Protokoll der Sitzung vom 16.11.2017

[Oliver Friederici (CDU): Was?]

Und sonst? – Na, denken Sie mal nach! Auch die Erdbeermarmelade, die Äpfel im Müsli und überhaupt ein Großteil der Dinge, die momentan täglich auf unserem Tisch landen, würden entfallen. Denn die Biene, weil sie auf ihrer Nahrungssuche, die später in der Produktion von Honig endet, Pollen von Blüte zu Blüte weiterträgt, ist die primäre Bestäuberin für über 80 Prozent aller landwirtschaftlichen Nutz- und Wildpflanzen. Das können Sie so in der Form beim NABU nachlesen. Und ich freue mich – steter Tropfen höhlt den Stein –, dass auch Herr Freymark es gerade erwähnt hat: 80 Prozent aller land- und forstwirtschaftlichen Nutzpflanzen!

Der Bienenbestand in Europa ist in den vergangenen Jahren in Europa um etwa 10 Prozent zurückgegangen, allerdings im Land Berlin und um Berlin herum im

(Dr. Turgut Altug)

letzten Winter um über 30 Prozent. Zu wenige Menschen wissen darum. Deswegen freue ich mich, Herr Freymark, dass Sie es wissen, denn ein Fraktionskollege und ehemaliger Senator Ihrer Fraktion weiß es offensichtlich nicht, denn er hat heute bekundet, dass das ein überflüssiger Antrag ist.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Das offenbart mangelndes Wissen, nicht nur hier im Haus, sondern auch in der Stadt. Deshalb wollen wir das Wissen über Bienen nicht nur erhalten, sondern ausbauen und auch stark verbreiten, damit möglichst viele Menschen in dieser Stadt die Bedürfnisse von Bienen in ihrem täglichen Leben berücksichtigen.

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Ja, das ist mal einen Applaus wert. Herr Dr. Altug hat es vorhin angesprochen, und ich glaube, bei Herrn Freymark ist es auch herausgekommen: Es ist eine Frage des Umdenkens, und es braucht nicht viel Geld, sondern es geht einfach darum, dass wir uns mehr Gedanken um unsere Umwelt und um die Dinge machen, die wir brauchen, damit wir überleben können. Deshalb meine Bitte: Lassen Sie uns dieses Thema sehr ernst nehmen, denn wir wollen anders als z. B. in China nicht den Berufsstand des Bestäubers haben. Dort gibt es das schon. Wir wollen Projekte wie „Essbarer Bezirk“ fördern, und wir wollen endlich die Strategie zur biologischen Vielfalt umsetzen, denn das macht nicht nur unsere Ernährung reicher, sondern unsere Kinder und unsere Enkelkinder werden uns das danken. Und zum anderen können wir dann auch weiterhin unsere Honigbrötchen zum Frühstück genießen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der AfD hat jetzt der Abgeordnete Herr Laatsch das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Insbesondere an die Damen und Herren von der Koalition: Es ist gut und wichtig, dass Sie diesen Antrag einbringen. – Ich will das mal plastisch darstellen, damit deutlich wird, mit welcher Unbill die Biene zu kämpfen hat. Da sind zunächst die Pflanzenschutzmittel, die genau genommen Insektentötungsmittel sind. Stellen wir uns vor, wir würden im Supermarkt einkaufen mit dem Wissen, dass dort die Lebensmittel vergiftet sind, und dann diese vergifteten Lebensmittel zu Hause an unsere Säuglinge verfüttern. Auf die Idee käme kein Mensch, aber den Bienen muten wir das zu.

Die Älteren erinnern sich vielleicht noch, dass es früher Wiesen voller blühender Blumen gab. Heute betreiben wir Landschaftspflege und sehen viel Grün. Wir empfinden auch das Grün als nett anzuschauen. Bienen sehen da aber nur Hungersnot, weil Nahrung in Form von Pollen und Nektar nicht mehr vorhanden ist.

