Protokoll der Sitzung vom 11.01.2018

[Torsten Schneider (SPD): Ihnen bestimmt!]

Aber schauen wir uns das Bild vor Ort an. Die Umstände dort sind äußerst mysteriös. Um ehrlich zu sein, „Pleiten, Pech und Pannen“ fasst es ganz gut zusammen. In der Werkstatt sollen rund sieben Wärter regelmäßig eingesetzt sein und auf um die 20 Gefangene aufpassen. Am Tag des Ausbruchs waren allerdings nur drei Wärter vorhanden. Das ist schon mal eine Unterbesetzung. Der Rest war krank oder im Urlaub. Auch weitere Ungereimtheiten bleiben bestehen. Besondere Arbeitsgeräte wie die beiden Flex, der Vorschlaghammer und die Hydraulikpresse werden eigentlich nur für besondere Arbeiten herausgegeben. Normalerweise werden diese Arbeiten unter Anleitung auch überwacht – normalerweise!

[Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Stattdessen wurden diese Werkzeuge für den Ausbruch benutzt.

Fragen bleiben auch offen bezüglich des Heizungsraums. War die Tür zum Heizungsraum nicht abgeschlossen? – Nein, war sie nicht. Warum nicht? – Wissen wir nicht. Wie konnten die Gefangenen die Gitter zum Lüftungsschacht ungestört abmontieren, eine Stahlstrebe zerflexen sowie Betonstücke heraushämmern? Das Ganze hat weit über eine Stunde gedauert, und niemand will irgendetwas bemerkt haben. Auch schön ist die Frage: Woher wussten die Gefangenen von dem Lüftungsschacht im Heizungsraum? Dieser ist nur von außen einsehbar, es sei denn, man hat Kenntnis über den Lageplan des Gefängnisses. Warum wurde erst eine halbe Stunde, nachdem der Ausbruchsplan von einem Gefangenen gemeldet wurde, vom Leiter der Kfz-Werkstatt Alarm gegeben? Warum konnten die beiden Wachleute in der Alarmzentrale, die die Kameras im Außenbereich im Blick haben sollten, das Entweichen der Gefangenen – obwohl es hell war – nicht entdecken und Alarm schlagen? Die Zentrale soll im

Übrigen die Wachtürme ersetzen, welche nur noch historischen Wert zu haben scheinen.

Man könnte jetzt natürlich sagen, Fehler passieren, kein Gefängnis der Welt ist zu 100 Prozent ausbruchssicher.

[Holger Krestel (FDP): Ja, shit happens!]

Die Situation in Berlin lässt sich aber nicht alleine darauf zurückführen. Ich weiß, ich fange langsam an, mich zu wiederholen, aber die Ursache und die politische Verantwortung für diese Missstände liegen beim Justizsenator selbst.

[Beifall bei der AfD]

Dieser setzte seine Arbeitsschwerpunkte, sein Augenmerk und seine kostbare Arbeitszeit im vergangenen Jahr auf komplett nebensächliche Problemfelder. Wichtig sind ihm der Kampf gegen Rechts, Gefängnisrestaurants, Unisextoiletten, die Schweinezucht, Internet und Tablets für Gefangene in Haftanstalten sowie der Ausbau des offenen Vollzugs und umfassende Resozialisierung – wir haben es gerade gehört – von Gefangenen innerhalb der Haft, die einen Unterschied zwischen Freiheit und Haft nach Möglichkeit nicht mehr erkennen lässt.

[Ronald Gläser (AfD): Kommt sicher! – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Nicht ganz so wichtig sind ihm die hohen Einstellungszahlen von Verfahren bei den Staatsanwaltschaften, die überlasteten Verwaltungsgerichte, ausreichendes Personal beim Justizvollzug, gute Bezahlung im Justizwesen, Respekt von potenziellen Straftätern vor Justiz und Haftstrafen sowie gesicherte Haftanstalten, aus denen man nicht flüchten kann.

Fazit: Der Justizsenator ist nach über einem Jahr Amtszeit bereits gescheitert. Seine Entschuldigungsversuche, dass der vorherige Justizsenator auch bereits schuld an den Missständen sei, sind nur Ablenkungsmanöver von den eigenen Unzulänglichkeiten.

[Zuruf von Sven Rissmann (CDU)]

Und wie reagieren Bürgermeister Müller und der Senat auf diesen Fall? – Er tut, was er immer tut: relativieren, ausweichen. Es wird eine kleine Rüge ohne jegliche Konsequenzen erteilt. Politische Verantwortung wird wie üblich nicht übernommen.

[Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Die Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales Frau Breitenbach sagte vorgestern, Herr Dr. Behrendt habe sich von Anfang an sehr bemüht, die Hintergründe zu erklären. Jeder, der mal ein Arbeitszeugnis gelesen hat, in dem steht: Der Mitarbeiter war stets bemüht –, kann sich ungefähr ausmalen, wie man die Arbeit des Justizsenators zu bewerten hat.

[Beifall und Heiterkeit bei der AfD]

Diesem Justizsenator kann keine Verantwortung übertragen werden.

