Aber natürlich bietet das ebenso die Chance – schließlich war das MfS auch ein Geheimdienst, und seine friedliche Auflösung ermöglicht es –, seine Strukturen und Wirkungsweise jetzt zu betrachten und daraus – aus den Gefahren des klandestinen und unkontrollierten Agierens von Sicherheitsbehörden für eine offene und demokratische Gesellschaft – für heute zu lernen.
Dieses Parlament hat sich entschieden, die Arbeit des Beauftragten fortzuführen, zu entfristen, auszuweiten und zu stärken. Wir haben mehr Ressourcen dafür zur Verfügung gestellt. Das ist auch angemessen und notwendig angesichts der Vorhaben, die hier im Einzelnen schon benannt und diskutiert worden sind.
Ich will noch einmal hervorheben, dass gerade das Jubiläum 30 Jahre Friedliche Revolution – das Jubiläum der Friedlichen Revolution der Selbstbefreiung, wie Sie es genannt haben – aus meiner Sicht neben vielen anderen Aufgaben auch die Aufgabe hat, die Erfahrung von Selbstermächtigung, von Mut und Demokratisierung nicht unterzugehen zu lassen im Jubel über die Vereinigung oder in den Erfahrungen existenzieller Verunsicherung und Benachteiligung der Menschen im Osten, sondern an dieses Erleben, an diese Revolution zu erinnern.
Insofern herzlichen Dank noch einmal für Ihre Arbeit! – Ich denke, gerade mittel- und langfristig gibt es noch eine ganze Reihe von Dingen zu tun, über die wir hier geredet haben und weiter reden werden. Ich hoffe, es geht in einer Art und Weise weiter, wie es auch in den letzten beiden Jahren geschehen ist. Ich glaube, wir haben hier mehr hinbekommen als in vielen Jahren davor.
Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Sello! Auch im Namen der AfDFraktion möchte ich mich ganz herzlich für die von Ihnen geleistete Arbeit bedanken.
Wie auch in den Jahren davor ist der Jahresbericht 2017 eine lohnende Lektüre, in der die Vielfalt Ihrer Aktivitäten dokumentiert ist. Der Bericht zeigt, dass die Kernbereiche Bürgerberatung und Rehabilitierungsberatung unverändert eine zentrale Rolle spielen. Denn noch immer gibt es SED-Opfer, die ihre traumatischen Erfahrungen nicht aufarbeiten konnten. Noch immer gibt es Menschen, die sich bislang ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die DDR-Repression nicht stellen konnten – Menschen, deren Entwicklung oftmals in Kinder- und Jugendjahren gehemmt wurde, die der Familie entrissen, zum Teil sogar eingesperrt und kriminalisiert wurden, und die heute noch unter den psychischen Folgen dieser Behandlung leiden. Weil das so ist und viele Betroffene die gesetzlichen Möglichkeiten aus unterschiedlichsten persönlichen Gründen noch nicht in Anspruch nehmen konnten, müssen die Rehabilitierungsgesetze über das Ende dieses Jahres hinaus verlängert bzw. gänzlich entfristet werden, wie meine Vorredner das hier auch ausgeführt haben. Alles andere wäre ein fatales Signal, wie Sie, Herr Sello, in Hinblick auf die Bundesebene zu Recht gesagt haben. Denn Aufarbeitung hat eben kein Verfallsdatum.
Lassen Sie mich neben dem Lob für den Landesbeauftragten – dafür würde die Zeit hier nicht ausreichen – auch noch ein paar kritische Punkte aufgreifen, mit denen die Aufarbeitung zurzeit konfrontiert ist. Leider haben einige problematische Entwicklungen der letzten Zeit mittlerweile eine kritische Größenordnung erreicht, die die Erfolge der Aufarbeitung der letzten Jahre doch ein Stück weit infrage stellen. Da sind nicht nur die stockenden Fortschritte bei der Weiterentwicklung des Campus für Demokratie oder beim Ausbau der Keibelstraße – von der dilettantischen Kaputtsanierung vieler Räume dort durch die Bildungsverwaltung einmal ganz zu schweigen –, sondern in allererster Linie der schwere Rückschlag für Hohenschönhausen durch die Entlassung von Hubertus Knabe zu nennen.
