Protokoll der Sitzung vom 08.03.2018

Die Stellungnahmen im Rat der Bürgermeister reichen von kompletter Ablehnung bis zu „In der Richtung ja okay, aber jedenfalls nicht so“. Die Bezirke lehnen also den Entwurf rundweg ab, oder sie verlangen deutliche Änderungen. Sie haben da als Senat eine kräftige Klatsche von den Bezirken bekommen, und zwar völlig unabhängig von deren parteipolitischer Verortung.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Schau mal an!]

Wenn der letzte Fan, den Sie noch haben, Herr Wolf, die IHK ist, die aufgrund ihrer Struktur dazu neigt, jeden Senat zu bejubeln, egal, wer da regiert,

[Heiterkeit bei der FDP]

dann sind Sie wirklich auf den Hund gekommen, dann haben Sie wirklich kaum noch Freunde in dieser Stadt.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Torso. Es ist im Grunde ein Rad- und ÖPNV-Gesetz, an das, auf Einwirken der Wirtschaftsvertreter, schon mal ein paar Absätze

(Harald Wolf)

zum Wirtschaftsverkehr getackert wurden – die wirklich wichtig und vernünftig sind, das stimmt –, aber das Gesetz ist kein Gesetz aus einem Guss. Wesentliche Teile zum Wirtschaftsverkehr, zur innovativen Mobilität, zum Fußverkehr werden versprochen – das hat auch Frau Kapek heute wieder getan – und sollen irgendwann später einmal nachgereicht werden. Wir sollen also ein Gesetz beschließen, das unfertig ist, dessen interne Balance wir nicht kennen. Das ist für das Abgeordnetenhaus die Katze im Sack.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Christian Gräff (CDU): Pfui!]

Dieses Vorgehen wurde ja gewählt, weil man dem Druck der Radfahrerlobby, dem Radvolksentscheid nicht standhalten konnte, sondern überhastet jetzt einfach mal den Radverkehrsteil liefern wollte. Deshalb hat man große Teile dessen, was im Mobilitätsgesetz später mal stehen soll, auf später vertagt und legt uns heute ein derart unfertiges, stückwerkhaftes Gesetz vor.

Der Gesetzentwurf wird ja auch in der Öffentlichkeit als reines Radgesetz aufgenommen. Herr Schopf! Das ist keine Verschwörungstheorie der Opposition. „Der Tagesspiegel“ titelte am 20. Februar: „Senat beschließt Radgesetz“, eben nicht Mobilitätsgesetz. So kommt das eben in der Öffentlichkeit an.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Kristian Ronneburg (LINKE)]

Dieses Vorgehen erzeugt auch die Struktur des Gesetzes, das eine Aufteilung nach Verkehrsträgern hat, ganz abgesehen davon, dass ein wichtiger Verkehrsträger – das Auto – gar nicht berücksichtigt werden soll. Allein diese Aufteilung sorgt schon dafür, dass der Anspruch eines umfassenden Mobilitätsgesetzes verfehlt wird. Diese Aufteilung nach Sparten schafft Probleme, gerade bei der zukunftsgerichteten Intermodalität. Übergreifende Mobilitätsbedürfnisse, integrierter Verkehr werden durch diese Aufteilung in Verkehrsträger ausgeblendet und erschwert. Das passt nicht zusammen. Das ist und bleibt unausgewogen.

Das Gesetz ist auch handwerklich nicht gut gemacht.

[Zuruf von der AfD: Hört, hört!]

Da stehen z. B. Prüfaufträge drin. Der Senat möge mal etwas zum ÖPNV-Tarifsystem prüfen. Was hat denn so was in einem Gesetz zu suchen?

[Beifall bei der FDP]

Da stehen quantitative Vorgaben zu Zeiten, zu Streckenlängen, die ganz tief in Verwaltungshandeln eingreifen, die dem Haushaltsgesetzgeber vorgreifen, teilweise auch sehr tief in die bezirklichen Zuständigkeiten eingreifen. Das sind alles Punkte, die die Innenverwaltung schon beim Entwurf des Radvolksentscheids als problematisch eingestuft hatte, aber diese Punkte stehen jetzt wieder im

Gesetzentwurf. Das ist undurchdacht, und das ist handwerklich wirklich schlecht gemacht.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Kurt Wansner (CDU)]

Um mal aus Stellungnahmen der Bezirke zu zitieren, um das Gesetz einzustufen – da wurde gesagt:

Die Ziele des Gesetzes sind ideell und nicht erreichbar.

