Marcel Luthe

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Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! – Vor dem Hintergrund des jüngsten Todesfalls in der Schießstandaffäre, Werner Sintic, der ebenfalls vor wenigen Tagen verstorben ist, frage ich den Senat noch einmal ergänzend: Wie stellt der Senat sicher, dass es nicht wie in der Schießstandaffäre vorliegend im Fall von Corona die Situation gibt, dass man coronainfizierten Beamten im Vollzugsdienst gerade bei der Polizei hinterher erklärt, es handele sich nicht um einen qualifizierten Dienstunfall, wenn sie angehustet oder angespuckt wurden, sondern sie hätten sich woanders infizieren können?
Ich störe nur ungern, aber lassen Sie uns doch vom Trennenden wieder zum Verbindenden kommen!
(Regierender Bürgermeister Michael Müller)
Dieses Haus hat am 9. März des Jahres 2017 einstimmig, und dafür sind wir sehr dankbar, unserem Antrag zugestimmt,
dass der Senat auch zukünftig freiwillig alle Senatoren und Staatssekretäre nach einer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit überprüfen lassen möchte.
Das ist einstimmige Beschlusslage hier, und ich frage den Senat, ob das für die Staatssekretäre, die nach März 2017 ernannt wurden, ebenfalls stattgefunden hat. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Herzlichen Dank! – Ich kann es insoweit beantworten, als nach Auskunft Ihres Innensenators eine solche Überprüfung nicht stattgefunden hat. Ich frage Sie daher, ob Sie diese Überprüfungen nachholen und uns darüber berichten wollen.
Herzlichen Dank, Herr Kollege! – Ich würde nicht sagen, dass Sie gar nichts erzählt haben. Ich fand eine Sache
(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)
schon mal sehr interessant. Sie haben erklärt, dass im Prinzip nur die Anbieter stets gewinnen und jeder andere verliert. Können Sie mir kurz den Unterschied zum staatlichen Lotto erklären?
Danke, lieber Kollege Schrader!
Ja, ich hoffe immer auf Antworten, vor allem auf substanzielle.
Können Sie mir freundlicherweise erklären, woher genau diese Abstände von 200, 500 und 2 000 Metern in diesem Gesetz kommen, also auf welcher wissenschaftlichen Grundlage diese ermittelt worden sind?
[Daniel Buchholz (SPD): Das Bundesverfassungsgericht hat unser Spielhallengesetz bestätigt! – Zuruf von Marcel Luthe (FDP)]
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema, über das wir einmal mehr sprechen, ist Glücksspiel. Wir haben auch heute bereits an anderer Stelle über Glücksspiel gesprochen, als wir über Ihren Mietendeckel gesprochen haben. Auch der ist nichts anderes als ein juristisches Glücksspiel.
Sie haben hier einen Entwurf vorgelegt, der letztlich einen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellen soll. Ein solcher Eingriff in ein Grundrecht muss verhältnismäßig sein und darf kein Übermaß darstellen. Das heißt, die Maßnahme muss geeignet sein, den Zweck zu erfüllen, und sie muss erforderlich sein. Beides – und deswegen hatte ich Ihnen Gelegenheit gegeben, Sie haben es leider nicht ausführen können – haben Sie bisher nicht dargelegt. Weshalb es irgendeinen Abstand von Stätten, in denen Spiel ohnehin erst ab einem gewissen Alter zulässig ist, die das auch kontrollieren, die das alles überwachen, die gar keine Wette von einem Kind annehmen würden, zu einer Schule geben muss, haben Sie nicht dargelegt. Sie haben es deshalb nicht dargelegt, weil sie es nicht darlegen können, weil es eben keine wissenschaftliche Grundlage für die willkürlichen Annahmen von Abständen gibt.
Sie haben letztlich damit im Übrigen einen Entwurf vorgelegt, der vor allem eines begünstigt, als Wettbewerbsverzerrung, nämlich das Online-Spiel.
Bitte! Unbedingt!
Lieber Herr Buchholz! Das ist eine ganz tolle Zwischenfrage, die mir mehr Redezeit gibt, genau das auszuführen, was ich gerade erklären wollte. Das Bundesverfassungsgericht hat – und das unterscheidet vielleicht die FDPFraktion von Ihrer, dass wir die Entscheidungen auch lesen und nicht nur den Grobtext zitieren – festgestellt, einzig und allein: Sie haben sich mit einer reinen Willkürprüfung beschäftigt, also dass der von ihnen damals vorgelegte Entwurf nicht objektiv willkürlich ist. Sie haben sich mitnichten damit beschäftigt, ob diese Regelungen tatsächlich zulässig, zweckmäßig sind usw. Sie entsprechen im Übrigen auch selbstverständlich nicht dem Unionsrecht bzw. den unionsrechtlichen Anforderungen, genau daran, wie bestimmt, da sind wir dann wieder beim Übermaßverbot, wie erforderlich und geeignet ein solcher Eingriff tatsächlich sein darf. Das haben Sie nicht dargelegt. Das haben Sie auch damals beim Automatenspiel nicht dargelegt, und Sie können es auch jetzt nicht darlegen.
Der entscheidende Unterschied ist aber doch folgender, lieber Herr Buchholz: Wenn tatsächlich irgendein Abstand erforderlich sein soll, um mal auf andere Gedanken zu kommen, dann erläutern Sie mir doch freundlicherweise, wie das mit der Legalität eines Online-Angebots bei der Wettannahme zusammenpasst. Ich verlasse also das Geschäft, zücke mein Handy und gebe die Wette online auf, um danach dann wieder in ein anderes Geschäft zu laufen. Der Sinn erschließt sich mir nicht. Das liegt daran, dass Ihre Maßnahme nicht geeignet ist. Deswegen erfüllt sie die Anforderungen an ein Übermaß nicht.
Was Sie letztlich mit Ihrem Entwurf machen, Herr Buchholz, ist, Bestandsspielhallen im Übrigen vor den Wettannahmestellen besonders zu schützen. Auch das ist hoch bemerkenswert, denn Sie schaffen eine Konkurrenzsituation durch die zeitliche Regelung des First Come First Serve bei den Mindestabständen dahin gehend, dass Sie letztlich im Übrigen auch da juristisches Neuland betreten, weil sie plötzlich eine Fiktionswirkung kraft Gesetzes zulasten Dritter annehmen. Das ist bemerkenswert. Das ist interessant. Das kennt das Verwaltungsver
(Benedikt Lux)
fahrensrecht bisher nicht. Aber auch dazu wird es sicherlich spannende Entscheidungen geben.
Sie haben letztlich mit dem, was Sie hier geschafft haben, einen Entwurf vorgelegt, der in die Illegalität führen soll, wie Sie es in Tat auch noch gerühmt haben, erfolgreich geschafft zu haben, beim Thema Automatenspiel. Sie haben die legalen Anbieter, die sich an alle Regeln halten, die Prävention betreiben, dezimiert zugunsten der Illegalen. Da sind wir dann wieder beim großen Thema der organisierten Kriminalität arabischstämmiger Gruppierungen. Das ist Erfolg Ihrer Arbeit, und das war es leider. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU hat gute Innenpolitiker.
Ich sehe jetzt gerade keinen, aber Sie haben welche. Ich würde daher vorschlagen, dass Sie sich künftig auch mit diesen Kollegen absprechen, bevor Sie solche Vorschläge machen.
Wir haben gerade gehört, und insofern hatte ich mir in der Tat von Ihrer Zwischenintervention etwas mehr erhofft. – Da fragt jemand zwischen.
Sehr gerne!
Zum einen, lieber Kollege Zeelen, habe ich von guten Innenpolitikern gesprochen.
Zum Zweiten bedeutet das im Übrigen auch, dass die Anträge bzw. jeder Antrag inhaltlich so abgestimmt ist, dass er in der Tat auch das Innenpolitische mitdenkt, und das kann ich – da ist nicht die Frage, wer den Antrag geschrieben hat – an Ihrem Antrag nicht sehen.
(Tim-Christopher Zeelen)
Zurück zu Ihrer Zwischenfrage, die Sie gestellt haben, in die ich große Hoffnung gesetzt hatte. Die Frage, wie viele Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz tatsächlich in dieser Stadt festgestellt werden, ist keine, die bemessen kann, wie erfolgreich oder nicht erfolgreich eine Drogenpolitik ist, sondern das ist zunächst mal eine, wie auffällig oder unauffällig Dealer sind und wie intensiv auch die Polizei in der Lage ist, zu kontrollieren und zu verfolgen. Das ist in der Tat, wie richtigerweise gesagt wurde, eine Frage der Repression. Meines Erachtens, und das hätte ich gerade von Ihnen als Gesundheitspolitiker erwartet, muss man auf eine andere Zahl abstellen, nämlich auf die Zahl der BtM-, insbesondere Cannabis-induzierten Psychosen, die an den Berliner Kliniken behandelt werden. Diese Zahl hat sich seit 2011 – ich habe sie kürzlich noch einmal abgefragt – beispielsweise bei Cannabis verdoppelt.
Sie haben auch das große Problemfeld – leider taucht auch dazu nichts in dem Antrag oder in der Begründung auf – der Cannabinoidmimetika übersehen und weggelassen. Sie haben eben nicht mehr denselben Inhaltsstoff wie vor 30, 40 Jahren, sondern sie haben eine Vielzahl von Zusätzen, die schlichtweg – in Anführungszeichen – da nicht reingehören, ungeachtet der Frage, ob das Produkt überhaupt in den Menschen gehört. Es sind aber viele Dinge dabei, die schlichtweg da nicht reingehören. Das kurz zum Cannabis, aber auch zu allen anderen Betäubungsmitteln.
Wenn Sie sich dann allerdings auch innenpolitisch entsprechend abgestimmt hätten, dann wüssten Sie, dass wir nun mal schlichtweg gar keine Personalkapazitäten haben, um das, was Sie hier vorschlagen, auch nur ansatzweise abzudecken. Sie können nicht ungeachtet der Frage, ob es notwendig ist – ich halte es in der Tat auch für notwendig in so einem Fall –, hinter einen aufsuchenden Sozialarbeiter zwei Polizeibeamte stellen, denn die haben wir nicht. Die haben wir deshalb nicht, weil dieser Senat in der Innenpolitik von vorne bis hinten versagt und wir nach wie vor einen eklatanten Krankenstand bei der Berliner Polizei haben.
Das ändert nichts daran, dass die rot-rot-grüne Drogenpolitik aus meiner Überzeugung, auch aus innenpolitischer Sicht gescheitert ist. Das sehen Sie an der Zahl der vielen Krankheitsfälle. Das sehen Sie vor allem daran, dass organisierte Kriminalität, die sich aus diesen Bereichen finanziert, in dieser Stadt blüht. Damit können wir alle nicht zufrieden sein, und ich denke, das sind wir auch nicht.
Die Frage ist, welcher Weg besser ist als der, der hier von Rot-Rot-Grün beschritten wird, der sich also in der Erhöhung der Psychosen äußert. Es gibt sicherlich bessere
Wege. Es ist im Übrigen, das hat mich sehr überrascht, Portugal als Modell auch von Ihnen angesprochen worden. Ich habe durchaus Sympathien insbesondere dafür, Ressourcen dafür zu gewinnen, die Dealer zu verfolgen, die finanziellen Strukturen hinter der organisierten Kriminalität zu verfolgen und eben nicht den Drogensüchtigen gleichzeitig noch zum Kriminellen zu machen, sondern ihm tatsächlich Beratung anzubieten und diese auch verpflichtend zu machen. Das ist Kern des portugiesischen Modells. Den halte ich grundsätzlich für sehr sympathisch.
Wie das aber im Einzelnen umgesetzt wird, müssen wir beraten. Ich bin gerade mit meinem Kollegen Kluckert in einer sehr intensiven Abstimmung, was wir dazu beraten und vorschlagen werden. Aber bis dahin können wir zumindest eines feststellen: Der Vorschlag der CDU hat so viele Lücken, dass wir ihm keinesfalls zustimmen können. – Vielen Dank!
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Plenarsitzung wie diese, eine solche Debatte zeigt meines Erachtens sehr deutlich, warum ein Drittel der Menschen in dieser Stadt nicht mehr wählt. Wir sind – mit dieser Form der Auseinandersetzung – offensichtlich nicht gewillt, uns mit Sachfragen zu beschäftigen, und das frustriert einen jeden, der tatsächlich daran interessiert ist, dass es in dieser Stadt vorangeht.
Wenn man in dieser Stadt und im Übrigen auch im ganzen Land politisch gestalten will, schließt man sich üblicherweise einer Partei an. Die Frage, warum man sich der einen oder der anderen Partei anschließt, ergibt sich meist aus den Grundsätzen dieser Partei, die man in den Satzungen nachlesen kann. In der Satzung der Freien Demokraten ist – als einziger Parteien diesem Haus und im Deutschen Bundestag – Folgendes zu lesen: Wir sind der Zusammenschluss derer,
die totalitäre und diktatorische Bestrebungen jeder Art ablehnen
und diesen entschlossen entgegentreten.
Um zu bewerten, was das heißt, ist es erforderlich, zu verstehen, was totalitär bedeutet. Die, so denke ich, nach wie vor allgemeingültigste Definition stammt von Eric Hobsbawm – übrigens einem jüdischen Marxisten –
von der Stanford Universität und sieht sieben Kriterien vor – erstens: den Alleinvertretungsanspruch, den Glauben, die alleinige Wahrheit in seiner Ideologie inne zu haben. – Die abgeschlossene Weltanschauung, die Überzeugung, dass es nicht um Fakten geht, sondern um den Glauben, was in irgendeiner Frage richtig ist; Fakten stören da nur – auch das ist totalitär. – Der Absolutismus, der Personenkult, der um die eine oder andere Person in dem einen oder anderen Lager betrieben wird – auch das ist ein Merkmal einer totalitären Ideologie. – Ein wichtiger Punkt ist die Feindbildrhetorik, Gut und Böse, Schwarz und Weiß, die Tatsache, die Behauptung, dass es keine Mitte, sondern nur zweierlei Extreme gebe – die einen, die auf der richtigen und die anderen, die auf der falschen Seite stehen. Das ist totalitär und zutiefst antidemokratisch. – Der Wunsch, eine eigene Sprache zu prägen und allgemeingültige Begriffe auszuhöhlen und im politolinguistischen Sinne neu zu besetzen. Auch im
Übrigen Worte wie „gerecht“ an so ziemlich alles dranzuhängen und „ungerecht“ an das andere, was der politische Gegner macht. Auch die suggestive Sprache ist Teil einer totalitären Ideologie.
Totalitäre Regime bzw. Gruppierungen sind dagegen gerichtet, Demokratie und Freiheit aufrechtzuerhalten. Sie wollen sie bekämpfen, im Übrigen nicht aus sich heraus, nicht aus einer freien Erklärung heraus, sondern weil es dem guten Zweck dienen soll, welchen man auch immer gerade sieht. – Zuletzt greifen alle totalitären Gruppen zum Mittel der Gewalt, um ihre jeweilige Ideologie, die ich gerade beschrieben habe, durchzusetzen.
Erst wenn alle sieben Faktoren zusammenkommen, haben wir es mit einer totalitären Bestrebung zu tun, und diese totalitären Bestrebungen, egal, woher sie kommen, bekämpfen wir Freien Demokraten mit aller Entschlossenheit.
Um den Antrag zu bewerten, ist es erforderlich, uns mit der Frage zu beschäftigen, ob es in dieser Stadt politischen Linksextremismus gibt, der diese Kriterien erfüllt. Nach meiner Überzeugung ist das der Fall. Schauen Sie sich beispielsweise die dramatische Zahl von Brandstiftungen in der Stadt an, von der, wir haben es hier vor einigen Wochen diskutiert, ein überwiegender Teil im vergangenen Jahr politisch links motiviert war, von der es auch politisch rechts motivierte Taten bzw. genauso auch islamistisch motivierte Straftaten gibt; letztlich also Angriffe von allen Rändern. Das ist der große Unterschied zur Mitte dieses Hauses. Von allen Rändern werden totalitäre Angriffe auf unsere Demokratie unternommen. Dem müssen wir uns entgegenstellen.
Insofern ist es grundsätzlich richtig, sich mit jeder Form von Extremismus zu beschäftigen und darauf eine Antwort zu haben.
Ob die Antwort, die Sie vorschlagen, inhaltlich richtig ist,
erscheint mir wenig nachvollziehbar, weil es, wie es richtigerweise schon gesagt wurde, sehr verkürzt ist und versucht wird, Probleme eins zu eins zu übernehmen, die aber nicht identisch sind.
