Sehr geehrter Herr Wesener! Ich bin natürlich gestern sofort in die Gedenkstätte gefahren, gemeinsam mit Frau Bering, meiner Stellvertreterin. Wir haben um 12 Uhr – also schon am Abend zuvor, aber zu 12 Uhr – alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gedenkstätte, und zwar auch die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, also Zeitzeugen, die dort Führungen machen, Historiker, die selbstständig sind, zu einer Mitarbeiterberatung eingeladen. Die hat dann gestern auch stattgefunden. Ich habe dann auch ein paar Mails von Menschen bekommen, die gesagt haben: Tut mir leid, ich kann leider nicht teilnehmen –, oder andere, die gesagt haben: Wir machen Führungen und würden gerne danach mit Ihnen sprechen. – Darauf haben wir dann reagiert und gesagt: Wir werden mehr oder weniger den ganzen Tag in der Gedenkstätte für Rücksprachen zur Verfügung stehen.
Wir haben also eine Stunde lang diese Mitarbeiterberatung gemacht. Dort habe ich noch einmal alles dargelegt, und Frau Bering hat ihre Sicht auf die Dinge dargelegt, und dann gab es natürlich auch die Möglichkeit zu Fragen, Antworten, Positionen, Einsichten. Mein Gefühl war, dass dort tatsächlich auch viele, die im Saal saßen – das ist das, was mich überrascht hat –, verunsichert waren, klar, in einer solchen Situation ist das mehr als nachvollziehbar, umgekehrt aber auch gesagt haben: Gut, dass die Frauen den Mut hatten, sich zu offenbaren. Ja, es gibt hier Probleme. Ja, wir müssen diese Probleme lösen. Wir wollen jetzt nur von Ihnen wissen – klar, das, was Sie auch wissen wollen, Herr Wesener –: Wie geht es denn jetzt weiter, und was sind die nächsten Schritte? Dazu komme ich dann auch gleich.
Wir haben uns mit dem Personalrat getroffen. Wir haben mit den Bereichsleitern zusammengesessen. Wir haben mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den Projekten zum Linksextremismus zusammengesessen. Wir haben mit einzelnen Zeitzeugen zusammengesessen. Wir haben darüber hinaus noch einmal ausführlich mit der Verwaltungsleiterin gesprochen. Alles diente erst einmal dem Zweck, Klarheit zu schaffen: Was ist eigentlich gewesen?
Man muss jetzt einmal eines sagen: Ein Generalverdacht gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gedenkstätte ist natürlich das Falscheste, was passieren kann. Es gab solche Zwischentöne in der Presseberichterstattung auch, und das ist natürlich nicht richtig. Natürlich werden sich alle fragen müssen: Was ist in der Gedenkstätte eigentlich für ein Klima? Warum ist das so? – Es ist aber falsch, dass jetzt in dieser Gedenkstätte massenhaft Übergriffigkeiten stattgefunden hätten. Das ist Quatsch. Das kann
man so nicht sagen, sondern es ist offenbar aber ein Klima, das mit sexueller Übergriffigkeit gar nicht mehr unbedingt etwas zu tun hat, in dem die Frage, wie man sich verhält, sehr stark in einem hierarchischen und in einem Verhältnis zueinander geregelt wird, wo dann offenbar auch Reaktionen erfolgen, wenn bestimmte Äußerungen oder Kritiken nicht so sind, wie sie von der Leitung erwartet werden. Das ist dieses Klima, und das ist diese Kultursituation, von der wir im Stiftungsrat auch gesprochen haben.
Wir haben dann mit allen sehr lange gesprochen. Ich bin dann – Frau Bering etwas früher – so gegen 17.30 Uhr zurückgefahren, und wir haben gestern auch zwischen BKM und mit den Stiftungsratsmitgliedern überlegt: Wie kriegen wir denn jetzt eine Übergangssituation auf eine vernünftige Art und Weise organisiert? – Wir haben vorgestern beschlossen, dass wir ein Ausschreibungsverfahren für beide Stellen machen wollen, ich halte das auch für richtig, und dass wir dann versuchen, erfahrene und auch in der Aufarbeitungsszene anerkannte Persönlichkeiten zu motivieren, sich zu bewerben. Wir haben gestern erst einmal dafür gesorgt, dass grundsätzlich alles weitergehen kann. Es gibt ja so etwas wie tägliche Geschäfte, Anträge, die gestellt werden müssen, Projekte, die nachbewilligt werden müssen, und vieles andere mehr. Darum haben wir uns gestern erst einmal gekümmert.
