Protokoll der Sitzung vom 28.06.2018

Das würde man uns zu Recht vorwerfen, wenn wir als Berlin auf eine solche Einnahme verzichteten. Ich würde mir diesen Vorwurf ungern vorhalten lassen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schneider?

[Florian Swyter (FDP): Eine Stützfrage, um die Argumentation zu verbessern! – Heiterkeit von Paul Fresdorf (FDP)]

Vielen Dank, Herr Kollege Zillich! – Stimmen Sie meiner Analyse dahin gehend zu, unter Zugrundelegung der Änderungsanträge der FDP bei den Haushaltsberatungen ausgabenseitig, dass dieser Vorschlag auf Einnahmeverzicht bedeuten würde, dass die FDP hier auch vorschlägt, in dieser Größenordnung auf Schuldentilgung zu verzichten?

Das wäre mindestens die Konsequenz. Das wäre auch der einfachste strukturelle Effekt. Dann müssten sie sich einfach zwischen ihren Prioritäten entscheiden. Den Punkt zum Thema Mietrecht – dieses sei nur gesagt, meine Vorredner haben dazu auch schon etwas gesagt – kann man anders regeln. Es ist auch sinnvoll, das anders zu regeln. Letztendlich machen Sie eines: Sie nutzen eine

politische Gelegenheit, um einmal wieder „Steuersenkung“ zu sagen. Das ist auch der ganze politische Effekt.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Darüber hinaus ist auch nichts an Substanz in dem Vorschlag. Ich glaube, in der Form muss man es auch bewerten.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat die Abgeordnete Dr. Brinker das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Benjamin Franklin, Mitbegründer der freiheitsorientierten amerikanischen Verfassung, sagte schon vor über 200 Jahren – ich zitiere:

Nur zwei Dinge auf Erden sind uns ganz sicher: der Tod und die Steuer.

Nun liegt uns ein Antrag vor, eine der vielen deutschen Steuerarten zumindest in Berlin auf Null herabzusetzen. Die FDP hat sich dabei offensichtlich von der AfDBundestagsfraktion inspirieren lassen,

[Daniel Wesener (GRÜNE): Das fürchte ich auch!]

die das für ganz Deutschland forderte. Grundsätzlich ist die Senkung der Grundsteuer ein vernünftiger Ansatz. Warum? – Deutschland gehört zu den Ländern mit der höchsten Steuer- und Abgabenlast weltweit. Deutschland gehört aber auch zu den Ländern, deren Steuereinnahmen in den vergangenen Jahren immer neue Rekorde verzeichnet haben, so auch in Berlin.

[Ronald Gläser (AfD): Skandal!]

Aus diesem Grund wäre es in der Tat ein gutes Zeichen an die Steuerzahler, diese real zu entlasten.

[Beifall bei der AfD]

Liest man jedoch die vorliegende Antragsbegründung, macht sich schnell Ernüchterung breit. Das haben meine Vorredner auch schon gesagt. Eine sinnvolle Forderung ist es, ja. Aber es wird nicht ausgeführt, wie das finanziert werden soll. Dazu fehlt jeglicher Hinweis. Wir haben die Einnahmen von 800 Millionen im Jahr; das wurde auch schon gesagt. Bei einem Gesamthaushalt von 29 Milliarden ist das irgendwo verkraftbar, sicher. Aber wo wollen Sie es denn streichen? Eben hat der Kollege Schneider den wertvollen Hinweis „Schuldentilgung“ gegeben. Oder vielleicht bei den dringend notwendigen Investitionen in die maroden Berliner Schulen? Oder vielleicht hat die FDP-Fraktion auch die realistische Erwartung, dass der BER ab Oktober 2020 mit Riesengewinnen durchstartet? Das wäre ja auch eine Idee. – Ich hätte mir an dieser

(Steffen Zillich)

Stelle deutlich mehr Kreativität und vor allen Dingen machbare Vorschläge erwartet.