Zu guter Letzt noch einmal, auch im Zuge dieser Debatte: Gehen wir etwa 50 Jahre zurück:
Der legitime Platz des Liberalen ist zwischen allen Stühlen. Es darf ihn nicht kümmern, wenn er
von rechts oder links angegriffen wird. Wer stark genug ist, den Vorwürfen beider Seiten entgegenzutreten und dabei weiter den Kurs einer Mitte zu wahren, der kann
der Zukunft getrost entgegensehen. – In diesem Sinne tun wir genau das als Freie Demokraten in Berlin. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir möchten der SED – nein, mittlerweile Linkspartei – nur einen Rat geben: Wenn sie ein neues Symbol braucht, bitte nicht den Druck der Hände, nicht das Gemeinsame, sondern die Handschellen, die Sie den Berlinerinnen und Berlinern mit ihrer Politik anlegen.
Herr Zimmermann! Sie sind doch historisch ein bisschen gebildet. Ich habe gerade Ernst Reuter zitiert. Kennen Sie? Das war ein sozialdemokratischer Regierender Bürgermeister dieser Stadt, als es Sozialdemokraten in dieser Stadt noch erkennbar gegeben hat.
Wir haben die Situation, dass Parteien gerade nicht entsprechend dem Gleichheitsgrundsatz, der ja schon angesprochen wurde, gleich behandelt werden. Wir haben im Moment ohnehin eine Situation in dieser Stadt, in der wir extrem viele politisch motivierte Straftaten – von Tätern, die den Begriff des Politischen missbrauchen, um Straftaten zu verüben –, in der wir Terror in unserer Stadt erleben.
(Anne Helm)
Schön, Frau Helm, dass Sie das noch einmal ansprechen! Ich habe gerade die jüngsten Zahlen bekommen zu politisch motivierten Brandstiftungen aus dem Jahr 2019. Wir hatten im Jahr 2019 48 politisch links motivierte Brandstiftungen, davon übrigens 15 in meinem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Wissen Sie wie viele politisch rechts motivierte Brandstiftungen wir hatten – nur um Ihr Narrativ zu widerlegen? – Eine. Das sind die Zahlen des Senats. Eine!
Ungeachtet dessen, genau dieses Versuchs, den Sie betreiben, Dingen gegeneinander aufzuwiegen und demokratische Rechte davon abhängig zu machen, ob Ihnen eine Meinung gefällt oder nicht, müssen wir Berliner gerade in diesen Zeiten ein Volk guter Nachbarn sein, im Inneren wie nach außen. In den jetzt kommenden Zwanzigerjahren werden wir aber in dieser Stadt nur so viel Ordnung haben, wie wir alle Verantwortung für diese Ordnung zu übernehmen bereit sind. Diese demokratische Ordnung braucht außerordentliche Geduld – die bringe ich regelmäßig auf, wenn ich einigen von Ihnen zuhöre –
und außerordentliche Anstrengung, sich gegenseitig zu verstehen. Dieses wechselseitige Verständnis ist Kern der Demokratie, das Zuhören, den Raum zu schaffen, um einander in der Argumentation zu begegnen. In diesem Sinne müssen wir auch in dieser Frage mehr Demokratie wagen.
Dieser Senat ist selbstverständlich stets, wie eine jede Regierung, verantwortlich für das, was in der Stadt passiert und was nicht passiert. Diese Koalition ist auch verantwortlich dafür, dass eine Situation entstanden ist, in der sich Leute bemüßigt fühlen, dem jeweils politisch Unliebsamen Drohbriefchen zu schreiben, sein Haus anzuzünden, sein Auto anzuzünden oder alles mögliche andere zu machen.
„Dir würde ich gerne mal richtig in die Fresse treten“, „Verpiss dich endlich aus der Politik, du Arschloch!“,
[Katina Schubert (LINKE): Das ist unparlamentarisch, mein Herr!]
das sind Zuschriften, die ich bekomme.
Das Verfahren ist natürlich, wie stets, eingestellt. Das ist das politische Klima in unserer Stadt, und dafür müssen wir Verantwortung übernehmen, als ganzes Haus.
Ob einem die einzelne Person passt, ob einem die Meinung passt, ist völlig unerheblich. Eine jede politische Partei, die nicht verboten ist, muss den Rahmen bekommen, um entsprechend ihre Positionen zu vertreten, die sie vertreten muss, und auch um einen Parteitag durchzuführen. Das hat das Verwaltungsgericht, genau wie das Oberverwaltungsgericht, genau in der Frage der NPD – und damit komme ich zum Schluss
und damit auch wieder zum Anfang meiner Rede, nämlich zum Regierenden Bürgermeister Reuter – 2011 entschieden: Eine jede Partei muss diesen Raum bekommen. Selbstverständlich hätte Herr Reuter – wo ist denn jetzt der, der sich Regierender Bürgermeister nennt? – diese Aufgabe angenommen. Helmut Schmidt hätte diese Aufgabe im Übrigen ebenfalls angenommen, weil er davon sprach, dass wir als Politiker Verantwortung übernehmen müssen für unser Handeln. Bitte übernehmen Sie ebenfalls Verantwortung! – Vielen Dank!
[Beifall bei der FDP und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos) – Steffen Zillich (LINKE): Das ist ganz schön erschütternd!]
Was geht oder nicht geht, und was das Präsidium in seiner Sitzungsführung entscheidet, Frau Kapek, das entscheidet das Präsidium und nicht Sie.
Was mich doch sehr erstaunt hat, war einmal mehr der Versuch einiger Kräfte in diesem Haus, sich Kompetenzen anzumaßen, die anderen obliegen. Wir haben das heute im Übrigen schon bei diesem Mietendeckel erlebt. Wir erleben es aber auch dabei, dass Sie von einer Extremismusklausel faseln und gleichzeitig erklären, wer denn Extremist sei und wer nicht. Herr Lux! Man darf bei einigen Ihrer Kollegen durchaus Zweifel daran haben, wie nah sie der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen.
Wir haben Parteien hier,
die – da fangen wir einmal an – mit der Kommunistischen Plattform der Partei Die Linke, mit der Sozialistischen Linken, mit der Arbeitsgemeinschaft Cuba Sí, mit der Antikapitalistischen Linken,
mit dem Marxistischen Forum, mit dem Geraer Sozialistischen Dialog und mit der Gruppe marx21 Gegenstand der Beobachtungen des Bundesamts für Verfassungsschutz sind. Sieben Gruppierungen, mit teils Hunderten Mitgliedern Ihrer Partei,
mit Mitgliedern aus dieser Fraktion, aus diesem Haus, aus Ihrer Landespartei. Sie haben Räume in dieser Stadt.
und andere sollen diese Räume nach Ihrer Auffassung von Extremismus nicht bekommen.
Das ist ein Aufschwingen in eine Position, die Ihnen nicht zusteht. Die steht nur einem zu und das ist das Verfassungsgericht und niemand sonst.
Lieber Kollege Lenz! Das, was Sie gerade zu allem, das nicht funktioniert, ausgeführt haben, stimmt mich traurig. Aber sind Sie nicht mit uns der Meinung, dass es schön wäre, wenn wir mal in einem wichtigen IT-Thema voranschreiten würden statt hinterherzulaufen?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen, die bis jetzt in dieser Debatte gesprochen haben! Wir haben Ihnen eine wirklich faire Chance gegeben. Ich bin mehrfach gefragt worden, sowohl aus der Polizei heraus, als auch aus dem Kollegenkreis, warum Sie das hier eigentlich veranstalten, worum es denn bei diesem komischen Beauftragten geht.
Ich habe gesagt: Gucken wir einmal, warten wir ab! Es wird bestimmt eine Begründung kommen. Wie wir sehen können, das haben Kollegen bereits dargestellt, gibt es dafür schlichtweg keinen Grund, jedenfalls keinen, der im Interesse der Bürger oder der Polizei wäre. Wir haben für alles bereits entsprechende Einrichtungen: Wir haben eine Staatsanwaltschaft, wir haben Gerichte – dies zum Thema unabhängige Instanzen, die etwas prüfen. Das wollen Sie aber ergänzen oder ersetzen durch eine abhängige Instanz, nämlich durch jemanden mit Mehrheit der jeweiligen Regierungskoalition Bestimmten, also aus dem Kreise dieser Koalition Kommenden, der Aufgaben des Petitionsausschusses und Aufgaben von unabhängigen Behörden übernehmen soll.
