Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung vom 20. Februar 2019 Drucksache 18/1688
zum Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1625
In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, und hier der Kollege Dr. Altug. – Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Artenschutz und die Produktion von Lebensmitteln sind als Themen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher lehnen die Massentierhaltung, den Einsatz von Antibiotika und Pestiziden ab und wollen eine andere Landwirtschaft und einen nachhaltigen Konsum.
Städte wie München, Hamburg, Bremen und weitere haben sich zu einem Bio-Städtenetzwerk organisiert und profitieren beispielsweise vom Erfahrungsaustausch und der gemeinsamen Beantragung von Fördergeldern. Die übergeordneten Ziele des Netzwerks sind, den Ökolandbau und den Absatz von Biolebensmitteln zu fördern. Mit dem Beitritt zu diesem Netzwerk bekräftigt Berlin, dass auch die Hauptstadt hinter diesen Zielen steht. Es ist aber auch klar, dass das nur ein kleiner Baustein ist. Diese Koalition wird noch weitere Stellschrauben betätigen, um die im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele in diesem Bereich zu erreichen und den Anteil von Bioessen in den Schulen, Kitas und weiteren öffentlichen Einrichtungen zu erhöhen.
Wir wollen demnächst eine Ernährungsstrategie für Berlin verabschieden, die derzeit in enger Kooperation mit der Zivilgesellschaft entwickelt wird und ein zentrales Projekt der rot-rot-grünen Koalition im Bereich des Verbraucherschutzes ist. In diesem Zusammenhang möchte ich auch das sogenannte House of Food nach dem Vorbild Kopenhagens erwähnen. Es wird ebenfalls noch in diesem Jahr entstehen und ist ein wichtiger Baustein der Ernährungsstrategie. Dort werden Vernetzung, Wissen und Austausch zu Thema gutes Essen gesammelt und
ausgebaut. In Kopenhagen konnte der Anteil von Bioessen in Kitas, Schulen und öffentlichen Kantinen in einem sehr kurzen Zeitabschnitt fast kostenneutral deutlich erhöht worden.
Auch der Lebensmittelverschwendung konnte dort erfolgreich entgegengewirkt werden. Das ist auch unser Ziel für Berlin, denn gutes nachhaltiges und gesundes Essen für alle – ich betone: für alle – ist für uns Grüne ein sehr wichtiges Thema. Wir wollen allen Berlinerinnen und Berlinern den Zugang zum guten Essen ermöglichen. Beim Schulessen geht es uns nicht nur darum, dass es in Berlin kostenlos wird, sondern auch um die Erhöhung der Qualität.
Andere Städte haben gezeigt, dass der Anteil von Biolebensmitteln in der Außer-Haus-Verpflegung erhöht und die Lebensmittelverschwendung reduziert werden kann. Berlin sollte und wird in diesem Bereich in den nächsten Jahren aufholen und hierbei von der Expertise des BioStädte-Netzwerks profitieren. – Danke schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Liebe Kollegen! Ich habe die Überschrift, den einzigen Satz, den man im Antrag lesen kann, aufmerksam wahrgenommen. Man will die Mitgliedschaft im Netzwerk für Bio-Städte. Dagegen kann man nichts sagen. Man will sich auch den Zielen anschließen, das im Übrigen ausschließlich. Jetzt habe ich gerade noch ein paar andere Dinge gehört, die ich in der Begründung des Antrags auch gelesen habe, die aber nie Gegenstand der Debatte hier offensichtlich sein sollten, zum Beispiel House of Foods. Das steht hier nicht im Antrag. Möglicherweise kommt noch einer. Dann können mir vielleicht die nachfolgenden Redner helfen. Sie sprechen von der Ernährungswende. Was ist das?
Was ist eine Ernährungswende – Klammer auf – gibt es jetzt noch gar kein Bioessen in den Schulen offensichtlich, sodass man das einhundert Prozent verändern muss – Klammer zu –? Das habe ich noch nicht ganz verstanden. Das sind die nachfolgenden Redner also eingeladen, uns dabei zu helfen.
