Protokoll der Sitzung vom 24.01.2019

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Broschüre „Ene mene muh – und raus bist du!“, herausgegeben von der Amadeu-Antonio-Stiftung, erhebt den Anspruch, die frühkindliche Bildung demokratisch zu gestalten und an Kinderrechten zu orientieren. Stattdessen leitet sie jedoch Erzieher dazu an, die politische Gesinnung der

Eltern zu kontrollieren. Die Broschüre nimmt dabei völlig absurde Indizien zum Anlass, um auf eine vermeintlich rechtsextreme Gesinnung der Eltern zu schließen. Darunter fallen traditionelle Geschlechterrollen in den Erziehungsstilen, die sich unter anderem darin äußern sollen, dass Mädchen Kleider und Zöpfe tragen und zu Hause zur Haus- und Handarbeit angeleitet werden, und dass Jungen stark körperlich gefordert werden.

Die Absurdität dieser vermeintlichen Indizien ist derart bezeichnend, dass man die Broschüre allein aufgrund dieser Passagen dem für sie einzig sinnvollen Zweck zuführen müsste, nämlich als Heizmaterial für den Ofen oder den Kamin zu dienen; das können Sie sich gerne aussuchen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Man fragt sich unweigerlich, was bei den Verantwortlichen im Oberstübchen eigentlich falsch gelaufen ist, wenn man gute Erziehung und Alltagsfrisuren zum Anlass nehmen will, junge Eltern zu denunzieren und unter den Verdacht menschenverachtenden Gedankenguts zu stellen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Aber bei solchen Wahnvorstellungen bleibt es nicht, denn die Broschüre stört sich nicht nur an banalsten Äußerlichkeiten, sondern obendrein an guter Kinderstube. Denn wenn Kleider und Zöpfe den Verdacht der Menschenverachtung noch nicht hinreichend untermauert haben sollten, gibt es da noch den abschließenden Beweis, das Kronindiz rechtsextremer Umtriebe im Elternhaus: das Fehlen von Fehlverhalten.

[Heiterkeit bei der AfD]

Das ist keine Übertreibung, denn in der Broschüre steht tatsächlich, dass es ein weiteres Indiz sei, dass bei verdächtigen Kindern keine Disziplinprobleme vorliegen, diese also scheinbar besonders gut spuren würden.

Hier wird eine prinzipielle Grenze überschritten, denn wer dem Staat zugesteht, in dieser Weise in die Privatsphäre von Familien einzudringen, der wacht eines Morgens in einem Land mit Gesinnungskontrolle nach Vorbild der DDR auf.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Die Empörung über diese Denunziationsbroschüre brach sich flächendeckend Bahn, etwa bei Heinz-Peter Meidinger, dem Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes. Dieser kritisierte die Broschüre zutreffend mit den Worten, hier werde zu einer Gesinnungsschnüffelei aufgerufen. Mit fragwürdigen Kategorien werde ein völkischer

Typus kreiert. Das sei abstoßend wie kontraproduktiv und entbehre jeder wissenschaftlichen Grundlage.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Ein anderes Beispiel ist der CDU-Stadtrat Falko Liecke, den die Stiftung aufgrund seiner Meinungsäußerung sogar verklagte. Kritik ist eben unerwünscht; Klappe halten ist offensichtlich angesagt. Dabei muss man Herrn Liecke sogar zustimmen, wenn er fordert, die Funktionalität und Ausrichtung der Amadeu-Antonio-Stiftung dringend zu hinterfragen und deren Zuschüsse zu überprüfen. – Richtig so, Herr Stadtrat!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Von der SPD hingegen hat man wohl keine Vernunft mehr zu erwarten, denn sie selbst weiß offensichtlich nicht einmal, in welchem Ausmaß sie diese Hetzbroschüre den Bürgern zumuten möchte. Auf meine Frage im Bildungsausschuss antwortete Frau Staatssekretärin

Klebba doch allen Ernstes, dass sie keine Kenntnis davon habe, wie, in welchem Umfang und in welchen Berliner Kindergärten diese Broschüre denn eigentlich verteilt werden soll, da es sich schließlich um eine Angelegenheit des Bundes handele. – Die Senatsverwaltung interessiert sich also offenbar nicht für das, was in ihrem Verantwortungsbereich passiert. Das klingt schlicht unglaublich.

[Beifall bei der AfD]

Da bleiben eigentlich nur zwei Möglichkeiten offen: Wenn dem doch nicht so ist, verschweigt Frau Klebba bewusst Informationen und hat darüber mutwillig getäuscht, oder sie hat wirklich keine Ahnung, was in ihrem Zuständigkeitsbereich vor sich geht. So oder so ist die Haltung der Senatsverwaltung absolut inakzeptabel. Ich fordere die Frau Bildungssenatorin auf, hieraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Lachen von June Tomiak (GRÜNE)]

Lassen Sie mich abschließend noch eines sagen, meine Damen und Herren von der Linkskoalition! Mit uns wird es diese Gesinnungsschnüffelei gegen Kinder und Eltern niemals geben – niemals! Die Mehrheit der Eltern wird diesen Irrsinn ebenfalls nicht mitmachen.

[Zurufe von der LINKEN – Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Wir fordern den Senat deshalb entschieden dazu auf, jegliche Verbreitung und Verwendung dieses unsäglichen Hetzblattes an staatlichen Kindergärten zu untersagen.

[Beifall bei der AfD – Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Es kommt auf Sie nicht an! – Wir sind ganz entspannt! – Zuruf von Anne Helm (LINKE)]

Für die Fraktion der SPD hat jetzt Frau Abgeordnete Kühnemann-Grunow das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leider zeigen die heutige Debatte und der vorliegende AfD-Antrag, dass es hier nicht um eine fachliche Auseinandersetzung geht, sondern wieder einmal um eine Desinformation durch rechte Akteure, eine Provokation durch die AfD und auch um eine absurde Debatte um Zöpfe.

Ein Verständnis für Respekt und Beteiligung, aber auch das Handeln gegen Diskriminierung und Ausgrenzung sind relevante Elemente der frühkindlichen Pädagogik. Feindbilder machen leider auch nicht vor der Kita halt. Die Handreichung, die hier zur Sprache kommt – „Ene mene muh – und raus bist du!“ –, reagiert auf diese Situation, vor allem aber auf Bedarfsanzeigen von Fachkräften aus dem Arbeitsfeld, die sich hier eine Unterstützung gewünscht haben. Durch die einseitige und verkürzte Auswahl von Zitaten – wie auch hier gerade wieder passiert, aber auch in rechtsextremen Blogs, in der „Bild“Zeitung –

[Lachen bei und Zurufe von der AfD]

ist gezielt ein falscher Eindruck der Handreichung hervorgerufen worden. – Schreien Sie ruhig, meine Herren! Ich bin lauter; ich habe das Mikrofon. –

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Diesen gezielt hervorgerufenen Eindruck gilt es, hier richtigzustellen. Die massive Hetzkampagne, der sich die Amadeu-Antonio-Stiftung seitdem ausgesetzt sieht, reicht von Unterstellungen und den üblichen Hassmails bis hin zu Mord- und Terrordrohungen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit?

Nein! Ich möchte meine Rede erst beenden; dann können sich die Herren gerne melden. – Die in der Publikation vertretenen Hilfestellungen für Erzieherinnen und Erzieher, mit rechtsextremen Eltern das Gespräch zu suchen, werden dabei bewusst so fehlinterpretiert, dass der Vorwurf entsteht, es werde zur Gesinnungsschnüffelei aufgerufen.

Interessant finde ich an dieser Stelle, dass Sie hier immer die DDR heranziehen, niemals aber das „Dritte Reich“ – sehr merkwürdig.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Sehr merkwürdig!]

Die AfD verunglimpft die Einladung zum Elterngespräch als Gesinnungskontrolle, wobei eine fachlich-professionell gestaltete Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften ein wesentliches Qualitätsmerkmal jeder Kita ist. Da werden Hunderte Gespräche geführt. Umso mehr freut es mich, dass die Zivilgesellschaft und auch die vielen Verbände die Handreichung begrüßen. Wenn es eines der wichtigsten Erziehungsziele ist, Kinder demokratische Grundwerte zu vermitteln und ihnen ein friedliches, gewaltfreies sowie selbst- und mitbestimmtes Zusammenleben zu ermöglichen, kann von Erzieherinnen und Erziehern nicht gefordert werden, wegzusehen, wenn Kinder rechtsextreme Ideologie und rechtsextremes Verhalten wiedergeben, die bzw. das sie von ihren Eltern erlernt haben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vallendar?

[Lachen von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Ich hatte es schon einmal erwähnt, dass ich meine Gedanken hier weiter ausführen und meine Rede beenden würde. – Dann, Herr Vallendar, können Sie gerne Ihren Beitrag leisten. – Der Diakoniefachverband begrüßt daher ebenso wie der Gewerkschaft Verdi die Handreichung – und zwar mit den Worten: Das Wohl und die gute Entwicklung der Kinder stehen im Vordergrund, wenn die Sensibilität von Mitarbeitenden und Eltern gefragt ist, um Ausgrenzung in Wort und Tat in jeglicher Hinsicht aus der Kita zu verbannen. –

[Zuruf von Harald Laatsch (AfD)]

Aus wissenschaftlicher und fachlicher Richtung erhält die Amadeu-Antonio-Stiftung deshalb sehr viel Unterstützung –

[Marc Vallendar (AfD): Sie erhält vor allem Steuergelder!]

und den Hinweis, dass die Handreichung auf dem Stand der qualitativen und fachlichen Standards ist. Wenn also von allen fachlichen Seiten bescheinigt wird, dass es sich um eine Broschüre handelt, die zum einen von den Fachkräften nachgefragt wird und zum anderen qualitativ und fachlich anerkannt wird, fragt man sich, worum es hier eigentlich geht. Es geht hier eben nicht um die fachliche Auseinandersetzung, sondern, wie wir gerade erleben mussten, neben rechtsextremer und populistischer Mobilisierung den Versuch, den demokratischen Bildungsauftrag in Kitas neu und auf eine problematische Weise auszuhandeln.

[Zuruf von Harald Laatsch (AfD)]

Wir haben das übrigens auch schon bei dem Lehrerportal erlebt, wo Schülerinnen und Schüler aufgerufen wurden,

Lehrer zu denunzieren. Die Kritik an der Handreichung ist dabei der Aufhänger, gezielt gegen den gesetzlichen Auftrag Stimmung zu machen, dass Kitas sich auch mit Lebensverhältnissen von Familien auseinandersetzen müssen. Dieser Auftrag ist übrigens im SGB VIII verankert und an vielen Stellen in Landesgesetzen sowie Bildungsplänen zu finden.

Noch ein Zitat zum Ende:

Dass in vielen Fällen Kinder aus rechtsextremen und völkischen Familien besondere Unterstützung dabei benötigen, die Grundlagen des demokratischen Miteinanders zu erlernen und zu verinnerlichen, liegt auf der Hand.

So die Caritas! Wie wichtig das Erlernen des demokratischen Miteinanders ist, wird für Sie von der AfD allerdings immer erst deutlich, wenn gleiche Hilfestellungen für Prävention gegen religiös begründeten Extremismus adaptiert werden. Dann sind Sie ganz vorne dabei.

[Zurufe von Stefan Franz Kerker (AfD) und Karsten Woldeit (AfD)]