Sie sorgen damit also dafür, dass im Übrigen der Petitionsausschuss, in dem alle Fraktionen in diesem Haus vertreten sind, in Teilen ersetzt wird durch irgendwen, den Sie selbst bestimmen.
Die richtige Frage, die mir gestellt wurde, ist: Sag mal, wer von denen braucht da eigentlich einen Job? – Vielleicht können Sie diese Frage noch beantworten. Wer soll denn eigentlich auf diese Position gesetzt werden? Wer braucht denn da eigentlich einen Job?
[Beifall von Paul Fresdorf (FDP)
und Kurt Wansner (CDU) –
(Benedikt Lux)
Zuruf von der AfD: Herr Zimmermann! Oder Herr Müller! Der sucht dringend!]
Vielen Dank für die Vorschläge! Wir werden es sicher bei Gelegenheit noch merken.
Was die Schwerpunktsetzung Ihrer Innenpolitik angeht, sofern man das Innenpolitik nennen kann: Wir haben keine Rechtsgrundlage für den finalen Rettungsschuss. Wir haben keine Rechtsgrundlage für den Taser. Wir haben ein massives Defizit beim Krankenstand bei der Polizei. Wir haben eine grassierende Kriminalität in allen Bereichen in unserer Stadt, die seit Jahren wächst. Wir haben ein Wachstum der Opferdelikte in dieser Stadt. Sie haben nichts Besseres zu tun, als als einen Ihrer wichtigen Punkte eine Position zu erfinden, die all die Aufgaben, die bereits gemacht werden, die im Übrigen auch von den Abgeordneten gemacht werden sollen – dafür sind wir gewählt – nun eben von einer weiteren Person erledigen zu lassen. Das finde ich bemerkenswert.
Man fragt sich doch, was das soll? Damit sind wir wieder am Anfang der Fragestellung: Warum machen Sie das? Warum sehen Sie so etwas als Schwerpunkt, bei dem Sie auch noch sieben Minuten Redezeit anmelden? – Ich glaube, es geht eben in der Tat nur um eines: Es geht darum, davon abzulenken, dass Sie all die tatsächlich wichtigen Probleme, die die Sicherheit der Bürger dieser Stadt betreffen, die von der Polizei geschützt werden, ignorieren wollen, und es geht auch darum, dass Sie möglicherweise denjenigen, die unsere Polizei angreifen – wir hatten vorhin in der Debatte die Zahlen –, den vor allem Linksextremisten in dieser Stadt, ein weiteres Instrument an die Hand geben wollen. Deswegen lehnen wir diesen Unfug ab.
Herr Senator, vielen Dank! – In der Tat, vielleicht können Sie mich ja überzeugen. Gibt es für das, was Sie gerade genannt haben, also für die Fälle, die Sie annehmen, eine belastbare Zahlengrundlage, liegt die vor?
Herzlichen Dank! – Herr Kollege Trefzer! Was die Notwendigkeit angeht, über die Sie gerade sprechen, die ja hier bestritten wird – ist Ihnen bekannt, dass dieser Senat die mit der Muslimbrüderschaft verbandelte Neuköllner Begegnungsstätte im letzten Jahr mit 2 300 Euro über die Landeszentrale für politische Bildung gefördert hat?
(Frank Jahnke)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte es für wichtig, dass wir das gesamte Thema der Drogenpolitik noch einmal ganz ausführlich in diesem Hause besprechen. Wenn ich manche Äußerung, vielleicht ist es aber auch der späten Stunde geschuldet, von Ihnen so höre, dann bin ich doch ausgesprochen erstaunt.
Wenn wir uns einige Berichte anschauen, wir hatten vorhin das interessante Thema der Förderung der Muslimbruderschaft durch Ihren Senat, wenn wir uns anschauen, bei welchen Veranstaltungen mit der Muslimbruderschaft Sie so auflaufen und gleichzeitig so tun, als würden Sie sich vor jüdisches Leben stellen, dann wissen wir ganz genau, wie Ihre Äußerungen zu werten sind.
Als Vizepräsident der Deutsch-Afghanischen-Gesellschaft – der Islamischen Republik Afghanistan – muss ich mir einen solchen Unfug von jemandem, der Kontakte zur Muslimbruderschaft pflegt, nicht anhören.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerhard Bley, 1981, Udo Hütter, 1986, Volker Reitz, 1996, Roland Krüger im Jahr 2003, Uwe Lieschied im Jahr 2006 – alles Berliner Polizeibeamte, die im Dienst, in Ausübung ihrer Pflicht und ihrer selbstgewählten Aufgabe, die Bürger unserer Stadt zu schützen, zu Tode gekommen sind. – Im Jahr 2019, im April dieses Jahres, sind die Gräber von Roland Krüger und Uwe Lieschied geschändet worden aus politischen Motiven, aus Hass gegen unsere Polizei.
Am 19. November 2019 ist der Arzt Fritz von Weizsäcker in der Schlosspark-Klinik bestialisch mit einem Messer ermordet worden. Der sich nicht im Dienst befindliche Berliner Polizeibeamte Ferrid Brahmi hat sich unbewaffnet dem Angreifer entgegengestellt, um einen Bürger unserer Stadt zu schützen.
Ich habe gehandelt, weil es für mich nichts Bedeutenderes als das Leben gibt und weil es Aufgabe der Polizei ist, dieses Leben mit allen Mitteln zu schützen.
So Ferrid Brahmi.
Statt diese Leistung unverzüglich unbürokratisch und mit allem gebotenen Anstand anzuerkennen, das Ganze selbstverständlich als einen qualifizierten Dienstunfall zu werten und vor allem Herrn Brahmi, was ich an dieser Stelle tun möchte, unsere Hochachtung auszusprechen,
lässt die Exekutive an dieser Stelle einmal mehr den Amtsschimmel wiehern, statt endlich entschlossen zu handeln und wirklich auch die Unsicherheit von Herrn Brahmi uns seiner Familie zu nehmen.
Der Feuerwehrmann, der auf dem Weg zum Dienst am U-Bahnhof Prinzenstraße von mehreren Jugendlichen überfallen und brutal zusammengeschlagen wurde, ist ein weiteres Beispiel für die Stimmung in dieser Stadt, für das, was sich in den letzten Jahren schändlich weiterentwickelt hat. Wir haben die Angriffe mit Pyrotechnik an Silvester auf unsere Feuerwehrleute, auf unsere Polizeibeamten und im Übrigen auch auf alle Mitbürgerinnen und Mitbürger. Wir haben Steinwürfe von Hausdächern, insbesondere in der Rigaer Straße und Liebigstraße, seit Jahren immer wieder immer neu. Wir haben die Brandstiftungen, politisch motiviert in dieser Stadt, sowohl gegen links als auch gegen bürgerliche Kräfte gerichtet. Wir haben das Blenden von Helikopterpiloten in der Rigaer Straße mit dem Ziel, einen Helikopter in einem Wohngebiet zum Absturz zu bringen. Wir haben die Anschläge auf Journalisten wie den BZ-Kolumnisten
Gunnar Schupelius. All das ist die Stimmung in dieser Stadt im Jahr 2019/2020.
Diese Täter
wollen den demokratischen Staat und das Vertrauen Bürger in unseren Staat aushöhlen … Der Staat muss darauf mit aller notwendigen Härte antworten.
Ich muss mich immer mal wieder über die Genossen wundern, aber dazu kommen wir gleich, wenn ich wie an dieser Stelle den ehemaligen Hamburger Innensenator Helmut Schmidt zitiert habe. Alternativ, damit Sie die Entwicklungen nachvollziehen können, ein weiteres Zitat mit Erlaubnis des Präsidenten:
Ich bin so erzogen worden, dass meine Mutter mir immer gesagt hat: Wer austeilt, muss auch einstecken können.
So der Berliner Innensenator Andreas Geisel im Jahr 2017 im Vergleich. Während Helmut Schmidt 1977 für die damals noch als solche erkennbare Sozialdemokratie
mit aller gebotenen Härte vorgehen wollte, wird nun eine wildgewordene Terrorbande in der Rigaer Straße schweigend geduldet.
