Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

[Holger Krestel (FDP): Alles schon abgearbeitet! – Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Welche planungsrechtlichen Schritte sind einzuleiten, wenn Tegel offen bleibt und ggf. neu genehmigt werden muss? Wie gehen wir mit der gemeinsamen Landesplanung um? Wie gestaltet sich ein rechtssicherer Weg zur Offenhaltung? Welche Entschädigungen sind zu erwarten? Was bedeutet das für die BER-Flugrouten und den Lärmschutz an beiden Standorten? Von welchen Zeithorizonten reden wir hier überhaupt, unter Berücksichtigung der angekündigten Klagen? Das sind nur die wichtigsten der auf uns zukommenden Fragestellungen.

Es gibt natürlich Grundlagen, Gutachten, Berechnungen, die jetzt alle herangezogen werden. Für die vertiefte Abstimmung mit den beiden anderen Gesellschaftern, den beiden anderen Anteilseignern müssen viele Dinge aber auch noch mal entsprechend detailliert nachermittelt werden.

[Holger Krestel (FDP): Dann fangen Sie mal an! – Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Das geht alles nicht auf Grundlage eines schmalen Dreizeilers, den Sie hier von einem Tag auf den anderen abgestimmt haben,

[Georg Pazderski (AfD): Es gibt viel zu tun, fangen Sie mal an!]

da sind vielmehr viele wichtige Dinge zu erarbeiten.

Und natürlich – auch dazu kommen wir jetzt, das ist ja auch noch eine wichtige Frage, wie der Prozess jetzt begleitet wird – kann sich das Abgeordnetenhaus dafür entscheiden, zur Begleitung dieses Prozesses zum Beispiel einen Sonderausschuss zu gründen.

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Sie haben ja auch schon, glaube ich, miteinander im Parlament verabredet, dass das Flughafenthema über den Hauptausschuss – Beteiligungsausschuss – praktisch mit begleitet wird. Auch das ist eine Variante, damit das Parlament die Schritte, die jetzt gegangen werden, transparent nachvollziehen und sich auch in diesem Prozess einbringen kann.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Dann stimmen Sie unserem Antrag zu! Sehr gut!]

Ich glaube allerdings, dass nach der emotional geführten Debatte, nach den Auseinandersetzung der vergangenen Wochen ein anderer Weg, zumindest auch eine anderer ergänzender Weg zu dieser Arbeit in einem Ausschuss – wenn Sie sich dafür entscheiden sollten – für Vertrauen in den Prozess und unsere Ernsthaftigkeit bei der Prüfung einer möglichen Offenhaltung geeigneter ist. Wir sollten einen Vergleich mit Stuttgart 21 nicht scheuen, denn erst durch die unabhängige und besonnene Arbeit des kürzlich verstorbenen Heiner Geißler hat es eine Versachlichung in der Debatte, in dieser aufgeheizten Diskussion gegeben, die es um Stuttgart 21 gab. Ich glaube, man kann sich diesen Prozess ansehen und vielleicht auch daraus lernen.

Ich schlage also konkret folgende fünf Schritte zur Einleitung des Prüfungsprozesses zum Flughafen Tegel vor. Das Erste, das auch schon begonnen worden ist: Bereits weniger als 48 Stunden nach dem Volksentscheid erfolgte der Schritt, die anderen Anteilseigner Brandenburg und Bund offiziell über das Ergebnis des Volksentscheids zu informieren und natürlich auch abzufragen, ob ihre Einstellung gegenüber dem Konzept des Single-Standorts BER und der damit verbundenen Schließung von Tegel angesichts des Volksentscheides aus ihrer Sicht zu überdenken ist. Diesen Brief, wie Sie das nennen, einfach nur mit der Darstellung: Es wäre schön, wenn wir mal reden –, den ich weniger als 48 Stunden nach dem Volksentscheid abgeschickt habe,

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

habe ich selbstverständlich mit einer konkreten Gesprächsanfrage an die Kanzlerin verbunden. Ich habe auch um eine zeitnahe Terminierung gebeten.