Und wir haben uns gestern, Frau Grütters und ich, getroffen, um einen weiteren Auftrag des Stiftungsrats umzusetzen. Der Stiftungsrat hat nämlich beschlossen, dass wir eine unabhängige, eine in der Aufarbeitung kenntnisreiche und anerkannte Persönlichkeit gewinnen wollen, die die Stiftung bei diesem Kulturwandlungsprozess berät und begleitet. Wir haben uns gestern parallel zu den ersten Gesprächen in der Stiftung darum gekümmert, ob wir eine solche Person gewinnen können. Der Stiftungsrat hat uns den Auftrag gegeben – und es ist uns tatsächlich gelungen –, Marianne Birthler für diesen Kulturwandlungsprozess als Schnittstelle zwischen Stiftungsrat und Gedenkstätte, als Beraterin für die Nachfolgesuche, als Ansprech- und Vertrauensperson für die Menschen in der Gedenkstätte selbst zu gewinnen. Marianne Birthler ist bereit, uns dabei zu unterstützen. Sie wird dann auch – ich weiß jetzt nicht, wann genau, es ist alles noch so ein bisschen im Fluss – in die Gedenkstätte gehen und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein offenes Ohr haben. Sie wird uns dann auch Tipps geben, wo es knatscht, wo man möglicherweise Probleme kurzfristig anpacken muss, also einfach als Unterstützung für uns als Stiftungsrat, damit wir diese Übergangsphase vernünftig organisieren können.
Ich bin auch überzeugt, dass Marianne Birthler die Erfahrung hat, um mit einer solchen diffizilen Situation, wie sie in der Gedenkstätte existiert, vernünftig umzugehen.
Ich traue ihr in jeder Hinsicht zu, dass sie sich jetzt auch Unterstützung holt, damit man miteinander reden kann, dass da ein offenes Klima herrscht, dass man sich austauschen kann. Ich habe den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestern gesagt, Sie sollen durchaus stolz auf die Arbeit sein, die sie in den vergangenen Jahren geleistet haben. Das wird dann nebenbei relativ schnell über einen Kamm geschoren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten hervorragende Arbeit, und dass die Gedenkstätte Hohenschönhausen einer der wichtigsten Aufarbeitungsorte ist, daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen. Mir war es natürlich deswegen auch wichtig, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu sagen: Ihre Arbeit läuft jetzt erst einmal so weiter wie bisher. Wir werden alles tun, damit Sie diese Arbeit so gut wie möglich leisten können, und wir werden natürlich gucken, wie wir im rechtlich möglichen Rahmen schnell zu dieser Nachbesetzung, zu dem Ausschreibungsverfahren kommen. Das wird also alles auch sehr transparent sein. Um uns selbst als BKM, genauso wie auch als Kulturverwaltung, nicht quasi ins operative Geschäft inhaltlicher Art einmischen zu müssen, ist es gut, dass wir mit Frau Birthler jemanden haben, die die Sensibilität hat, die die Kenntnis hat und die auch ein Gefühl dafür hat: Was kann man jetzt in der Gedenkstätte in den nächsten Wochen und Monaten schon mal beginnen, um sie wieder in ein ruhiges Fahrwasser, auf eine gute Schiene zu bringen? Das ist das, was wir bis zum Stand heute veranlasst haben.
Ich sage Ihnen das auch noch einmal: Es ist nicht schön, sich mit solchen Problemen auseinandersetzen zu müssen. Es hat mich in den letzten drei Monaten, und Frau Grütters und die Stiftungsratsmitglieder auch, durchaus sehr beschäftigt. Es ist auch nicht schön, dann am Ende mit solchen Konsequenzen umgehen zu müssen.
Die andere Seite der Medaille ist: Es gilt ein allgemeines Gleichstellungsgesetz in der Bundesrepublik Deutschland, und es gibt Pflichten der Arbeitgeber, die zu erfüllen sind, und wenn der unmittelbar Verantwortliche diese Pflichten nicht wahrnimmt, dann sind wir als Aufsichtsbehörde oder zumindest auch wie bei BKM als diejenigen, die einen erheblichen Anteil der Fördermittel in die Einrichtung geben, diejenigen, die ersatzweise über den Stiftungsrat diese Pflichten wahrnehmen müssen. Das ist unsere rechtliche Pflicht, und um die kommen wir nicht herum.
Alle, die meinen, dass sie diese komplizierte Sachlage in der Gedenkstätte für irgendwelche Schlachten instrumentalisieren können, die sie meinen führen zu müssen anhand irgendwelcher Dinge, die mal zurückliegend passiert sind, sind auf einem völligen Holzweg, und ich glaube, sie werden der Gedenkstätte damit keinen guten Dienst erweisen.
Vielen Dank! – Die zweite Nachfrage geht an Frau Bangert. – Bitte schön, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort!
