Protokoll der Sitzung vom 13.09.2018

[Beifall bei der CDU und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Was ich außerdem vermisst habe in dieser emotional aufgeheizten Debatte: Kaum einer hat seine Anteilnahme mit dem Todesopfer, den Verletzten und den Hinterbliebenen zum Ausdruck gebracht. Dabei hätte genau das an erster Stelle stehen müssen. Das macht mich betroffen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD und der FDP]

Chemnitz muss ein Warnruf an uns Demokraten sein. Gerade jetzt sind Sensibilität und Differenzierung gefragt. Viel zu viele Bürger fühlen sich mit ihren Sorgen und Ängsten alleingelassen. Wir müssen verhindern, dass Rechts- und Linksradikale die öffentliche Debatte bestimmen. Und das können wir am besten, indem wir uns auf unsere bewährten Grundwerte Einigkeit und Recht und Freiheit besinnen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD und der FDP]

Das möchte ich mit drei Bemerkungen erläutern. Erstens: Einigkeit anstreben. Chemnitz hat eine Enthemmung in der Sprache auch vonseiten der Politik offenbart, die mit Einigkeit wenig gemein hat. In Berlin haben wir eine Staatssekretärin, die, statt mäßigend auf die eskalierende Situation in Chemnitz einzuwirken, noch einen draufsetzt und mehr Radikalität fordert. Und wir haben einen Bundesratspräsidenten und Regierenden Bürgermeister, der diagnostiziert: Es gibt keine Grautöne mehr. Es geht um Schwarz und Weiß, um Demokratie und Vielfalt oder Deutschtümelei. Frau Chebli und Herr Müller wähnen Deutschland in ihren Äußerungen bereits in Weimarer Verhältnissen. Sie betonen mit ihrer Entweder-oderRhetorik im Namen der Demokratie das Trennende und spalten damit unsere Gesellschaft. Dabei sind es genau die Grau- und Zwischentöne, das Verbindende, das wir hervorheben müssen, wenn wir verhindern wollen, dass sich die politischen Fliehkräfte verstärken. Eine Sehnsucht nach dem Totalen hat uns Deutsche und die ganze Welt schon einmal in den Abgrund gestürzt.

[Beifall bei der CDU und der AfD]

Wer rechtsstaatlich und demokratisch sein will, der kann nicht gleichzeitig radikal sein.

[Torsten Schneider (SPD): Das ist jetzt aber ein gefährlicher Bogen!]

Dass Vertreter der AfD – –

[Zurufe von links]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte um Ruhe!

Danke schön! – Dass Vertreter der AfD Arm in Arm mit Rechtsradikalen auf den Straßen marschiert sind, ist beschämend. Um es ganz deutlich zu sagen: Mit Gruppen, die die freiheitlich demokratische Grundordnung ablehnen, solidarisieren sich anständige Demokraten nicht.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wolfgang Schäuble hat es gestern im Bundestag auf den Punkt gebracht, als er sagte: Ausländerfeindlichkeit, Hitlergrüße, Nazisymbole, Angriffe auf jüdische Einrichtungen – für all das darf es weder Nachsicht noch verständnisvolle Verharmlosung geben.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Von Politikern aller Parteien erwarte ich Mäßigung, beginnend mit der Sprache. Es gibt zu viele, die vor allem in der digitalen Öffentlichkeit aus Profilsucht das Feuer schüren, die mit politisch eingefärbten Halbwahrheiten, Lügen oder unbedachten Sätzen Menschen verunsichern. So aber wird das Grundvertrauen in unsere Demokratie und in unseren Rechtsstaat erschüttert.

[Stefanie Fuchs (LINKE): Herr Seehofer!]

Demokratie bedeutet für mich auch, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, ihre Sorgen und Ängste ernst zu nehmen – frei nach Konrad Adenauer: Man muss die Menschen nehmen, wie sie sind, und nicht, wie man sie gerne hätte. – Wir gewählten Vertreter unseres Volkes müssen nicht die Meinung von allen teilen. Aber wir haben die Pflicht, den Menschen zuzuhören und ihre Meinungen nicht von vornherein als falsch abzutun.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Zweite Bemerkung: Das Recht durchsetzen. Mit Blick auf die Proteste und gewaltsamen Ausschreitungen der letzten Tage müssen wir deshalb differenzieren. In Chemnitz sind Bürger auf die Straße gegangen, um ihren Sorgen und ihrer Hilflosigkeit Ausdruck zu verleihen. Und es sind auch Menschen auf die Straße gegangen,

[Zuruf von Hakan Taş (LINKE)]

die Hass verbreitet haben und zu Gewalt aufrufen wollten, die andere Menschen tätlich angegriffen und beleidigt haben mit der klaren Absicht, den öffentlichen Frieden zu stören. Hier muss mit den Mitteln des Rechtsstaats reagiert werden. Straftaten müssen konsequent geahndet werden. Dazu zählt der unerträgliche antisemitische Angriff auf das jüdische Restaurant in Chemnitz. Dazu zählt jeder gezeigte Hitlergruß. Dazu zählen tätliche Angriffe und fremdenfeindliche Beleidigungen, und dazu zählt auch das Tötungsdelikt eines Asylbewerbers, eines Menschen also, der unser Land um Schutz nachgesucht hat

und der in so unerträglicher Weise sein Gastrecht in diesem Land verletzt hat.

