Protokoll der Sitzung vom 15.11.2018

dieser Stadt, die nur auf dem Papier stehen, real aber nie gebaut wurden; der allergrößte Teil davon übrigens nicht von den landeseigenen Wohnungsunternehmen, sondern von privaten Bauherren. Das ist ein Skandal, denn das stinkt nach Spekulation.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Der Bauüberhang ist mittlerweile größer als der derzeitige jährliche Zuzug nach Berlin. Und er ist laut IBB sogar größer als in den Bauboomzeiten der Neunzigerjahre. Anstatt dass gebaut wird, wird mit den Genehmigungen wild spekuliert und auf immer weiter steigende Preise gesetzt. Dieses Monopoly wurde durch die Berliner Bauordnung jahrelang auch noch begünstigt, denn einmal erteiltes Baurecht konnte fast bis auf den SanktNimmerleins-Tag verlängert werden. Um das zu verhindern, haben wir unser Versprechen, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, gehalten und die Bauordnung an dieser Stelle geändert.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Zugegeben: Natürlich hinken wir einer Entwicklung hinterher. Doch warum ist das so? – Das liegt nicht an uns, denn wir machen unsere Hausaufgaben. Nein, liebe Kollegen von der CDU! Die Verantwortung tragen u. a. Sie, denn Sie haben fünf Jahre Regierungsbeteiligung vor allem dazu genutzt, zu bremsen, zu blockieren und den Wohnungsmarkt weiter anzuheizen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Umso mehr rächt es sich heute, dass es zwischen 2003 und 2014 kein öffentliches Wohnungsbauprogramm in dieser Stadt gab, im Gegenteil: Hunderttausende preiswerte Wohnungen sind aus der Sozialbindung geflogen oder wurden verkauft. Auch die CDU hat da viel zu spät reagiert,

[Kurt Wansner (CDU): Ah!]

denn der Neubau von Wohnungen braucht Zeit, wie Sie in Ihrem sogenannten Masterplan Wohnen selbst feststellen. Warum kam denn unter Rot-Schwarz erst im Jahr 2014 ein neues Wohnungsbauprogramm zustande, obwohl Sie schon seit 2011 Teil dieser Regierung waren? Statt hier rumzukeifen, Herr Gräff, wäre ein bisschen Selbstkritik durchaus angemessen,

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von Burkard Dregger (CDU) und Sebastian Czaja (FDP)]

vor allem, wenn Sie sich mal Ihre Bilanz bei der Neubaupolitik insgesamt anschauen: 1 700 Wohnungen in fünf Jahren!

[Zuruf von der LINKEN: Hört, hört!]

Wir haben im ersten Jahr schon fast das Doppelte geschafft,

[Mario Czaja (CDU): Welche Zahl steht im Koalitionsvertrag?]

deutlich mehr also, als Sie in Ihrer gesamten Wahlperiode.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Kommen wir zu Ihrem zweiten Kritikpunkt: Berlins Mieten bald unbezahlbar? – Meinen Sie das wirklich ernst, Herr Gräff – „bald“? Wo leben Sie eigentlich? Viele Berlinerinnen und Berliner können heute schon ihre Miete nicht mehr bezahlen!

[Zuruf von der LINKEN]

Es brennt in dieser Stadt doch schon seit zehn Jahren. In vielen Kiezen hat sich die Bevölkerung quasi längst ausgetauscht. Erst am Dienstag gab es wieder eine neue Untersuchung, die gezeigt hat, dass Wohnen in Deutschland längst zum Armutsrisiko geworden ist.

[Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

40 Prozent der Großstadthaushalte müssen mehr als die Hälfte ihres Einkommens für die Miete ausgeben. Ich finde es ja gut, dass Sie dieses Problem nicht mehr völlig negieren, aber sorry: „Bald“ müssen Sie durch „schon längst“ ersetzen!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Natürlich gibt es Probleme, die wir gemeinsam benennen und auch gemeinsam lösen müssen. Es gibt zu wenig Bauland, es gibt zu wenig Baufirmen, und ja, es gibt immer noch zu wenig Personal in den zuständigen Verwaltungen. Diesen Kampf führen wir hier doch gemeinsam, denn in diesem Hause ist doch unbestritten, dass wir mehr preiswerten Wohnraum brauchen. Wir erleben seit über zehn Jahren aber eine explodierende Boden- und Immobilienspekulation in der Stadt. In manchen Kiezen sind die Bodenpreise in zehn Jahren um sagenhafte 1 000 Prozent gestiegen. Verdrängung und Wohnungsnot sind übrigens auch kein Berliner Phänomen. Über 330 Kommunen in Deutschland sind betroffen. Diese Entwicklung ist weder sozial noch volkswirtschaftlich vernünftig. Deshalb brauchen wir endlich eine wohnungspolitische Wende in ganz Deutschland.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Es ist deshalb gut, wenn auch die CDU Berlin zwischenzeitlich verstanden hat, dass Wohnen die soziale Frage in den Städten ist.