Gleichzeitig, um die politische Stimmung noch einmal aufzugreifen, haben wir bei politischen Veranstaltungen der Partei Die Linke Teilnehmer, Delegierte, die mit einem Shirt: „RAF dich auf – zu neuen Taten“ mit einer Kalaschnikow, mit dem Logo der RAF auftreten und erklären, man müsse doch neue Taten im Sinne der Roten Armee Fraktion begehen in dieser Stadt.
Wenn wir, um die jüngste Entwicklung von gestern noch einmal aufzugreifen, feststellen, dass auf dem Christopher-Street-Day in Köln offensichtlich von politischen Gruppierungen, die mit ihren Parteien auch in diesem Hause vertreten sind, die Auffassung vertreten wird, dass Einigkeit, Recht und Freiheit ein Motto sei, dass die Gesellschaft spalte,
dann wissen wir, dass irgendetwas fürchterlich schief läuft in diesem Land.
Die Gefahren, denen unsere Polizeibeamten, unsere Feuerwehrleute, unsere Rettungskräfte ausgesetzt sind, sind mannigfach. Viele davon sind allerdings leider Gottes hausgemacht. Wir haben nicht nur die im Dienst erschossenen Polizeibeamten, wir haben auch die Polizeibeamten, die bisher 13 Beamten, die im Dienst derart in ihrer Gesundheit geschädigt wurden, dass sie zu Tode gekommen sind in der sogenannten Schießstandaffäre. Auch dort harrt die Polizei nach wie vor, genau wie die Stadt insgesamt, der Aufklärung, die nicht erfolgt. Wir haben die Situation, dass 7,5 Prozent der Polizeibeamten dieser Stadt einen Nebenjob brauchen, weil sie von dieser Tätigkeit – ich erinnere noch einmal an Ferrid Brahmi, mit ihrem eigenen Leben das Leben anderer zu schützen – in dieser Stadt nicht leben können.
Wir haben eine Krankenstanderhöhung bei der Feuerwehr von 45 auf 60 Tage im Jahr, die ein Berliner Feuerwehrmann durchschnittlich krank ist. Wir haben bei der Polizei eine Entwicklung von 47 auf 51 Tage. Beides ist die Entwicklung in dieser Legislaturperiode, beides in der Verantwortung dieses Senats. Wir haben marode Gebäude, nach wie vor im Übrigen auch mit Asbestbelastung, in denen unsere Polizeibeamten, unsere Feuerwehrleute arbeiten sollen. Wir haben eine Regelung – auch da kommen wir noch einmal auf den Fall des Herrn Brahmi –, dass unsere Polizeibeamten, wenn sie nicht im Dienst sind, nicht mehr ihre Dienstwaffe mit sich führen dürfen, gleichzeitig aber gehalten sind, so wie Herr Brahmi, sich jederzeit in den Dienst zu versetzen. Wir haben also eine Weisungsregelung, die unseren Polizeibeamten zumutet, sich unbewaffnet einem bewaffneten Angreifer entgegenzustellen. Auch das ist eine Regelung, die diese Exekutive zu verantworten hat.
[Beifall bei der AfD – Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos), Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos) – Zuruf von der AfD: Unglaublich!]
Herr Zimmermann! Ich sehe, Sie sind traurig. Sie haben ja recht, denn diese Regelung ist ausnahmsweise keine, für die Herr Geisel verantwortlich war, sondern die ist noch unter der alten SPD-CDU-Koalition eingeführt worden.
Aber das hindert Sie als rot-rot-grüne Koalition nicht daran, ebenfalls alles zu tun, um unserer Polizei Steine in den Weg zu legen. Wir werden hier in diesem Haus über das sogenannte Antidiskriminierungsgesetz zu diskutieren haben, mit dem Sie grundsätzlich erst einmal unsere Polizei unter Generalverdacht stellen wollen und damit weiter belasten, statt ihr endlich den Rücken zu stärken
durch gesetzliche Regelungen, die unbedingt erforderlich sind, wie die von uns beantragte Regelung zum finalen Rettungsschuss, aber auch die Rechtsgrundlage beispielsweise für den Einsatz des Tasers, auch das noch einmal deutlich an dieser Stelle. Es gibt gegenwärtig keine aus unserer Sicht brauchbare rechtliche Grundlage für den Tasereinsatz. Das ist auch der Grund, warum wir in dem sogenannten Testlauf bisher gerade mal drei Einsätze hatten. Zum Verständnis für jedermann, sowohl was den Rettungsschuss als auch den Taser angeht:
Der Berliner Polizeibeamte darf den Taser unter den gleichen Bedingungen gegenwärtig einsetzen, in denen er auch die Schusswaffe einsetzen dürfte. Das bedeutet auch, dass er den Tasereinsatz erst dann androhen darf, wenn er den Schusswaffeneinsatz androhen dürfte, also nahezu nie. Das ist der Grund, warum wir diese Fälle nicht haben. Um die Schusswaffe einsetzen zu dürfen, auch im Fall beispielsweise eines Terroranschlages – Bataclan-Situation, ich erinnere noch einmal daran – muss der Berliner Polizeibeamte zunächst auf sich schießen lassen, bevor er sich wehren darf. Das ist die Situation, die Sie mit Ihrer absurden Politik hier geschaffen haben.
Statt endlich auch in der Rigaer Straße für Ordnung zu sorgen, statt zumindest dafür zu sorgen, dass durch eine mobile Videoüberwachung die Dächer frei sind und dort nicht in schöner Regelmäßigkeit mit Steinen auf Polizeibeamte geworfen werden kann, machen Sie im Wesentlichen das, was die übliche Politik ist, die ich hier von Ihnen wahrnehme: erst einmal nichts und warten dann ab.
Wer schützt diejenigen, die uns schützen? Wessen Job ist das? Wer tut das nicht? Das ist für uns die Frage. – Es ist dieser Senat, und dieses Nichtstun halten wir für fatal. Aber für dieses Nichtstun muss man nicht auf der Regierungsbank sitzen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, lieber Kollege Zimmermann! Ich habe nur eine Frage, die sich, denke ich, auch viele andere Zuhörer stellen: Wer, wenn nicht die jeweils regierende, verantwortliche Gruppierung im Bereich des Innensenats trägt denn Verantwortung für die innere Sicherheit dieser Stadt und für die Entwicklungen?
Herr Kollege Dregger! Wie bewerten Sie denn in dem Kontext Rigaer Straße die Weisung der Polizeipräsidentin, bei der Verfolgung flüchtiger Tatverdächtiger, wenn sie sich denn in ein sogenanntes linkes Szeneobjekt, gemeint das Haus Rigaer Straße 94, retten, die Verfolgung zunächst abzubrechen und über mehrere Umwege auf die Weisung des höheren Dienstes zu warten?
Vielen Dank, Herr Kollege! Sie haben gerade die sogenannten Böllerverbotszonen angesprochen. So wie der Senator das dargestellt hat, hat es innerhalb dieser Zonen in der Tat nahezu keine Straftaten, keine Verstöße etc. gegeben. Würden Sie mir zustimmen, dass das weniger mit dem Papier einer Verbotszone zu tun hat, sondern vielmehr mit der Polizeipräsenz auf Berlins Straßen? Wäre nicht mehr Polizeipräsenz genau der richtige Weg – entgegen mehr Papier?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte eigentlich von Ihnen, Herr Kollege Zimmermann, erwartet, dass Sie wahrheitsgemäß einleiten damit, dass wir nun die Märchenstunde der Koalition beginnen.
Wenn ich mir anhöre, was Sie alles unternommen haben wollen,
was Sie alles weiter vorhaben, wie Sie als Koalition angeblich eintreten für die innere Sicherheit in unserer Stadt, dann müsste sich diese innere Sicherheit ja vielleicht irgendwann einmal verbessert haben. Das ist aber nicht der Fall.
Wenn Sie sich anschauen, wann wir tatsächlich funktionierende innere Sicherheit zuletzt in dieser Stadt hatten, dann müssen wir eine kleine Zeitreise unternehmen. Die Zeitreise führt uns zurück in das Jahr 1954, Herr Kollege: 1954 war Hermann Fischer, FDP, Innensenator in dieser Stadt.
In der Tat, Herr Kollege! Und weil es so lange her ist, müssen wir uns mal anschauen, was aus dem Märchen, Berlin werde sicherer und sicherer, tatsächlich geworden ist: 1954 mit etwa drei Millionen Einwohnern in dieser Stadt hatten wir 64 000 Straftaten.