Aus unserer Sicht ist die Grundsteuer in der Tat eine ungerechte Steuer, da sie nicht an die Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers gekoppelt ist. Sie belastet allein diejenigen, die ein Haus oder eine Wohnung ihr Eigen nennen und ein solches Investment als Alterssicherung gedacht haben. Sie belastet auch Mieter, auf die die Grundsteuer umgelegt werden kann – darüber haben wir auch schon gesprochen und davon gehört. Das hat ja gerade in Berlin eine besondere Brisanz, wenn man die vielen finanzschwachen Mieter denkt, die sich oftmals nur eine kleine Wohnung in Gebäuden leisten können, die in den 70er- und 80er-Jahren errichtet worden sind. Wenn man diese Grundsteuer mit der Grundsteuer in Altbauwohnungen vergleicht, so ist sie deutlich höher. Woran liegt das? – Wir haben es schon gehört: Der Einheitswert als Bemessungsgrundlage hat ausgedient. Richtigerweise hat das Bundesverfassungsgericht entsprechend eine Neuregelung gefordert, und das wäre auch aus unserer Sicht in der Tat eine gute Gelegenheit, die Berliner Steuerzahler, Immobilieneigentümer und auch Mieter zu entlasten und bundespolitisch ein Zeichen zu setzen. Denn es stünde dem Senat gut an, die Grundsteuer als eine Art Sondervermögensteuer tatsächlich zu streichen und damit für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen. Allerdings dürfte das, wenn man es auf Bundesebene betrachtet, natürlich zu Irritationen bei Bund und Ländern führen. Da muss dieser Antrag eigentlich landen und nicht hier in Berlin. Es geht tatsächlich darum, dass wir hier eher über den Bund-Länder-Finanzausgleich reden müssten als hier im Berliner Abgeordnetenhaus.

Gleichzeitig muss sich ja Berlin von seinen gewaltigen Schuldenlasten befreien. Das können wir nicht einfach außer Acht lassen. Das Thema muss auf Bundesebene adressiert werden, damit eine länderübergreifend gerechte Gegenfinanzierung gefunden wird. Entsprechend haben wir das auch schon im Bundestag gefordert und fordern hiermit auch, dass wir hier Alternativen zum überbordenden Steuerstaat finden müssen, damit wir einfach eine freiheitliche Demokratie für alle Bürger ermöglichen können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Schillhaneck das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Die FDP nennt in ihrem Antrag die Grundsteuer eine Steuer ohne Grund. – Das ist sie keineswegs. Die Grundsteuer ist neben der Gewerbesteuer eine Steuer, wo es tatsächlich kommunale Hebesätze gibt, und sie ist im Unterschied zur Gewerbesteuer

eine, wo es keine Untergrenze des Hebesatzes gibt. Daher interpretiere ich Ihren Antrag in der Tat als zumindest im ersten Punkt relativ geschickt formuliert: Wer den Hebesatz auf Null setzt – reines mathematisches Verfahren –, setzt auch die Grundsteuer auf Null. Sie versuchen also, von hinten durch die Brust ins Auge Bundesrecht faktisch zu unterlaufen. Netter Versuch, aber untauglich – sage ich mal an der Stelle.

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Es ist jetzt auch nicht so, dass das keiner bemerken würde, lieber Herr Kollege.

Warum gibt es überhaupt so etwas wie die Grundsteuer? – Es ist sehr schön, sich darüber zu mokieren, dass hierzulande im OECD-Vergleich oder auch im EU-Vergleich die kumulierte Steuer- und Abgabenlast für die Bürgerinnen und Bürger überdurchschnittlich hoch sei. Wenn man aber ein bisschen genauer hinguckt, wird man feststellen, dass nicht zufällig auch die OECD und die Europäische Union immer wieder die Bundesrepublik Deutschland auffordern, das Steueraufkommen aus der Grundsteuer zu erhöhen.

Denn über eine Form der Ungerechtigkeit muss man sich in unserem Steuersystem schon im Klaren sein – und das zeigt übrigens auch die Tatsache, dass wir im internationalen Vergleich eine relativ geringe Grundsteuer derzeit haben: Hierzulande werden Vermögen und auch Eigentum – auch ein Eigenheim ist Eigentum, ist Vermögen, ist Besitz, genauso wie Geldvermögen und anderes Vermögen – unterdurchschnittlich besteuert, genauso wie das Einkommen daraus. Dafür wird Einkommen aus eigenhändiger Arbeit – also das Einkommen derer, die nichts haben als ihre Arbeitskraft, die sie feilbieten in ganz normalen lohnabhängigen Beschäftigungsverhältnissen – überdurchschnittlich stark besteuert und mit Abgaben belegt. Und das ist die eigentliche Ungerechtigkeit, die man angehen muss!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Frau Kollegin, gestatten sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gläser?