[Zuruf von Holger Krestel (FDP)]

Ich habe diesen Brief an Brandenburg mit dem Vorschlag verbunden, auch wiederum zeitnah zu einer gemeinsamen Kabinettssitzung zusammenzukommen, um über die weiteren Schritte zu beraten.

Zweitens: Der Senat wird sich im Rahmen der Finanzplanung mit den Kosten auseinandersetzen, die für die dauerhafte Offenhaltung von Tegel und für den Lärmschutz zu berücksichtigen sind. Unabhängig davon kann und muss sich das Parlament vielleicht auch in diesen Haushaltsberatungen schon damit auseinandersetzen. Der

Senat hat Ihnen seinen Haushalt vorgelegt. Sie beraten jetzt den Haushalt. Für die Finanzplanung, für die künftige Planung, können wir Dinge vorsehen. Ich will nur darauf hinweisen – ich will Sie jetzt nicht mit zu vielen Informationen und Details überfrachten –:

[Heiterkeit bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN – Lachen bei der AfD – Zuruf von Sven Heinemann (SPD)]

Herr Czaja! Ihre Darstellung, dass der Lärmschutz ab 1. Januar 2019 greife, stimmt nicht. Die entsprechende Regelung greift erst zu Ende 2019.

[Holger Krestel (FDP): Na, dann kriegen die Leute ja noch ihren Lärmschutz!]

Auch zu berücksichtigen ist, dass der Lärmschutz von der Flughafengesellschaft vorzunehmen und umzusetzen ist. Das bedeutet aber wieder, dass die drei Gesellschafter über die Flughafengesellschaft über entsprechende Finanzausstattungen reden müssen. Wir werden das in unserer Finanzplanung natürlich berücksichtigen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Hätten Sie schon müssen!]

Drittens: Die Justizverwaltung wird sich auf die zu erwartenden Klagen der Offenhaltungsgegner vorbereiten; sie prüft die Möglichkeiten für eine möglichst schnelle Schaffung von Rechtssicherheit.

Viertens: Ob Sie es glauben oder nicht, natürlich habe ich mich damit auch schon auseinandergesetzt, was das jetzt für den Landesentwicklungsplan bedeutet. Wir werden uns dringend mit diesem Landesentwicklungsplan wiederum in Abstimmung mit Brandenburg auseinandersetzen müssen. Ich habe schon prüfen lassen, ob überhaupt die Möglichkeit besteht, den LEP zu kündigen. Da muss man sagen, dass die Landesentwicklungspläne überhaupt nicht gekündigt werden können. Gekündigt werden kann der Landesplanungsvertrag, das wiederum aber mit einer Frist von drei Jahren. Herr Czaja! Sie erinnern sich, dass auch Herr Sodan das schon in der Diskussion, die Sie genannt haben, bestätigt hatte. Also eine fristlose Kündigung dieser gemeinsamen Landesentwicklung ist so gar nicht möglich.

[Zuruf von Sven Heinemann (SPD)]

Ich habe darüber hinaus prüfen lassen, wenn man die Kündigung trotzdem umsetzt, was Sie ja erwarten, einseitig vielleicht sogar umsetzt, ob das überhaupt geht und was das für Folgen hat.

[Zuruf von Sven Heinemann (SPD)]

Eine Kündigung des Landesplanungsvertrages beträfe nur die Bereiche Raumordnung und Landesplanung. Andere Bereiche wären nicht betroffen.

[Carola Bluhm (LINKE): Ja!]

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

So weit, so gut! Aber was folgt daraus? – Erst nach drei Jahren würde sie wirksam werden. Und für die Zeit nach dem Außerkrafttreten des Vertrages müssten die beiden Länder jeweils eigene Rechtsgrundlagen für die Raumordnung schaffen. Es gäbe dann zwischen Berlin und Brandenburg keine institutionelle Zusammenarbeit im Bereich der Landesplanung mehr. Und Sie glauben, darüber muss man mit Brandenburg nicht reden? – Das ist unser Nachbarland, mit dem wir im Rahmen der wachsenden Stadt mehr zusammenarbeiten wollen. Wir wollen gemeinsame Planung für Wohnungsbau, Gewerbe und Verkehrsinfrastruktur. Und Sie sagen: Hier kann man einfach mal nebenbei einseitig kündigen und gucken, was passiert. – Was Sie vorschlagen, ist verantwortungslos.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir werden darüber mit Brandenburg reden.

