Protokoll der Sitzung vom 22.03.2018

Ich rufe also auf die Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel I und II – Drucksache 18/0505 Neu – sowie die Überschrift, die Einleitung und die Artikel I und II – Drucksache 18/0815.

Nun beginnen wir mit der Beratung. In der Beratung beginnt die Fraktion der SPD. Hier hat das Wort die Abgeordnete Frau Spranger. – Bitte schön!

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Mit der heutigen Verabschiedung des Gesetzes einschließlich unseres Änderungsantrags werden die bisherigen Regelungen, die wir schon in der letzten Wahlperiode unter Rot-Schwarz beschlossen haben, in erster Linie mit dem Ziel eines verbesserten Schutzes von vorhandenem Wohnraum konkretisiert und ergänzt.

Berlin ist interessant, Berlin ist attraktiv. Das haben wir an dieser Stelle schon mehrmals gesagt. Ein wichtiges Instrument zur Sicherung von vorhandenem Wohnraum ist das Zweckentfremdungsverbotsgesetz. Über 8 000 Wohnungen, die dem Wohnungsmarkt zurückgeführt worden sind, zeigen, dass wir es richtig gemacht haben.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir halten das Zweckentfremdungsverbotsgesetz für ein wirksames und rechtlich wie verfassungsmäßig zulässiges Instrument. Die Auswertungen des Deutschen Städtetages – nachzulesen in dessen Informationen – geben uns dazu recht.

Ich will nun kurz einige wesentliche Änderungen des Gesetzentwurfs beziehungsweise unseres Änderungsantrags ausführen. Die Koalition hält an der Genehmigungspflicht fest und führt zudem eine Registrierungspflicht ein. Um gleich Missverständnissen vorzubeugen: Es ist weiterhin selbstverständlich zulässig, seine Wohnung auch Dritten zu überlassen. Auch das sogenannte Homesharing ist weiterhin möglich. Im Gegenteil, es wird für private Anbieter sogar flexibler gestaltet.

Bei den Zweit- bzw. Nebenwohnungen wird die Möglichkeit, diese als Ferienwohnungen zu vermieten, auf 90 Tage eingeschränkt. Damit soll natürlich dem spekulativen Trend entgegengewirkt werden, dass Wohnungen in Berlin auch zu weit überhöhten Preisen gekauft und durch das Vermieten als Ferienwohnungen mit hohen Renditen schnell abbezahlt werden können. Dieser Wohnraum steht aber den Berlinerinnen und Berlinern ebenfalls als dauerhafter Wohnraum nicht mehr zur Verfügung. Deshalb finden wir diese Regelung richtig.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Bestehender Wohnraum wird künftig vor Abriss und spekulativem Leerstand stärker geschützt. Nur wenn

neuer Wohnraum grundsätzlich im gleichen Bezirk und mit vergleichbaren Mietpreisen geschaffen wird, soll dieser als Ersatzwohnraum anerkannt werden. Eine richtige Entscheidung!

Um wiederholte bzw. hartnäckige Verstöße gegen das Gesetz schlagkräftig ahnden zu können, wird ein sogenanntes Treuhändermodell eingeführt. Gedacht als letztes Sanktionsmittel soll notfalls ein Treuhänder für die entsprechenden Wohnungen oder Gebäude eingesetzt werden, um für die Sicherung der Wohnungsnutzung zu sorgen.

Die Geldbußen werden erhöht. Der Abriss spekulativen Leerstands oder illegale Ferienwohnungen sind oft so profitabel, dass die bisher verhängten Geldstrafen keine ausreichende Abschreckungswirkung entfaltet haben.

Wir regeln mit dem neuen Gesetz die Abschaffung der Genehmigungsfiktion. Diese Regelung sah vor, dass Genehmigungen für Ferienwohnungen automatisch als erteilt galten, wenn die Bezirksämter nicht binnen einer relativ kurzen Frist widersprochen haben.

Soziale Träger, die den Wohnraum für Ausbildungs-, Erziehungs-, Betreuungs-, soziale, kulturelle, kirchliche, gemeinnützige und gesundheitliche Zwecke nutzen, sind uns natürlich wichtig. Darum will ich erwähnen, dass wir mit dem nachgereichten Änderungsantrag zur Beschlussempfehlung den besonderen Anforderungen u. a. von sozialen Einrichtungen Rechnung tragen, indem künftig Ausnahmen vom Genehmigungserfordernis oder andere Erleichterungen zulässig sind, sofern diese im öffentlichen Interesse liegen und ein dringender Bedarf festgestellt wird. Natürlich sollte sichergestellt werden – das will ich hier auch anmerken –, dass die Anträge der sozialen Träger auf Genehmigung vorrangig und schnell bearbeitet werden.