[Beifall bei der AfD – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Dann hätten sie keine Frauen belästigen sollen!]
So einfach ist das nicht, Herr Albers! – Der Umgang mit Hubertus Knabe hat sich zu einem Menetekel für die Aufarbeitung unter Rot-Rot-Grün entwickelt. Nach dem, was wir hier letztes Jahr erleben mussten, kann man sich
des Eindrucks nicht erwehren, dass die Aufarbeitung insgesamt in Berlin 30 Jahre nach dem Ende der SEDHerrschaft in einer Krise steckt. Es scheint so, als ob eine konsequente Aufarbeitung für Rot-Rot-Grün entgegen allen Beteuerungen eben doch ein Störfaktor ist. Vor diesem Hintergrund fallen dann auch atmosphärische Veränderungen stärker ins Auge, so zum Beispiel das in vielerlei Hinsicht unkritische Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, das gerade in diesem Jahr viele DDR-Opfer besonders irritiert hat.
Sie fragen sich zu Recht: Was soll das immer neue Stelldichein von Linkspartei, Kommunisten, Maoisten, Leninisten, Trotzkisten, Stalinisten und früheren SEDFunktionären? Wo soll das noch hinführen?
Auch die Veranstaltung der Linkspartei – liebe Kollegen zur Linken – zu 100 Jahren KPD ist in diesem Zusammenhang zu nennen.
Für viele war der affirmative Zug unübersehbar, der kritische Gestus erkennbar nur vorgeschoben. Dass diese zunehmende Romantisierung und unkritische Aneignung kommunistischer Politik in der Koalition unwidersprochen bleibt, ist bezeichnend.
Auch beim Themenabend zu 100 Jahren Rätekongress hier im Plenarsaal am 17. Dezember 2018 stieß mancher deplatzierte Applaus bei den szenischen Lesungen zu den Forderungen nach einer Räterepublik unangenehm auf. Einige wünschen sich scheinbar noch heute eine Räterepublik statt einer parlamentarischen Demokratie.
Oder nehmen Sie ein weiteres Beispiel: die Verabschiedung des Gesetzes über die Ausweitung der Aufgaben des Landesbeauftragten in Mecklenburg-Vorpommern gerade gestern in Schwerin. Bemerkenswert finde ich das Verhalten der Linken, die sich beleidigt enthalten haben, nachdem ihr Vorschlag, die Behörde auf die Aufarbeitung stalinistischer Verfolgung zu beschränken, von den anderen Fraktionen abgelehnt worden war.
Schon dieser Versuch, die nichtstalinistischen Verbrechen des DDR-Regimes kleinzureden, ist an Geschichtsvergessenheit nicht zu überbieten.
Ich kann es verstehen, dass so etwas bei den Opfern der DDR-Diktatur zu Irritationen führt. Umso wichtiger ist es, dass wir die Aufarbeitung jetzt konsequent fortführen. In dieser Situation wäre es ein gutes Signal, wenn das Abgeordnetenhaus die haarsträubenden Vorgänge um die Entlassung von Hubertus Knabe im Rahmen eines Un
tersuchungsausschusses einmal genauer unter die Lupe nehmen würde. Wir brauchen neuen Mut, um den Prozess der Aufarbeitung nicht versiegen zu lassen, sondern angemessen fortzuführen. Das sind wir nicht nur den Opfern der DDR-Diktatur und den um ihre Chancen betrogenen Menschen schuldig, sondern auch uns selbst, wenn wir unsere Verantwortung für eine gedeihliche Zukunft unseres Landes ernst nehmen. Der Landesbeauftragte hat sich diesem schwierigen Unterfangen gestellt. Dafür verdient er unsere Unterstützung. – Wir wünschen Ihnen, lieber Herr Sello, Mut, aber auch Beharrungsvermögen und Ausdauer für diese wichtige Aufgabe. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Sello! Es ist eine Premiere, dass der Beauftragte für die Aufarbeitung der Diktatur hier im Plenum zu uns spricht. Das haben wir durch die Gesetzesnovelle ermöglicht. Ich bin sehr froh, dass diese Premiere heute sehr gut gelungen ist, wie ich finde, und dass Sie uns gesagt haben, was 2019 – im 30. Jahr der Friedlichen Revolution – wichtig ist, und dass da noch eine ganze Menge zu tun ist. Dafür will ich schon einmal im Namen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ganz herzlichen Dank sagen.
