Jeder einzelne dieser Anträge ist von der SPD-Fraktion in der letzten Legislaturperiode abgelehnt worden. Das Desaster insbesondere bei dem Verfall der Berliner Infrastruktur, den wir im Moment beklagen müssen, werden wir in den nächsten Monaten und Jahren erleben. Ich sage das noch einmal: Sie sehen das bei einzelnen Ausschreibungen schon, dass sich keine Unternehmen mehr beteiligen. Das Vergabegesetz insgesamt zu entschlacken und nicht weiter zu überfrachten, das wäre das Gebot der Stunde. Das würden wir uns wünschen. Ich hoffe, dass wir daran gemeinsam arbeiten können. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Ihnen vorliegenden Antrag beabsichtigen wir, das aktuelle Mindestentgelt für öffentliche Aufträge des Landes Berlin von 8,50 Euro auf 9,00 Euro anzuheben. Damit tragen wir den sich ändernden Gegebenheiten Rechnung, denn niemandem im Hause wird entgangen sein, dass die Lebenshaltungskosten in den letzten Jahren
allgemein gestiegen sind und ein Mindestlohn seinen Nutzen nur dann erfüllt, wenn er auch tatsächlich in der Lage ist, seinen Beziehern ein Auskommen zu sichern.
Mit 8,50 Euro liegt der Mindestlohn nach dem Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz derzeit sogar knapp unter dem gesetzlichen Mindestlohn auf Bundesebene, was natürlich kein Dauerzustand sein darf. Wir in Berlin waren ja gerade Vorreiter in dem Bestreben, Menschen für ihrer Hände Arbeit auch einen menschenwürdigen Lohn zu zahlen und sie von Hartz-IV-Aufstockungen unabhängig zu machen, während das Arbeitgeberlager mit Unterstützung von CDU und FPD noch Sturm dagegen lief. Massenentlassungen für ganze Branchen wurden prophezeit und die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten deutschen Wirtschaft infrage gestellt, wenn der gesetzliche Mindestlohn käme. – Nun ist er bereits seit über zwei Jahren in Kraft, und die wirtschaftliche Lage und die Beschäftigungssituation in Deutschland strafen alle damaligen Untergangsszenarien Lügen.
Es geht uns aber nicht nur um eine aktuelle Anpassung des Mindestentgelts nach dem Ausschreibungs- und Vergabegesetz, sondern zugleich um die Festschreibung einer turnusmäßigen Anpassung. Diese bietet allen Beteiligten mehr Planungssicherheit und wird vor allem die wirtschaftliche Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer künftig verbessern, da diese dann nicht mehr mehrere Jahre auf eine Anpassung des Mindestlohns an die reale Preisentwicklung werden warten müssen.
In dem Sinne bin ich überzeugt, dass wir hier einen wichtigen Schritt nach vorn für alle Beschäftigten im Land Berlin machen, denn – und das ist und bleibt unsere Überzeugung, nicht nur in der Sozialdemokratie, sondern der gesamten Koalition –: Wer Vollzeit arbeitet, muss auch Vollzeit davon leben können. Deshalb waren es auch die Fraktionen auf der linken Seite dieses Hauses, die einen Mindestlohn für öffentliche Aufträge durchsetzten, als man es auf schwarz-gelber Seite auch in diesem Hause noch für einen Skandal hielt, mit gesetzlichen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass Menschen von ihrer Hände Arbeit leben können.
Dieser kleine historische Exkurs bringt mich auch noch dazu, kurz auf den FDP-Änderungsantrag einzugehen, der uns hier heute kurzfristig auf den Tisch flatterte. Sie haben damals mit Ihrer Blockadehaltung im Bund doch Mitverantwortung dafür getragen, dass die Mindestlohnlandschaft in Deutschland heute so uneinheitlich ist und wir in Berlin auch andere Wege gehen mussten. Wenn Sie das heute hier anprangern, bejammern Sie die Folgen Ihrer eigenen Politik.