Auch der Imker muss lernen, sich und sein Handeln kritisch zu hinterfragen. Der Imker nimmt seinen Bienen den Erfolg ihrer fleißigen Arbeit und bietet ihnen ersatzweise wassergelösten Industriezucker an. Kämen Sie auf die Idee, statt eines Löffels Honig einen Löffel Industriezucker zu sich zu nehmen? – Ich nicht! Der Imker hat es auch gern, wenn sich seine Bienen von ihm widerstandslos berauben lassen. Zu diesem Zweck züchtet er Bienen, die immer sanftmütiger sind. Mittlerweile sind Bienen so sanftmütig, dass viele Imker ganz ohne Schutzkleidung arbeiten. Mit der Sanftmut kommt die Wehrlosigkeit, und mit der Wehrlosigkeit kommt der Parasit. Denn Bienenvölker, die wehrlos sind, werden von Parasiten gnadenlos ausgesaugt. Der Parasit der Biene heißt Varroa. Die Biene ist im Grunde nicht wehrlos gegen die Varroa, denn sie hat einen angeborenen Putztrieb. Wehrhafte Bienenvölker werfen die Varroa aus dem Nest, wenn es sein muss, sogar mit der befallenen Brut. Bienenvölker, die nicht mehr wehrhaft sind, ergeben sich ihrem Schicksal. Sie lassen sich widerstandslos berauben und aussaugen.

Was tut nun der Imker gegen die Varroa? – Er behandelt seine Bienen mit Ameisensäure und im Winter mit Oxalsäure. Das ist ungefähr so, als würden wir in unserer Wohnung ungeschützt sitzenbleiben, während ein Kammerjäger mit Atemschutzmaske unsere Wohnung gegen Ungeziefer behandelt. Ein Imker in den USA sammelt die Völker, die anderen Imkern zu aggressiv sind. Die Varroa-Milbe ist für ihn kein Thema.

Ein weiteres Problem heißt „Amerikanische Faulbrut“. Dabei besteht das Brutnest nur noch aus einer schmierigen Masse, die keinerlei lebende Brut mehr enthält. Hier müssen Imker aufgeklärt und in die Verantwortung genommen werden, denn Bienen haben einen Radius von drei Kilometern. Es wird leicht erkennbar, dass sich bei 1 200 Imkern in Berlin Seuchen leicht verbreiten werden. Ist die Seuche erst ausgebrochen, gibt es keine Alternative zur vollständigen Vernichtung des gesamten Bienenstocks durch Verbrennung. Manche Imker scheuen verständlicherweise diesen Schritt – die einen, weil es ihnen auf der Seele brennt, die anderen, weil sie den Verlust scheuen.

Einige Anmerkungen zu Ihrem Antrag im Detail: Die Einrichtung eines Schulungszentrums für Imker wurde bereits unter dem vorigen Senat am Salzufer eingerichtet. Die selbstkritische Weiterentwicklung der Imker sollte in Ihre Pläne einbezogen werden. Für die Unterbringung von Bienen in Schulen und Kitas muss ein Konzept für die Betreuung während der Ferienzeit und hier besonders

(Andreas Kugler)

der Sommerferien entwickelt werden, denn dies ist die Zeit, in der die Völker voll mit Honig sind und der Wechsel von der Sommer- auf die Winterbiene stattfindet.

Hier geht es nicht darum, Imker zu kritisieren, sondern darum, die Imker einzubeziehen und sie zur Reflexion ihres Handelns anzuregen, denn den Milchbauer regen wir schließlich auch an, sein Milchvieh nicht nur als Einkommensquelle zu sehen und sich seiner Verantwortung für das Leben seiner Tiere bewusst zu werden.

[Beifall bei der AfD]

Deshalb rege ich an, Ihren Antrag zu ergänzen. Die AfD wird diesen Antrag unterstützen. – Danke schön!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Abgeordnete Frau Platta das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte es hier deutlich sagen: Dieser Antrag zur Entwicklung einer berlinweiten Strategie zum Schutz und der Förderung von Bienen ist ein Eingeständnis. Er ist ein Eingeständnis dafür, dass Entwicklungen bei natürlichen Prozessen unserer Lebensmittelproduktion eingetreten sind, die Menschen zu verantworten haben, aber auch für uns Menschen nicht förderlich sind. Während Kinder immer noch glauben, dass Äpfel und Weinbeeren im Supermarkt wachsen, und dieses Thema von einigen hier – Herr Czaja war gutes Beispiel am heutigen Tag – insgesamt für lächerlich und unwürdig für dieses Hohe Haus gehalten wird, treibt gerade dieses Thema viele Menschen um.

Selbstverständlich erwarten diese Menschen praktikable Vorschläge und Antworten aus der Politik. Es ist unsere Aufgabe, Erkenntnisse zu sammeln, Studien zu ermöglichen und dann rechtzeitig steuernd einzugreifen, wenn Ziele nicht anders erreichbar sind. Unsere Koalition stellt sich dieser Aufgabe. Wir können und wollen handeln. Ein weiteres Zuschauen zum Beispiel beim Bienensterben und beim Nahrungsmittelschwund ist nicht zeitgemäß. Für die Bedeutung der Bienen für unsere Ernährung und die Artenvielfalt sowie für die Aktivitäten vieler Imkerinnen und Imker, die in Berlin wirken, ist jetzt schon vieles, auch Lobendes, gesagt worden.

Genauso viel haben wir über die Lebensbedingungen der Bienen in Stadt und Land gehört. Honigbienen begleiten die Menschen schon seit Jahrtausenden. Wenn ein Buch wie „Die Geschichte der Bienen“ im Sommer 2017 die Bestenliste anführt, wurde mit diesem Thema auch ein aktueller Nerv getroffen. Lesen Sie selbst in den Rezensionen zu diesem Buch nach. Es lohnt sich in jedem Fall.

Ich möchte hier eine Bresche für die Wilden unter den geflügelten Bestäubern schlagen und so auch das Interesse bei vegan lebenden Menschen wecken. Wildbienen tragen nicht nur interessante Namen, sie sind auch schon im Frühjahr aktiv, wo die Honigbiene noch zögerlich ist. Ein Beispiel: Mehrere Hundert Mauerbienenarten sind weltweit unterwegs. In Japan stehen sie an erster Stelle unter den bestäubenden Insekten. In unseren Breiten zählt die Rote Mauerbiene zu den häufigsten Wildbienenarten. Ihre Bestäubungsleistung übertrifft nach Studienergebnissen aus diesem Jahrhundert die der Honigbiene bei weitem. Die Rote Mauerbiene zeichnet sich durch ihre besondere Friedfertigkeit aus und ist dadurch auch gut für Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen geeignet.

Mit der Überweisung des Antrag in die Fachausschüsse wollen wir die Möglichkeit nutzen, gegebenenfalls auch in einer Anhörung – ich plädiere dafür – mit Vertretern der Imkereien, der Verwaltung und Biologen Wege in Berlin zu ebnen, die für die Zukunft eine Welt ohne Bienen verhindern wird. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der FDP hat nun der Abgeordnete Herr Schmidt das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir Freien Demokraten sind ganz stolz darauf, dass wir es waren, die in diesem Haus extra eine Anhörung zu dem Bienenthema beantragt haben. Dank dafür noch einmal an meinen Kollegen Marcel Luthe!

[Beifall bei der FDP]

Aus der Anhörung, deren Protokoll ich mir gestern Nacht noch einmal durchgelesen habe, glaube ich, einiges gelernt zu haben. Ich habe leider auch den Eindruck, dass nicht alles, was dort an Erkenntnissen vorgebracht wurde, auch tatsächlich seinen Weg in diesen Antrag gefunden hat. Deshalb vergleiche ich einmal den Antrag mit den Ergebnissen der Anhörung und versuche, die wesentlichen Aussagen mit denen im Antrag gegenüberzustellen.

Wichtig ist auf jeden Fall, dass andere Bestäuber als die Honigbienen, also Wildbienen – dazu gehören auch Hummeln, Schmetterlinge – im Ökosystem extrem wichtig sind, wichtiger übrigens und auch gefährdeter als die Honigbiene. Im Antrag geht es dann aber fast nur, oder sehr stark, um Honigbienen. Da müsste man aus meiner Sicht den Schwerpunkt noch einmal anpassen.

Richtig ist es auch, dass man blühende Flächen mit Wildkräutern auf Brachen zulässt, um die Vielfalt an Insekten

(Harald Laatsch)

und Wildbienen zu erhalten. Das ist für die Biodiversität notwendig.

