Eine Neuregelung birgt erhebliche rechtliche Risiken bei der Neubewertung der Grundstückspreise. Neue Klagen, unabhängig davon, was jetzt festgesetzt wird, sind geradezu programmiert, denn immerhin müssen 35 Millionen Grundstücke und Immobilien in Deutschland neu bewertet werden. Das ist ein sehr hoher bürokratischer Aufwand.
Herr Kollege! Ist Ihnen bekannt, dass nicht die Grundsteuer als verfassungswidrig erklärt wurde, sondern die Bemessungsgrundlage?
Das ist mir durchaus bekannt, Frau Kollegin! Aber gerade die Bemessungsgrundlage ist der Kern der Grundsteuer. Wenn man über den Kern reden muss, kann man das ganze System infrage stellen. Ich will es in meinen weiteren Ausführungen auch noch tun. Wenn also der Kern schon faul ist, dann muss man auch über das Gehäuse durchaus reden dürfen. Und das will ich auch noch tun.
Auch der Bund der Steuerzahler stellt im Übrigen fest, dass die Grundsteuer steuersystematisch überholt ist und fordert ebenfalls deren Abschaffung beziehungsweise gegebenenfalls eine andere Finanzierung der Aufgaben.
Die Grundsteuer übrigens, Kollege Zillich – kleiner geschichtlicher Exkurs –, gehört zu den ältesten direkten Steuern und wurde ursprünglich als kirchlicher und grundherrlicher Grundzehnt und Grundzins eingetrieben. Das hat die Kirche gemacht, um sich Einnahmen zu
verschaffen. Also im Prinzip müssen doch die Linken dagegen sein, wenn kirchen- und gutsherrliche Privilegien hier verteidigt werden sollen.
Und dann gibt es einige Regionen in Deutschland, vorwiegend in Süddeutschland, da wird auf die Grundsteuer auch noch Kirchensteuer aufgeschlagen, nämlich dann, wenn die Eigentümer in der Kirche sind. Auch das ist ein merkwürdiges Prinzip von Steuerehrlichkeit. Das muss man an der Stelle auch einmal sagen.
Herr Förster! Unabhängig davon, wie Die Linke zur Kirche steht – darüber können Sie sich gern mit Herrn Bodo Ramelow unterhalten –,
Sehen Sie es auch so, dass die Grundsteuer tatsächlich ein wesentlicher Anteil für eine soziale Bodendistributionspolitik und dass die auch deswegen zu erhalten und nicht auf Null zu senken ist?
Nein, bei der Grundsteuer sehe ich es nicht so, anders als bei der Grunderwerbsteuer, über die man ja einmal grundlegend diskutieren kann, denn da finden immer die von Ihnen vermuteten und unterstellten Spekulationen
statt. Die Grundsteuer bestraft ja gerade diejenigen, die ihr Grundstück über Generationen in der Familie weitergeben – Grundstücke, die über 100 Jahre in der Familie sind. Wo die Oma ihr Haus an den Enkel vererbt, finden doch keine Spekulationen statt. Da ist die Grundsteuer doch geradezu ungerecht.
Deswegen sollten wir den Mut haben, alte Zöpfe abzuschneiden und gerade in der Mieterstadt Berlin die Chance nutzen, die Erhebung dieser Steuer auszusetzen und in einem zweiten Schritt bundesgesetzlich abzuschaffen. Ich hatte es gerade ausgeführt: Die Steuer ist ungerecht und ungerechtfertigt. Weil 100 Prozent dieser Steuer auf die Miete umgelegt werden können, ist sie gerade auch bei der Nebenkostenabrechnung kein unwesentlicher Faktor. Gerade in Berlin, wo wir über die Verteuerung von Wohnraum reden, wo die Koalition und die Senatorin es nicht auf die Reihe bekommen, dass einmal gebaut wird, wo wir gestern wieder gehört haben, dass die Genossenschaften keine Grundstücke bekommen, wo wir beim Ausbau von Dachgeschossen nicht weiterkommen, wo die Supermärkte nicht wirklich überbaut werden – es wird nur darüber geredet –, wo der Wohnungsmarkt immer mehr verkompliziert wird, die Wohnungsnot immer größer und Wohnen damit immer teurer wird, weil der Markt verknappt wird, da wäre es doch wenigstens einmal eine historische Chance, durch den Wegfall der Grundsteuer effizient und effektiv Nebenkosten zu senken. Das wäre doch wenigstens einmal eine effektive und sinnvolle Maßnahme.
Hier geht es nicht um Peanuts. Bei einer 90-Quadratmeter-Wohnung geht es je nach Lage um 250 bis 300 Euro im Jahr. Wir reden hier über mittlere dreistellige Summen, die effektiv zu einer Nettohaushaltsentlastung beitragen können. Das sind keine Peanuts.
Frau Senatorin Lompscher hatte im Ausschuss die glorreiche Idee geäußert: Grundsteuer, schön und gut! Wir wollen auch nicht, dass die Mieter das tragen. Das können doch künftig alles nur noch die Eigentümer tragen.
Erstens: Was für ein Rechtsverständnis ist das, wie in Deutschland mit Eigentum umgegangen wird? – Zweitens: Dann werden Eigentümer, die ja in irgendeiner Form ihre Grundstücke und Häuser wirtschaftlich verwerten müssen, eben andere Wege finden, das zum Beispiel über Betriebskosten oder so umzulegen.
Es kann doch nicht sein, dass wir uns irgendwie mit diesem „Ich mache das eine Auge zu und sehe es nicht“ durchmogeln. Dann sollte man lieber ehrlich sein und
sagen: „Es geht so nicht mit der Grundsteuer“, und nicht dieses Wischiwaschi. Das hilft uns überhaupt nicht weiter.
Um die Ausführungen, die sicherlich nach meinen kommen werden, vorwegzunehmen – es wird wieder kommen: 800 Millionen Euro im Jahr in Berlin, erhebliche Einnahmeverluste, die drohen können, und was man denn für die Gegenfinanzierung machen könne. – Eine Koalition, die zum Beispiel 100 Millionen Euro in einem Stadtwerk versenkt, der der Landesrechnungshof jetzt wieder Verschwendung in Millionenhöhe ins Stammbuch geschrieben hat, die beim BER immer neue Milliarden hinterherwirft, hat nicht zu wenig Geld, sondern zu viel – sie gibt es nur falsch aus. Insofern besteht auch nicht das Problem der Finanzierung.
Wir müssen aufgrund der hohen Mietbelastungen auch den Mut haben, diese Debatte grundlegend zu führen, über die Grundsteuer zu reden und den Berlinerinnen und Berlinern damit eine effiziente Nettoentlastung beim Wohnen zu ermöglichen. In diesem Sinne: Seien Sie mutig! Machen Sie mit! – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP! Lieber Herr Förster! Mit Ihrem Antrag haben Sie wieder ganz tief in die verstaubte neoliberale Mottenkiste gegriffen.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Oh! von der FDP – Paul Fresdorf (FDP): 5 Euro ins Phrasenschwein!]
Sie fordern, den Hebesatz für die Grundsteuer auf Null zu setzen und künftig auf die Erhebung zu verzichten. Das also ist Ihr politisches Angebot aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April? Das ist Ihre Vorstellung von einer gerechten Erhebungsgrundlage? – Ich sehe das anders. Für mich ist die Grundsteuer eine Steuer mit sehr gutem Grund. Mit ihr werden Grundeigentümer am Gemeinwohl beteiligt.
Nein! – Ich zitiere gern einmal den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, der in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 14. April über die Grundsteuer von einer klugen Steuer spricht: Denn das, was die Grundsteuer finanziert, ist die Infrastruktur vor Ort, und das ist natürlich das, was jedes Grundstück braucht, damit es vernünftig genutzt und gegebenenfalls vermietet werden kann.