Protocol of the Session on May 31, 2018

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(Oliver Friederici)

Ganz herzlichen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Schopf! Da Sie so liebevoll im ersten Satz die Vermutung geäußert haben, dass ich möglicherweise einige Beratungen verschlafen hätte, muss ich Ihnen schon rein formal widersprechen. Mir ist als Ausschussvorsitzendem ja immer möglich, Ihren wegweisenden Beiträgen im Ausschuss zu folgen, die ich durchaus sehr erhellend finde. Sie mögen nicht richtig sein – aber verschlafen habe ich sie bei Weitem nicht.

Denn ich nehme nach wie vor zur Kenntnis, dass alle Baumaßnahmen im öffentlichen Bereich – ich möchte jetzt nicht vom Flughafen BER anfangen oder von Straßenbahnen; oder überlegen Sie einmal, wie viele Fahrradstraßen Sie seit anderthalb Jahren markiert haben in dieser Stadt – doch vergleichsweise lange dauern in Berlin, wenn Sie das mit anderen Städten vergleichen. Wenn Sie schon sagen, die Schnittstellen sind optimiert, die Bezirksämter, die VL, alle wollen jetzt zusammenarbeiten – wenn das Ihrer Meinung nach klappt, kann es ja nur an den Baufirmen liegen.

Deswegen sage ich es Ihnen ganz deutlich: Es ist genau richtig, das Bonus-Malus-System einzuführen, weil Sie hier wirklich etwas zur Beschleunigung von Baumaßnahmen tun können. Ich denke, dieser Weg, den der möglicherweise Noch-Regierende-Bürgermeister Michael

Müller, damals Bausenator, gegangen ist, nämlich das Bonus-Malus-System auf der Avus einzuführen, ist der richtige. Wenn Sie das jetzt ablehnen, was der Herr Müller damals gemacht hat – das versteht nun wirklich keiner mehr draußen, tut mir leid!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Herr Schopf, Sie haben die Möglichkeit zu erwidern – bitte schön!

Herr Friederici! Ihr Antrag lautet ja „Verkehrsfluss des Individualverkehrs verbessern“, und wenn Sie uns im Ausschuss seit anderthalb Jahren zugehört hätten, dann wüssten Sie: Uns ist es wichtig, dass wir hier den ÖPNV stärken und da den Verkehrsfluss für den ÖPNV verbessern und nicht für Ihren motorisierten Individualverkehr. Das ist Geschichte; das wird es in der Form nicht mehr geben.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Das ist ja unglaublich!]

Für die Fraktion der AfD hat jetzt der Abgeordnete Scholtysek das Wort – bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Bauen mit Bonus, also Baustellen mit Geldanreizen schnell fertigzustellen – das hört sich zumindest gut an, ist aber aus unserer Sicht viel zu einfach gedacht, weil es hier um Straßenbau und nicht etwa um den Trockenbau oder einen Dachausbau oder so etwas.

Schauen wir uns doch einmal an: Wodurch könnte man denn grundsätzlich Baustellen überhaupt beschleunigen? – Da gibt es mehrere Varianten: Der Auftragnehmer z. B., also die Baufirma gibt schon vorneherein ein Angebot in dem Wissen ab, dass er eigentlich schneller fertig sein könnte. Er schreibt also sechs Wochen auf, weiß aber, dass er es nach vier Wochen auch schon geschafft haben könnte. – Das wäre eine Variante, die dann aber auch der Auftraggeber schon erkennen sollte, in diesem Fall der Senat, und dieses Angebot gar nicht erst berücksichtigen.

Variante 2: Dem Beton, der verbaut wird, wird ein Zusatzstoff beigemischt, ein Katalysator, der das Aushärten des Betons beschleunigt. Das spart Zeit, führt aber dummerweise dazu, dass der Beton eine geringere Endhärte haben wird – womit wir uns schon wieder im Bereich des Pfuschs am Bau befinden. Was nützt ein schnelleres, aber ungenügendes Aushärten, wenn genau deswegen am Ende die Baustelle nach kurzer Zeit schon wieder angegangen werden muss? – Das macht also auch keinen Sinn.

Variante 3: Es wird mehr Personal eingesetzt und auch am Wochenende und rund um die Uhr gebaut. Das mag teilweise etwas bringen, aber in den ganzen Bereichen, in den die Baustoffe aushärten müssen, bringt diese Maßnahme leider auch wieder nichts, weil sonst die Leute nur herumstehen und nichts machen können.