Fünftens kündige ich an: Der Senat benennt eine anerkannte neutrale Persönlichkeit, die einen Prozess initiiert, in den alle notwendigen Akteure eingebunden werden,

[Zuruf von der CDU: Wowereit!]

um die oben skizzierten Fragen rund um die herbeizuführende Offenhaltung des Flughafens Tegel zu prüfen. Dieser Runde Tisch wird unter Leitung der Persönlichkeit vollkommen unabhängig, transparent und ergebnisoffen arbeiten können, natürlich mit Unterstützung des Senats, um die nötigen Informationen zu bekommen. Er wird mit den nötigen Mitteln ausgestattet und dem Senat und selbstverständlich auch dem Abgeordnetenhaus offen und transparent fortlaufend Bericht erstatten, natürlich auch Bericht dazu erstatten, ob und wie eine Offenhaltung des Flughafens Tegel rechtssicher möglich ist und welche Schritte als Nächstes einzuleiten sind.

Ich will das noch mal sagen, um die Erwartungen, die öffentlichen, die medialen, die Erwartungen der Opposition hier etwas zu dämpfen. Ich beziehe mich ein zweites Mal auf die Diskussion mit Herrn Sodan, die Herr Czaja angesprochen hat. Der Stellungnahme von Herrn Sodan folgend hat der „Tagesspiegel“ ein Schaubild gemacht, welche Verfahrensschritte mit welchen Klagemöglichkeiten eingeleitet werden können. Daraus ergeben sich entsprechende Zeitabläufe. Nichts wird an dieser Stelle schnell gehen, und nichts kann an dieser Stelle einseitig durch das Land Berlin entschieden werden, wenn nicht noch größerer Schaden in der Zusammenarbeit mit Brandenburg und dem Bund entstehen soll. Das sage ich ausdrücklich. Wir haben vor drei Monaten einen Hauptstadtfinanzierungsvertrag mit der Bundeskanzlerin, dem Bundesfinanzminister und der Kulturstaatsministerin unterschrieben.

[Sebastian Czaja (FDP): Da übernehmen Sie ja alle Pflichten!]

Auch die Zusammenarbeit mit dem Bund ist zu berücksichtigen, wenn es um die künftige Flughafenplanung geht.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Lassen Sie uns gemeinsam und verantwortungsvoll auf dieser Grundlage an der guten Zukunft unserer Stadt mit diesem Votum arbeiten! Die von mir angeführte Koalition ist weiterhin der Meinung, dass die Offenhaltung des Flughafens Tegel rechtlich mindestens schwierig bis unmöglich und darüber hinaus der falsche Weg für die Zukunft der Stadt ist.

[Sebastian Czaja (FDP): Was denn: schwierig oder unmöglich?]

Wir bitten aber die Anwohnerinnen und Anwohner rund um den Flughafen Tegel, die jahrzehntelang auf die Schließungsabsicht vertraut haben, genauso wie wir, den erfolgreichen Volksentscheid vom 24. September und die daraus resultierenden Konsequenzen zu akzeptieren.

[Zuruf von Marcel Luthe (FDP)]

Ich sage aber auch: Bringen Sie Ihre Interessen in diesen Prozess mit ein! Bringen Sie sich und Ihre Erwartungen mit ein! Und wenn alle unabhängig erarbeiteten Fakten auf dem Tisch liegen, dann wird sich dieses Haus wieder mit der Frage beschäftigen und seine Entscheidung zur Umsetzung fällen müssen, denn wir alle gemeinsam, Regierung und Opposition, sind in der Verantwortung, Berlin weiterhin auf einem guten Weg halten und diese spannendste europäische Metropole weiterhin zukunftsfähig aufzustellen, mit den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt unser gutes Zusammenleben zu gestalten, für ein gerechtes, auskömmliches und sicheres Leben in Berlin. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Zu dem Antrag der Fraktion der FDP und der Fraktion der CDU auf Drucksache 18/0558 wird die Überweisung federführend an den Hauptausschuss sowie mitberatend an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien und an den Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.