Wir haben uns als Koalition, aber auch dieses Haus insgesamt hat sich in dieser Legislaturperiode viel vorgenommen, was wir tun wollen. Wir haben den Haushalt des Landesbeauftragten aufgestockt, mehr Geld für Beratung, mehr Geld für Projekte der Aufarbeitung vorgesehen. Ich erinnere hier an den Campus für Demokratie, ich erinnere an die Archive der DDR-Opposition, ich erinnere an die Aufarbeitungs- und Beratungsprojekte, die es in freier Trägerschaft in dieser Stadt gibt. Die Koalition und das Abgeordnetenhaus haben sich dazu bekannt, dass das wichtig ist, weiterhin wichtig ist und ausgebaut werden muss. Darüber bin ich sehr, sehr froh.
Aber wir müssen natürlich auch schauen, was schon gut gelaufen ist und wo es noch Stellen gibt, an denen wir uns alle mehr anstrengen müssen. Da schließe ich uns als Abgeordnete durchaus mit ein, aber natürlich auch den Senat. Es ist sehr schön, das einmal an diesem Bild der U5 als Freiheitslinie entlangzugehen. Da sind wir natürlich beim Campus für Demokratie in Lichtenberg. Dort
ist durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ein Standortmanagement eingerichtet worden. Da müssen Verhandlungen mit den Eigentümern geführt werden, die an dieser Stelle sehr divers sind. Es muss an einem Konzept gearbeitet werden. Es muss aber irgendwann auch mehr Leben in die Bude. Da muss mehr angesiedelt werden, mehr Projekte, Kultur, Bildung, Aufarbeitung. All das soll dort seinen Platz haben. Wir sind gut beraten, das sehr eng zu begleiten, damit wir tatsächlich zum Ende der Legislaturperiode dort auch vorangekommen sind.
Bisher, wenn man dort hinkommt, gibt es die Ausstellung, es gibt die Havemann-Gesellschaft, die jetzt dort sitzt. Der Bundesbeauftragte sitzt dort, die ASTAK sitzt dort, es sind etliche Projekte. Es steht aber auch ganz viel leer. Es stehen viele Gebäude leer. Wir wollen, dass sich Berlin dort engagiert, dass Berlin inhaltlich mitwirkt, ob das jetzt der Regierende Bürgermeister macht, der Kultursenator oder sich im besten Fall der gesamte Senat engagiert, wobei, wenn man vom gesamten Senat spricht, sich immer niemand angesprochen fühlt; also, die wichtigen, die jetzt gemeint sind, wissen das: Bitte machen Sie das, was wir beschlossen haben, den Campus für Demokratie! Da muss Leben hinein. Da muss Aufarbeitung hinein. Da muss Bildung hinein, damit dieser Ort von einem der Repression zu einem der Freiheit und des Lebens wird. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Da müssen wir noch ran.