Vielen Dank! – Herr Kultursenator! Die AfD und die FDP sehen hinter dem einstimmigen Stiftungsratsbeschluss eine linke Verschwörung. Stimmen Sie mit mir überein, dass dieser Versuch, sexuelle Übergriffe zu relativieren, so nach dem Motto: Wenn die Führungsetage gute fachliche Arbeit leistet, dann schauen wir diesbezüglich nicht so genau hin –, dass dieser Versuch der Relativierung von sexuellen Übergriffen unerträglich ist und sich verbietet?
Ich habe eben, sehr geehrte Abgeordnete Bangert, schon einmal etwas dazu gesagt, wie ich bestimmte Instrumentalisierungsversuche einschätze oder wie ich bestimmte vorgestrige Schlachten, die jetzt anhand dieser Frage geschlagen werden, einstufe. Ich finde das unangemessen, und das wird der Gedenkstätte nicht helfen. Da werden die Gedenkstätte und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vielmehr zum Vehikel für Ersatzschlachten gemacht.
Ich kann nur sagen: Ich habe mich über die gesamte Zeit öffentlich sehr zurückgehalten, und ich habe mich übrigens seit meinem Amtsantritt intensiv bemüht, die Arbeit der Gedenkstätte positiv zu begleiten und zu unterstützen, wo ich es konnte. Ich habe mich in den letzten Wochen und Monaten sehr zurückgehalten, was mein Vokabular angeht. Ich sage es an dieser Stelle erneut: Egal, wie man das findet, wir leben in einem Land, in dem das Allgemeine Gleichstellungsgesetz eine Rechtsgrundlage ist, die für die öffentliche Verwaltung gilt. Alle, die im Umgang mit Verantwortung in der öffentlichen Verwaltung ernst genommen werden wollen, müssen irgendwie zur Kenntnis nehmen, dass dieses Gesetz existiert. Ich persönlich, daraus mache ich keinen Hehl, bin froh, dass es existiert.
Wenn man meint glauben zu können, dass das Allgemeine Gleichstellungsgesetz und alle anderen Antidiskriminierungsvorschriften einfach mal suspendiert werden können, nur weil einem ein Gesicht irgendwie besser gefällt als ein anderes, dann ist das ein Umgang mit einem Recht – und zwar mit einem Recht, das extrem wichtig ist, um Frauen oder andere Menschen vor Diskri
minierung und Nachstellung zu schützen –, der zumindest einem Armutszeugnis gleichkommt. Und das spricht, glaube ich, am Ende für sich selbst.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Es geht noch mal um den Brief mit den Vorwürfen gegen die Leitung der Gedenkstätte vom 8. Juni, Herr Lederer. Der Brief ist ja nicht nur an die Senatsverwaltung für Kultur und Europa als Empfänger gerichtet, er wurde auch von einer Stelle in der Kulturverwaltung als Absender verschickt.
Die Kulturverwaltung schreibt also an sich selbst. – In diesem Zusammenhang frage ich den Senat noch einmal ganz konkret: Seit wann waren die in dem Brief enthaltenen Vorwürfe dem Senat bekannt? In welcher Form haben Stellen des Senats an der Erstellung, Abstimmung oder Formulierung des Briefs mitgewirkt?
Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich habe diesen Brief am 14. 6. erhalten. Ich habe ihn zunächst als Fax und dann in schriftlicher Form bekommen.
Alles andere, was Sie – – Entschuldigen Sie! Ich habe den Brief erhalten, wie einen Posteingang. Dass der aus meinem Haus abgeschickt ist, halte ich für abenteuerlich, bei aller Liebe!
Okay! Ich glaube, das ist jetzt wirklich sinnlos; das lässt sich nicht aufklären. Ich verstehe nicht, was der Mann von mir will, und ich kann ihm umgekehrt nicht antworten.
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Lachen bei der AfD – Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Das war aufschlussreich, Herr Senator! Dann noch mal eine andere Frage: In einem normalen Verfahren dürfen Aufklärungsinstanz, Ankläger und Richter nicht in einer Hand liegen. Warum hat der Senat die Aufklärung der Vorwürfe nicht einer unabhängigen Instanz überlassen?
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Trefzer! Ich habe mich mit der Kulturstaatsministerin verständigt, dass wir eine Rechtsanwältin aus der Kanzlei Knauthe und Partner mit der Aufklärung dieser Vorwürfe betrauen. Das haben wir nicht selbst gemacht, sondern wir haben eine in diesen Fragen erfahrene Rechtsanwältin damit beauftragt, die Gespräche zu führen, die Substantiierung der Vorwürfe zu untersuchen und dergleichen mehr. Ich sage Ihnen jetzt auch mal eins: Mal unterstellt, Sie hätten recht, und das wäre keine unabhängige Instanz. Wir haben vom Anwalt des Betroffenen – also desjenigen, dem gegenüber die unmittelbaren Belästigungsvorwürfe erhoben worden sind – inzwischen eine schriftliche Bestätigung bekommen, dass die Vorwürfe weitgehend der Wahrheit entsprechen.