Ich habe mir die Ziele dieses Bio-Städte-Netzwerks genau angeschaut. Wie gesagt, wir finden gut, dort Teil eines Netzwerkes zu sein. Man will Biolebensmittel vorrangig betrachten bei öffentlichen wie auch privaten
Einrichtungen, wenn möglich. Man will Kinder und Jugendliche insbesondere in den Genuss von Biolebensmitteln kommen lassen. Man will die Wirtschaft fördern. Man möchte Biobranchen miteinander besser noch vernetzen und die Arbeitsplätze in dem Bereich fördern. Das haben Sie jetzt mit keiner Silbe ausgeführt, wie das aussehen soll, was das kostet, wie die Finanzierung ist. Sie sagen, es wird an den Schulen für alle – Zitat Turgut Altug – kostenfreies Essen geben, das bio sein soll. Ich habe damit gar kein Problem. Ich frage mich nur, wie das umgesetzt werden soll. Deswegen habe ich ein bisschen die Sorge, dass Sie das in einem Rausch der Koalition Anträge formulieren, einen nach dem anderen und möglicherweise denen gar nicht nachkommen können und dann spätestens in zwei Jahren in der Situation sind, sich erklären zu müssen, warum Sie sich diesem Netzwerk anschließen oder diesem oder das Dachgeschoss mit grüner Bedachung genauso wie mit Photovoltaik gleichzeitig bebauen wollen. Diese Sorge können Sie mir aber in der nächsten Rede, in den nächsten Beiträgen gern nehmen. Ich glaube, das Bionetzwerk ist ganz spannend. Ich glaube aber, dass Sie es, wie Sie es hier formuliert haben, nicht gut gemacht haben. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Sehr verehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ob ich Ihnen jetzt Ihre Sorgen nehmen kann, weiß ich nicht, Herr Kollege Freymark. Ernährungswende: Ich glaube, wir können uns hier auf eines einigen. Lebensmittel genießen in unserer Gesellschaft zu wenig Respekt. Sie werden zu wenig geachtet. Wir erzeugen weltweit Lebensmittel auf Flächen. Dort wurde vorher Raubbau getrieben. Da wurden vorher Menschen zum Teil von ihren angestammten Ackerflächen verdrängt. Da wird in großen Massen produziert unter Einsatz von Chemie. Das wird dann unter hohem Energieaufwand nach Europa transportiert, um hier in Berlin unter Umständen in der Mülltonne zu landen. Das ist ein Umgang mit Lebensmitteln, mit unseren Ressourcen auf dieser Erde, die wir uns alle mittelfristig nicht mehr werden leisten können.
Dafür das Bewusstsein zu schärfen, diesen anderen Umgang mit Lebensmitteln von der Erzeugung an auch hier bei uns in der Region mit kurzen Wegen, mit guten Arbeitsverhältnissen ohne Raubbau an der Natur, ohne Verseuchung unserer Flüsse und Meere, da hinzukommen, das ist das Ziel. Ja, da werden wir wahrscheinlich in zwei Jahren auch noch nicht angekommen sein, so gut die
Strategien auch sein mögen, die wir jetzt gemeinsam entwickeln. Dazu sind auch Netzwerke da, dass man eben Erfahrungen austauscht, dass man gemeinsam Strategien entwickelt, dass man von den anderen lernt. Das werden wir wahrscheinlich in zwei Jahren nicht gelöst haben.
Ich weiß aber eines gerade von den Kindern: Kinder haben ein hohes Maß an Sensibilität für Grausamkeit gegenüber anderen Geschöpfen und für Ungerechtigkeiten. Wenn Sie ein Kind im Kindergarten oder in der Schule fragen, wie es möchte, dass das Huhn lebt, das das Ei gelegt hat, das es isst, dann wird Ihnen das Kind eine ziemlich klare Antwort darauf geben, wie es sich das vorstellt und wie nicht. Darüber zu reden und diesen Anteil an ethisch, vernünftig und biologisch vertretbar erzeugten Lebensmitteln in unseren Schulen, in unseren Kindertagesstätten zu erhöhen, ist wichtig, sodass wir alle wissen, dass wir zu Hause die Verantwortung dafür haben, welches Frühstücksei auf den Tisch kommt und wie sich die Familie ernährt. Aber in der Schule, in der Kita, überall, wo wir außer Haus essen, da wollen wir eben auch einen hohen Standard, damit niemand gezwungen ist, einfach nur um sich zu ernähren, Dinge zu essen, die nicht unter diesen Standards erzeugt sind. Das ist auch gut für die Berliner Wirtschaft. Das ist gut für die Berlin umgebende Landwirtschaft. Das ist gut für Existenzen von vielen Erzeugerinnen und Erzeugern hier im Umland. Das ist insofern auch alles wirtschaftlich sehr vernünftig für diese Stadt. Umdenken, ja, umsteuern, ja, den Leuten klar machen, dass eine Kartoffel nicht besser schmeckt, weil sie so schön ist, dass sie auch bei Heidi Klum auftreten könnte, das ist unser Ziel. Ich glaube, mit diesem Netzwerk werden wir dem ein Stück näher kommen. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Überall wird heutzutage „Bio“ draufgeschrieben. Der Markt mit Bioprodukten boomt immer weiter. 2016 haben die Deutschen 8,6 Milliarden Euro für Biolebensmittel ausgegeben. Der Umsatz hat sich in fast einem Jahrzehnt fast verdoppelt. Es ist eine milliardenschwere Industrie geworden. Die Verbraucher akzeptieren satte Aufschläge für zertifizierte Ökoprodukte, Aufpreis gegen gutes Gefühl. Das ist ein moderner Ablass-Handel.
