Für Berlin sprechen wir von einem Gesamtvolumen von sage und schreibe 822 Millionen Euro. Das ist mal wirklich ein enormer Brocken, der aber auch über den jetzt vorgesehenen Zeitraum von 33 Monaten zu stemmen und leistbar ist.
Im öffentlichen Dienst sowie bei den freien Trägern fehlen uns die Fachkräfte. Besonders eklatant ist der Mangel im Erziehungs- und im Pflegebereich. Gerade in diesen Bereichen sollten Schwerpunkte gesetzt werden, und sie sind es auch – genau dort, wo wir sie auch haben wollten. 2020 und 2021 fließen allein hier entsprechend 150 Millionen Euro. Das soll nicht nur eine Wertschätzung für die Arbeit derer sein, die bereits in diesen Bereichen arbeiten, sondern das wertet die Berufsfelder insgesamt auf, was hoffentlich dazu beitragen kann, den fehlenden Nachwuchs zu gewinnen.
Gerade die Erzieherinnen und Erzieher verdienen diese Wertschätzung. Das haben wir im Vorfeld sehr deutlich gesagt und uns auch mit den Streikenden dementsprechend solidarisiert. Diese Menschen machen in der Zeit, in der wir unserer Arbeit nachgehen, einen unglaublichen, sehr harten und sehr wichtigen Job. Sie sind das Rückgrat unserer Berliner Wirtschaft – als Vater von bald zwei Kitakindern weiß ich darum. Dass sich beispielsweise die Bezugserzieherin von meinem Großen nicht nur mit Hingabe um meinen Sohn kümmert, sondern gleichzeitig wichtige Erziehungs- und Bildungsarbeit leistet, dafür bin ich äußerst dankbar.
Sie ist für meinen Sohn Freundin, Krankenschwester, Kummerkasten, Lesepatin und Lehrerin, Streitschlichterin und vieles mehr.
Das ist nicht nur harte körperliche Arbeit, sondern das zehrt auch ganz schön an den Nerven. Das weiß ich als Vater sehr wohl einzuschätzen.
Ich habe den größten Respekt vor diesem Beruf, und deswegen bin ich auch sehr froh, dass die Erzieherinnen und Erzieher von dem Abschluss in dieser Form profitieren, und hoffe, dass die höheren Gehälter dazu beitragen, dass sich wieder mehr Menschen vorstellen können, in diesem wunderschönen Beruf zu arbeiten.
Aber die Leute fehlen längst nicht nur in diesem Bereich. Verwaltungsjobs in Berlin sind nicht gerade sexy, könnte man meinen, gerade im Vergleich zu den anderen Verwaltungen, die sich auch in Berlin befinden. Dem muss Berlin als Arbeitgeber natürlich entgegenwirken. Davon wiederum werden alle Berlinerinnen und Berliner am Ende profitieren, denn wir brauchen tatsächlich eine funktionierende Verwaltung in dieser Stadt.
Gute Arbeit, das heißt auch gute Arbeit schaffen, gute Bedingungen schaffen, gute Anreize schaffen. Das heißt aber auch, gute Rahmenbedingungen schaffen. So positiv wir diesen Tarifabschluss politisch bewerten können, drei Herausforderungen will ich trotzdem erwähnen. Stichwort Landesmindestlohn: Die nun vorgesehenen
11,30 Euro können nur ein Zwischenschritt sein. Bis 2021 müssen da noch mal ein paar Euro draufgelegt werden, sodass wir dann nach aktuellem Wert auf 12,63 Euro kommen. Dafür müssen wir sorgen.
Wer, wenn nicht diese rot-rot-grüne Mehrheit, soll sonst einen solchen Landesmindestlohn durchsetzen? Beide Marken müssen so schnell wie möglich hier im Parlament beschlossen werden.
Wenn ich an Anstand denke, denke ich auch an unseren nun 15 Monate alten Beschluss zur Abschaffung der sachgrundlosen Befristungen – 15 Monate! Vieles, wirklich vieles ist passiert. Viele landeseigenen Unternehmen haben sich mit diesem Beschluss arrangiert und halten ihn auch ein. Aber es gibt auch landeseigene Unternehmen, die uns Abgeordnete wohl nicht wirklich ernst nehmen. Soll es wirklich gängige Praxis werden, allein den Begriff aus Ausschreibungen zu streichen und dennoch weiterhin ohne Nennung von Sachgründen zu befristen? – Das sind de facto sachgrundlose Befristungen. Hier besteht, freundlich ausgedrückt, noch immer dringender Handlungsbedarf.
Auch was die Rückführung einzelner Tochterunternehmen bei Vivantes und Charité angeht, warten wir gespannt auf das verbindliche Konzept, welches uns Ende März vorgelegt werden soll. Wer glaubt, dass wir unsere Drohungen der Sperrung von Mitteln nicht ernst meinen, sollte sich vergegenwärtigen, dass wir demnächst im Rahmen der Haushaltsverhandlungen über ganz andere Summen reden!
Hier müssen bis zum Sommer Fakten geschaffen werden. Wir erwarten nichts weniger als gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Alles andere würde den unanständigen Zustand weiter manifestieren.
Jawohl, mache ich! – Bei allen Herausforderungen, die ich gerade beschrieben habe: Ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, genau diesen Tarifabschluss zu erlangen, der beide Seiten bedenkt, politische Ausrufezeichen setzt und eine klare Handschrift trägt. Wir alle wissen, wem wir das im Wesentlichen zu verdanken haben: Es macht doch einen Unterschied, ob der Sozialdemokrat Kollatz Verhandlungsführer ist oder jemand aus dem konservativen Lager. – Ich danke dir, und ich danke Ihnen!