[Beifall bei der FDP]

Es geht nicht nur um Anpflanzungen, wie es in dem Antrag steht, sondern natürlich auch darum, das wachsen zu lassen, was von allein wächst. Die Natur eignet sich Brachen von ganz allein an, meistens gerade mit den Pflanzen, die auch selten sind. Das muss man vor allem geschehen lassen.

Richtig ist auch, Flächen für das Aufstellen von Bienenstöcken zu sichern, natürlich nicht nur bei landeseigenen Betrieben, sondern idealerweise gerade auch auf Brachflächen, um diese aufzuwerten und dort im Umfeld die Biodiversität zu erhöhen.

Der Antrag zielt auch auf eine Ausweitung der Anzahl der Bienenvölker durch weitere Projekte. Da hat die Anhörung ergeben, dass die Zahl der Bienenvölker schon recht hoch ist und es irgendwie Limits aufgrund der Verfügbarkeit von Nahrung für die Bienen in Berlin gibt.

Bei all diesen Punkten stimmt die Richtung. Ich glaube aber, dass man im Ausschuss noch entsprechende fachliche Anpassungen diskutieren müsste. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie die Anhörung ernster genommen hätten, denn viele der Dinge, die dort stehen, kommen mir eher vor wie das allgemeine Gefühlte der drei Fraktionen zum Thema Bienen als das, was wir dort wirklich fachlich gelernt haben.

[Beifall bei der FDP]

Zusätzlich gibt es Punkte in dem Antrag, die ich für nicht so sinnvoll halte. Das eine ist die Imkerausbildung. Die scheint, anders als im Antrag, gar nicht ein so großes Problem zu sein. In der Anhörung wurde gesagt, dass die Vereine und Verbände eine sehr gute Schulungsarbeit leisten. Ihnen geht es mehr um die Imkerregistrierung, aber das ist etwas anderes. – Herr Altug stellt eine Frage. Die beantworte ich auch gern.

Ja, Herr Dr. Altug! Bei uns ist leider die Technik an der Stelle ausgefallen, aber bitte, Sie haben das Wort.

Das ist kein Problem. Danke, Frau Präsidentin! – Herr Schmidt! Weil Sie ein paar Mal auf diese Anhörung Bezug genommen haben, möchte ich Sie etwas fragen. In dieser Anhörung wurde auch gesagt, dass die Neonicotinoide für die Bienen nicht gefährlich seien. Stimmen Sie dieser Aussage zu? – Danke schön!

In dem Protokoll steht, dass das in der Kombination durchaus eine Wirkung auf die Wildbienen hat, weniger auf die Honigbienen, weil sich die Völker an der Stelle angeblich stärker dagegen wehren können. Aber auch in der Anhörung wurde durchaus gesagt, dass in der Kombination der verschiedenen Pflanzenschutzmittel bei den Wildbienen ein negativer Effekt eintritt. Das ist auch so. An der Stelle ist durchaus etwas zu kritisieren. Da muss man auch vorsichtig sein.

[Beifall bei der FDP]

Zum Thema Faulbrut: Es ist natürlich klar, dass es kein reines Berlin-Thema ist. Es ist ein weltweites Thema. Ich habe gelesen, dass es schon ausreicht, um den Stock der Biene mit der Faulbrut anzustecken, wenn eine Biene in einem Glascontainer in ein Honigglas geht und sich Honig von einem Honig klaut, der von weit her kommt. Es ist natürlich klar, dass wir hier über ein europäisches und weltweites Problem reden, nicht nur über lokale Maßnahmen. Wir müssten dann auch einmal überlegen, wie wir das fassen.

Das, was mich wieder ein bisschen stört, ist dieses typisch Rot-Rot-Grüne. Sie wollen noch ein weiteres Budget für Öffentlichkeitsarbeit zu den vielen Budgets, mit denen Sie den Haushaltsentwurf schon angereichert haben. Meinen Sie wirklich, dass mit größerem Aufwand die Bedeutung von Bienen stärker vermittelt werden muss, zusätzlich zu dem, was schon in der Grundschule und der Öffentlichkeitsarbeit läuft, wie zum Beispiel bei „Berlin summt!“? Ich bin schon ganz froh, dass Sie hier nicht weitere Koordinatorenstellen, Sondergremien und Sonderbeauftragte fordern.