Aber bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Geschätzte Kollegin Schillhaneck! Kann ich Ihre Rede so interpretieren, dass Sie sich für eine dringende Senkung der Einkommensteuer einsetzen?

(Dr. Kristin Brinker)

Sie können die Rede zunächst einmal so interpretieren, dass ich mich ganz dringend – genauso wie meine Fraktionskolleginnen und -kollegen sowohl hier als auch im Bundestag – dafür einsetze, dass wir Vermögen und anderes endlich anständig besteuern.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Sicherlich ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts jetzt nicht überraschend gewesen. Wer ein Ertragswertverfahren auf der Berechnung einer fiktiven Jahresrohmiete zum Stichtag 1.1.64 oder 1.1.35 zugrunde legt, die dann mit einem Multiplikator umgerechnet auf volle 100 Euro gerundet und dann mit 1,95583, glaube ich, in Euro umgerechnet wird, hat spätestens beim zweiten Schritt einen ganz wichtigen Grundsatz von Steuer, Steuererhebung und Steuerrecht verlassen, nämlich die Nachvollziehbarkeit, Transparenz und Klarheit für den Steuerpflichtigen, und das muss dringend wiederhergestellt werden.

Auch deswegen bin ich genauso wie meine Kolleginnen und Kollegen sehr gespannt, was da demnächst für ein Entwurf kommt. Ich befürchte ebenfalls wie einige meiner Vorredner, dass leider die Chance nicht ergriffen wird, die Grundsteuer, ihre Erhebung und auch die Bemessung mal vom Kopf auf die Füße zu stellen und etwas Vernünftiges daraus zu machen.

In der Tat: Die Überlegungen zu einer Grundsteuer C sind sehr sinnvoll. Aus grüner Perspektive kann ich nur sagen: Wir müssen aber bitte auch über die Grunderwerbsteuer z. B. reden, und ich finde es ganz spannend, dass Sie das angesprochen haben, denn Ihre Fraktionskollegen aus dem Bundestag haben gerade einen Freibetrag gefordert, was ja eigentlich erst recht noch die Spekulation anheizt. Ich höre von Ihnen absolut kein einziges Wort zum Thema Share-Deal z. B. – Das sind die eigentlichen Probleme, die spekulationsanheizend wirken, gerade in Berlin, und dazu hätte ich gerne mal ein Wort von Ihnen.

[Zuruf von Dr. Kristin Brinker (AfD)]

Denn wenn man so etwas wie Grundsteuer vernünftig aufsetzt, kann man im internationalen und auch historischen Vergleich feststellen, dass sie tatsächlich eher preisstabilisierend und gegen sogenannte Bubble-Effekte funktioniert als das, was Sie da fordern. Sie fordern einfach nur Spekulation, Verkauf, Mach!, Zack! und wissen nicht mal, wie Sie das Ganze finanzieren sollen. Das ist wirklich ein Armutszeugnis.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Ich will mich gar nicht über die 800 Millionen oder eine Milliarde auslassen. Das Kernproblem an dem, was Sie hier vorschlagen, ist, dass Sie komplett aufgeben wollen, Vermögen zu besteuern, und die Last, das garantiere ich

Ihnen, werden wieder die Leute tragen müssen, die außer einem Arbeitseinkommen nichts haben. Das sind wahrscheinlich nicht Ihre Leute – das weiß ich nicht, keine Ahnung, so genau kennen wir uns nicht, Herr Kollege Förster. Aber ich finde es bedauerlich. Und wenn es Ihre Klientel-Politik ist, machen Sie das mal – aber mit uns nicht!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag auf Drucksache 18/0981 empfiehlt der Hauptausschuss mehrheitlich – gegen FDP, bei Enthaltung CDU und AfD – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das ist die FDP-Fraktion. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen der Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? – Bei Enthaltungen der CDU-Fraktion, der AfD-Fraktion und der fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.6: