aber auch, welche Auswirkungen das möglicherweise bei den Bertoffenen haben kann.

Sie haben eine Reihe von Argumenten aufgeführt, die dafür sprechen können. Gleichwohl haben wir durchaus noch Fragen und hoffen, die in den zuständigen Fachausschüssen beantwortet zu bekommen, ob denn tatsächlich diese erhoffte und erwartete Lenkungsfunktion auch eintrifft. Darauf beruht das Gesetz. Sie gehen davon aus. Die ganzen finanziellen Effekte treten nur ein, wenn die Menschen sich tatsächlich so verhalten, wie Sie es prognostizieren, dass sie nämlich aufgrund dieser Steuererhöhung ihren Erstwohnsitz in Berlin anmelden. Da gibt es aber noch einige seriöse Fragen. Man muss gucken, welche Menschen das warum bisher nicht gemacht haben. Sind sie überhaupt in der Lage, das zu verändern? Oder ist man nicht möglicherweise nur an der Stelle unterwegs, dass man sagt: Ihr könnt das zwar aus bestimmten Gründen nicht ändern, aber dafür, dass ihr das nicht ändern könnt, zahlt ihr jetzt mehr? Die Datengrundlage und die Zahl der 1 000 bis 1 500 Fälle ist überschaubar, aber die einzelnen persönlichen Situationen sind trotzdem nicht zu vernachlässigen.

Hier gibt es also ein Gesetz, das uns sagt: Hier habt ihr möglicherweise Mehreinnahmen für das Land Berlin. – Das klingt erst mal alles toll und schlüssig. Ob das aber am Ende des Tages so aufgeht, ist und sollte Gegenstand der Diskussion in den Parlamentsausschüssen sein, weil nur dann die Lenkungsfunktion erfolgt und auch nur dann Mehreinnahmen für das Land Berlin zu erzielen sind.

Und da, muss man einfach sagen, ist die Begründungslage Ihres Gesetzentwurfes etwas dürftig; denn die Frage, ob die 1 000, 1 500 Menschen, die Sie adressieren, überhaupt aufgrund ihrer persönlichen Situation dazu in der Lage sind, hier diese Veränderungen durchzuführen, oder ob es möglicherweise Argumente gibt, warum sie das nicht machen können, ist wenig erforscht und wird auch nicht dargelegt. Ich glaube, bevor wir hier zulasten der Menschen in dieser Stadt an einer Steuerschraube drehen, sollten wir uns damit noch einmal serös beschäftigen.

Als Haushaltspolitiker habe ich ein Interesse daran, die Finanzen des Landes Berlin zu vermehren, deswegen gibt es dafür durchaus eine Grundsympathie, aber zur seriösen Haushaltspolitik gehört auch, dass das, was wir beschließen, am Ende auch funktioniert. Und genau an dieser Stelle haben wir durchaus noch Fragen und Diskussionsbedarf. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Abgeordnete Herr Zillich das Wort. – Bitte schön!

(Franziska Becker)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Wichtige ist gesagt, ich kann es kurz machen. Wir haben viel vor als Regierung, sowohl im Investitionsbereich als auch in vielen anderen Bereichen, um das Leben hier lebenswerter zu machen. Dafür brauchen wir eine stabile Einnahmebasis. Wir können aber nicht davon ausgehen, dass Haushaltsüberschüsse und Steuereinnahmen immer so sprudeln, wie sie es jetzt tun. Deswegen gehört es zu einer verantwortungsvollen Regierungspolitik, nach Wegen zu suchen, wie man die Einnahmebasis stärken kann. Und das ist ein Weg – kein riesig großer, aber ein kleiner Baustein, den man dafür nehmen kann.

