Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

dass wir diese Versachlichung auch brauchen. Hier geht es – noch einmal – um grundsätzliche Dinge, die nach dem 24. September zu klären sind. Ja, wir wissen als Koalition, die sich der direkten Demokratie verpflichtet sieht, dass wir einen Auftrag erhalten haben.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Sechs Millionen Wähler als Feinde der Demokratie zu bezeichnen, sechs Millionen Wähler zu beleidigen, das ist eine Unverschämtheit! Hören Sie auf!]

Wir haben einen klaren Auftrag erhalten, das weiß ich. Das Bemerkenswerte ist – auch das muss man jetzt hier noch mal deutlich sagen –, dass dieser Auftrag jetzt so formuliert ist und abgestimmt wurde, dass es tatsächlich nun um die dauerhafte Offenhaltung von Tegel geht.

Ich glaube, da muss man wirklich noch mal innehalten. Dass die FDP das so formuliert hat, auch in dem Entwurf zum Volksentscheid, das war bekannt. Auch was dahintersteht, dass die FDP durchaus tatsächlich aus vollem Bewusstsein auch das Ziel verfolgt, einen dauerhaften Flugbetrieb sicherzustellen für Ryanair, für Privatflieger, für Klientel – Sie haben daraus nie einen Hehl gemacht, Herr Czaja, ich mache das nicht zum Vorwurf.

[Sebastian Czaja (FDP): Hören Sie doch auf! Eben wollten Sie noch abrüsten, jetzt rüsten Sie auf!]

Umso erstaunlicher ist aber – das muss man sagen –, wie sich die Diskussion in den Reihen der CDU weiterentwickelt hat,

[Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

der CDU, die erst ganz eindeutig für die Schließung von Tegel war und an einem Nachnutzungskonzept mitgearbeitet hat. Dann gab es eine veränderte Position. Dann gab es Bundestagsabgeordnete wie Wegner oder Steffel, die gesagt haben: Nein, man muss zumachen. – Dann gab es den stellvertretenden Landesvorsitzenden Heilmann, der gesagt hat: Man muss auf jeden Fall für die Offenhaltung stimmen, aber nur, damit es befristet offenbleibt. Eine dauerhalte Offenhaltung wäre Wahnsinn.

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Das wurde alles gesagt. Diese Meinungen wurden inzwischen unterbunden durch Landesvorstandsbeschlüsse der CDU. Man darf sich so nicht mehr äußern innerhalb der CDU. Jetzt sind Sie umgeschwenkt und sind für eine dauerhafte Offenhaltung des Flugbetriebs, keine Befristung mehr.

[Frank-Christian Hansel (AfD): AfD wirkt!]

Man kann da wirklich nur sagen – Herr Pazderski hat es eigentlich wunderbar auf den Punkt gebracht –: FDP und

CDU sind jetzt an der Seite der AfD. Herzlichen Glückwunsch zu dieser gemeinsamen Oppositionskoalition!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Herr Müller! Sie stehen doch nur aufrecht, weil Sie ein dickes Fell haben! – Zuruf von Christian Gräff (CDU)]

Jetzt müssen wir uns bewusst machen – das ist ja auch Ihr Anspruch an das Regierungshandeln –, worum es nun geht.

[Zurufe von Sebastian Czaja (FDP) und Paul Fresdorf (FDP)]

Wir müssen uns nicht nur bewusst machen, dass es weiterhin Lärm, Gefahren, Gesundheitsrisiken für die Menschen im Umfeld des Flughafens Tegel gibt.

[Holger Krestel (FDP): Die Rede hat noch nicht einmal Kreistagsniveau!]

Wir werden jetzt prüfen müssen – das ist das, was Sie einfordern –, wo wir die 9 000 Wohnungen bauen können, die bei einer Offenhaltung nicht mehr auf dem Gelände von Tegel entstehen können. Ja, da wird man möglicherweise auch über die Elisabeth-Aue reden.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Georg Pazderski (AfD): Endlich!]

Aber das reicht nicht. Klar ist: Wir brauchen dringend Wohnungsneubau zur Entlastung der Mietenentwicklung

[Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

und für die vielen Tausend Menschen, die weiterhin zu uns kommen und den wirtschaftlichen Erfolg schließlich mittragen. Wir müssen jetzt klären, wo bei einer Offenhaltung die Industrie- und Gewerbearbeitsplätze entstehen können,

[Sebastian Czaja (FDP): Ja! – Paul Fresdorf (FDP): Ihr müsst jetzt endlich regieren!]

die den wachsenden Wohlstand unserer Stadt mittragen und viele Tausend Arbeitsplätze schaffen.

[Beifall von Christian Gräff (CDU)]

Auch da muss uns klar sein: Geeignete Flächen werden in einer direkten Konkurrenz zum Wohnungsbau oder zu sozialer Infrastruktur stehen.

[Holger Krestel (FDP): Hören Sie mal mit dem Blabla auf!]

Wir müssen eine andere Lösung für die Beuth- – – Sie haben eingefordert, dass dieser Auftrag angenommen wird und wir in die Prüfung der Dinge gehen, die umzusetzen sind. Ich zähle auf, welche Dinge umzusetzen sind. –

[Frank-Christian Hansel (AfD): Tun Sie die Beuth- Hochschule ins Tempelhofgebäude!]

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

Wir müssen eine andere Lösung für die BeuthHochschule finden.

[Ja! von der AfD und der FDP]

Die zukunftsträchtige Vernetzung der Wissenschaft und Forschung und Produktion wird so in Tegel nicht mehr möglich sein. Und das sage ich auch, das schmerzt mich auch als Wissenschaftssenator, dass wir das leider so nicht mehr umsetzen können. Überhaupt: Ein neues Quartier mit der Berliner Mischung aus Lernen, Arbeiten, Wohnen, Erholen

[Zuruf von Christian Gräff (CDU)]

ist mit der dauerhaften Offenhaltung von Tegel nicht mehr möglich. Eine Chance für die Stadtentwicklung der nächsten 30 Jahr ist damit endgültig vertan.

Wir müssen auch weiterhin einen Weg finden, wie wir die Fertigstellung und Eröffnung des BER rechtssicher und ohne finanzielle Risiken gewährleisten können.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Da geben Sie sich mal Mühe!]

Der Masterplan zeigt, dass der BER der Flughafen sein wird, der zukünftig alle Flugbewegungen und Gäste gut, komfortabel und sicher bewältigen kann. Der BER wird nicht zu klein sein. Das Konzept des Single-Airports ist richtig, aber wir müssen nun auch eine andere Entwicklung in Bezug auf den BER mitdenken und planen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Am besten in einem Sonderausschuss!]

Derweil, vermute ich, weil es schon angekündigt ist, werden BUND und Pankower Anwohner angedrohte Klagen gegen die Offenhaltung von Tegel ebenfalls vorbereiten. Wir werden uns also auch mit der rechtlichen Frage und Auseinandersetzung beschäftigen müssen.

[Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Abschließend muss der Haushaltsgesetzgeber, also Sie, jetzt klären, welche Gelder bereitgestellt werden müssen, um zum Beispiel auch zukünftig Lärmschutz und das weitere Betreiben des Flughafens abzusichern. Da sind Sie als Oppositionsparteien, ob Sie es glauben oder nicht, genauso wie die Koalition in der Pflicht, deutlich zu machen, wo wir in der nächsten Zeit Schwerpunkte setzen wollen und müssen,

[Zuruf von Mario Czaja (CDU)]

was zu leisten ist, um die dauerhafte Offenhaltung des Flughafens Tegel gewährleisten zu können.

[Holger Krestel (FDP): Sie sind schon die ganze Zeit in der Pflicht! Seit einem Jahr! – Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

Für die von mir dargestellten Konsequenzen der Offenhaltung des Flughafens Tegel

[Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

müssen wir im weiteren Prozess eine transparente und politisch verantwortungsvolle Risikoabschätzung vornehmen. Das, glaube ich, wird niemand ernsthaft bestreiten wollen: Der Weg, der jetzt zu gehen ist, ist voraussetzungs- und folgenreich. Man kann nicht einfach einen Schalter umlegen. Es geht um drei Gesellschafter, die gemeinsam eine Flughafenpolitik vertreten haben. Wir drei – Bundesebene, Brandenburg und Berlin – tragen Verantwortung für die Planung und die Finanzierung von Schönefeld. Wir werden alle drei auch Verantwortung tragen müssen für Planung und Finanzierung von Tegel.

Welche Maßnahmen sind jetzt für die dauerhafte Offenhaltung zu prüfen und einzuleiten? Welche Dinge gehen wir jetzt ganz konkret an? Die zu behandelnden Fragestellungen sind kompliziert und vielfältig. Wie kann der doppelte Flugbetrieb sicher gestaltet werden? Was bedeutet das für den Lärmschutz rund um Tegel? Welche Kosten sind zu erwarten und können wie aufgebracht werden? Gibt es nach EU-Recht beihilferechtliche Probleme, sofern der BER nicht Single-Standort wird? Wie kann der Widerruf vom Widerruf erfolgen?

[Holger Krestel (FDP): Alles schon abgearbeitet! – Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]