Protokoll der Sitzung vom 14.09.2017

Was wir auch angehen, ist die ewig und drei Tage auf die lange Bank geschobene Beschaffung von neuen Fahrzeugen, z. B. für die S-Bahn. Ich erlebe dieses Feeling derzeit jeden Morgen: Das S in S-Bahn steht für Sardinenbüchse. – Wir könnten da schon sehr viel weiter sein. Wir gehen das jetzt endlich an, auch wenn wir die Erfolge dieser Maßnahmen in dieser Legislaturperiode nur noch teilweise sehen werden. Aber das muss man dann aushalten, wenn man zukunftsfähige Haushalts- und Finanzpolitik macht, man kann halt nicht immer übermorgen schon eine rote Schleife durchschneiden, aber das halten wir in dieser Koalition alle miteinander aus.

Ich sage Ihnen ganz klar: So anstrengend und – ja, ich gebe es zu – manchmal auch ein bisschen nervig es mit uns Grünen scheint, mit uns gibt es in einer Koalition keine andere Finanz- und Haushaltspolitik als eine, die immer auch fragt: Welche Folgen hat das für die Zukunft? Werden wir uns das in zehn oder 20 Jahren noch leisten können? Wem wird die echte, die realistische, die vollständige Rechnung präsentiert werden? Sind das eventuell nachfolgende Generationen, unsere Kinder und Enkel? Die derzeitigen Überschüsse – das ist klar – sind nur teilweise strukturell. Die fetten Jahre sind endlich. Aber wir können feststellen: Wir gehen gut gerüstet in die Jahre ab 2020, in die Phase der Schuldenbremse.

Aber eine Situation wie die, die uns die Diepgens und Landowskys, die Strieders und Pieroths eingebrockt haben, darf sich nicht wiederholen. Mit uns wird es das nicht geben, und diese Koalition wird das so nicht tun. Darauf können Sie wetten. Wir machen eine Haushaltspolitik, die sozial, nachhaltig, geschlechter- und generationengerecht sein muss, und zwar für alle Menschen in dieser Stadt, nicht nur die mit deutschem Pass, nicht nur die, die lautstark ihr Recht einfordern können, oder die, die jetzt einen guten Job haben, sondern für alle, jetzt und künftig.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

An der Stelle muss ich kurz erwähnen: Wir wissen alle, wie wichtig es ist, eine gute, sachliche Beratung der Haushaltsentwürfe vorzunehmen.

[Oliver Friederici (CDU): Wann geht denn das bei Ihnen los?]

Es kann eigentlich nicht sein, dass wir uns hier mehrere Monate Zeit nehmen, den Bezirken aber nur 14 Tage geben. Da muss ich jetzt einfach mal an uns alle appellieren, ich glaube, das sollten wir in zwei Jahren besser machen, damit auch die Bezirke sachorientiert beraten können.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Henner Schmidt (FDP)]

Da verschenken wir sonst eine ganze Menge Expertise, die uns allen zugutekäme.

Dieser Haushalt bietet eine sehr gute Grundlage für die Umsetzung der Prioritäten dieser Koalition, vom Wohnungsbau über die Verkehrswende bis zu einer ansprechenden, effizienten Verwaltung. Aber ganz klar: Der politische Auftrag, den wir hier miteinander vor ziemlich genau einem Jahr erteilt bekommen haben, ist nicht dadurch bereits erledigt, dass wir Mittel in den Haushalt einstellen. Dieser politische Auftrag ist erst dann erledigt, wenn die Schulen gebaut und saniert, die Brücken wieder instandgesetzt, die Verwaltungsmitarbeiter eingestellt, die Wohnungen da und die Wartezeiten auf das Elterngeld auf ein akzeptables Niveau herabgesunken sind, also kurz, wenn die Ergebnisse da sind und bei den Berlinern

und Berlinerinnen ankommen. Das ist unser politischer Auftrag. Der Haushalt setzt den Rahmen dafür, dass wir das auch schaffen können. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Das war die erste Lesung unseres Gesetzes für den Doppelhaushalt 2018/2019. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Den Vorabüberweisungen hatten Sie bereits eingangs zugestimmt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.3:

Priorität der Fraktion der CDU

Tagesordnungspunkt 37

Mehr Quereinsteiger als voll ausgebildete Lehrer eingestellt – Maßnahmen zur Qualitätssicherung jetzt umsetzen!

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/0514

hierzu:

Änderungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/0514-1

In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU. Für die Fraktion hat jetzt die Abgeordnete Frau Bentele das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Jahr erleben wir eine beispiellose Einstellungskrise und eine beispiellose Entqualifizierung des Lehrerberufs in Berlin. Im Schuljahr 2016/17 wurde die Rekordzahl von 1 061 Quereinsteigern eingestellt, von denen 222, also 20 Prozent, überhaupt keine Qualifikation hatten. Im Februar bleiben mehr als die Hälfte aller Referendariatsstellen offen. Die Examinierten haben in Scharen die Stadt verlassen und arbeiten lieber anderswo. Was für ein Misstrauensbeweis gegenüber diesem Senat!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Da denkt man, schlimmer geht’s nimmer, aber doch: Die Einstellungszahlen vom August zeigen nun eine weitere Steigerung der Quereinsteigerquote um 12 Prozent auf 41 Prozent. Von den 850 Grundschulstellen wurden nur 200 mit echten Grundschullehrern besetzt. Alles andere waren Quereinsteiger, Oberschullehrer oder sonstige ohne alles.

[Jürn Jakob Schultze-Berndt (CDU): Ein Skandal!]

Als Sahnehäubchen obendrauf, aber in gewisser Weise auch konsequent, wurden in diesem Jahr auch die Anforderungen an die Ausbilder gesenkt. Nun bilden Berufsanfänger mit weniger als zwei Jahren im Schuldienst die pädagogisch völlig unbeleckten Quereinsteiger aus.

Sehr geehrte Frau Senatorin! Die Quereinsteigerquote betrug 2011 6 Prozent, 2017 41 Prozent. Sie verantworten diese völlig unverantwortliche Entwicklung in den letzten sechs Jahren.

[Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE): Wo waren Sie denn in den letzten sechs Jahren?]

Ich komme gleich dazu, was wir gemacht haben. – Unseren Kindern in der Mehrzahl unausgebildete Lehrer vorzusetzen, ist doch wohl das Ungerechteste, was man sich vorstellen kann, und das von der Partei der sozialen Gerechtigkeit.

[Beifall bei der CDU]

Mit Ihrer realitätsverweigernden Haltung und Untätigkeit versündigen Sie sich an der Zukunft unserer Kinder. Und ich sage das heute auch mit dem Zorn der Betroffenen, denn auch meine Kinder werden in dieser Legislaturperiode unter diesen miserablen Bedingungen eingeschult werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition! Ich setze auf Sie, dass Sie angesichts dieser dramatischen Situation in diesem Schuljahr mithelfen, die Senatorin zum Jagen zu tragen.

[Regina Kittler (LINKE): Oh! Oh!]

Denn wir Abgeordnete haben die Fehlentwicklung schon 2014 erkannt. Da lag die Quereinsteigerquote bei aus heutiger Sicht bei geradezu harmlosen 17 Prozent.

[Regina Kittler (LINKE): Eben, eben!]

2014 haben wir mit den Stimmen von SPD, Linken, Piraten und uns die Drucksache 17/1902 beschlossen, in der sich unter anderem die erste Forderung unseres heutigen Antrags findet. Wir wollen nicht, dass motivierte Leute, die sich für den Schuldienst entscheiden, in den ersten 18 Monaten verschlissen werden und reihenweise durch das zweite Staatsexamen fallen. Deshalb muss die viel zu hohe Unterrichtsverpflichtung für Quereinsteiger von derzeit 19 Stunden deutlich abgesenkt werden.

[Beifall bei der CDU]

2014 haben wir 17 Stunden beschlossen. Die Grünen wollten in ihrem separaten Antrag 16 Stunden, indem sie im Übrigen die Stundenanforderung an die Quereinsteiger als unzumutbare Belastung charakterisiert haben.

[Heiko Melzer (CDU): Sie machen 19!]

(Anja Schillhaneck)

Über die Notwendigkeit und die Richtung sind wir Parlamentarier uns also schon seit drei Jahren einig, bloß passiert ist bisher nichts.

Sehr geehrte Kolleginnen von den Grünen und der Linken! Ich setze darauf, dass sich Ihre Fähigkeit zur Problemanalyse und ihre Bereitschaft zur Lösungsfindung mit Regierungseintritt nicht geändert haben.

[Regina Kittler (LINKE): Noch nichts gelernt, oder?]

Auch wenn Sie nicht mit allen Forderungen unseres Antrags einverstanden sein sollten und sie ihn natürlich ablehnen werden, weil er von der CDU kommt, so bitte ich Sie doch eindringlich, jetzt im Rahmen der Haushaltsberatungen zusammen mit uns großen Druck auf Senatorin Scheeres zu machen, um zumindest in der zentralen Frage der zu hohen Arbeitsbelastung für die vielen Hundert Quereinsteiger in unseren Schulen eine Verbesserung zu erreichen.

[Beifall bei der CDU]

Es darf nicht sein, dass die Senatorin mit ihrer hanebüchenen Ignoranz gegenüber der Bildungsqualität und der Situation ihrer Beschäftigten weiter durchkommt, denn diese hat auch fatale Auswirkungen auf die Atmosphäre in der Lehrerschaft. Selbstverständlich brauchen wir in der Quereinsteigerfrage nicht nur eine Maßnahme, sondern ein ganzes Bündel an kurz-, mittel- und langfristig wirkenden Maßnahmen, mit denen wir Lehrer und Schüler schützen und unterstützen, mit denen wir Mindestqualitätsstandards einziehen und dafür sorgen, dass sich wieder mehr voll ausgebildete Lehrer für den Berliner Schuldienst entscheiden. Mit 41 Prozent nicht voll ausgebildeten neu eingestellten Lehrern an unseren Schulen ist jetzt Handeln und keinen Tag länger Warten angesagt. Bitte erwägen Sie die Vorschläge in unserem Antrag positiv! – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Lasić das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Fachkräftesicherung an Schulen ist neben Schulbau das zentrale Thema einer wachsenden Stadt wie Berlin. Wir werden in den nächsten sieben Jahren fast 80 000 Schülerinnen und Schüler mehr haben. Und diese Kinder brauchen nicht nur Schulräume, sondern vor allem Pädagoginnen und Pädagogen, die sie durch die Schullaufbahn begleiten. Um dies zu ermöglichen, müssen wir zweigleisig fahren. Es ist entscheidend, dass wir Maßnahmen ergreifen, die mittelfristig dafür sorgen, dass die Ausbildungskapazitäten unserer Hochschulen unseren Bedarf decken. Und wir müssen die

Attraktivität des Berufs steigern. In Berlin haben wir für beide Ziele die richtigen Weichen gestellt, in dem wir im neuen Hochschulpakt die Ausbildungskapazitäten von 1 000 auf 2 000 erhöht haben. Und wir haben endlich die Besoldung der Grundschullehrkräfte angeglichen, sodass sie genau so viel verdienen wie ihre Kolleginnen und Kollegen anderen Schulformen.