Protokoll der Sitzung vom 18.05.2017

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schultze-Berndt! Das war ja der Versuch eines Entlastungsangriffs für die Geschäftsstrategie von Vattenfall.

[Heiko Melzer (CDU): So ein Quatsch!]

Ich sage Ihnen, es ist völlig absurd zu behaupten, dass wegen der schwebenden Konzessionsverfahren jetzt bei Vattenfall massenhaft Outsourcing und Arbeitsplatzabbau stattfinden müssen. Vattenfall bezieht weiterhin das Entgelt aus der Netzkonzession. Sie kassieren weiterhin Rendite aus dem Netzbetrieb. Da gibt es überhaupt keine Probleme. Mit ihrer Klagestrategie und ihrer Rügestrategie sichern sie sich auch für das nächste Jahr und wahrscheinlich auch für das übernächste Jahr diese Erträge aus dem Netz.

Das Problem bei Vattenfall ist ein anderes, nämlich dass das ein Unternehmen ist, das die Energiewende verschlafen hat, das Defizite aus seinen Atomkraftwerken hat, das einen Buchwertverlust aus dem Verkauf der Braunkohlesparte zu verarbeiten hat, das außerdem auf Einkaufstour in den Niederlanden gegangen ist, völlig überteuert Nuon gekauft hat und daran zu knacken hat. Deshalb glauben sie, dass sie vor der Notwendigkeit stehen, weiter Arbeitsplätze abzubauen, zu rationalisieren und outzusourcen. Das ist die Realität. Das ist die Grundlage. Reden Sie doch hier nicht dummes Zeug! Darum bitte ich Sie ganz einfach.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Wenn Sie über die Solidarität mit den Beschäftigten sprechen, dann hätte ich von Ihnen erwartet, eine klare Position zu beziehen und zu sagen, dass der Abbau im Kundenservice von 540 Mitarbeitern – geplant im Jahr 2018 – null auf Ihre Zustimmung stößt, statt zu sagen, das ist eine notwendige Restrukturierung, weil der Senat mit der Konzession nicht zu Potte gekommen ist. Diese Argumentation ist doch absurd. Erzählen Sie das mal den Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, die greifen sich an den Kopf, weil die besser wissen, was in diesem Unter

nehmen los ist, abgesehen davon, dass die Rationalisierungen schon viel früher begonnen haben.

Erklären Sie doch einfach mal den Abbau beim Businessservice, der jetzt geplant ist, von 2010, 680 Mitarbeiter, bis 2020 geplanter Abbau auf 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Das ist die Realität, über die wir bei Vattenfall reden. Das hat mit der Konzessionsvergabe null und gar nichts zu tun, sondern hat mit Managementfehlern und einer verfehlten Geschäftsstrategie zu tun, abgesehen davon, dass das Unternehmen immer noch gut verdient, an Fernwärme, an dem, was sie hier in Berlin aus dem Netzbetrieb erwirtschaften. Deshalb sage ich, es ist angemessen, hier Solidarität vonseiten des Abgeordnetenhauses zu zeigen

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

und auch deutlich zu machen, wenn gesagt wird, Vattenfall ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen: Nein, Vattenfall ist ein königlich-staatliches Unternehmen, gehört nämlich dem schwedischen Staat, und ich verlange, dass sich ein staatliches Unternehmen außerhalb der schwedischen Grenzen nicht wie eine originäre Aktiengesellschaft benimmt und auf Shareholder-Value orientiert, sondern auch gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Ich finde, damit sollte sich auch die schwedische Regierung auseinandersetzen, welche Geschäftsstrategien hier gefahren werden.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Deshalb komme ich zu dem zweiten Punkt, zu dem, was bei Knorr-Bremse geschieht. Bei Knorr-Bremse PowerTech sollen 350 Mitarbeiter statt 35 Stunden, was die tarifliche Arbeitszeit ist, jetzt 42 Stunden ohne Lohnausgleich arbeiten. Ich finde, da ist ein klares Zeichen notwendig, dass das auf die absolute Missbilligung des Abgeordnetenhauses trifft.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Es ist auch nicht akzeptabel, dass 130 Arbeitsplätze nach Tschechien verlagert und damit abgebaut werden – in einem Konzern, der hochprofitabel ist und wo es nur darum geht, die Profitabilität noch weiter zu steigern. Dazu sage ich – und ich stimme Ihnen zu Herr SchultzeBerndt –: Das Abgeordnetenhaus bezieht hier eine Position. Ich erwarte aber auch, dass vonseiten der Wirtschaftsverwaltung mit dem Unternehmen und mit den Beschäftigten geredet wird und dass auch alle Instrumente genutzt werden. Wenn ich höre, dass sie in der Vergangenheit einen Bewilligungsbescheid für weitere Förderung bekommen haben, finde ich, dass man auch darüber reden muss.

