Das ist nicht zum Lachen! Das ist leider eine notwendige Aufgabe, und Hans stellt sich bereits seit Jahrzehnten rassistischen, antisemitischen und teilweise offen nationalsozialistischen Strukturen in seinem Bezirk entgegen. Er kämpft mit offenem Visier, und dafür wurde ihm das Auto angezündet. Im Mai dieses Jahres erst wurden die Radmuttern gelöst. Sein Briefkasten wurde 2012 demoliert, und alles, um ihn und seine Familie einzuschüchtern und von ihrer antifaschistischen Arbeit abzubringen.
In Neukölln war eine Informationsveranstaltung in einer Buchhandlung zum Rassismus in der AfD offenbar Grund genug, um die Scheiben mit Steinen einzuwerfen und das Auto des Inhabers anzuzünden. Es sind auch nicht zuletzt Ihre Anhänger und Kameraden, die Hans und anderen Antifaschistinnen und Antifaschisten Tag für Tag Hassbotschaften auf ihren sozialen Networks schicken. Und nicht zuletzt war es auch Ihre Landesvorsitzende Beatrix von Storch, die nicht vor persönlichen Attacken auf allerunterster Ebene gegen mich zurückschreckte, was von Ihren Anhängern mit Dutzenden Gewaltandrohungen bis Vergewaltigungswünschen beantwortet worden ist. Das ist Ihnen auch bekannt.
Für viele ist diese Bedrohungslage im Übrigen Alltag und nicht auf Wahlkämpfe beschränkt. Und es betrifft eben nicht nur aktive Politikerinnen und Politiker, sondern alle Menschen, die sich in dieser Stadtgesellschaft zivilgesellschaftlich einbringen.
Dieser Antrag der AfD wird Ihnen in keiner Weise nützen. Ich nehme an, Vorbild für Ihren Antrag sind die Dokumentationsstellen, die Straftaten mit Motiven gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit registrieren, beispielsweise Rassismus, Antisemitismus, Homo- und Transfeindlichkeit. Diese Arbeit wird aber von Vereinen wie ReachOut, die Mobile Beratung gegen Rechtsext
remismus oder die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus geleistet. Diesen möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich für diese wichtige Arbeit danken.
Falls es Ihnen nicht bekannt ist: Im Gegensatz dazu ist die Aufgabe der Landeswahlleiterin, Wahlen durchzuführen und die Ergebnisse festzustellen, und nichts anderes. Dass sie mit der Auswertung von Straftaten betraut werden soll, halte ich für einigermaßen absurd.
Die Einordnung politisch motivierter Straftaten ist Aufgabe der Polizei. Sie kommt dieser Aufgabe auch mit ihrem jährlichen Bericht nach. Es steht Ihnen natürlich frei, in diesem Bereich selbst aktiv zu werden und solche Vorfälle zu sammeln und zu registrieren, wie es nach Ihrer Auffassung getan werden sollte.
Nein, danke! Ich möchte gerne fortfahren. – Sie werden es sich denken, aus diesen Gründen werden wir diesen Antrag selbstverständlich ablehnen.
Das heißt aber nicht, dass wir uns nicht mindestens ebenso selbstverständlich aktiv für einen fairen Wahlkampf einsetzen. Zu meinem Verständnis von Fairness gehört auch die Stärkung des Vertrauens in die Demokratie. Deswegen haben wir uns im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass Volksentscheidungen grundsätzlich auf Wahltermine zu legen sind, wenn das möglich ist, dass zusätzliche, nicht zu verantwortende Kosten vermieden werden und das Erreichen des Quorums nicht absichtlich erschwert wird, wie es noch letztes Mal unter der großen Koalition Praxis war.
Solche Maßnahmen sind demotivierend, solche Maßnahmen sind unfair und sorgen für Frustration in der Stadtgesellschaft, dass ihr Engagement nicht honoriert wird. Solche Tricks benutzen wir nicht mehr. Unsere Koalition setzt darauf, dass die besseren Argumente gegen plumpen Populismus gewinnen werden. Und auch das gehört zu einem fairen Wahlkampf.
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Dann soll sich der Senat auch selbst so verhalten!]
Wir begreifen es als unsere Verantwortung, das Vertrauen in die Demokratie zu stärken, indem wir beweisen,
dass ein Wechsel möglich ist, dass es sich auszahlt, sich aktiv einzubringen, indem wir Hoffnung geben, statt Angst und Missgunst zu schüren.
