Protokoll der Sitzung vom 04.05.2017

Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Es wird die Überweisung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, Digitale Verwaltung, Datenschutz, Informationsfreiheit und zur Umsetzung von Artikel 13 Abs. 6 GG sowie § 25 Abs. 10 ASOG und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Die Tagesordnungspunkte 28 und 29 stehen auf der Konsensliste. Tagesordnungspunkt 30 war Priorität der Fraktion der FDP unter Nummer 3.5. Der Tagesordnungspunkt 31 steht auf der Konsensliste.

Ich komme nun zur

lfd. Nr. 32:

Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/0302

In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU. Für sie spricht der Abgeordnete Dr. Juhnke. – Ich bitte, die Gespräche einzustellen, denn jetzt hat Herr Dr. Juhnke das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Auch wenn die Tagesordnung jetzt die undankbare Situation gebracht hat, dass dieses Thema in der letzten Rederunde behandelt wird, ist es doch ein wichtiges Thema, denn das Freiheits- und Einheitsdenkmal ist wichtig für Berlin. Ich denke, nachdem fast eine Generation vergangen ist, seit die friedliche Revolution in der DDR und die deutsche Wiedervereinigung stattgefunden haben, ist es höchste Zeit, dieses bedeutendste Ereignis der Nachkriegszeit in Deutschland angemessen zu würdigen, und zwar mit einem Denkmal.

[Beifall bei der CDU]

Das hat der Bundestag bereits vor zehn Jahren beschlossen, und die CDU-Fraktion bekennt sich klar zur Errichtung eines solchen Denkmals. Nun muss auch gehandelt werden.

In diesem Zusammenhang stellen sich immer wieder drei Fragen. Die erste lautet: Ist Berlin der richtige Standort für dieses Denkmal? Ich rede hier nicht als Lokalpatriot, wenn ich sage: Selbstverständlich! Berlin ist die Hauptstadt Deutschlands, und Berlin spiegelt die Höhen und Tiefen unserer Geschichte wieder. Hier wird in vielen Denkmälern auch der Schattenseiten dieser Geschichte gedacht. Deshalb ist es auch der Ort, der freudigen Anlässe zu gedenken. Das spricht im Übrigen auch nicht gegen die Rolle, die andere Orte, zum Beispiel Leipzig, im Rahmen der friedlichen Revolution gespielt haben. Doch ich denke, dass Berlin der einzige legitime Ort ist, wo stellvertretend für das ganze Land einem so umwälzenden Ereignis wie der deutschen Einheit in Freiheit nachvollziehbar gedacht werden kann.

(Stefan Ziller)

[Beifall bei der CDU]

Die zweite Frage, die oft aufgeworfen wird, ist die, ob der Standort an der Schlossfreiheit auf dem Humboldt-Forum der richtige ist. Hierauf eine Antwort zu geben, ist ungleich schwieriger, denn der Standort drängt sich nicht unbedingt auf. Man könnte ebenso andere für richtig halten und mit guten Gründen vorschlagen. Was für diesen Standort spricht, ist jedoch sicherlich seine zentrale Lage im Herzen unserer Stadt, und man kann dort auch an das vorher an dieser Stelle errichtete Nationaldenkmal anknüpfen. Dieses entstammte einer völlig anderen Epoche. Das Denkmal war dem ersten Kaiser des Deutschen Reiches der Neuzeit gewidmet und wurde dann später, obwohl es im Krieg unbeschädigt blieb, wie das Stadtschloss, aus politischen Gründen beseitigt. Ich möchte die damalige Entscheidung nicht problematisieren, aber ich denke, dass wir, wenn wir dort heute ein Denkmal errichten, welches an Einheit und Freiheit erinnert, eine Leerstelle der Erinnerungskultur mit einem positiven Inhalt füllen können. Das ist doch eine tolle Perspektive. Deswegen kann die Antwort auf die Frage, ob dieser Standort der richtige sei, nicht ja oder nein lauten, sondern nur folgendermaßen: Dieser Standort ist dafür geeignet. Allein darauf kommt es an.

Jetzt kommen wir zur dritten Frage, die oft aufgeworfen wird: Ist der beschlossene Entwurf der richtige? Darauf kann es sicherlich der Natur der Sache nach heute keine abschließende Antwort geben. Bei ästhetischen Fragen wird man immer unterschiedliche Ansichten haben. Wir erinnern uns an die Diskussion um das HolocaustMahnmal. Letztlich ist es aber auch nicht unsere Aufgabe hier im Abgeordnetenhaus von Berlin, darüber zu entscheiden. Der Deutsche Bundestag hat hier ein Verfahren gefunden und es schon vor vielen Jahren abgeschlossen. In einem durchaus mühevollen Prozess hat sich der Vorschlag „Bürger in Bewegung“, besser bekannt als Einheitswippe, als Sieger hervorgetan. Theoretisch hätte es auch eine unendlich große Zahl von anderen Vorschlägen geben können, und auch in meiner Partei – das sage ich frank und frei – ist der Entwurf nicht unumstritten. Dennoch hat sich für diesen Entwurf eine unabhängige Fachjury in einem internationalen Wettbewerb ausgesprochen. Das war nicht unser Berliner Verfahren, es war aber auch nicht unsere Berliner Aufgabe, das Verfahren durchzuführen.