[Beifall bei der CDU und der AfD]

Das Gewaltmonopol des Staats und die Durchsetzung des Rechts sind für die CDU nicht verhandelbar. Wenn Vertreter der Regierungskoalition illegale Hausbesetzungen als probates Mittel gegen steigende Mieten deklarieren, dann verlassen sie unseren rechtsstaatlichen Konsens.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Wie sehr sich dieser Senat von den Bürgern entfernt hat, zeigt die Absicht, einen Bürgerbeauftragten einzusetzen, für Menschen, die mit der Politik unzufrieden sind. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zur Erinnerung: Wir alle sind die Bürgerbeauftragten, die gewählten Vertreter. Stellen Sie sich selbst der Kritik der Bürger!

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Wenn wir sehen, dass etwas falsch läuft, dann müssen wir als Gesetzgeber den Mut haben, Gesetze zu ändern oder die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, das geltende Recht konsequent umzusetzen. Wenn ein vorbestrafter Ausreisepflichtiger in Berlin nach seiner Haftentlassung erneut schwerste Straftaten begehen kann, wie der Mörder von Susanne Fontaine, dann läuft etwas falsch. Unsere gesetzlichen Regeln müssen so gestaltet und konsequent umgesetzt werden, dass von ausreisepflichtigen Straftätern keine Gefahr mehr ausgehen kann.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Dritte Bemerkung: Unsere Freiheit schützen. Die Menschen verstehen nicht, dass bei ihnen selbst kleinste Regelverstöße geahndet werden, in der Asylpolitik aber grobe Fehler anscheinend akzeptabel erscheinen. Und die Menschen verstehen vor allem nicht, warum dieser Umstand in der öffentlichen Debatte nicht nüchtern problematisiert werden kann. Zur Demokratie gehört der freie und mündige Bürger. Politik muss den Menschen auf Augenhöhe begegnen, nicht paternalistisch, belehrend von oben herab. Man kann den Menschen auch etwas zutrauen und muss ihnen nicht gleich das Schlechteste unterstellen. Wenn alles, was nicht ins linke Weltbild passt, Nazi ist, dann bagatellisiert man Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit und verharmlost auf schäbigste Art die Gräueltaten der Nationalsozialisten. Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass Menschen extremistisches Gedankengut in die Welt posaunen dürfen. Im Gegenteil, unser Recht setzt einen klaren Rahmen dafür, was strafbar ist und was nicht. Was wir aber nicht brauchen in unserer Demokratie, das sind Sprachpolizisten oder ein ideologischer Wächterrat, der die freie Meinungsäußerung durch Einschüchterung zu beschränken versucht.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Letzte Bemerkung: Die demokratischen Institutionen Deutschlands sind robust, weil in unserem Land die

übergroße Mehrheit der Menschen Demokraten sind. Statt Extremen das Feld zu überlassen, müssen wir uns aber wieder stärker darauf besinnen, was den gesellschaftlichen Zusammenhalt und unsere Demokratie stärkt, und das ist Streben nach Einigkeit und Recht und Freiheit. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD und der FDP]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Herr Udo Wolf das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dregger! Mit dieser unsäglichen Gleichsetzung von Rechts und Links

[Zuruf von Sven Rissmann (CDU)]

angesichts der Bilder, die wir aus Chemnitz und Köthen gesehen haben, gehen Sie einen sehr gefährlichen Weg.

[Zuruf von Oliver Friederici (CDU)]

Dieser gefährliche Weg besteht darin, dass Sie letztendlich damit auch, mit dieser Gleichsetzung

[Zurufe von der CDU]

die Verbrechen des Nationalsozialismus relativieren und kleinreden. Sie sollten sehr genau aufpassen, was Sie da tun.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Heiko Melzer (CDU): Genau das Gegenteil! Beim nächsten Mal zuhören!]

Und angesichts der Entwicklungen in Europa und der Bundesrepublik, dieser Rechtsverschiebung von Diskursen, wird sich auch die bürgerliche Mitte und auch die Union entscheiden müssen, in welchem Team sie spielen will, im Team der Demokraten oder im Team der Antidemokraten.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Dr. Robbin Juhnke (CDU)]

Wer angesichts der Vorkommnisse in Chemnitz die Aussage macht, Migration sei die Mutter aller Probleme, stellt sich argumentativ an die Seite des rechtspopulistischen, rechtsextremen Mobs in Chemnitz und bestätigt ihn auch noch.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Politischer Realismus!]

Geflüchtete, Migrantinnen und Migranten pauschal für vermeintliche oder reale Missstände verantwortlich zu

(Burkard Dregger)