Menschen, die sich in unserer Stadt aktiv für eine offene Gesellschaft einsetzen, können sich auf unsere Unterstützung verlassen. Politische Bildungsarbeit, Integrationsarbeit in Sportvereinen, antifaschistische Recherchearbeit, die Betreuung und Beratung von Betroffenen rassistischer Gewalt, all das sind nur kleine Beispiele, in welchen Bereichen –
[Georg Pazderski (AfD): Antifaschistische Recherchearbeit! – Lachen und Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]
Sie beweisen einmal wieder, dass so etwas durchaus nötig ist und zur Stadtgesellschaft gehört – zivilgesellschaftlich Engagierte arbeiten und so helfen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken – und auch die Demokratie. Sie können auf unsere Unterstützung zählen. Wir werden alles in unserer Macht Stehende dafür tun, dass sie ihrer Arbeit ohne Angst nachgehen können. Ohne Angst vor dem finanziellen Aus ihrer Projekte, weil sie sich beispielsweise die Büromieten nicht mehr leisten können, aber – und vor allem auch – ohne Angst, wegen ihrer Arbeit angegriffen und bedroht zu werden.
Aber wenn ich sehe, wie viele Berlinerinnen und Berliner sich aktiv für die Demokratie einsetzen, dann bin ich mir eigentlich sicher – –
Na, wir können doch einmal über einen fairen Wahlkampf reden, anstatt über Ihre Opferrolle, die Sie hier ausspielen. Das ist ein bisschen wichtiger, als dass wir uns alle gegenseitig aufzählen, wer wie viele Morddrohungen bekommt. Ich glaube, das interessiert da draußen relativ wenige Leute.
Vielleicht können Sie die eine oder andere Idee mitnehmen, wie man sich aktiv für eine Demokratie einsetzt, statt zu spalten, statt Menschen gegeneinander auszuspielen, statt Hass zu schüren
Aber ich bin mir doch sehr sicher, dass wir diese Aufgaben gemeinsam bewältigen werden, wenn ich sehe, wie vielfältig das Engagement ist und wie aktiv auch Teile dieses Hauses dafür eintreten. – Ich bedanke mich herzlich!
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Kurt Wansner (CDU): War eben eine Rede für den SED-Parteitag!]
Persönliche Erklärungen werden nach Ende der Debatte abgegeben, Herr Kollege Hansel! Sie haben keine Zwischenbemerkung angemeldet, sondern eine persönliche Erklärung.
Wenn ich sagen soll, was mir neben dem Frieden wichtiger sei als alles andere, dann lautet meine Antwort ohne Wenn und Aber: Freiheit.
Die Freiheit für alle, nicht nur für die wenigen. Auch Freiheit des Gewissens und der Meinung. Auch Freiheit von Not und von Furcht.
Willy Brandt auf dem SPD-Parteitag 1987. – Die Freiheit von Not und von Furcht, die Freiheit, seine Meinung ohne Angst zu sagen, das sollte eigentlich der Konsens sein, den wir alle teilen – gerade unter diesem Tagesordnungspunkt.
Die Aufgabe des Staates ist es, das menschliche Miteinander in Ordnung zu halten, also einen solchen Ausgleich der Freiheit und der Güter zu schaffen, dass jeder ein menschenwürdiges Leben führen kann. Wir können auch sagen: Der Staat garantiert das Recht als die Bedingung der Freiheit und des gemeinsamen Wohlstands. Das Recht: das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht, sich ohne Furcht zu versammeln, friedlich und ohne Waffen. Es ist nicht Aufgabe des Staates, das Glück der Menschheit herbeizuführen oder gar neue Menschen zu erschaffen, indem er neue Meinungen vorgibt, die von allen geteilt werden müssen. Es ist nicht seine Aufgabe, die Welt in ein Paradies zu verwandeln, und er kann es auch nicht. Wenn er es dennoch versucht, setzt er sich absolut – also totalitär – und verlässt damit seine Grenzen. Dieses Verlassen der Grenzen staatlicher Aufgaben, ist genau das, was hier in der Aktuellen Stunde zu Recht
als Problem identifiziert wird. Der Glaube, dass es Meinungen gibt, die nicht geschützt seien, der Anspruch darauf, totalitär zu definieren, was denn eine zulässige Meinung ist und was nicht, hat immer, an jeder Stelle, in der gesamten Geschichte der Menschheit zu Verderben, zu Elend und zu Leid geführt.