Unsere Aufgabe als Berliner Parlamentarier ist es aber, darauf zu achten und auch darauf zu drängen, dass in unserer Stadt endlich ein Freiheits- und Einheitsdenkmal errichtet wird. Deswegen legen wir heute diesen Antrag vor.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Daher höre ich auch die Aussagen der Senatoren Lederer und Lompscher mit großer Sorge, denn beide versuchen, den mühsam wieder Fahrt gewinnenden Zug für eine Realisierung des Denkmals zu stoppen. Das tut jeder auf

seine Weise: Der eine tut es mit Luftschlägen mit dem Florett, die andere mit ihrer ganz eigenen Auslegung der Regularien. Beides ist aber schädlich, und ich finde es höchst bedenklich, wenn sich ausgerechnet Politiker der Linkspartei die Deutungshoheit über ein Denkmal aneignen wollen, welches an die in Freiheit gewonnene Einheit unseres Volkes erinnern soll.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Kurt Wansner (CDU): Das ist doch kein Wunder bei denen!]

Wir als CDU-Fraktion bekennen uns ausdrücklich zu dem geschichtlichen Glücksfall der wiedergewonnenen Einheit in Freiheit, und als CDU-Fraktion bekennen wir uns zum Einheitsdenkmal in Berlin und haben auch die Erwartung eines klaren Bekenntnisses des Berliner Abgeordnetenhauses zu einem Freiheits- und Einheitsdenkmal in unserer Stadt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt der Abgeordnete Jahnke das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich den Antrag, den uns die CDU hier vorgelegt hat, las, war ich zunächst unschlüssig, ob es hier eigentlich um die Sache des Einheitsdenkmals geht oder erneut darum, den Aufschrei darüber zu üben, dass die Linkspartei die CDU als Regierungspartner abgelöst hat.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall bei der LINKEN]

Es macht sich ja sehr einfach, wie wir es gerade gehört haben, der Linkspartei zu unterstellen, sie wolle das Einheitsdenkmal schon aus ideologischen Gründen nicht haben, weil sie die Einheit nicht haben wollte usw. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU! Das erscheint mir alles ein bisschen platt. Ich würde doch raten, dass Sie uns hier im Plenum künftig mit Ihrem Oppositionsschmerz verschonen und das auf Ihren Parteitagen oder sonst wo im kleinen Kreis ausmachen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Aber nun zur Sache: Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass es ausgerechnet die CDU ist, die hier ein Bekenntnis zum Einheitsdenkmal abverlangt. Denn die Parteifreunde der CDU haben im Bundestag im Haushaltsausschuss das Projekt mit Blick auf die Kosten maßgeblich abgebremst. Um es klar zu sagen: Ich verstehe den Beschluss des Haushaltsausschusses und meine, dass es richtig war, zunächst noch einmal über die Bücher zu

(Dr. Robbin Juhnke)

gehen und sich die Kosten des Projekts näher anzuschauen. Eine gewisse Inkonsequenz lag dann freilich darin, zwischenzeitlich eine zuvor nie diskutierte Teilrekonstruktion des Kaiserdenkmals in Form der Kolonnaden etwas gutsherrenartig als ohne Weiteres finanzierbar zu erklären.

Hier zeigt sich aber auch die Schwierigkeit dieses Ortes für das Freiheits- und Einheitsdenkmal. Um der deutschen Einheit zu gedenken, gäbe es wahrscheinlich bessere Orte. Wie schon so oft gesagt wurde, ist das Brandenburger Tor schon durch seine Geschichte ein ganz starkes Symbol der deutschen Einheit. Es war übrigens gerade ein CDU-Politiker, der zu Zeiten der Teilung den Satz prägte, die deutsche Frage sei so lange offen, wie das Brandenburger Tor geschlossen sei.

[Zuruf von Holger Krestel (FDP)]

Und tatsächlich war die Wiederöffnung des Tores Ende 1989 ein ganz sichtbarer Schritt zur Wiederherstellung der Einheit Berlins und Deutschlands.

Doch es geht bei dem geplanten Denkmal ja auch und gerade um den Aspekt des Freiheitskampfes. Hierfür könnte ein Ort am äußerlich wiederaufgebauten Berliner Schloss mit Blick auf das Jahr 1848 oder vielleicht auch mit Blick auf den Herbst 1989 und die Ereignisse um den damaligen Palast der Republik geeignet sein.