Ich habe aber noch eine These, warum der Bürgermeister an Herrn Dr. Behrendt festhält. Die Personaldecke für qualifiziertes Personal ist bei Rot-Rot-Grün derart dünn, das hat Herr Kohlmeier gerade selbst ausgeführt,

[Beifall und Heiterkeit bei der AfD – Zurufe von der LINKEN]

dass Sie niemanden haben, der einen hochkomplexen Justizapparat effektiv gestalten, leiten oder führen könnte. Selbst wenn Herr Dr. Behrend zurücktreten würde, hätten Sie gar keine Alternative – Sie haben es selbst gesagt: Sie würden es auch nicht machen wollen. Niemand würde es bei Ihnen machen wollen.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Was?]

Das ist doch ein Armutszeugnis! Das ist eine Kapitulationserklärung! Berlin wird von unfähigen Traumtänzern und Amateuren regiert, die außer blumigen Floskeln wenig zu bieten haben.

[Beifall und Heiterkeit bei der AfD – Heiterkeit bei der CDU und der FDP]

Ich kann den Berliner Wähler nur beknien, dass er Ihnen dafür bei der nächsten Wahl eine klare Quittung erteilen wird.

[Beifall bei der AfD – Torsten Schneider (SPD): Das ist Klamauk, was Sie machen!]

Bis dahin haben wir als AfD-Fraktion allerdings noch klare Forderungen an den Justizsenator. Zurücktreten wäre zuerst einmal natürlich ganz gut, aber das erwarten wir schon gar nicht mehr. Insofern – erstens: Die Gefangenen, die aus dem offenen Vollzug entwichen oder der Haft ferngeblieben sind, müssen aufs Schärfste mit Disziplinarmaßnahmen belegt und unverzüglich in den geschlossenen Vollzug verbracht werden.

Zweitens: Haftbereiche wie Werkstätten und andere Bereiche, in denen Gefangene sich außerhalb ihrer Zellen frei bewegen können, in denen aufgrund von Krankheit oder Stellenunterbesetzung nicht die Sollstärke von Wärtern erreicht werden kann, sind unverzüglich zu schließen und solange nicht zu betreiben, bis die Missstände behoben sind.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Allein die Wortwahl!]

Drittens: Sollten die Haftanstalten des geschlossenen Vollzugs räumlich nicht mehr ausreichen, so fordern wir den Neubau eines weiteren modernen Hochsicherheitsgefängnisses in Berlin.

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Viertens: Die Kameraüberwachung im Außenbereich muss zwingend flächendeckend alarmgesteuert sein,

andernfalls sind die Wachtürme wieder in Betrieb zu nehmen.

Fünftens: restlose Aufklärung der Vorfälle, insbesondere gerade auch eine straf- und disziplinarrechtliche Prüfung gegenüber der Anstaltsleitung und möglicher Versäumnisse innerhalb der Anstalt.

Zu guter Letzt: regelmäßige Berichte über den Fortschritt im Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses und nicht gegenüber der „Morgenpost“.

Also dann – frisch ans Werk, hopphopp!

[Heiterkeit bei der AfD]

Wir wollen Ergebnisse sehen, denn sollten diese nicht erfolgen, werden wir unsere Rücktrittsforderung gegen den Justizsenator aufrechterhalten und: Wir haben noch andere Mittel, um die Missstände im Justizbereich aufzuklären,

[Steffen Zillich (LINKE): Ach! – Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN]

sollte dies erforderlich werden. Ich denke da etwa auch an einen Untersuchungsausschuss.

[Oh! von der LINKEN und den GRÜNEN – Lachen bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Sie sind jetzt in der Pflicht zu liefern. Das sind Sie auch den Berlinern schuldig. Wir werden das begleiten und beobachten und natürlich öffentlich machen. Machen Sie sich da keine Sorgen, wir sind also Opposition hier und da. Wir sind präsent, und wir hauen Ihnen auf die Finger. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Anja Kofbinger (GRÜNE): Wir hauen Ihnen auf die Finger! Kriegen aber die eigenen Leute nicht in den Griff!]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Kollege Schlüsselburg das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste!

Zweitens werden wir unmittelbar untersuchen und dann kurz-, mittel- und langfristig umsetzen …, wie wir die Sicherheitsstandards verbessern können, wie wir Systeme und Abläufe untersuchen, wie wir die Bedingungen für die Mitarbeiter und die Führungskultur … untersuchen und gegebenenfalls verbessern.

(Marc Vallendar)

Die Abläufe des Ausbruchs wirkten kurios und erforderten die Befassung der Verantwortlichen, in der Verwaltung aufzuklären, wie dies habe geschehen können. Im Kern gehe es um eine Prüfung, ob die Sicherungsmaßnahmen in der Justizvollzugsanstalt grundsätzlich ausreichend seien.

Diese Sätze stammen nicht von mir. Der erste Teil stammt von Ex-Senator Heilmann am 22. Mai 2014 in der Fragestunde hier im Hause zu dem damaligen Ausbruch aus der JVA Moabit, der zweite Teil vom Kollegen Rissmann – CDU – in der Sitzung des Rechtsausschusses am 28. Mai 2014 zum selben Thema.