Deshalb beziehen wir jetzt hier als Abgeordnetenhaus Position und sagen: Wir wollen, dass der Senat gegenüber diesen beiden Unternehmen deutlich macht, dass wir

(Jürn Jakob Schultze-Berndt)

als Abgeordnetenhaus und auch als Land Berlin eine derartige Geschäftspolitik von Unternehmen nicht wollen. Wir wollen gute Arbeit, und wir wollen Beschäftigungssicherung. Wir wollen natürlich auch, dass diese Unternehmen wirtschaftlich arbeiten, aber „wirtschaftlich arbeiten“ heißt nicht, zu sehen, dass man auf den Profit noch einen Extra-Profit draufschaufelt. – Deshalb ist es richtig, diesen Anträgen zuzustimmen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion Herr Buchholz!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vom Antrag mit Bezug auf Vattenfall ist lediglich der erste Punkt zustimmungsfähig. Gespräche mit dem Unternehmen zu führen, um Arbeitsplätze und Know-how in Berlin zu erhalten, ist immer richtig. Leider sind die Aufzählungspunkte zwei bis vier des Antrags nicht zustimmungsfähig. Den Antragstellern mangelt es an wirtschaftlichem Verständnis. Es wurde nicht verstanden, dass die eigene Politik Konsequenzen hat. Wenn der Senat gegen die Interessen von Vattenfall ein Stadtwerk gründet, den offenen Konflikt erklärt: Wir werden soundso viele Kunden haben! – das werden ja wohl dann ehemalige Vattenfall-Kunden sein –, und dann auch noch die Verlängerung der Stromkonzession verweigert, dann arbeitet er insgesamt auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage des Versorgers Vattenfall hin. Vattenfall muss an die Interessen seiner Eigentümer denken, und sei es der schwedische Staat. Der schwedische Steuerzahler kann nicht Sozialleistungen in Deutschland erbringen, er muss betriebswirtschaftlich vernünftige Entscheidungen fällen, um den Fortbestand des Unternehmens langfristig zu sichern.

Letztendlich ist der Antrag ein Zeugnis über die Auswirkungen der eigenen Politik. Wenn man sich die ganze Zeit Vattenfall gegenüber fair verhalten hätte, dann wäre Vattenfall nicht gezwungen, Personalmaßnahmen zu planen. Schließlich wird der Firma Vattenfall betriebswirtschaftlich vernünftiges Handeln durch den Antragsteller zum Vorwurf gemacht. Anscheinend ist da der Gedanke der sozialistischen Staatslehre bei den Parteien der Koalition vorherrschend.

[Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass dann, wenn der Senat so weitermacht, auch weitere hochwertige Arbeitsplätze verlorengehen werden – z. B. bei der Wall GmbH.

Das Thema Knorr-Bremse bestätigt noch einmal mangelndes wirtschaftliches Verständnis der Antragsteller, und sei es, die Beschäftigungsgarantie – für die Unter

stützungsleistungen – nicht lange genug terminiert zu haben. Ein Erhalt von Arbeitsplätzen und der guten Arbeit bei Knorr-Bremse ist sinnvoll. Die Erhöhung der Arbeitszeit von 35 auf 42 Stunden dient gerade diesem Zweck. Eine Erhöhung der Arbeitszeit ist keine Lohnkürzung, sondern eine Kürzung des Stundenlohns bei gleichzeitigem Angebot, dieses durch durchaus belastende Mehrarbeit auszugleichen. Diese Erhöhung der Arbeitszeit sichert die Arbeit und die Überlebensfähigkeit des Unternehmens im internationalen Wettbewerb. Man sollte aber durchaus einmal mit dem Besitzer sprechen, ob er sich irgendetwas überlegt hat, um diese massive Mehrbelastung der Mitarbeiter auszugleichen. Ich als Unternehmer würde mir natürlich etwas überlegen.

Im zweiten Fall werden Arbeitsplätze in die Tschechische Republik verlegt, und andere Arbeitsplätze kommen nach Berlin. Dabei entsteht ein negativer Saldo. Das ist zwar im Rahmen der Marktwirtschaft vertretbar, aber in Anbetracht der Tatsache, dass Hasse & Wrede Unterstützung erhalten haben, durchaus zu bemängeln. Generell könnte der Senat durchaus das Gespräch mit dem Besitzer und der Geschäftsführung von Hasse & Wrede bzw. KnorrBremse suchen und noch einmal das gemeinsame Interesse an der Schaffung von Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe in Berlin betonen.

Daher wird die AfD den Vattenfall-Antrag ablehnen und dem Knorr-Bremse-Antrag zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Torsten Schneider (SPD): Dialektik!]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jetzt Herr Dr. Taschner.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was bleibt einem zu diesem Antrag noch zu sagen, wenn man als vorletzter Redner redet und denkt, dass sich eigentlich alle einig sein müssten? Es geht darum, Arbeitsplätze hier in Berlin zu erhalten. Aber die Rechnung macht man dann natürlich mal wieder ohne die CDU, die sich neuerdings ja wohl als parlamentarischer Arm von Vattenfall versteht – von der AfD gar nicht zu reden, da erwartet man sowieso nichts anderes. Es ist schon abenteuerlich, wie die CDU hier Zusammenhänge zwischen Konzessionsvertrag und Arbeitsplatzabbau konstruiert. Ich glaube, Herr Wolf hat dazu alles gesagt, und ich erspare uns nochmals denselben Diskurs. Ich hoffe, Sie haben gut zugehört.

Wir als Koalition stellen uns jedenfalls heute mit beiden Anträgen an die Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vom Jobverlust bedroht sind, und das

(Harald Wolf)

machen wir gerne, weil wir für Arbeitsplätze in Berlin, für faire Arbeitsbezahlung, für faire Löhne und für faire Bedingungen einstehen. Wir tun das heute explizit bei zwei Unternehmen, die noch eine ganz besondere Beziehung zu Berlin haben. Da haben wir zum einen KnorrBremse, ein Unternehmen, das früher mal hier in Berlin gegründet worden ist. Ich komme täglich an dem alten Sitz von Knorr-Bremse in Friedrichshain und Lichtenberg vorbei, ein Unternehmen, das mittlerweile Weltmarktführer ist, seinen Sitz mittlerweile in München hat, das Gewinne einfährt, das erhebliche öffentliche Unterstützung bekommen hat – das wurde von Herrn Stroedter schon ausgeführt –, das volle Auftragsbücher hat und dennoch entscheidet: Wir verlegen einfach mal ein paar Arbeitsplätze von Marzahn nach Tschechien, und das allein aus Gründen der Profitmaximierung. – Das wollen wir als Koalition so nicht hinnehmen. Wir fordern deswegen den Senat auf, hierzu Gespräche mit Knorr-Bremse anzugehen.

Auf der anderen Seite Vattenfall. Mein Gott, wie lange schlage ich mich schon mit diesem Unternehmen herum! Seit mehreren Jahren! Es bietet immer wieder Grund zur Sorge und Anlass für Kritik. Vattenfall bekennt sich irgendwie, seitdem wir hier die Konzessionsverträge diskutieren, so zu Berlin, holt sogar gern einmal um die Ecke die Tradition der Bewag mit herein und schreibt sich über 100 Jahre Berlin-Erfahrung zu. Das Unternehmen Vattenfall betont immer wieder, wie wichtig der Standort Berlin für es sei, doch mit dem Standort Berlin meint man offensichtlich nur: Wir wollen die Gewinne mitnehmen – aus dem Betrieb des Stromnetzes, aus der Fernwärme, aus dem Stromhandel –, und die schicken wir dann ab nach Stockholm, und dann passt es auch schon mit der Verantwortung. – Wir sagen nein zu Vattenfall.

[Zurufe von Heiko Melzer (CDU) und Jürn Jakob Schultze-Berndt (CDU)]

Vattenfall hat eine Verantwortung für diese Stadt in doppeltem Sinne:

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

eine Verantwortung hinsichtlich des Umbaus unserer Energieversorgung, hinsichtlich der Energiewende und der ökologischen Versorgung, aber auch eine soziale Verantwortung, die Arbeitsplätze hier in Berlin zu erhalten.

Wir wollen die Energiewende gern auch mit Vattenfall machen, aber dazu gehören die Arbeitsplätze in Berlin und nicht outgesourct in Indien oder sonst wo. Deswegen heute unser Appell an Knorr-Bremse und an Vattenfall: Behalten Sie diese Arbeitsplätze in Berlin! – Wir als Koalition fordern den Senat auf, die entsprechenden Gespräche zu führen, und bitten um Ihre Zustimmung zu den Anträgen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion Herr Swyter!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem wir jetzt gehört haben, wer zustimmt, wer halb zustimmt und halb ablehnt, kann ich Ihnen sagen, dass wir beide Anträge ablehnen werden.

[Beifall bei der FDP]

Wir reden heute über zwei Anträge der Regierungskoalition, denen zwei sehr unterschiedliche Sachverhalte zugrunde liegen. Eine Gemeinsamkeit haben aber beide Anträge: Ihnen fehlt jegliches Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge.

[Torsten Schneider (SPD): Das ist ja obercool!]

Kein Verständnis für die Grundprinzipien unserer Wirtschaft,

[Beifall bei der FDP]

wozu eben auch Wettbewerb, Innovationsfähigkeit und Anpassungsbereitschaft zwingend gehören. Vielmehr wollen Sie, und zwar beiden privaten Unternehmen die Geschäftspolitik – –

Herr Swyter! Entschuldigung! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind in der Schlusskurve, also jetzt diszipliniert zuhören, nicht dazwischenquatschen, und dann kann jeder mitbekommen, was gesagt wird.

[Beifall bei der FDP und der AfD]

Vielen Dank, Herr Präsident! – Wirtschaftlichen Sachverstand müssen Sie jetzt noch aushalten, meine Damen und Herren.