Abschließend bleibt noch die Frage, was denn künftig mit den Baustellen werden soll, für die es keinen Bonus gibt. Sollen die dann komplett liegen bleiben, weil z. B. alle Arbeiter nur noch auf den Bonus-Baustellen eingesetzt werden?

Unter Berücksichtigung all dieser Punkte bringt dieser zunächst gut gemeinte Antrag in den allermeisten Fällen wohl nichts. Auch bei der Baustelle – um ein konkretes Beispiel zu nennen – der Fahrbahnsanierung der RudolfWissell-Brücke letzten Sommer, die tatsächlich vorzeitig fertiggestellt werden konnte, lag dies nicht am Bonus an sich, der vereinbart war, sondern ausschließlich daran, dass die Wetterverhältnisse für die eingesetzten Baustoffe so optimal waren, dass die Arbeiten vorzeitig abgesch

lossen werden konnten. – Das ist zumindest die offizielle Aussage der DEGES GmbH, die diese Baustelle gesteuert und beaufsichtigt hat.

Wir lehnen daher aus den genannten Argumenten den Antrag leider ab. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Abgeordnete Herr Ronneburg das Wort – bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verkehrsfluss des Individualverkehrs verbessern, Bauen mit Bonus – Liebe CDU! Es wurde schon in der ersten Plenardebatte zu diesem Antrag angesprochen und gerade eben auch von meinem Kollegen Tino Schopf: Dieser Titel ist wirklich selbstentlarvend für die CDU. Ihnen geht es wieder einmal nur um den Individualverkehr; kein Wort über den ÖPNV, keins über den Fuß- und Radverkehr.

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Zum Glück sind wir da als rot-rot-grüne Regierung viel, viel weiter und auch näher an den Menschen, wenn wir mit unserem Mobilitätsgesetz den Anspruch und das Ziel formulieren, Mobilität für alle Menschen in unserer Stadt zu gewährleisten.

Aber, liebe CDU, noch nicht einmal Sie sind eine wirkliche Lobby für die Autofahrer. Das können Sie kaum glaubwürdig vertreten, wenn man sich einmal die Bankrotterklärung der Kanzlerin und der Union angesichts der Dieselbetrügereien vor Augen führt. Wenn Sie wirklich einmal ein Zeichen für die Autofahrerinnen und Autofahrer setzen wollen, dann kämpfen Sie mit uns und dem Senat gemeinsam für eine erfolgreiche Bundesratsinitiative, damit die Autohersteller endlich zur technischen Nachrüstung von Dieselfahrzeugen verpflichtet werden und die Schummeleien der Autokonzerne nicht von den Pkw-Besitzern ausgebadet werden müssen!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Dieser Antrag war ja ein II-Anhängsel zu dem ziemlich schrägen Antrag, die Verkehrslenkung Berlin mal eben so aufzulösen, und der Antrag, über den wir heute reden, war bei oberflächlicher Betrachtung erst einmal der weitaus vernünftigere. Spontan werden viele sagen: Bauen mit Bonus – das klingt erst einmal gut. Hauptsache, alles geht ganz schnell, und die Baustellen verschwinden bald!

Das ist nachvollziehbar, denn alle wollen ja auch, dass in unserer Stadt gebaut wird. Aber gleichzeitig beschweren

sich eben viele auch über Beeinträchtigungen, über Staub und Lärm an den Baustellen. Die Baustellen in unserer Stadt werden auch mehr; das bringt der notwendige Abbau des Investitionsstaus mit sich. Was Sie hier aber fordern, ist ein Allgemeinplatz. Denn selbstverständlich werden schnelle Bauabschlüsse angestrebt. Generell hat die Verwaltung aber mit einem Bonus-Malus-System schlechte Erfahrungen gemacht. Eine solche Regelung macht vor allem dann Sinn – das wurde angesprochen –, wenn das Land allein baut.

Wir haben aber viele Maßnahmen im Straßenraum, wo die Leitungsbetriebe unserer Stadt mit drin sind. Das sind sehr komplexe Maßnahmen, und da ist es wenig zielführend, bei Straßenbauunternehmen generell ein BonusMalus-System einzuführen, wenn sie auf die anderen keinen Einfluss ausüben können.