Wir stehen jedenfalls dazu, dass uns die Mitarbeit an öffentlichen Aufträgen hier in Berlin mindestens 9,00 Euro in der Stunde wert ist – die Betonung liegt auf mindestens! In den meisten Branchen und Gewerken liegen die Tarife glücklicherweise deutlich darüber, aber die 9 vor dem Komma ist ein Signal gelebter Wertschätzung für die Arbeit, gerade auch in häufig nicht so gut bezahlten Jobs wie etwa im Reinigungsbereich. Das ist es, was wir mit dieser Anhebung auch ermöglichen wollen. Dafür bitte ich um Ihre Unterstützung. – Vielen Dank!
Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kollegen! Liebe Gäste! – Es sind nicht mehr viele da. – Die Regierungskoalition will das Mindestentgelt nach dem Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz durch Rechtsverordnung auf 9,00 Euro anheben. Das bisher geltende Mindestentgelt nach dem Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz von 8,50 Euro nimmt Bezug auf den ersten in der Bundesrepublik eingeführten allgemeinen Mindestlohn in genau dieser Höhe.
Es gibt, wie Sie alle wissen, Mindestlöhne für bestimmte Branchen wie z. B. in Berlin 9,35 Euro für das Sicherheitsgewerbe, 10,00 Euro für die Reiniger, 10,35 Euro für die Maler, 10,40 Euro im Elektrohandwerk, 11,30 Euro auf dem Bau, 13,10 Euro für gelernte Maler und 14,55 Euro für Maurergesellen. Viele Arbeitnehmer haben darüber hinaus einzelvertraglich oder tarifvertraglich höhere Entgelte mit ihren Arbeitgebern vereinbart. Die gesetzlich festgelegten Mindestlöhne sind natürlich immer anzuwenden, so auch für Lieferanten des Landes Berlin und ihre Subunternehmer. Wir brauchen uns nicht darüber zu streiten, dass die Löhne in vielen Berufsbereichen, vor allem in jenen, in denen die Leistung in Deutschland bleibt, also z. B. im Handwerk oder in der Pflege, viel zu niedrig sind. Das liegt vor allem an dem bei uns unterbewerteten Euro. Mit der D-Mark oder einem Nord-Euro wäre uns das nicht passiert.
Bei uns kann mancher Handwerker allein mit seiner Hände Arbeit seine Familie nicht mehr ernähren. Er muss seine Frau zur Arbeit schicken,
Es gibt Familien, die aus Vater, Mutter und Kind bestehen, auch wenn Ihnen das inzwischen fremd geworden ist. –
[Beifall bei der AfD – Gunnar Lindemann (AfD): Bravo! – Anja Kofbinger (GRÜNE): Ist das ein Theater hier! – Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN]
[Anja Kofbinger (GRÜNE): In welchem Deutschland leben Sie? Sie haben Frauen nicht zur Arbeit geschickt! – Sebastian Walter (GRÜNE): Was für ein Frauenbild! – Weitere Zurufe von der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]
Zurück zum Mindestlohn! Zum 1. Januar 2017 wurde der bisher geltende Mindestlohn auf 8,84 Euro erhöht. Eine weitere Erhöhung um 16 Cent scheint uns nicht sinnvoll. Die AfD schließt sich dem Änderungsantrag der FDP an. – Schönen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das untere Ende der Lohnskala ist eine zentrale Stelle für die Gerechtigkeitsfrage in unserer Gesellschaft. Ich will das, was wir heute tun – die Anhebung um 6 Prozent –, nicht überbewerten, es zeigt aber, dass wir das Notwendige bzw. das, was wir gerade tun können, in der gebotenen Geschwindigkeit – deswegen auch eine Rechtsverordnung – in Angriff nehmen.