Ob der Sockel eines Denkmals, das für etwas ganz anderes stand, hierfür aber wirklich geeignet ist, wage ich zu bezweifeln. Ich weiß, dass es hierüber eine lange Diskussion gab, einen Bundestagsbeschluss und einen Wettbewerb zur Gestaltung des Denkmals. Die Ergebnisse waren im Martin-Gropius-Bau hier gegenüber ausgestellt. Ich gestehe, dass ich andere Entwürfe überzeugender fand als die sogenannte Einheitswippe – beispielsweise einen symbolischen Brückenschlag über die Spree, der auch die Dominanz des alten Denkmalsockels etwas relativiert hätte –, doch ein Jury hat die „Einheitswippe“ zum Siegerentwurf erklärt. Muss dieser aber deswegen gebaut werden? So richtig überzeugende Anhänger und Anhängerinnen hat dieser Entwurf, wie mir scheint, weder auf Bundesebene noch hier bei uns in Berlin. Ein neues Nachdenken sollte daher möglich sein. Ein Ort mit Aufenthaltsqualität direkt vor dem Humboldt-Forum könnte anders gestaltet sein als mit dieser sogenannten Wippe.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Die erhaltenen Mosaike des Originaldenkmals von Reinhold Begas ließen sich auch besser einbeziehen.

Die Gesamtkonzeption des Gedenkens durch den Bund in Berlin sollte in diesem Punkt noch einmal überdacht werden. Ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in der Hauptstadt Deutschlands kann ein entscheidendes Symbol werden, doch es muss auch überzeugen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Trefzer das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das geplante Einheits- und Freiheitsdenkmal ist nicht das erste Bauvorhaben, das in Berlin zum Problemfall wird. Ursprünglich war die Fertigstellung für 2013 geplant, dann für 2015, jetzt reden wir über 2019 oder 2020. Aber im Gegensatz zur unendlichen Geschichte von BER und Staatsoper müssen die Berlinerinnen und Berliner froh sein, wenn dieses Projekt jedenfalls in seiner vorliegenden Form als „Einheitswippe“ niemals realisiert werden wird.

[Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Lassen Sie uns kurz rekapitulieren! Beim ersten Wettbewerb im April 2009 waren die Einsendungen künstlerisch derart dürftig, dass man das Verfahren abbrechen musste. Ausgewählt wurde dann in einem zweiten Wettbewerb 2010/11 nicht der beste, sondern der am wenigsten ungeeignete Entwurf. Was folgte, war ein endloser Streit, Probleme mit Fledermäusen, Kostenüberschreitungen und die gar nicht so überraschende Entdeckung der kaiserlichen Bodenmosaike. Als Fazit muss man zehn Jahre nach dem ursprünglichen Bundestagsbeschluss zur Errichtung eines Denkmals für Freiheit und Einheit konstatieren: Der Siegerentwurf hat es zu keinem Zeitpunkt geschafft, den für ein solches Projekt erforderlichen Rückhalt in der Bevölkerung, aber auch unter Kulturschaffenden und Multiplikatoren zu erringen. Es bleibt ein Rätsel, wie man ein Denkmal errichten will, das in dieser Form quasi niemand wirklich gutheißt.

[Beifall bei der AfD]

Die Berliner Bürger sollen mit diesem überdimensionierten Spielgerät buchstäblich verschaukelt werden.

[Beifall und Heiterkeit bei der AfD]

Für was soll die Metapher der Wippe eigentlich stehen? Das Hin- und Herschaukeln ist ein denkbar schlechtes Sinnbild für die Erringung von Freiheit und Einheit in den Jahren 1989 und 1990. Man ist eher versucht, an das wechselvolle Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschland nach 1990 zu denken. Nein! Wie man es dreht und wendet, die geplante „Wippe“ würde nicht zum Denkmal für die friedliche Revolution von 1989, sondern einzig und allein zum Mahnmal für die Abstrusitäten deutscher Kulturbürokratie.

[Beifall bei der AfD]

Deswegen muss die „Wippe“ gestoppt werden. Die CDUFraktion war gut beraten, in ihrem vorliegenden Antrag den Entwurf der „Einheitswippe“ gar nicht erst zu er

(Frank Jahnke)

wähnen. Der Antrag spricht sich für die Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals in Berlin aus, ohne einen Entwurf oder einen Standort zu favorisieren. Das ist gut und richtig, denn wir müssen die Diskussion über die Gestalt und den Standort des Denkmals jetzt neu beginnen. Wichtig aus der Sicht meiner Fraktion wird es sein, den Gedanken der Freiheit und den Gedanken der Einheit im neuen Denkmalentwurf wie in einem Brennspiegel zu verdichten, denn durch das Denkmal muss deutlich werden: Freiheit ist die Voraussetzung von Einheit, und ohne Freiheit kann es keine wirkliche Einheit geben. – Das war auch 1989 so. Die Bewusstwerdung und die Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechtes des Volkes gegenüber dem repressiven DDR-Regime, die sich im Ruf der Demonstranten: „Wir sind das Volk!“ niedergeschlagen hatten, waren die Voraussetzung dafür, um auch im historischen Verlauf die Forderung: „Wir sind ein Volk!“ aufstellen zu können. Einheit und Freiheit gehören zusammen, sie lassen sich nicht trennen.