Auch die Schicht- und Nachtarbeit – das wurde schon angesprochen – ist heute schon möglich. Das muss aber gut begründet werden; das sind Ausnahmefälle. Da kann die Verwaltung heute schon handeln. Ein Beispiel wurde auch schon genannt. Aber Sie können daraus keine generelle Forderung machen. Wenn Sie das nämlich machen, liebe CDU, werden Sie sich noch mehr Freunde in dieser Stadt machen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Anwohner freuen werden, wenn auch nachts der Presslufthammer unter ihrem Schlafzimmerfenster dröhnt. Wenn Sie das wirklich wollen, dann lassen Sie uns über das Emissionsschutzgesetz debattieren. Daran werden Sie aber kein Interesse haben, weil Sie den Leuten etwas vormachen wollen.

Außerdem muss man es auf den Punkt bringen: Sie wollen den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Ich will Sie daran erinnern, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung über den Lärmaktionsplan gerade erfolgt ist. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Zu einem Zeitpunkt, wo die ganze Stadt über Lärm debattiert, fordern Sie, dass auf den Baustellen überall und zu jeder Zeit gearbeitet wird, und für die Beteiligung machen Sie auch noch Werbung. Den Dank an der Stelle spare ich mir. Ich freue mich schon jetzt auf die Initiativen von der CDU hier im Haus oder in den BVVen. Hier im Abgeordnetenhaus ist erkennbar, dass Sie für die negativen gesundheitlichen Folgen von Lärm überhaupt nicht sensibilisiert sind. Es gibt eben nicht nur das Interesse derer, die eine Straße benutzen, sondern auch das derer, die an einer wohnen. Fazit: Schon jetzt hat die Verwaltung die Möglichkeit, das Bauen mit Maßnahmen zu beschleunigen, nur eben in Einzelfällen, weil wir sehr sinnvolle, gesetzliche Regeln haben, die das im Interesse der Allgemeinheit einschränken.

Wir lehnen den Antrag ab, und ich freue mich schon sehr auf die Ausschussreise mit Herrn Friederici, wo wir uns in Paris kundig machen werden, wie das dort mit den Baustellen so funktioniert. – Vielen Dank!

(Frank Scholtysek)

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der FDP spricht jetzt der Abgeordnete Herr Förster. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Rede von Herrn Ronneburg, die die Koalition gerade so frenetisch beklatscht hat, war eine reine Innenstadtrede. Wie Sie damit die Menschen außerhalb des S-Bahnrings erreichen wollen, ist mir schleierhaft.

Ich sage aus Treptow-Köpenicker Sicht: Da gibt es Leute, die wohnen in Müggelheim, die wohnen in Rahnsdorf, in Grünau oder Schmöckwitz. Da fährt nicht alle halbe Stunde eine Straßenbahn, da ist manchmal noch nicht einmal ein Bus vorhanden. Denen zu erzählen: Wir sanieren eure Straßen nicht, damit ihr auf den ÖPNV umsteigt, das ist pure Ideologie, mehr nicht. Pure Ideologie!

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Wir hatten die erste Debatte in der Tat im November 2016, damals meine erste Rede, ich erinnere mich noch gut. Seitdem ist nichts passiert. Senatorin Günther hat uns damals noch nicht den großen Aufbruch bei der VLB verkünden können, sie ist ja erst am 8. Dezember ins Amt gekommen, drei Wochen später. Aber dann sollte ja alles ganz toll werden. Dann kam Herr Koller, und der ist die Wunderwaffe der VLB gewesen, sollte alles revolutionieren. Nach einem halben Jahr war er weg, auf einen gut bezahlten Managerposten bei der BSR. Das zum Thema Problemlösung bei der VLB, bei der Verkehrslahmlegung Berlins, die bis heute nicht vernünftig die Baustellen koordinieren kann. Daran krankt es eben. Wir haben keine vernünftige Baustellenkoordinierung in dieser Stadt. Es werden überall Aufträge vergeben, die Firmen annehmen, zwei Männeken hinstellen, drei Verkehrsleitkegel hinstellen, die Baustellen dauern unendlich lange, und da fühlen doch die Leute, die mit dem Auto unterwegs sind, dass es eben nicht funktioniert und nicht koordiniert ist. Dazu zu sagen, es gebe keinen Handlungsbedarf, tut mir leid, das ist Realitätsverweigerung. Wirklich!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Es sagt niemand, dass Radwege nicht saniert werden können, meinetwegen auch mit Bonus, und dass nicht auch andere Verkehrsmittel ihre Aufmerksamkeit bekommen sollen. Aber allein angesichts meines Heimatbezirks Treptow-Köpenick, der mit 700 Kilometern öffentlichem Straßenland so viel wie in etwa die gesamte Stadt München hat, muss man wirklich sagen: Gerade in den Außenbezirken sind die Straßen teilweise in einem schlechten Zustand, sie müssen saniert werden, und da

kann man auch in Siedlungsgebieten effektiver arbeiten. Ich kenne auch viele Anwohnerinnen und Anwohner, die sagen: Ehe ich acht Wochen nicht in meine Garage komme, weil nicht gebaut wird, baut lieber eine Woche am Stück, dann haben wir zwar mal abends und nachts Lärm, aber dann ist die Baumaßnahme auch vorbei. Das ist viel präziser und viel effektiver. Also immer zu sagen, die Anwohner wollten keine Nachtarbeit und keine Beschleunigung, ist schlichtweg falsch. Die Anwohner wollen in erster Linie, dass die Baustellen vor ihrer Tür verschwinden. Auch das müssen wir einmal festhalten. Da ist ein zügiges Abarbeiten hilfreich.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Natürlich kann ich mit Bonus-Malus-Systemen eine ganze Menge erreichen. Ich habe auch Anreize, um die Unternehmen wirklich zu motivieren, ihre Baustellen, die sie in der Stadt verstreuen und oftmals nicht zügig abarbeiten, vom Netz zu nehmen und die Straßen wieder freizugeben.

Wir haben im Übrigen auch – weil das Stichwort Frankreich gerade gefallen ist – eine merkwürdige Vergabepraxis. Der wirtschaftlichste Anbieter ist bei uns immer der preiswerteste. Der bringt es dann meist nicht. Frankreich hat das Vergabesystem, die lassen die teuersten wegfallen, aber die billigsten auch, und wählen die aus der Mitte. Da haben sie in der Regel Anbieter, die wirtschaftlich kalkuliert haben, die dann Preise aufrufen, die auch umsetzbar sind. Es führt auch nicht zu den Verwerfungen, die Herr Scholtysek beschrieben hat, dass dann zu wenig Beton im Asphalt ist oder solche Dinge. Wenn man eine Firma beauftragt, die solide kalkuliert, kann die das in der Regel auch umsetzen.

Wir halten also fest: Es gibt beim Senat und bei der Koalition kein Konzept, wie man den Straßenbau in Berlin beschleunigen kann. Die Vorschläge, die die Opposition vorgelegt hat, in dem Fall die CDU, die zustimmungsfähig sind, werden ignoriert, und gleichzeitig wird den Leuten ins Stammbuch geschrieben, mit welchem Verkehrsmittel sie unterwegs sein sollen. Auch wenn Sie Hunderte Kilometer öffentliches Straßenland nicht sanieren, glauben Sie doch nicht ernsthaft, dass all die Leute morgen mit der S-Bahn fahren. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Oliver Friederici (CDU)]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Abgeordnete Frau Billig. – Bitte sehr, Sie haben das Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Oberflächlich betrachtet scheint

das erst einmal total überzeugend, wenn die Baustellen heinzelmännchenmäßig in Berlin ganz schnell fertig sind und wenn wir dadurch weniger Behinderungen in der Stadt hätten. Das wäre schön, aber in der Realität funktioniert das so, wie Sie sich das vorstellen, gar nicht. Der Antrag setzt ausschließlich auf die Bonuszahlung für die Baufirmen, aber Ihr Beispiel mit der Avus ist ähnlich wie die Rudolf-Wissell-Brücke; das sind beides Sonderfälle. Hier funktionierten diese sogenannten Beschleunigungsvergütungen, hier sind sie möglich, weil es besonders stark befahrene Autobahnabschnitte gewesen sind, Ausweichmöglichkeiten sehr schwierig zu realisieren waren und deshalb dann auch gleich sehr große Verkehrseinschränkungen entstehen. Da ist das zugelassen worden, da geht das.