Protokoll der Sitzung vom 28.06.2018

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

(Sebastian Walter)

Zur Umsetzung der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft gehört auch die weitere Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit Berlins als Hauptstadt des Deutschen Reiches. Vor knapp 100 Jahren musste Deutschland gemäß dem Versailler Vertrag seine Kolonien abtreten. Die demokratisch gewählte Weimarer Nationalversammlung legte im März 1919 gegen diese Abtretung Protest ein, mit großer Mehrheit bei nur sieben Gegenstimmen. Aus heutiger Perspektive ist das schwer vorstellbar.

Nach einem mehr als zehn Jahre dauernden Prozess werden in Berlin-Mitte, im sog. Afrikanischen Viertel, nun endlich drei Straßen umbenannt werden. Es ist gut, dass dort künftig nicht mehr an ehemalige Kolonialherren, sondern an Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer gegen Kolonialismus, Rassismus und Apartheid erinnert werden wird.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Ohne das unermüdliche Engagement der afrikanischschwarzen Community und zivilgesellschaftlichen Initiativen wären wir mit Sicherheit noch nicht so weit. Dafür an dieser Stelle unsere Anerkennung und unseren Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Die Spuren der Kolonialgeschichte in unserer Stadt müssen sichtbar gemacht und kommentiert werden. Wir brauchen einen Lern- und Erinnerungsort zur deutschen Kolonialgeschichte in Zusammenarbeit mit dem Bund. Die Perspektiven der Menschen aus den Ländern, die damals von Deutschland, vom Deutschen Reich, kolonialisiert wurden, und ihrer Nachkommen sind dabei einzubeziehen.

Menschenrechtsbasierte Demokratieförderung und der Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus sind dieser Koalition ein wichtiges Anliegen. Im Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus werden wichtige Projekte gegen Rassismus gefördert. Stellvertretend möchte ich hier das Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ erwähnen, das Schülerinnen und Schüler sensibilisiert und befähigt, gegen Rassismus aufzustehen.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke! – Gefördert werden im Landesprogramm auch Projekte zur Erfassung von rassistischen Übergriffen und zur Opferberatung. Ein wichtiger nächster Schritt ist das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz. Nutzen wir die Chancen und Impulse der Internationalen UN-Dekade für Menschen afrikanischer Abstammung,

damit es in Berlin mehr gleichberechtigte Teilhabe und weniger antischwarzen Rassismus gibt!

Schließen möchte ich mit einem Gedicht der Dichterin und Mitbegründerin der afrodeutschen Bewegung May Ayim. Seit 2010 ist in Kreuzberg eine Straße nach ihr benannt. Auch sie erinnerte vorher an einen Kolonialpionier, Gröben. Ich zitiere:

meine heimat ist heute der raum zwischen gestern und morgen die stille vor und hinter den worten das leben zwischen den stühlen

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Berg das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu Beginn meines Beitrages will ich kein Gedicht zitieren, sondern – vielleicht ist es ein ganz guter Anlass – das Grundgesetz:

Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft … benachteiligt oder bevorzugt werden.

[Beifall bei der AfD]

Ich will nun nicht behaupten, dass die Autoren des Koalitionsantrages diesen zentralen Satz unseres Grundgesetzes nicht kennen. Sicher ist aber, dass sie diesen Satz als Verfassungsauftrag nicht ernst nehmen. Sicher ist, dass sie weder den staatlichen Institutionen noch den Bürgern unseres Landes zutrauen, Diskriminierung zu erkennen, zu bekämpfen und zu beseitigen.

[Beifall bei der AfD]

Schauen wir einmal auf die Fakten. Laut Statistischem Bundesamt leben in Deutschland 539 385 Menschen mit afrikanischer Staatsangehörigkeit, ein Anteil von etwa 0,65 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Der Anteil der sogenannten Afrodeutschen in der Berliner Bevölkerung beträgt nach Schätzungen rund 1,9 Prozent.

[Zuruf von den GRÜNEN: Wer schätzt denn das?]

Angesichts der Zahlen stellt sich die Frage, warum gerade diese Gruppe von Menschen herausgestellt und besonders gefördert werden soll. Und stellt die Nichtförderung von anderen Minderheiten dann nicht eine schwerwiegende

(Dr. Susanne Kitschun)

Diskriminierung dar? Wer ständig neue Vorschriften, Aktionen und Organisationen erfindet, weil er die bestehenden nicht konsequent anwendet, setzt sich dem Verdacht aus, nicht Probleme beseitigen zu wollen, sondern die Diskussion über Probleme als ideologischen Selbstzweck zu betreiben.

[Beifall bei der AfD]

Und genau darum handelt es sich bei dem Antrag der Koalition. Anstelle mit Konsequenz gegen alltäglichen Rassismus und Antisemitismus in unserer Stadt vorzugehen, flüchten Sie in neue Programme, Projekte und Partnerschaften.

[Beifall bei der AfD]

Ihr Antrag bereitet die Grundlage für weitere selbstreferenzielle Betroffenheitsnetzwerke, die mit Millionen von Euro Steuergeldern Diskriminierung nicht beseitigen, sondern unserem Land eine nahezu groteske Kolonialismusdebatte aufzwingen wollen.

[Beifall bei der AfD]

Die politische Linke in Deutschland lässt keine Gelegenheit aus, die Frage nach der deutschen Identität für nahezu unanständig zu halten. Mit umso größerer Besessenheit werden aber die Identitätssuche und Identitätspflege anderer Völker zur Menschheitspflicht verklärt.

[Beifall bei der AfD]

Jede Minderheit hat nach Ihrer Lesart ein Anrecht auf Identität. Nur wer Mehrheit ist, hat kein Recht, seine Identität zu leben.

[Sebastian Walter (GRÜNE): Was reden Sie denn da?]

Das ist genau die Situation, die Thilo Sarrazin mit einem Buch „Deutschland schafft sich ab“ so zutreffend und erfolgreich beschrieben hat.

[Beifall bei der AfD]

Diese Art von Wiedergutmachungsrassismus wird die AfD-Fraktion nicht unterstützen und Ihren Antrag selbstverständlich ablehnen.

[Beifall bei der AfD]

Die Koalition muss sich schon fragen lassen, ob sie mit ihrem Antrag nicht selbst einem ganz massiven Rassismus verfallen ist, denn die ausschließliche Fokussierung auf Benachteiligung von Schwarzen ist auch eine Ausgrenzung. Ihr weißer Blick auf schwarze Probleme offenbart genau die Bevormundung, die Sie angeblich bekämpfen wollen.

[Beifall bei der AfD]

Mit welchem Recht versagen Sie den Angehörigen anderer Rassen Ihre politische Fürsorge? Glauben Sie, dass die Leiden von Schwarzen es rechtfertigen,

[Regina Kittler (LINKE): Welche anderen Rassen meinen Sie denn?]

über die Leiden anderer zu schweigen? Wir sollten uns davor hüten, einen Kampf um die Spitze der weltweiten Opferpyramide zu unterstützen. Rassismus und Diskriminierung sind farbenunabhängig,

[Beifall bei der AfD]

und leider ist die Hoffnung von Nelson Mandela auf ein farbenblindes Afrika unerfüllt geblieben. Ja, auch Opfer von Rassismus und Diskriminierung können Täter von Rassismus und Diskriminierung sein. Wir können die Augen nicht vor den millionenfachen Massakern in Ruanda verschließen. Wir können den Rassismus der südafrikanischen Regierung gegenüber weißen Farmern nicht übersehen.

[Beifall bei der AfD]

Wir können das Morden von Ausländern gleicher Hautfarbe in Südafrika nicht ausblenden.

[Lars Düsterhöft (SPD): Es geht um Berlin!]

Unsere Ablehnung von Rassismus und Diskriminierung erfolgt eben nicht aus Ihrer Perspektive des Wiedergutmachungsrassismus, sondern aus der Überzeugung von der unteilbaren Würde und Eigenverantwortung der Menschen aller Hautfarben. – Ich danke Ihnen!

[Bravo! und Beifall bei der AfD]