Sie haben es in erfolgreicher Ägide von elf sozialdemokratischen Innensenatoren – teilweise drei in einem Jahr im Übrigen – geschafft, die Zahl der Straftaten zu verachtfachen – ein Erfolg.
Sie haben es geschafft – um mal einzelne Aspekte herauszunehmen – die Zahl der gefährlichen und schweren Körperverletzungen zu verzwölffachen von 849 auf 10 800 Fälle. Sie haben es geschafft, die Zahl der Morde in dieser Stadt zu verdoppeln. Sie haben es auch geschafft, die Zahl der Sexualdelikte –,
(Benedikt Lux)
der Vergewaltigungen von 284 zu verzehnfachen, Herr Schneider! Diese Energie, die Sie jetzt aufbringen, die hätten Sie aufbringen müssen in den Haushaltsplanberatungen, damit Sie endlich einmal der inneren Sicherheit die Rolle einräumen, die sie in dieser Stadt bekommen muss, statt Ihren Unsinn zu finanzieren, Ihren ideologischen Quatsch!
Stellen Sie eine Zwischenfrage, wenn Sie was wissen wollen!
Unbedingt, bitte! Ich dachte, Herr Zimmermann möchte was.
Ich gehe davon aus, Herr Kollege, dass eine Regierung sich immer auch daran messen lässt, was sie jeweils erreicht hat.
Und dass man deshalb natürlich – und das ist in der Tat Populismus – die Menschen nicht belügen darf und ihnen Sand in die Augen streut, indem man erklärt, Berlin sei ein Stück weit sicherer geworden – das Gegenteil ist der Fall, und das seit Jahrzehnten –,
indem nicht die Berichte über Straftaten bekämpft, sondern die Taten als solche. Wir dürfen nicht auf dem Papier ein paar Stellen mehr schaffen, die nicht besetzt werden, sondern wir müssen beispielsweise für Gesund
heit sorgen, da unter Ihrer Ägide, – Herr Schneider, wieder zuhören, lernen! – der Krankenstand von 39,3 Tagen bei der Berliner Polizei auf über 50 Tage im Durchschnitt für jeden Beamten gestiegen ist.
Deshalb können Sie so viele neue Stellen schaffen, wie Sie wollen. Wenn die Leute nicht im Dienst sind, weil sie krank sind, weil sie, auch in der Verantwortung Ihrer Partei, auf den Schießständen vergiftet wurden, dann sind sie nicht im Dienst und dann haben wir jedes Jahr tatsächlich weniger Stunden, die geleistet werden, obwohl die Bevölkerung wächst und die Zahl der Straftaten steigt. – Das ist Ihre Bilanz.
Wir als Freie Demokraten sehen in diesem Haushalt mit unseren Änderungsanträgen einen Aufwuchs von
80 Millionen Euro im Bereich der inneren Sicherheit vor.
Wir haben beispielsweise die Wiedereinführung des Einsatzkommandos BVG vorgesehen, um an dieser Stelle tatsächlich echte Sicherheit zu schaffen und nicht jährlich 6,5 Millionen für Kameras auszugeben, die Straftaten dokumentieren, aber keine Tat verhindern. Wir wollen, dass unsere Polizeikräfte auch im öffentlichen Nahverkehr wieder präsent sind und für die Sicherheit sorgen, die diese Stadt verdient.
Wir haben eine Vielzahl von klaren, präzisen und vor allem zukunftsgerichteten Anträgen – sei es zur Drohnenabwehr, sei es zur Schaffung einer Hubschrauberstaffel, sei es auch zur Einführung, nach entsprechender rechtlicher Prüfung, des Tasers und der Body-Cam bei der Berliner Polizei –, eine Vielzahl von Vorschlägen gemacht. Sie haben diese Vorschläge abgelehnt und sind allen Ernstes nach der Bilanz, die Sie in den letzten Jahrzehnten mit elf sozialdemokratischen Innensenatoren hergestellt haben, der Auffassung, Sie könnten es. Sie können es nicht! – Herzlichen Dank!
Herr Kollege Kohlmeier! Ich möchte Sie daran erinnern oder gehe davon aus, dass Sie gerade bei Ihrer Aufzählung der verschiedenen Bereiche des Extremismus den Linksextremismus vergessen haben, und würde Sie bitten, da wir zum Beispiel in dieser Stadt dreimal so viele linksextremistische wie rechtsextremistische Gewalt
(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)
delikte haben, auch darauf noch kurz einzugehen, damit ich Ihre Position dort nachvollziehen kann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle bejahen den demokratischen Kampf, den Kampf der Meinungen und Argumente. Aber dieser Kampf beruht stets auf der Achtung vor den Überzeugungen des politischen Gegners, so falsch wir persönlich diese auch jeweils finden mögen. Wohin es führt, wenn der Kampf dieses Fundament verlässt, wenn er in blinden Hass, in Feindschaft, Bedrohung, Beleidigung, gar Gewalt gipfelt, haben wir in der bewegten Geschichte dieser unserer Stadt immer wieder erfahren müssen. Es wird Zeit, daraus zu lernen, Geschichte nicht mit neuen oder alten Begriffen, Akteuren und Taten zu wiederholen, sondern neu zu gestalten. Wer Feuer legt, wer Steine von Hausdächern wirft, wer gar aus kruden, vermeintlich politischen Motiven mordet, der ist schuldig.
Wer angesichts des Wissens um die deutsche Geschichte Menschen aufgrund ihrer politischen Überzeugung ungleiche Rechte zubilligt, ist mitschuldig. Wer glaubt, im Namen seiner politischen Meinung in die Grundrechte seiner Mitbürger eingreifen zu dürfen, ist mitschuldig. Wer sich als Vertreter unserer Demokratie klammheimlich oder sogar offen über Straftaten zulasten des jeweiligen politischen Gegners freut, ist mitschuldig.
(Niklas Schrader)
Sie alle sind schuldig daran, den Begriff der Politik, den Begriff des Politischen zu missbrauchen und damit die Axt an die Wurzel unseres demokratischen Staatswesens zu legen. Es gibt keine politisch motivierte Gewalt, denn wer zur Gewalt greift, verlässt den Bereich des Politischen und wird zum Straftäter.
Bitte!
Herr Kollege Woldeit! Die Einschätzung kann ich durchaus teilen, aber in anderer Hinsicht als der Kollege Zimmermann das womöglich meint. Wir müssen in der Tat stets von Fakten sprechen. Wenn wir uns die Statistiken, die ich bekanntlich sehr schätze, zu politisch motivierten Gewaltdelikten anschaue, dann stellen wir fest, dass diese
erstens im letzten Jahr – insofern kann ich überhaupt keinen Erfolg dieses Senats sehen – wieder um knapp 18 Prozent angestiegen sind. Ich kann feststellen, dass wir nur da, wo es eben halt eigentlich ein Aufrechnen, so wie es der Kollege Zimmermann betreibt, aber auch so, wie Sie es gerade andeuten, lieber Kollege Woldeit, nicht geben kann, weil wir all diese Taten verurteilen müssen.
Richtig ist aber, dass wir statistisch 125 Fälle sogenannter rechtspolitisch motivierter Gewalt, die eben halt für mich keine politische Motivation, sondern eben das Gegenteil von Politik ist, haben, und fast das Dreifache von linksmotivierten Gewaltdelikten. Insofern ist es ein Zerrbild, Herr Zimmermann, aber vielleicht nicht das, was Sie damit meinen.
Wir müssen uns aber damit befassen, welche Ursachen für diese Taten bestehen, wie wir diese Ursachen gemeinsam bekämpfen können. Aufgabe unseres Staatswesens ist es, die Taten dieser Straftäter zu verhindern. Wenn das schon nicht gelingt, das ist in Berlin leider sehr häufig der Fall, dann müssen wir sie zumindest aufklären und verurteilen. Beides gelingt in Berlin in der Tat nur sehr ungenügend. Etwa ein Drittel der vermeintlich politisch motivierten Delikte wird tatsächlich aufgeklärt. Zwei Drittel derer, die den Deckmantel des angeblich Politischen für ihre Straftaten verwenden, können dies ungestört weiter tun. Wir können diese, unsere Stadt nicht verbessern, wenn wir nicht auf ihre Schwächen und Fehler hinweisen. wenn wir nicht kritisieren, ob das ein Mietenthema ist, ob das ein Verkehrsthema ist, ob es eine Frage von sozialer oder auch objektiver Gerechtigkeit ist. Wir können nichts verbessern, wenn wir es nicht kritisieren. Wir müssen uns aber dabei bewusst sein, dass es sich bei dieser Kritik immer nur um eine politische Kritik handeln darf, wollen wir das verbindende Element, unser Miteinander, nicht verlieren, politisch, also mit Worten, sachlich, gern auch polemisch, aber nicht mit Taten, hasserfüllt mit dem Ziel, dem Gegenüber seine Meinung aufzuzwingen oder ihn gar zu vernichten.
