Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

Ich sehe beim Senat zudem so gut wie keinen Ehrgeiz, Berlin vom Subventionsempfänger zum Wohlstandsmotor mit europaweiter Ausstrahlung zu machen. Die Wirtschaftssenatorin setzt einseitig auf Start-ups. Das klingt hip, trendy und irgendwie digital – oder soll ich englisch sagen digital?

[Lachen bei den GRÜNEN – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Dahinter verbirgt sich viel menschlich Fragwürdiges. Mitarbeiter in Start-ups werden oft schlecht bezahlt. Sie müssen bei oft mickrigen Gehältern schlechte Arbeitszeiten rund um die Uhr und am Wochenende akzeptieren. Sie werden schnell gefeuert, tragen das volle unternehmerische Risiko junger Firmen mit, haben kaum Zugang zu einer gewerkschaftlichen Vertretung, können fast nichts für ihre alten Tage zurücklegen, und Frauen werden in diesem Bereich besonders schlecht bezahlt.

[Tobias Schulze (LINKE): Das ist freie Marktwirtschaft!]

Früher haben die linken Parteien immer über amerikanische Verhältnisse geklagt, jetzt reden sie ihnen in den Start-ups das Wort.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Zuruf von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Für uns in der AfD sind Start-ups wohl unvermeidlich, aber auf keinen Fall ein hinreichender Ersatz für gute Arbeitsplätze bei Bombardier, Siemens oder Air Berlin. Dort waren und sind die Arbeitnehmer viel besser gestellt als in den Berliner Start-ups. Siemens sorgt nach wie vor weltweit für mehr Jobs als Apple, Microsoft, Google und Facebook zusammen. Wir benötigen in Berlin nicht nur Jobs im Onlinehandel, bei Pizzalieferanten oder Werbeagenturen, sondern Jobs in der verarbeitenden Industrie.

[Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Bravo!]

Nur so schaffen wir höhere Einkommen. Doch ein Reindustrialisierungskonzept des Senats gibt es nicht – wie auch, wenn Grüne und Linke im Senat sitzen! Für uns in der AfD ist das schlicht zu wenig. Berlin kann mehr, und Berlin muss besser werden. Dazu muss es aber besser und bürgernäher geführt und regiert werden.

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Phrasen! – Zuruf von Hakan Taş (LINKE)]

Ich komme zum Schluss. Der vom Senat vorgelegte Doppelhaushalt für 2018/2019 ist der AfD-Fraktion nicht gut genug für die deutsche Hauptstadt. Er ist zu wenig solide,

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

zu wenig bürgernah, zu wenig orientiert am Gemeinwohl und an Wohlstand für alle, vor allem aber zu wenig auf eine nachhaltige Zukunft in Wohlstand ausgerichtet. Die AfD-Fraktion wird den Doppelhaushalt 2018/2019 deshalb ablehnen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Zurufe von der LINKEN – Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Kollegin Kapek das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Jahr Rot-Rot-Grün und der neue Doppelhaushalt – zu beidem passt meines Erachtens nach ein wunderschönes Zitat von Lao Tse:

Fürchte dich nicht vor Veränderungen, sondern vor dem Stillstand!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Darum AfD! – Stefan Franz Kerker (AfD): Oh ja!]

Berlin ist etwas Besonderes, aber Jahrzehnte des Stillstands haben an seinem Fundament genagt. Mit dem vorliegenden Doppelhaushalt haben wir erstmals die Kehrtwende dazu eingeleitet. Wir planen neu, wir nehmen ordentlich Geld in die Hand,

[Zuruf von Sibylle Meister (FDP)]

und wir stellen Personal für die Umsetzung ein. Aber allen – auch Ihnen –, die sich über zu wenig sichtbare Erfolge nach einem Jahr R2G beschweren, sei noch einmal deutlich gesagt: Was seit Jahrzehnten brachliegt, lässt sich nicht in zwölf Monaten heilen.

[Paul Fresdorf (FDP): 28 Jahre SPD!]

Wir können nämlich nicht zaubern, zumindest noch nicht.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Aber wir können ackern, und genau das tun wir.

Deshalb starten wir auch eine Investitionsoffensive und tilgen zugleich Schulden, beides, Herr Graf, in einem nie gekannten Umfang. Dass Sie, Herr Graf, immer noch meckern, obwohl wir endlich das Ruder herumgerissen haben, beweist vor allem eins:

[Heiko Melzer (CDU): Sie rudern überhaupt nicht, Sie strampeln!]

Sie waren die Partei, die während der rot-schwarzen Koalition verantwortlich für den Stillstand war. Schlimmer noch, Sie propagieren diesen Stillstand sogar noch in der Opposition. Das, lieber Herr Graf, ist kein Grund zum Feiern.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Heiko Melzer (CDU): Da sieht man mal, wie viel Ahnung Sie davon haben!]

Vielleicht noch eine kleine grüne Nachhilfestunde: Der BER steht deshalb nicht im Haushalt, weil er genug Geld hat.

[Zurufe von Heiko Melzer (CDU) und Florian Swyter (FDP)]

Wenn Sie hier über den Lärmschutz sprechen wollen, muss man sagen: Der Lärmschutz wird von der FBB gezahlt, und das ist auch gut so.

[Heiko Melzer (CDU): Wann eröffnet denn der BER eigentlich, Frau Kapek?]

So viel zu Ihrer Haushaltskompetenz!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Sie reden gerne von Schuldentilgung, aber schauen wir uns den Berliner Schuldenberg doch mal genauer an. Ja, es gibt die 59 Milliarden Euro an bekannten Schulden. Es gibt – zweitens – Milliarden von Schulden auf Straßen, in Schulen und Krankenhäusern, die durch vernachlässigte Infrastruktur angehäuft wurden. Und dann, Herr Graf,

(Georg Pazderski)

gibt es noch die Form von Schulden, die durch zu niedrige Bezahlung im öffentlichen Dienst in den letzten Jahren verursacht wurden. Alles müssen wir zurückzahlen, und für einen großen Teil tragen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, große Mitverantwortung.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Und selbst wenn Herr „Doktor“ Graf

[Heiterkeit bei den GRÜNEN]

gerade in seiner Rede den ultimativen Regierungsgedächtnisverlust demonstriert hat: Statt sinnvolle Lösungen anzubieten, fordern Sie eine nicht seriös finanzierte Erhöhung der Beamtenbesoldung – ein Widerspruch nicht nur, wie Frau Bluhm ihn bereits dargestellt hat, sondern auch ein Widerspruch zur geforderten Schuldentilgung. Vor allem aber auch ein Armutszeugnis für Ihre Finanzpolitik.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Wir haben auch in der Opposition den Anspruch gehabt, solide und durchgerechnete Finanzpolitik vorzulegen.

[Heiko Melzer (CDU): Alles gegenfinanziert!]

Sie machen nur Populismus.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Heiko Melzer (CDU): So ein Quatsch!]

Zum Schluss noch eine Bemerkung als Grüne.

[Florian Graf (CDU): Oh!]

Ja, wir sprechen von unserer geilen Truppe. Das tun wir gerne. Sie sprechen lieber von süßen kleinen Mäusen. Was jetzt schlimmer ist, das können Sie selbst beantworten, Herr Graf!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU]