Protokoll der Sitzung vom 29.11.2018

Ich glaube, wir müssen uns davon verabschieden, dass Berlin für alle bezahlbar bleibt.

Das hat der Kollege gesagt. Ich glaube, so klar hat es ja selten einer ausgedrückt: Wer sich Berlin nicht mehr leisten kann, der muss halt akzeptieren und gehen. – Er fügt noch den Satz hinzu:

Es gibt kein Naturgesetz, das mir das Recht gibt, für immer in meiner vertrauten Umgebung zu bleiben.

Das ist die Aussage des Berliner Landeschefs vom Verband Haus und Grund.

Was Sie hier als neue Förderung vorgelegt haben, ist praktisch die Umsetzung im Geiste dessen, was Haus und Grund offensichtlich für die Berliner Hauseigentümer verlangt. Es ist wirklich dreist. Einem solchen Weihnachtsgeschenk an die Immobilienwirtschaft werden wir ganz bestimmt nicht zustimmen. – Ich danke!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Förster das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Nelken hatte gerade einen schönen Versprecher, er hat vom „Förstersystem“ gesprochen. Keine Angst, das erkläre ich jetzt nicht!

[Heiterkeit]

Ich werde nur ganz normal zum Antrag Stellung nehmen. Aber trotzdem ist es schön, dass man in einer Art Ankündigung, einer Art Teaser, schon auf den nächsten Redebeitrag überleitet. Das könnten wir öfter mal so machen. Das hat mir gut gefallen. – Danke schön!

[Heiterkeit – Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN]

Ansonsten ist natürlich klar, dass wir uns in Berlin bei der Frage des sozialen Wohnungsbaus oder der Frage: Wie schaffen wir Wohnraum für Menschen, die es nicht so dicke im Gelbeutel haben? – besonders aufmerksam unterhalten müssen, weil wir gerade aus den Fehlern der Vergangenheit lernen müssen. Das ist gar keine Frage, denn der Finanzsenator hat das neulich in einem Interview deutlich gemacht. Auf die Frage, woher Berlins Schulden von immer noch knapp 58 Milliarden Euro kommen, hat er gesagt: Zu einem nicht unerheblichen Teil aus dem sozialen Wohnungsbau! – Das muss man ganz klar sagen, und der war eigentlich in großen Teilen auch ein sozialistischer Wohnungsbau, weil man nicht die Baukosten gefördert hat, sondern über Baudarlehen an private Investoren letzten Endes die Banken dazu in die Lage gebracht hat, Modelle aufzulegen, wo sie sehr lange sehr gut verdient haben zulasten der Steuerzahler dieser Stadt. Wir sind uns hoffentlich alle einig: Das darf in Berlin nie wieder passieren, dass der Haushalt aufgrund solcher Fördermodelle so in Schieflage gerät. Das ist klar. Das darf es nicht mehr geben.

(Dr. Michail Nelken)

[Beifall bei der FDP – Beifall von Iris Spranger (SPD) und Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Herr Kollatz hat auch darauf hingewiesen, dass es Berlin geschafft hat – damals im alten Westberlin –, beim sozialen Wohnungsbau 20-mal teurer zu bauen als in allen anderen Städten in Deutschland. Das zeigt ja, dass dieses Modell auf Dauer keine Zukunft haben kann. Klar ist aber auch, dass sozialer Wohnungsbau Ländersache ist. Der Bund unterstützt die Länder bereits heute mit umfangreichen Mitteln, aber die Länder müssen auch für sich definieren, welche Prioritäten sie entsprechend setzen wollen.

Jenseits des AfD-Antrags und seiner konkreten Zahlen, wo ich auch erhebliche Zweifel habe, was die Korrektheit dieser Zahlen, dieser Prozentsätze betrifft, sind auch wir Liberalen prinzipiell für Subjektförderung statt Objektförderung, und gerade diese Variante mit dem Wohngeld ist ja auch so gedacht, dass eben Menschen gefördert werden und nicht Gebäude, dass eben bedürftige Haushalte, Mieter wie Eigentümer, einen zweckgebundenen Zuschuss zu ihren Wohnkosten erhalten können und dass sich durch diesen Selbstbehalt verzerrende Effekte auf Preisentwicklungen im Wohnungsmarkt, die bei vollständiger Kostenübernahme ja durchaus entstehen können, entsprechend reduzieren.

Ich will auch darauf hinweisen, dass gerade die Frage von Fehlbelegungsabgabe und Ähnlichem, die man bei einem anderen Modell hätte, nach gültiger Rechtsprechung sehr schwer aufzulösen ist. Wenn Leute einmal in ihren Wohnungen wohnen, jahrzehntelang da wohnen und aus der Bedürftigkeit herausfallen – dazu gibt es genug Urteile –, bekommt man sie praktisch nicht mehr aus diesen günstigen Wohnungen heraus, und auch die Fehlbelegungsabgabe kann man sehr schwer einkassieren. Also dann lieber fördern, solange sie in der Wohnung wohnen und bedürftig sind, und wenn sie es nicht mehr sind, dann eben auch nicht mehr fördern! Das ist, glaube ich, besser, als bestimmte Wohnungen vorzuhalten, die nachher blockiert werden, weil die Leute nicht mehr herauskommen, wenn die Notwendigkeit für die Förderung wegfällt.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Durch die jahresweise Genehmigung der Wohngeldberechtigung orientiert sich dann ja auch bei der Subjektförderung die Bezahlung zielgenau und treffsicher am unmittelbaren Bedarf und der Bedürftigkeit des Haushalts, was bei der Wohnungsbauförderung angesichts von Fehlbelegungsproblematiken – ich sagte es gerade – sonst in dem bisherigen Modell nicht gelingen kann. Gleichwohl stellt sich die Frage – und das ist sicherlich ein Thema, das man mal vertiefend diskutieren kann, nicht im Ausschuss anhand des AfD-Antrags, aber generell –: Wie schafft man es, zu vernünftigen Kostensätzen Leute, die auch in bestimmten Regionen Berlins wohnen können

und sollen – – Ich und wir sind auch keine Freunde davon, nach Stadtteilen, Ortsteilen oder Bezirken zu sagen: Da wohnen die einen, da wohnen die anderen. – Es muss eine gewisse soziale Mischung über die Stadt verteilt bleiben, und da muss man über vernünftige Modelle diskutieren. Das ist der bessere Weg, als hier mit kleinen Prozentsätzen Arm gegen Reich und Oben gegen Unten auszuspielen. Ich glaube, damit kommen wir weiter. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Iris Spranger (SPD)]

Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Schmidberger das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Immer wieder werden Stimmen laut, die bei der Wohnungsbauförderung für eine Umstellung von Objektförderung auf Subjektförderung plädieren. Abgesehen davon, dass wir beim alten sozialen Wohnungsbau Westberliner Prägung einkommensschwachen Mieterinnen und Mietern bereits durch individuelle Zuschüsse helfen, wenn ihre Mieten zu hoch sind, wäre Berlin bei einer Umstellung des kompletten Fördersystems auf eine reine Subjektförderung sehr schlecht beraten. Denn die Subjektförderung des einzelnen Mieters bzw. der einzelnen Mieterin sorgt eben nicht dafür, dass die betreffenden Menschen die freien Wohnungen dann auch bekommen. Aber darum geht es doch wohl. Dass die Miete teils vom Staat übernommen oder bezuschusst wird, sorgt also leider nicht dafür, dass Vermieter sich auch genau diese Mieter und Mieterinnen aussuchen. Es sorgt dafür, dass viele Menschen überhaupt gar keine Chance hätten, eine Wohnung zu finden, und das kann ja wohl keiner hier im Raum wollen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Beifall von Dr. Michael Efler (LINKE)]

Nur öffentlich geförderter Wohnungsbau sorgt mit festen Belegungsbindungen dafür, dass auch die Menschen Wohnraum finden, die ihn sonst nicht bezahlen können. In Berlin sind es eben über 50 Prozent der Bevölkerung, die auf Sozialwohnungen angewiesen sind. Für uns als Koalition ist klar, dass Wohnungspolitik dann gerecht ist, wenn auch Arme und Einkommensschwache mit ausreichend Wohnraum versorgt werden. Wir lehnen den hier vorliegenden Vorschlag deshalb ab. Es handelt sich um ein verstecktes Subventionsprogramm für Wohnungsunternehmen, Fonds und Briefkastenfirmen, und es wird auch dazu führen, dass die Mieten zusätzlich angeheizt werden. Meine Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition bzw. auch von der CDU haben das ja schon wunderbar erklärt. Die Mieten werden nämlich direkt bezuschusst. Je höher die Miete, desto höher der Zuschuss!

(Stefan Förster)

Mitnahmeeffekte auf Vermieterseite werden die Folge sein. Zwar soll der Mietzuschuss laut Antrag gedeckelt sein, und vor allem soll er auch jährlich abgesenkt werden, aber dann stellt sich für mich wiederum die Frage, ob diese Förderung den Leuten überhaupt hilft und ob sie dann überhaupt ausreichend ist.