Diese Debatte, dieser Antrag bietet die Chance, als ganzes Haus eine Bitte zu formulieren. Lassen wir uns alle nicht hineintreiben in Feindschaft und Hass, gegen andere Menschen, gegen Russen oder Amerikaner, Israelis oder Araber, gegen Alternative oder Konservative, gegen schwarz oder weiß. Lernen Sie, miteinander in dieser Stadt zu leben und nicht gegeneinander.
Lassen Sie uns als Repräsentanten aller Berliner dies immer wieder beherzigen und ein Vorbild sein. Verteidigen wir die Freiheit, arbeiten wir für den Frieden, achten wir das Recht und dienen wir der stets subjektiven Gerechtigkeit – gewaltfrei. – Vielen Dank!
Herzlichen Dank, Frau Schmidberger! – Da Sie gerade in der Tat immense Preissteigerungen bei Mieten angesprochen haben, in dem Zusammenhang auch, ich sage mal, die Vorwiedervereinigungswohnungsbaupolitik, die in der Tat in vielen Punkten zu kritisieren ist: Sind Sie denn aber mit mir der Auffassung, dass auch dieser Senat, wenn er z. B. für eine 44-Quadratmeter-Wohnung, wenn noch ein paar alte Möbel reingestellt werden, 6 000 Euro Miete pro Monat zahlt, damit ein immenser Preistreiber ist, der Leuten Geld in die Tasche steckt, die das Geld nicht verdient haben?
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Unterschied zwischen dem gerade genannten Namen und Rechtsstaatlichkeit sollte man eigentlich auf Anhieb erkennen.
Ich habe gerade erwartet, als der Kollege Lux anfing, von organisierter Kriminalität und Arbeit zu sprechen, dass Sie vielleicht auch ein bisschen auf Ihre eigene Arbeit in diesem Bereich eingehen – auf die vielen interessanten Mandate, die Sie angenommen haben.
Wir haben in dem Bereich der organisierten Kriminalität zunächst ein grundlegendes Problem, und das stellen wir schon daran fest, wie diese Debatte geführt wird: Es scheinen die allermeisten Akteure – auch Sie, liebe Kollegen – nicht zu verstehen, wovon wir sprechen.
Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte, planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere und unbestimmte Dauer arbeitsteilig
und nun kommt der wichtigste Punkt aus meiner Sicht –
unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken.
Das ist organisierte Kriminalität, insbesondere die Einflussnahme auf Justiz, Politik, Medien, Wirtschaft.
Da müssen wir uns anschauen, welche dieser Kriterien erfüllt werden von dem, was Sie, lieber Senator Geisel, offensichtlich allein als organisierte Kriminalität verstehen, nämlich die sogenannte Clankriminalität. Wir können feststellen – Ihre Zahl war nicht ganz richtig, Herr Schrader; ich glaube, dass wir sie etwas weiter fassen müssen: Es sind 11 der 59 OK-Verfahren, die wir der sogenannten Clankriminalität zurechnen können; 11 von 59 im vergangenen Jahr. Es bleiben 48 von 59, mehr als 80 Prozent übrig. – Die erwähnen Sie nicht; gegen die unternehmen Sie vor allem auch nichts, und die weiten sich immer weiter aus.
Wir haben eine Situation, dass wir nun gerade in einer Aktuellen Stunde über die Bekämpfung der organisierten Kriminalität in Berlin als aktuelles Thema sprechen. Ich habe mich sehr gewundert, dass ausgerechnet Sie das zum Thema einer Aktuellen Stunde machen und im Übrigen nicht jemanden darüber sprechen lassen, der etwas davon versteht, den Kollegen Schreiber z. B. – wo ist er eigentlich?
Aber zumindest ist dieses Thema eines nicht: Es ist nicht aktuell im Sinne von neu. – Ich möchte an eine interessante Debatte zu der Frage erinnern, was denn eigentlich im Kampf gegen die organisierte Kriminalität unternommen werden muss. Ich zitiere aus einem Protokoll dieses Hauses:
Ich sehe bei Straffälligen, die sich nur besuchsweise in Deutschland aufhalten, bei denen eine Aufenthaltsberechtigung aufgrund Asyls rechtskräftig nicht besteht, die Notwendigkeit der Ausweisung. Das darf auch nicht durch Spielereien wie das Wegwerfen eines Passes unterbunden werden. Dagegen müssen wir vorgehen. Diese Quellen der organisierten Kriminalität müssen wir
bekämpfen, und diese Menschen müssen wir endlich ausweisen.
Diese Erkenntnis ist aber nicht neu, sondern diese Erkenntnis stammt aus dem Plenarprotokoll des Jahres 1998, aus einer Debatte zwischen dem Abgeordneten Michael Müller und dem damaligen Innensenator Erhart Körting. Herr Körting hat angekündigt, diese Ausweisungen vornehmen zu wollen. Was ist in den 20 Jahren passiert? – Nichts!
Im Jahre 2005 – neue Debatte, diesmal der Kollege Felgentreu mit dem Kollegen Körting: Die damalige OKGröße Mahmoud Al-Zein könne nicht ausgewiesen werden, weil ihm die türkische Staatsangehörigkeit entzogen worden sei. Da könne man jetzt leider erst mal nichts machen, aber die SPD arbeite daran. – Ganz großartig! Eine tolle Ankündigung! Mittlerweile haben wir das Jahr 2019, und es hat sich an den Strukturen der organisierten Kriminalität in dieser Stadt nichts zum Positiven geändert. Ihre Partei stellt, glaube ich, jemanden, der sich für den Bundesaußenminister hält,
und trotzdem haben Sie mit der Türkei keine Lösung herbeigeführt.
Was den berechtigten Punkt angeht, dass wir in der Tat ein Lagebild brauchen: Das hatten wir bis vor einigen Jahren in Berlin; das haben wir mittlerweile nicht mehr. Durch eine Vielzahl von parlamentarischen Anfragen, die letzte dazu übrigens unter dem schönen Titel „Bekämpfung der organisierten Kriminalität in Berlin“ – siehe Titel dieser Aktuellen Stunde –, hat es der Senat nun zumindest geschafft, die Zahlen zusammenzustellen, die seit Jahren an das Bundeskriminalamt aufgeliefert werden.
Da stellen wir im Wesentlichen eines fest: Wir haben relativ wenig Erkenntnisse über die relevanten Strukturen der organisierten Kriminalität. Nehmen wir als Beispiel den Klassiker, die italienische Mafia in ihren unterschiedlichen Schattierungen. Die gibt es nach diesem Lagebild in Berlin gar nicht; die gibt es nicht. Ach so, gut!
Dann schauen wir uns doch an, was der Bund dazu sagt: Die italienische Mafia ist nicht nur im gesamten Bereich der Geldwäsche in Gesamtdeutschland hochaktiv, sie hat auch lukrative und hoch organisierte Modelle entwickelt, beispielsweise – gerade frisch nachzulesen – den Ankauf und die Umetikettierung billigster Lebensmittel, die dann wiederum den Gastronomiebetrieben zu überhöhten Preisen zum Kauf aufgezwungen werden. Das findet auch in Berlin tagtäglich statt – aber nicht nach Ihrer Erkenntnis; es findet da einfach nicht statt. Die sind in der Lage, diese
Lebensmittel einzukaufen, zu importieren, sie wiederum unter Zwang zu verkaufen und dabei auch noch jeder gewerberechtlichen Kontrolle zu entgehen. Das, muss ich sagen, nenne ich organisiert! Das ist organisierte Kriminalität, Herr Senator!