Insgesamt schaffen die gesetzlichen Neuregelungen mehr Wohnraumschutz und sind gleichzeitig ausgewogen im Hinblick auf zeitgemäße Lebens- und Nutzungsanforderungen in der weltoffenen Metropole Berlin. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Gräff. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Grundsätzlich teilen wir Überlegungen von 2003. Ich möchte noch mal darauf zurückkommen, wie das Gesetz entstanden ist, nämlich aus einem Phäno

men nicht weit von hier entfernt, nicht nur hier, aber insbesondere in Berlin-Mitte massenweise und in Friedrichshain-Kreuzberg Wohnungen zweckentfremdet wurden und wahrscheinlich zum Teil jedenfalls, nachdem was wir hören, heute noch werden.

Unser Ansatz – den werden wir in wenigen Wochen hier auch besprechen – allerdings wäre eine gesamthafte Überarbeitung aller drei Komplexe gewesen, nämlich derjenigen Wohnungen, die in der Tat ausschließlich als Ferienwohnungen angeschafft wurden und wahrscheinlich auch angeschafft werden, das Thema Homesharing ist schon von Kollegin Spranger genannt worden, und die gewerbliche Nutzung neu zu regeln, also gesamthaft das Gesetz anzufassen. Dem ist leider die Koalition nicht nachgekommen.

Was wir ausdrücklich missbilligen, und mir ist, ehrlich gesagt, auch überhaupt nicht erkenntlich, warum die Koalitionsfraktionen und die Senatsverwaltung darauf nicht eingegangen sind und hier dezidiert sagen: Wir warten einfach mal ein Verfassungsgerichtsurteil ab. – Das OVG hat bereits geurteilt, dass die Rückwirkung höchst zweifelhaft ist. Das sagte sogar der Berliner Mieterverein in der Anhörung. Insofern fordern wir Sie von hier aus noch mal auf, ein Moratorium einzurichten und diese Rückwirkung herauszunehmen, weil es dezidiert – und ich glaube, das wird das Gericht am Ende feststellen – verfassungswidrig ist, was Sie dort tun.

[Beifall bei der CDU]

Was ich mir als Außenbezirkler gewünscht hätte, ist, dass es eine eben nicht berlineinheitliche Regelung gibt. Wir haben ja in unseren Gesetzesvorschlag aufgenommen, dass die Bezirke selbst entscheiden können, weil es unterschiedliche Bedarfe gibt. Beispielsweise haben wir in bestimmten Außenbezirken ganz wenige Ferienwohnungen. Ein Bezirk wie Marzahn-Hellersdorf, der mit Abstand die geringste Bettenanzahl in ganz Berlin hat, da freuen sich die Genossenschaften und Wohnungsbaugesellschaften über die wenigen Ferienwohnungen, die sie haben. Da hätten Sie das Gesetz flexibler machen können. Auch dafür machen wir einen besseren Vorschlag mit unserem gesamthaften Gesetzentwurf.

[Daniel Buchholz (SPD): Das Gesetz ist flexibel!]

Das ist mit Sicherheit ein Punkt, über den man diskutieren kann: Was wir für falsch halten, ist der zeitliche Ansatz beim Thema Homesharing. Das ist mit Sicherheit aber ein Punkt, wo jeder seine eigene Auffassung hat. Sind es 30 Tage im Jahr? Sind es 60? Sind es 90? Sind es 180, wie von den Freien Demokraten vorgeschlagen? Oder wie bei uns ein wesentlich längerer Zeitraum? Es ist mit Sicherheit etwas, das auch unterschiedlich bewertet und zwischen allen Fraktionen diskutiert werden kann.

[Zuruf von Iris Spranger (SPD)]

(Iris Spranger)

Was wir überhaupt nicht akzeptieren können und was nicht nachvollziehbar ist, da haben Sie jetzt kurzfristig – ich will mich mal ganz höflich ausdrücken – Änderungen vorgelegt, ist das Thema der gewerblichen und sozialen Nutzer. Das würden wir viel weiter fassen. Hier wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

[Beifall bei der CDU]

Völlig unangemessen aus unserer Sicht! Da hätte man nichts vertan, wenn man es anders und großzügiger geregelt hätte.