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Ich will die CDU auch mal dafür loben, dass sie dieses Problem endlich anerkennt und in ihrem sogenannten Masterplan Wohnen einige richtige Aussagen dazu trifft.

Es kommt aber auch darauf an, dass man auch die richtigen Schlüsse daraus zieht.

[Christian Gräff (CDU): Machen wir bald! Wenn Sie weg sind!]

Sie selbst sprechen davon, dass die Spekulation mit Grundstücken und Baugenehmigungen eingedämmt werden muss. Sie schlagen sogar eine Steuer auf Spekulationsgewinne vor und wollen entsprechende Regeln auf Bundesebene einführen. Dann erklären Sie uns aber auch bitte einmal, warum solche Lösungen seit Jahren bzw. Jahrzehnten von Ihrer eigenen Partei verhindert werden! Die lasche Bundesgesetzgebung bei Miet-, Bau- und Steuerrecht, die Mietwucher und Verdrängung quasi subventioniert, setzt nun mal die Rahmenbedingungen, wie hoch eine Miete sein darf.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Hier muss man im Grunde sagen – es tut mir leid, das muss ich jetzt mal so deutlich sagen –: Die CDU ist die Mutter aller Mietprobleme!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf von Dr. Hans-Christian Hausmann (CDU)]

Nein, Entschuldigung! Der Vater aller Mietprobleme, denn die Union hat ja bekanntlich ein Männerproblem!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von Ülker Radziwill (SPD), Mario Czaja (CDU) und Christian Gräff (CDU)]

Wenn Sie, lieber Herr Gräff, also wollen, dass wir die Verdrängung in dieser Stadt stoppen, dann müssen Sie uns helfen,

[Zurufe von Christian Gräff (CDU) und Mario Czaja (CDU)]

dass sich die Bundesgesetzgebung ändert. Oder noch besser: Sie unterstützen uns dabei, dass das Mietrecht Landessache wird. Das wäre doch mal was, lieber Herr Gräff!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf von Mario Czaja (CDU)]

Was können und was werden wir als Koalition noch tun? – Viele Instrumente, die es auf Landesebene gibt, nutzen wir oder bauen wir aus – den Milieuschutz, das Vorkaufsrecht, die kostenlose Mieterberatung, die erhöhte Neubauförderung, die Genossenschaftsförderung, die verbesserte kooperative Baulandentwicklung, die Kooperationsvereinbarung mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen, das geschärfte Zweckentfremdungsverbotsgesetz und vieles mehr. Natürlich geben wir als Koalition uns nicht damit zufrieden, vielmehr bereiten wir schon die nächsten Schritte vor: ein neues Wohnungsaufsichtsgesetz, längere oder dauerhafte Sozialbindungen bei

Neubau, der Bodenfonds oder der Ausbau der Kooperationen mit den Genossenschaften.

Natürlich sind auch wir als Koalition ungeduldig und wollen, dass es in vielen Punkten schneller vorangeht. Dabei versprechen wir aber nicht einfach populistisch allen alles – nein, das wäre unseriös! Wir wissen doch ganz genau, dass 20 Jahre einer verfehlten Wohnungspolitik nicht in zwei Jahren zu reparieren sind. Deshalb sollte man den Leuten auch nicht das Heil der Welt versprechen, schon gar nicht, wenn man den Karren selbst mit in den Graben gefahren hat.

[Zuruf von Henner Schmidt (FDP)]

Die wohnungspolitische Misere geht zumindest zu 50 Prozent auf das Konto der CDU.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir versprechen nicht das Blaue vom Himmel. Was wir aber versprechen können, das ist, dass wir für die Mieterinnen und Mieter kämpfen. Jeder, der mich kennt, weiß: Das meine ich auch so. Wir als Koalition kämpfen jeden Tag, damit die Mieterinnen und Mieter wieder mehr Rechte haben als Briefkastenfirmen, damit Wohnen wieder zur öffentlichen Daseinsvorsorge wird und die Menschen in ihren Kiezen bleiben können.

[Zuruf von Kurt Wansner (CDU)]

Also: Kämpfen Sie mit!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Für eine Zwischenbemerkung hat nun der Kollege Gräff das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Schmidberger! Erstens: Die Wohnungen, die jetzt noch entstehen – und da bin ich ganz bei Ihnen, Herr Dr. Nelken, die Baufertigstellungsanzeigen in Berlin sind im Vergleich zu anderen großen Städten in Deutschland noch viel schlimmer – sind in Jahren entstanden, in denen Sie noch gar nicht in der Verantwortung gewesen sind. Die sind gar nicht unter Ihrer Zeit entstanden.