Ob das nun in Olivenölfässern versteckte Marihuanapakete sind – eine Tonne Marihuana bei einer Lieferung –, ob das eine Tonne Kokain ist, die gefunden wird: Alles die Spitze eines Eisberges! Wir haben tonnenweise im Großhandel organisierte Drogenimporte in diese Stadt, die dann über Bestellhotlines und Taxiauslieferung an die Endkunden gebracht werden. Wir haben fest verteilte, klar strukturierte Gebiete, in denen die eine oder andere Bande der organisierten Kriminalität dealen darf und dies je nachdem, mit welchem Produkt – überall in dieser Stadt. – Herr Senator! Das ist organisiert, und das ist Kriminalität!
Wir haben den großen Bereich der Schleuserkriminalität, auch hier noch mal einen kurzen historischen Ausflug ins Jahr 1999 – Eckart Werthebach und Hagen Saberschinsky in einem Austausch im Innenausschuss: Berlin ist die Hauptstadt der organisierten Kriminalität. 88 von rund 880 Verfahren werden in Berlin geführt – 1999. Bedeutendstes Feld sei die Schleuserkriminalität; dagegen müsse man vorgehen. – Nun sind wir auch hier 20 Jahre weiter. Berlin stellt nicht mehr 10 Prozent aller OKVerfahren bundesweit, sondern etwa 12 Prozent, und die Schleuserkriminalität ist immer noch das absolute Kernproblem der organisierten Kriminalität in dieser Stadt.
Wir haben den Punkt, dass auch diese hervorragend organisiert sind, gerade im Bereich der Zwangsprostitution. Es finden – auch das teils unter den Augen unserer Sicherheitsbehörden, und wo auch Akteure aus der Polizei mundtot gemacht werden – organisierte Vergewaltigungen von 15-jährigen Mädchen in Berlin statt. Das Verfahren, das dazu über die sogenannte Erlebniswohnung geführt wurde, endet bei der Staatsanwaltschaft mit einer Verständigung. Der Mann ist nicht in Haft. Er ist nicht in Haft; er kann weiter agieren! Auch das ist organisierte Kriminalität, und sie ist bestens organisiert – und das in Berlin, Herr Senator!
[Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Kurt Wansner (CDU) und Franz Kerker (AfD) – Paul Fresdorf (FDP): Unfassbar! – Holger Krestel (FDP): So etwas ist das Gegenteil von Rechtsstaat!]
Nehmen wir die andere Seite. Der Krankenstand bei der Polizei – ein Thema, das mich lange beschäftigt, nach
dem ich immer wieder frage: Angeblich gibt es keine präzisen Kennzahlen. Mittlerweile wissen wir, dass Sie natürlich einige Kennzahlen haben. Sie wollen sie nur nicht rausgeben. Warum sollte man auch die Verfassung von Berlin beachten? Aber: Wir haben in Teileinheiten der Polizei einen Krankenstand von bis zu 35 Prozent. Wir haben bei der Berliner Polizei 2017 Überstunden in Höhe von 1,4 Millionen. Wir haben die absehbare Entwicklung, dass deutlich mehr Beamte ausscheiden, als wir tatsächlich ausbilden können. Diese Entwicklung war über viele, viele Jahre absehbar. Auf all das haben dieser Senat und auch die Vorgängersenate nicht reagiert. Das wiederum ist unorganisiert, und das ist Ihr Wirken.
Bitte!
Lieber Kollege! Erstens, die Erkenntnisse zu der Erlebniswohnung entnehmen Sie beispielsweise Berichten des Nachrichtenmagazins „Focus“, die sich dabei auf das geführte Ermittlungsverfahren bezogen haben. Ähnlich werden immer wieder Fälle an mich herangetragen, auch von bekannten Ketten aus dem im weitesten Sinne gastronomischen Bereich, die allerdings allesamt nicht in die
Maßnahmen fallen, die dieser Senat ganz entschlossen gegen Shisha-Bars vornimmt. Wir haben hier im Bereich des Glücksspiels plus des illegalen Glücksspiels, des Alkoholausschanks in Verbindung mit illegalen Prostitutionsbetrieben eine ganze Kette, die in dieser Stadt agiert. Das ist auch polizeilich bekannt. Es ist aber offensichtlich nur auf bestimmten Ebenen der Polizei bekannt und dringt entweder nicht hoch oder soll nicht hochdringen. Es finden solche Fälle nach mir bekannten Berichten auch mit 13- und 14-jährigen Mädchen immer wieder statt.
Wir haben aktuell etwa 12 800 vollziehbar Ausreispflichtige in dieser Stadt, darunter auch jene, über die wir bereits vor 20 Jahren in diesem Haus gesprochen haben, weil sie Berufsverbrecher sind. Die sind bis zum heutigen Tage nicht ausgewiesen; sie sind nicht abgeschoben worden. Die Zahlen steigen weiter; sie steigen insbesondere unter Rot-Rot-Grün täglich weiter. Auch das, Herr Geisel, ist unorganisiert, und das ist Ihr Senat!
Nehmen wir noch einen letzten Punkt, das Prostituiertenschutzgesetz.
Bitte!
Lieber Kollege Wansner! Das war mir bekannt. Ich bin allerdings nach wie vor erschüttert und kann mir in Anbetracht der Position der Sozialdemokraten, die ich Ihnen aus 20 Jahre alten Protokollen aufgezeigt habe, die wir auch in 10 Jahre alten Protokollen finden, die wir in der Position des jetzigen Regulierenden Bürgermeisters finden, nicht erklären, warum die SPD eine solche Position mitträgt.
Das Prostituiertenschutzgesetz soll in der Theorie genau das bekämpfen, wovon ich gerade gesprochen haben, Herr Kollege Buchholz! In der Praxis funktioniert das wie folgt: Wir haben aktuell etwa 1 500 von geschätzt 10 000 registrierten Prostituierten. Wir haben eine Vielzahl von Betrieben, die sich angemeldet haben und die alle Voraussetzungen erfüllen, legal zu arbeiten, die aber allesamt genau wie die illegalen überhaupt nicht überprüft werden, mit dem Ergebnis, dass derjenige, der in diesem Bereich legal arbeitet, dafür bestraft wird, weil er nämlich Mehraufwand hat, und derjenige, der illegal arbeitet, einfach ungehindert weiterwurschteln kann.
Wir haben aber gleichzeitig auch noch die Situation, dass die Polizei die Prostituiertenausweise, die vorliegen sollten und vorliegen müssten, gerade im Bereich der unerträglichen Straßenprostitution in der Kurfürstenstraße, der Armuts- und Elendsprostitution dort, die seit Jahren unter Ihren Augen stattfindet, schlichtweg noch nicht einmal kontrolliert. Und auch das ist unorganisiert, und auch das ist die Politik Ihres Senats. – Herzlichen Dank!
Ganz herzlichen Dank, Frau Präsidentin! – Nachdem gerade ein Fachmann für politische Inszenierungen von Populismus gesprochen und dabei in unsere Richtung geschaut hat, war es mir ganz wichtig, dazu einige Dinge klarzurücken, Herr Geisel. Wer permanent PR-Termine veranstaltet in Shisha-Bars in dieser Stadt
und dabei nichts eifrigeres zu tun hat, als möglichst viele Fotografen dahin zu holen, die dann wiederum nichts anderes zu tun haben, als die eine gefundene Schachtel unversteuerten Tabak zu filmen, sich dann aber hinstellt und vom Kampf gegen Clans spricht, der muss nun wirklich nicht von Populismus reden.
Wenn ich mir anschaue, dass Sie die Polizei dazu missbrauchen, eine Politik des Hasses gegen diejenigen, die Leistung tragen in dieser Gesellschaft, zu säen, indem Sie den Zahnarzt mit dem etwas größeren Auto auf der Sonnenallee anhalten, weil er Ihnen vielleicht ethnisch irgendwie arabisch vorkommt, indem Sie hingehen und den Psychologen am Kurfürstendamm anhalten lassen, weil Ihnen auch das Auto nicht passt, wer da allen Ernstes von Populismus spricht, der sollte sich in der Tat schämen, Herr Geisel.
Wer sich auf die Stufen der Innenverwaltung stellt in einem eilig anberaumten PR-Termin im Mai letzten Jahres und erklärt, dass eigene Polizeibeamte möglicherweise Täter von Straftaten wären, der muss mir nichts von Populismus sagen.
Und wer in der Schießstandaffäre schlichtweg 3,5 Millionen Euro raushaut, völlig unkontrolliert, in der Hoffnung, dass er damit das Thema nicht aufklären und keine Verantwortung übernehmen muss, auch der muss mir nichts von Populismus sagen, Herr Geisel.
(Georg Pazderski)