Der Hinweis geht an die Kollegen der CDU, dass wir mit einer Novellierung in den nächsten Wochen und Monaten das größte Projekt in Angriff nehmen werden. Ich glaube aber, dass an dieser Stelle erst einmal die Geschwindigkeit gefragt ist, nämlich in der Möglichkeit, nach oben zu
gehen, um die Gerechtigkeitslücke zu schließen. Es ist ja schon ganz erstaunlich, dass wir um 6 Prozent erhöhen können. Das zeigt, dass in den letzten Jahren etwas offengeblieben ist. Dass man an diesen Wert seit 2012 nicht mehr herangegangen ist, zeigt auch die Notwendigkeit unseres Vorgehens. Am Ende des Tages tun wir das, was alle fordern – der IWF: Deutschland braucht höhere Löhne! Aber, ich sage es noch mal: Überbewerten möchte ich es nicht. Es zeigt, dass wir einen ersten Schritt tun. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin in der Tat erstaunt, dass wir bei einer Debatte zum Vergaberecht doch noch den Schlenker zu einem hochinteressanten antiquierten Familienbild der AfD erleben.
[Beifall und Heiterkeit bei der FDP, der SPD, der CDU, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Harald Laatsch (AfD)]
Ich möchte aber zur Sache kommen. In einem Punkt teilen wir die Auffassung aller Redner: Auch wir sehen beim Vergabegesetz, bei der Mindestentlohnung seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes Anpassungsbedarf. Allerdings in eine andere Richtung als von der Regierungskoalition vorgeschlagen! Wir wollen beim Vergaberecht auch die Chance nutzen, die Verwaltung zu entlasten, sie schneller und kostensparender zu machen. Das ist das Ziel unseres Änderungsantrags. Wir wollen zumindest einen Baustein dazu liefern, um Berlin zu einer besser funktionierenden Stadt zu machen. Das muss das Ziel sein.
Ich schließe mich auch meinem Vorredner von der CDU, Herrn Gräff, gerne an: Es ist nur ein Schritt, um das Vergaberecht einfacher zu machen. Es ist ganz sicher nicht der letzte Schritt, es darf nicht der letzte sein. Nutzen wir aber doch die Chance und machen das Vergaberecht einfacher! Wir haben seit 2014 ein Mindestlohngesetz und, die Vorredner der Regierungskoalition sprachen
es bereits an: Wir als Freie Demokraten haben dieses Mindestlohngesetz durchaus kritisch begleitet. Es hat auch seine negativen Wirkungen im Hinblick auf Bürokratie für Unternehmen. Aber nun ist es da. Und weil wir eine pragmatische Partei sind, sehen wir auch die Aspekte, die bei diesem Gesetz nützlich sein können. Es ist unter anderem eine Nebenwirkung, nämlich dass dieses Mindestlohngesetz, auch das wurde schon angesprochen, für alle Unternehmen gilt.
Der Mindestlohn liegt derzeit bei 8,84 Euro, und wir haben in diesem Gesetz bereits eine Regelung gefunden, um den Mindestlohn nachlaufend zur Lohn- und Tarifentwicklung anzupassen. Insofern ist der wesentliche Grund für die damalige Mindestentlohnung in dem Vergabegesetz entfallen. Wir haben jetzt bereits einen flächendeckenden Mindestlohn. Wir sollten insofern auch gar nicht Gefahr weiterer Regulierungen laufen – mit 9,00 Euro fangen Sie ja erst an; dann ist völlig unklar, nach welchen Kriterien Sie diesen Mindestlohn nach dem Vergabegesetz dynamisieren wollen. Auch das schafft wiederum Rechtsunsicherheit. Ich erinnere nur an die EuGH-Rechtsprechung, was die Auftragsvergabe bei Mindestlohn angeht – unnötige Rechtsunsicherheit, unnötige Belastung der Verwaltung mit weiteren Rechtsverordnungen. Nehmen Sie doch das, was da ist, das Mindestlohngesetz! Orientieren Sie sich daran, dann werden Sie das erfüllen können, was auch das Ziel des Vergaberechts ist, nämlich: Der Auftraggeber soll Sach- und Personalmittel nach wirtschaftlichen Konditionen beschaffen. Das würden Sie damit auch schaffen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags der Koalitionsfraktionen sowie des Änderungsantrags der FDP-Fraktion federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Betriebe und mitberatend an den Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales sowie an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.