Hinzu kommt auch, dass es total unkalkulierbar ist, wie viele Menschen so einen Zuschuss überhaupt in Anspruch nehmen würden. Mit dem vorgeschlagenen Programm würden also mehr Armutsquartiere entstehen, und das kann keiner hier in der Stadt wollen. Für den bisherigen Weg der Objektförderung spricht stattdessen, dass dann auch insgesamt deutlich mehr Wohnungsbau stattfindet. Zudem kommt es mittel- bis langfristig zu einer allgemeinen Senkung der Wohnkosten. Das heißt konkret: Die Objektförderung ist auch noch kosteneffizienter und damit auch nachhaltiger für Berlin.

Wie das in der Praxis aussieht, beweist unser Nachbarland Österreich. Dort liegt im Gegensatz zu vielen anderen Ländern der Schwerpunkt auf der Objektförderung, während die individuellen Mietzuschüsse quasi nur eine zusätzliche Hilfe darstellen. Immer wieder wird behauptet, dass das österreichische System weniger effizient sei als andere. Ein Vergleich mit den anderen europäischen Ländern zeigt aber, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Was die Neubauleistung der letzten Jahre anbelangt, liegt Österreich mit einer jährlichen Leistung von um die sechs Wohnungen pro 1 000 Einwohner – davon rund 60 Prozent gefördert – im Spitzenfeld. Die Ausgaben für Objekt- und Subjektförderung sind aber mit insgesamt rund 0,6 Prozent des Bruttoinlandprodukts relativ gering, was vor allem an dem vergleichsweise niedrigen Aufkommen an Wohnbeihilfen liegt. In Frankreich, wo sich die Neubauleistung in der Größenordnung Österreichs bewegt und es fast nur eine Subjektförderung gibt, sind die Ausgaben für Mietzuschüsse wesentlich höher. Der Förderungsaufwand ist insgesamt fast doppelt so hoch wie in Österreich. Daher ist unser Ziel, dem Wiener Weg zu folgen und mehr gemeinwohlorientierte Wohnungen, die dauerhaft kostengünstig sind, auch zu fördern.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Iris Spranger (SPD)]

Immer wieder werden auch mögliche Fehlbelegungen von geförderten Wohnungen diskutiert. Die AfD hat es gerade ebenfalls gemacht und gesagt, Schätzungen zufolge gebe es 50 Prozent Fehlbeleger. Da würde mich für den Ausschuss interessieren, welche Quellen Sie dafür herangezogen haben. Ich würde auch gerne wissen, von welchen Hochverdienern in Sozialwohnungsbauten Sie sprechen. Zeigen Sie die mir bitte! Ich weiß ja nicht, wie oft Sie sich in den Beständen des sozialen Wohnungsbaus aufhalten; ich glaube, das kann nicht sehr oft sein. Wenn Sie öfter dort wären, wüssten Sie, dass das vollkommen aus der Luft gegriffen ist.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Was ja wohl überhaupt nicht sozial sein kann, ist, dass Sie Menschen, die in Armut leben, die in einer Sozialwohnung leben, dann irgendwann besser verdienen und den Aufstieg schaffen, aus der Wohnung werfen wollen. Das ist wirklich alles andere als soziale Wohnungspolitik.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Raed Saleh (SPD)]

Ich würde mich freuen, wenn Sie sich mehr über Steuerflucht, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung usw. von vielen großen Unternehmen aufregen würden, statt über ein paar Fehlbeleger in der Stadt.

Mit einer reinen Subjektförderung verschärft man die soziale Spaltung in unserer Stadt, und das kann nun wirklich niemand wollen. Die Antwort auf Wohnungsnot und Spekulation mit Wohnraum muss lauten: nicht weniger, sondern mehr gemeinnützigen Wohnungsbau wagen! – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag wird die Überweisung an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen sowie an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.6:

Priorität der Fraktion der FDP

Tagesordnungspunkt 25

Unterbelichtung – nicht in Berlin!

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/1438

In der Beratung beginnt die FDP-Fraktion. – Herr Kollege Förster, Sie haben wieder das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mehr Licht – das waren angeblich schon Goethes letzte Worte. Mehr Licht ist auch das, was viele Berlinerinnen und Berliner empfinden, wenn sie gerade in dieser Herbst- und Winterzeit auf die Straße gehen und sich entsprechend orientieren wollen.

[Beifall bei der FDP]

Es gab in den letzten Wochen schon eine muntere Debatte dazu in heimischen und überregionalen Medien. Daran haben sich auch Kolleginnen und Kollegen anderer Fraktionen beteiligt. Ich glaube, Kollege Buchholz hat sich

(Katrin Schmidberger)

auch entsprechend eingebracht; er redet gleich nach mir und wird wahrscheinlich auch eine ganz große Leuchte sein.

[Paul Fresdorf (FDP): Das wäre das erste Mal! – Heiterkeit bei der FDP]