Der Großteil der Bioprodukte wird gar nicht in Deutschland hergestellt, jede zweite Möhre wird importiert, jeder dritte Apfel, jeder dritte Liter Milch und jedes vierte Schweinesteak, schätzt man bei der Agrarmarkt Informationsgesellschaft.
Biotomaten stammen sogar zu 90 Prozent aus dem Ausland. Dort herrschen naturgemäß andere Arbeitsbedingungen. Die Zahl von Betrugsfällen liegt wesentlich höher und so weiter.
Längst dick im Biogeschäft sind schon Großunternehmen wie Belmonte. Auch die Discounter wie Aldi haben schon „Bio“ für sich entdeckt. Gerade Deutschland scheint eine wahre Goldgrube zu sein, um überhöhte, ebenfalls im industriellen Massenbetrieb hergestellte Bioprodukte an leichtgläubige Verbraucher zu bringen. Und die Politik, insbesondere die der Grünen, fördert diesen Ökolobbyismus schon seit Jahren.
Wer das Bild eines kleinen gemütlichen ökologischen Bauernhofs im Kopf hat, wo Bauer Knut und seine Frau Hildegard auf ein paar glückliche, im Schlamm suhlende Schweine aufpassen und einen kleinen, wildwachsenden Gemüsegarten ernten, und an Bio denkt, der wird leider enttäuscht. Nun wollen Sie Bioprodukte aus Brandenburg importieren, doch Brandenburg könnte nebenbei, selbst wenn sie nur noch Bio anbauen, niemals eine VierMillionen-Stadt wie Berlin mit Bioprodukten versorgen. Darüber hinaus ist natürlich die Entscheidung, welche Produkte ein landwirtschaftlicher Betrieb anbaut, eine unternehmerische Entscheidung, bei der der Staat oder das Land Berlin nichts verloren haben.
Berlin selbst verfügt darüber hinaus überhaupt über gar keine nennenswerte Landwirtschaft. Also ist es ziemlich absurd, um es zu einer Bio-Stadt zu erklären.
An Berlin ist nämlich nichts Bio. Wir sind eine Weltmetropole und kein Dorf. Ich habe aber manchmal bei Ihnen das Gefühl, dass Sie uns gern zu einem Dorf machen würden.
Aber ich komme zu dem eigentlichen Antrag, in dem eigentlich nichts steht. Es handelt sich dabei um ein klassisches Schaufensterprojekt der grünen Gutmenschen. Eigene moralische Überhöhung nach dem Motto: „Wir sind die Guten!“ sowie das Anzapfen von Fördergeldern für Vereine, wo ausschließlich grünes Klientel angestellt wird! Dort werden dann tagein tagaus Phantomdebatten geführt, und es wird Selbstbeweihräucherung darüber stattfinden, welche großen Fortschritte man denn nun als Bio-Stadt erreicht hat. Das wird von uns selbstredend nicht unterstützt. – Vielen herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir hatten zu dem Thema eigentlich eine ganz gute Debatte im Ausschuss, fand ich. Da war von CDU und FDP durchaus einiges an Offenheit und an Verständnis zumindest für den Antrag zu hören. Von der Rechtsaußenfraktion kamen nur blöde Veganerwitze und sonst nichts Konstruktives.
Und zu der Rede, die wir eben gehört haben, muss man einfach sagen: Rosenmontag war am Montag, heute haben wir Donnerstag, und hier ist ein Parlament. Also sind Sie ein bisschen zu spät dran.