Wir tun das mit dieser Zweitwohnungsteuer in zweierlei Hinsicht, was in gewisser Weise – so genau weiß es keiner – alternativ wirken kann, nämlich einerseits, indem wir über ein Scharfstellen und über eine Erhöhung des Steuersatzes direkt für Mehreinnahmen sorgen, oder aber, indem wir die Lenkungswirkung eintreten lassen, dass wir mehr Anmeldungen als Erstwohnsitz bekommen und dadurch mehr Einwohner für Berlin und dadurch eine höhere Anzahl von Menschen, die in die Finanzausgleichssystematiken eingehen, und darüber Mehreinnahmen. Das ist eine sinnvolle Geschichte. Deswegen finden wir es auch richtig, dass wir diesen Weg gehen. Über die Details wie Ausnahmeregelung und Ähnliches wird man sicherlich noch in den Fachausschussberatungen diskutieren können, aber ich glaube, im Grundsatz ist das ein Weg, den wir gehen können und den wir gehen müssen, weil wir aufgrund dessen, was wir für die Stadt vorhaben, keinen Weg unbeschritten lassen können, der ein geeigneter sein könnte, um die Einnahmebasis für öffentliche Aufgaben zu stärken. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Und jetzt spricht für die Fraktion der AfD Frau Dr. Brinker.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst möchte ich auf das eingehen, was Herr Kollatz-Ahnen zur Begründung gesagt hat, und zwar: Es ist wichtig – das muss ich gestehen –, dass die erste Säule im Wohnungsbau der Neubau sein sollte. – Aber es ist ein Trugschluss zu glauben, dass die Wohnungsbaugesellschaften allein in der Lage sind, das Wohnungsproblem, das wir in Berlin haben, zu lösen. Wir brauchen dazu zwingend private Investoren. Und diese privaten Investoren dürfen nicht verschreckt werden

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

durch Steuererhöhungen oder aber durch solche Geschichten, wie sie aktuell mit dem Dragoner-Areal passie

ren. Wir sollten noch mal darüber reden, wie man das Problem besser angehen kann.

[Beifall bei der AfD]

Kommen wir zum eigentlichen Thema! Deutschland gehört zu den Ländern mit den höchsten Steuern und Abgabenlasten weltweit, und die Steuereinnahmen haben in Deutschland absolutes Rekordniveau erreicht. Niemals vorher konnten der Staat und auch das Land Berlin von so vielen Steuereinnahmen profitieren wie derzeit. Sie sprudeln. Und wir in Berlin haben im vergangenen Jahr einen entsprechenden Haushaltsüberschuss von über 1 Milliarde Euro gehabt. Den Finanzsenator hat es gefreut.

Diese Tatsachen sollten eigentlich zur Folge haben, dass die Steuerzahler endlich entlastet und nicht belastet werden.

[Beifall bei der AfD]

Leider sieht Rot-Rot-Grün das offenbar anders. Wir haben einen Gesetzentwurf vorliegen, der eine Verdreifachung der Zweitwohnungsteuer zur Folge haben soll. Ziel der Erhöhung ist – wie schon angesprochen –, mehr Menschen dazu zu bewegen, ihren Erstwohnsitz hier in Berlin anzumelden, damit Berlin über den Länderfinanzausgleich mehr Geld bekommt.

[Steffen Zillich (LINKE): Genau!]

Die Summe aus dem Länderfinanzausgleich berechnet sich nämlich unter anderem aus der Anzahl der gemeldeten Einwohner.

[Steffen Zillich (LINKE): Deswegen machen wir das!]

Genau, richtig! Je mehr Einwohner mit Erstwohnsitz Berlin hat, umso tiefer dürfen die finanzkräftigen Bundesländer für Berlin in die Tasche greifen.

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Gut für den Finanzsenator, schlecht für den Steuerzahler und schlecht für die sogenannten Geberländer!

Was sind eigentlich die möglichen Effekte der exorbitanten Anhebung der Zweitwohnungsteuer? – Erstens: Menschen, die in ihrer Heimatgemeinde eine niedrigere oder gar keine Zweitwohnungsteuer zahlen, melden sich aus Kostengründen möglicherweise mit Erstwohnsitz in Berlin an. Zweitens: Möglicherweise melden sich Menschen gar nicht mehr an, wenn sie nicht dauerhaft in Berlin leben.