[Kurt Wansner (CDU): Wer hat Ihnen denn den letzten Satz in die Rede geschrieben? – Lars Düsterhöft (SPD): Eine sehr gute Mitarbeiterin!]
So, ich habe den Eindruck, die Herren haben sich zu Ende ausgetauscht. – Frau Dr. Brinker! Dann haben Sie jetzt das Wort!
Vielen Dank! – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde ist typisch für Rot-Rot-Grün – das hat mein Kollege Goiny auch schon im Vorfeld gesagt –
und stellt unter Beweis, wie uneinig diese Dreierkombi ist. Selbst in der Aktuellen Stunde kann man sich nicht auf ein Thema verständigen. Wie sagt man so schön? – Viele Köche verderben den Brei!
Ich weiß, Herr Schneider! Sie kochen wieder Ihren eigenen Brei! – Kommen wir nun zum aktuellen, eigentlich wichtigen Thema dieser Stunde, nämlich der Tarifeinigung. Für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ist die Einigung in der Tat eine positive Nachricht. Gleiches gilt für die zusätzlichen Zahlungen an Erziehungs- und Pflegekräfte. Jeder, der mal in einer Pflegeeinrichtung mindestens gejobbt hat, weiß um die teilweise besonderen Belastungen, aber auch besonders schönen Erlebnisse in diesen Berufsgruppen. Doch was nützen positive Tarifabschlüsse für eine kurze Frist, wenn es wieder zu einer Finanz- und Konjunkturkrise kommt, die zu massiven Einsparungen nötigen kann?
Der Finanzsenator selber hat am 20. Dezember in einer Meldung der Tarifgemeinschaft deutscher Länder zugegeben – Zitat:
Auch wenn die Steuereinnahmen noch stabil sind, gibt es doch erste Anzeichen eines Abschwungs. Hinzu kommen Handelskonflikte auf internationaler Ebene, die gerade das Exportland Deutschland unverhältnismäßig stark treffen könnten.
Die Länder befänden sich weiter im Prozess der Haushaltskonsolidierung und dieser dürfe nicht durch übertrieben hohe Lohnabschlüsse gefährdet werden. – Mit dieser Aussage hat der Finanzsenator recht. Es zeichnen sich dunkle Wolken am bisher strahlenden Konjunkturhimmel ab. Allerdings benötigen seine Koalitionskollegen wohl noch Nachhilfeunterricht hinsichtlich ökonomischer Zusammenhänge.
Prof. Bernd Raffelhüschen hat sich in der „Welt“ ebenfalls zum Tarifabschluss geäußert und von einem doppelten Fiasko gesprochen, bezogen auf die laufenden Ausgaben und auch auf die Pensionen der Beamten. Er wird zitiert:
Wie die Länder mit ihren Steuereinnahmen die ab 2020 geltende Schuldenbremse einhalten wollen, sei ihm ein Rätsel.
Was meint Raffelhüschen damit? – Die Senatsfinanzverwaltung schreibt in ihrer gestrigen Pressemitteilung, dass das Land Berlin bis 2021 insgesamt rund 2,3 Milliarden Euro investieren wolle, um das Tarifergebnis für die Angestellten entsprechend umzusetzen – die Übertragung des Tarifs auf die Beamten und Versorgungsempfänger. Das ist euphemistisch, denn Personalausgaben sind per Definition keine Investitionsausgaben, vielmehr werden dem Haushalt Gelder in dieser Höhe entzogen, die für
Investitionen geplant werden müssten. Wir wissen, dass es in Berlin einen extrem hohen Investitionsbedarf gibt, den der Senat trotz mehrfacher Nachfrage der AfDFraktion bis heute nicht klar beziffern kann. Aufgrund der uns bisher vorliegenden Informationen schätzen wir diesen Bedarf auf mindestens 15 bis 20 Milliarden Euro. Allein die Kosten der Schulbauoffensive explodieren aktuell von ursprünglich 5,5 Milliarden Euro auf mindestens geschätzt 10 Milliarden Euro.
Betrachten wir nun die Pensionen: Ein Übertrag des Tarifvertrags auf die Beamtenschaft sowie die Versorgungsempfänger hat massive Konsequenzen hinsichtlich der Pensionslasten des Landes Berlin. Die tatsächlichen Pensionsverpflichtungen des Landes kennen wir nach wie vor nicht. Insofern verfällt Rot-Rot-Grün bereits jetzt in den Wählerstimmenkaufmodus. Wem es am Ende nutzen wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist aber: Rot-Rot-Grün hat es bis heute nicht geschafft, erstens eine Gesetzesvorlage zur Implementierung der Schuldenbremse vorzulegen, zweitens die tatsächlichen Pensionsverpflichtungen des Landes Berlin zu beziffern und drittens den gesamten Erhaltungs- und Investitionsbedarf klar zu benennen und damit für eine prioritäre Abarbeitung zu sorgen.
Die Berliner werden im Dunklen gelassen, im wahrsten Sinne des Wortes. Neue Tarifabschlüsse sind immer eine gute Nachricht für die Mitarbeiter. Allerdings wäre allen Berlinern damit geholfen, wenn wir endlich Haushaltsklarheit und Transparenz bekämen, damit die Tarifabschlüsse auch nachhaltig sein können. Wir fordern Klarheit und Transparenz statt Augenwischerei und Wahlkampfgeschenke! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Da ja einige in diesem Haus offensichtlich noch nicht verstanden haben, dass es sich tatsächlich um ein Thema der Aktuellen Stunde handelt,
erlauben Sie mir kurz, es Ihnen einmal herzuleiten, da Ihre Vorstellung von Gleichstellungspolitik irgendwie so, glaube ich, in den Achtzigerjahren stehengeblieben ist