Das bedeutet also, das ist Wunschdenken.

Die Ziele des Gesetzes widersprechen anderen übergeordneten Gesetzen, z. B. der Straßenverkehrsordnung.

Das bedeutet also, sie sind undurchführbar.

Die Zielformulierungen sind wenig konkret, teils widersprüchlich und bevorzugen eine Verkehrsart

den Radverkehr –

unangemessen.

Genauso ist es. Diese gemeinte besondere Privilegierung des Radverkehrs ist ein Fehler. Richtig ist natürlich: Man muss die Radverkehrsanlagen ausbauen, Radschnellwege aufbauen, gefährliche Kreuzungen entschärfen, Fahrradparkplätze einrichten. Da sind wir Freien Demokraten auch dabei. Aber zum Beispiel, wie das Gesetz es fordert, Radwege in allen Hauptstraßen einzurichten, absolut allen, ist nicht zielführend. Stattdessen sollte doch das Radwegenetz bedarfsgerecht nach den Bedürfnissen der Radfahrer ausgebaut werden und nicht entlang vorgegebener Trassen des Autoverkehrs. Deshalb muss ein leistungsfähiges Radnetz besser mit dem Nebenstraßennetz und mit ganz eigenen Trassen gedacht werden.

[Beifall bei der FDP]

Nun auch in jedem Bezirk gesonderte Radplanungsstellen vorzugeben und sogenannte Fahrräte auf Bezirks- und Landesebene zu errichten, in denen sich dann einseitig die Fahrradlobbyisten tummeln dürfen – doch, das sind dann Lobbyisten, Herr Wolf, auch wenn sie vielleicht vom Staat bezahlt werden und nicht ihre eigenen Anwälte bezahlen –, das widerspricht doch einer ganzheitlichen Sicht auf die Mobilitätsbedürfnisse unserer Bürgerinnen und Bürger, das gefährdet doch ein übergreifendes Mobilitätshandeln. Wenn schon Beiräte, könnte man ja über Mobilitätsbeiräte reden, die sich z. B. auch mit dem Fuß- und Wirtschaftsverkehr beschäftigen.

Der Kern von Mobilitätspolitik ist, verschiedene Bedürfnisse und Interessen auszugleichen und nicht eine Gruppe von Verkehrsteilnehmern einseitig zu privilegieren. Das gab es schon mal mit der autogerechten Stadt der Sechzigerjahre. Wir brauchen den Fehler aber nicht noch mal zu wiederholen, indem wir andere einseitig bevorzugen. Einseitigkeit schafft Probleme und löst sie beim Verkehr nicht.

[Beifall bei der FDP]

Noch ein Beispiel für die übertriebene Privilegierung des Radverkehrs – das steht im Gesetz, ich zitiere:

Bei jeder Planung und Baumaßnahme des Landes Berlin müssen die Bedürfnisse des Radverkehrs für künftige Planungen berücksichtigt werden.

Das heißt also, sobald Sie eine Elektroladestation, einen Fußgängerüberweg – da steht ja nicht „Planungen für Verkehr“ –, sobald Sie ein öffentliches Gebäude, eine Grünfläche oder eine Schule bauen, muss immer gleich der Radverkehr berücksichtigt werden, wird eine formale Abwägung erfolgen, die dann gerichtlich angreifbar ist. Das geht doch sicher zu weit. Das verzögert jedes einzelne öffentliche Bauvorhaben in dieser Stadt.

[Holger Krestel (FDP): Sehr richtig!]

Wie die einzelnen Teile und die vielen vorgesehenen Planwerke dann am Ende überhaupt miteinander zusammenpassen, ist unklar. Diverse Zielkonflikte sind in dieses Gesetz von Vornherein eingebaut. Das zeigt das Gesetz selbst. Sie haben da zwei Paragrafen drin: § 23 – Bewältigung von Konfliktlagen zwischen verschiedenen Planwerken – und § 24 – Bewältigung von Konfliktlagen bei der Umsetzung von Maßnahmen –. Die vielen einzelnen Planwerke führen dazu, dass es extra ausführliche Bestimmungen zur Konfliktregelung geben muss.