Das Zweite ist schon genannt worden, die Keibelstraße, das Polizeigefängnis. Der Bildungsort, den wir im Koalitionsvertrag aufgeführt haben, ist noch nicht richtig eröffnet worden. Eher symbolisch wurde im vergangenen Jahr bekanntgegeben, dass er jetzt, 2018, soweit sei; das ist eine Etage. Aber wir wollen, dass dieses ganze Polizeigefängnis, das noch weitestgehend dasteht – hier ist behauptet worden, es wären ganz viele Räume umgebaut worden –, ein paar Räume sind verschwunden, aber das Gros der Räume, die ganzen acht Etagen, steht da und wartet darauf, durch die Öffentlichkeit in Besitz genommen zu werden. Das ist eine ganz wichtige Aufgabe. Ich möchte, dass wir bis 2020/2021 wirklich in der Weise vorangekommen sein werden, dass jeder, der das besichtigen möchte, auch hineinkommt und es ein Ort ist, an dem man sehen kann, wie Diktatur gewirkt hat und wie wir sie überwunden haben.
Das sind zwei Orte. Das Dritte könnte man hier noch benennen: Es ist der Alexanderplatz. Wir haben uns als Koalition vorgenommen, am Alexanderplatz an alles zu erinnern, was dort 1989 an friedlicher Revolution stattgefunden hat. Da ist der 4. November ein Datum. Es gibt aber auch die anderen Daten, an denen jeweils am 7. eines Monats an die Wahlfälschung im Mai 1989 erinnert wurde. Auch an die muss erinnert werden. Wir sind da dran. Es muss dafür ein Konzept geben. Auch der A
lexanderplatz ist ein ganz wichtiger Ort für 1989. Ich bin sehr froh über diesen Vorschlag. Ich glaube, wir werden ihn beraten und aufgreifen. Die U-Bahnlinie 5, die Linie der Freiheit, ist ein wunderbares Bild. Man kann eigentlich nur dafür sein.
Es ist richtig von Bildungsarbeit zu sprechen. Im Bericht kann man das nachlesen. Es steht viel darin, was mit Schulklassen passiert, was mit Gruppen passiert, die nach Berlin kommen, wie die etwas über die friedliche Revolution lernen können, über die Aufarbeitung. All das ist wichtig. Ich glaube, da will ich dem Landesbeauftragten ausdrücklich recht geben, dass die Orte, die wir hier in Berlin haben, die genannten, aber auch die Bernauer Straße und natürlich auch Hohenschönhausen, die Orte der Diktatur sind, aus denen wir hier in Berlin die Orte der Aufarbeitung, der Erinnerung gemacht haben. Das ist wichtig. Das ist die beste Bildungsarbeit.
Ich möchte noch einen letzten Satz zu dem Vorredner sagen: Egal, was man von dem ehemaligen Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen hält, Herr Trefzer, dieser Ort, diese Gedenkstätte, diese Stiftung des Landes Berlin, die vom Bund unterstützt wird, das ist unser Ort der Aufarbeitung, und der wird und muss weiterarbeiten. Sie können ganz sicher sein, dass es auch mit diesem Senat und dieser Koalition geschehen wird.
Ich freue mich auf dieses Jahr, auf 30 Jahre friedliche Revolution. Ich hoffe, wir sehen uns bei vielen Gelegenheiten und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste und nicht zuletzt: geschätzter Herr Sello! Der Kollege Otto hat es gerade in seiner Rede deutlich gemacht: Es war wirklich eine gute Idee, dass wir uns vor anderthalb Jahren dazu durchgerungen haben, mit der Novellierung des Gesetzes auch ein Rederecht für den Landesbeauftragten einzuführen. Er hat heute gezeigt, dass er dieses Rederecht genutzt hat. Er hat uns einige Dinge in das Stammbuch geschrieben. Er hat aus seiner Sicht gesagt, was vernünftig läuft und wo es Kritikpunkte gibt. Genau das erwarten wir uns auch, wenn wir einen Beauftragten wählen, dass Sie uns dann auch
die Meinung sagen und uns Hinweise für die Weiterarbeit in der Zukunft geben. – Herzlichen Dank, Herr Sello, dass Sie das getan haben.