[Beifall bei der AfD]

Es wird künstlich ein Wettbewerb zwischen den Kommunen initiiert, da sich viele Steuerpflichtige inzwischen melderechtlich strategisch verhalten und ihre persönlichen Verhältnisse den steuerlichen Gegebenheiten anpassen. Wollen Sie das wirklich?

Eine weitere Frage stellt sich: Welche Personengruppen sind denn eigentlich von der drastischen Erhöhung der Zweitwohnungsteuer betroffen? Trifft es wirklich die Vermögenden und Reichen, die sich sporadisch in unserer Stadt aufhalten und ihr Geld mit vollen Händen ausgeben, wie der Senat uns glauben machen will? – Nein, in aller Regel trifft es Berufspendler und Studenten, über deren Anwesenheit wir uns in Berlin eigentlich freuen sollten, da sie zu den wichtigsten Stützen einer funktionierenden Stadt gehören.

[Beifall bei der AfD – Frank-Christian Hansel (AfD): Bravo!]

Stattdessen verprellt Rot-Rot-Grün mit dieser Gesetzesvorlage potenzielle zukünftige Berliner. Die Regierungskoalition rollt damit Menschen, die nach Berlin kommen wollen, einen rot-rot-grünen Nagelteppich voller Stolperfallen und Hürden aus, anstatt die Menschen in unserer Stadt willkommen zu heißen.

[Beifall bei der AfD]

Schaut man sich jetzt an, welche Städte die höchste Zweitwohnungsteuer kassieren, kristallisiert sich Folgendes heraus: Erstens, Universitätsstädte und Stadtstaaten liegen bei der Erhebung der Zweitwohnungsteuer weit vorn.

Zweitens: Die hohen Steuersätze von 10 Prozent und mehr haben bisher kleinere Fremdenverkehrsgemeinden erhoben mit dem nachvollziehbaren Ziel, ihre Infrastrukturmaßnahmen damit zu finanzieren.

Drittens: Berlin setzt sich nun mit 15 Prozent der Nettokaltmiete an die Spitze der Stadtstaaten und liegt damit fast an der Spitze der größeren Universitätsstädte. Nur Erfurt übertrifft dann Berlin mit 16 Prozent. Alles in allem setzt der rot-rot-grüne Senat damit keinerlei Zeichen zugunsten einer Willkommenskultur für Berufspendler und Studenten,

[Lachen von Torsten Schneider (SPD)]

sondern erzwingt sich höhere Einnahmen durch die Zweitwohnungsteuer einerseits oder durch die erhöhten Zahlungen der Geberländer andererseits.

Berufspendler und Studenten gehören bekanntlich nicht zu den besonders vermögenden Personen, die aus Spaß, Lust und Laune eine zweite Meldeadresse haben. Für sie stellt sich viel eher die Frage, ob sie sich früher oder später ganz für Berlin entscheiden können oder wollen. Exorbitant hohe Steuern sind sicher keine gute Werbung für die Stadt.

[Torsten Schneider (SPD): Das ist doch ein Widerspruch!]

Für den Finanzsenator stellt die Gesetzesvorlage offensichtlich eine Win-win-Situation dar. Für den betroffenen Bürger ist die Vorlage eher ein Argument, der Stadt den Rücken zu kehren.

[Beifall bei der AfD]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Sie sind fertig. Gut, dann hat sich das erledigt. Jetzt kommen die Grünen dran. – Frau Schmidberger, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Brinker! Ich fand es gerade ein bisschen schräg, wie Sie argumentiert haben. Ich glaube, Sie sollten sich Ihre eigene Rede noch mal anhören, denn sie war etwas widersprüchlich.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Karsten Woldeit (AfD): Das ist doch die Realität in der Stadt!]