Das sind Konflikte, die teilweise erst durch die Regelungen des Gesetzentwurfes geschaffen werden. Es gibt Vorrangnetze für Rad und ÖPNV, eine besondere Bevorzugung des ÖPNV außerhalb der Vorrangnetze, und alle haben irgendwie Vorrang außer den bösen Autos, die immer hintanstehen und im Gesetz sowieso ausgeklammert werden. Untereinander haben doch auch Rad und ÖPNV Konflikte, man denke nur an Radunfälle in Straßenbahnschienen, und beide gemeinsam wiederum Konflikte mit dem Fußverkehr. Diese Fixierung auf den Kampf gegen das Auto vergisst, dass die Privilegierung des Radverkehrs eben auch eine Benachteiligung des Fußverkehrs für mobilitätseingeschränkte Personen ist.

[Beifall bei der FDP]

Das ist anders, als Frau Kapek das dargestellt hat. Interessanterweise sagen es auch die Bezirke. Der Fußverkehr soll aber erst später ins Gesetz kommen und wird zurückgestellt.

Dann gibt es noch Konflikte mit Grün- und Baumschutz. Das hat der NABU schon herausgestellt. Das ist ein ernsthaftes Thema. Wir haben an verschiedenen Stellen in der Stadt bereits solche Konflikte. Mehr Radverkehr ist allgemein gut für die Umwelt, aber Grünanlagen und Bäume sind die Umwelt, und wenn diese für Radwege gerodet und zuasphaltiert werden, ist das nicht nur schwer vermittelbar, sondern auch eine Umkehrung der Prioritäten.

[Beifall bei der FDP]

Dieser Konflikt wird nicht oder noch nicht im Gesetzentwurf geregelt, was dann in der Konsequenz bedeutet: Bäume roden für Radschnellwege ohne weitere Zielabwägung.

Ein weiterer, ganz wesentlicher Zielkonflikt der Flächennutzung wird ausgeklammert, der ruhende Verkehr, also das Parken. Im Gesetzentwurf steht, dass der fließende Verkehr Vorrang hat. Das ist nicht falsch, aber irgendwie muss der fließende Verkehr ja auch mal das Fahrzeug abstellen. Er kann ja nicht 24 Stunden im Kreis fahren. In diesem Bereich besteht eine ganz entscheidende Flächenkonkurrenz, die dringend geregelt werden muss. Zahlreiche Parkplätze werden jetzt für den im Gesetz vorgesehenen Radwegebau in den Hauptstraßen entfallen. Der RBB schätzt diese Zahl auf 50 000 bis 60 000. Auch hier muss eine Abwägung stattfinden, Lösungen entwickelt werden. Wir können doch nicht in dieser Größenordnung Parkplätze wegrupfen und einfach abwarten, was dann passiert. Wie das die Anwohner finden, hat ja der Regierende Bürgermeister als Betroffener in seiner eigenen Wohnstraße am eigenen Leibe erlebt.

[Zuruf von Andreas Otto (GRÜNE)]

Der vorliegende Gesetzentwurf ist deshalb ein halbfertiger Torso. Er überprivilegiert den Radverkehr, auch gegenüber den Fußgängern. Er ist voll von Zielkonflikten, die nicht gelöst werden, sondern durch den Gesetzentwurf erst verursacht werden. Er ist handwerklich schlecht gemacht. Er ist mit übergeordnetem Recht nicht vereinbar. Er ist deshalb ein wirklich schlechter Entwurf, der zurückgezogen und komplett überarbeitet werden müsste.

[Beifall bei der FDP und der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Wir Freien Demokraten werden auf jeden Fall eine große Zahl von Änderungsanträgen einbringen und die Fehler dieses Gesetzentwurfes in den Ausschussberatungen deutlich machen und zu korrigieren versuchen. Besser wäre es aber, Sie würden ihn ganz zurückziehen und noch mal komplett überarbeiten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]