Zum Thema „unangemessen“ möchte ich an der Stelle noch sagen: Ich glaube, dass das, was Sie an Ordnungswidrigkeiten vorgesehen haben, übrigens auch völlig unangemessen ist. Das sagen nicht nur Verbände, die möglicherweise der Wohnungswirtschaft nahestehen, sondern auch Verbände, die sich mit anderen Dingen beschäftigen, dass das, was Sie an Höhe der Ordnungswidrigkeiten vorgesehen haben, völlig unangemessen ist, auch zu dem, was an Wirtschaftlichkeit, selbst wenn es denn eine Ferienwohnung ist, gegenübersteht.

Gestatten Sie – –

Nein, vielen Dank, keine Zwischenfragen, Frau Präsidentin!

Generell keine?

Generell keine! Ich glaube, das können Sie gerne noch in einem Statement deutlich machen. – Letzte Bemerkung zum Thema Treuhänder: Da zitiere ich mal aus einer Stellungnahme eines von Ihnen dominierten Bezirkes:

Die rechtlichen und finanziellen Risiken, die mit diesem Gesetzesantrag, mit dieser Gesetzesnovelle mit einhergehen für das Land Berlin, sind immens.

Ziehen Sie das zurück! Lassen Sie von diesem Modell bei allen Dingen, wo wir einig sind, um Gottes willen die Finger! Das kann keiner handeln und hat Riesenrisiken für das Land Berlin. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Abgeordnete Frau Gennburg das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wohnen ist ein verfassungsrechtlich verbrieftes Grundrecht in Berlin. Der Sozialwissenschaftler Adorno formulierte 1951

[Christian Buchholz (AfD): Oh! Adorno!]

oh, genau, da kann man mal zuhören – in den „Minima Moralia“ einen Gedanken, der sich in besonderer Weise bis heute auf die politischen Fragen rund um das Wohnen erhalten hat. Er schrieb:

Wie es mit dem Privatleben heute bestellt ist, zeigt sein Schauplatz an. Eigentlich kann man überhaupt nicht mehr wohnen.

Damit verlieh er in jenem Aphorismus der Geschichte des Wohnens, wie sie sich heute noch als Abbild von Moden und Identitätsfragen verstehen lässt, Ausdruck. Auch spiegelt sich darin der umkämpfte Begriff, aber auch die umkämpfte Realität des Wohnens wider.

Das Zweckentfremdungsverbotsgesetz gründet sich nämlich erst auf den nachgewiesenen Wohnraummangel, also der zwingend gebotenen Notwendigkeit, dass der Staat die Wohnraumversorgung für alle sicherstellt, denn das ist seine, das ist unsere Pflicht.

[Beifall bei der LINKEN]

Damit wirkt dieses Gesetz auch etwas aus der Zeit gefallen, denn wir haben uns daran gewöhnt, dass es nur noch um das nackte Überleben des Einzelnen geht. Menschen haben kaum noch Hoffnung auf Solidarität, wenn sie ohne Wohnraum sind. Heutzutage ist es irgendwie normal geworden, dass man sich im Konkurrenzkampf um das Wohnen durchboxen muss. Das ist doch krank!

Bereits vor vier Jahren wurde das Zweckentfremdungsverbot wieder eingeführt. Hierüber soll durchgesetzt werden, dass Wohnungen nicht anderen als Wohnzwecken zur Verfügung stehen. Kein Leerstand soll erlaubt werden, jeder verfügbare Quadratmeter an bewohnbarer Fläche als Wohnraum zur Verfügung stehen und kein Quadratmeter bezahlbarer Wohnraum durch Abriss verschwinden dürfen. Wer sich daran nicht hält, muss zu Recht mit Geldbußen rechnen.

Das Zweckentfremdungsverbot gilt als Orchideenfach, und es hat einen komplexen Regelungsgehalt. Als ordnungspolitisches Instrument steht es zur Verfügung, um in den Wohnungsmarkt einzugreifen – dass dieser völlig irre geworden und ein Eingreifen unausweichlich ist, kann niemand mehr bestreiten. Ja, enteignungsgleiche Eingriffe stehen mit diesem Instrument zur Verfügung, um den bestehenden Raum in der Stadt zurückzugewinnen, so er denn tatsächlich zweckfremd genutzt wird.

[Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]