Protokoll der Sitzung vom 07.03.2019

erlauben Sie mir kurz, es Ihnen einmal herzuleiten, da Ihre Vorstellung von Gleichstellungspolitik irgendwie so, glaube ich, in den Achtzigerjahren stehengeblieben ist

und sich nicht weiterentwickelt hat – also: Gleichberechtigung aller Geschlechter ist im Grundgesetz angelegt. Gleichzeitig ist die Aufgabe dort definiert, die Durchsetzung zu betreiben. Es ist eine staatliche Aufgabe, die Gleichberechtigung zu erwirken.

Das Mittel hierzu in diesem Haus, in der Verwaltung, in der Politik ist Gleichstellungspolitik. Gleichstellungspolitik ist das aktive Element zum Erreichen der Gleichberechtigung. – Ich weiß, Sie wollen das sowieso nicht, weil Sie nämlich daran glauben, Gleichberechtigung wäre irgendwie so eine Fiktion. Ich weiß gar nicht, was Sie sich da denken, aber die Gleichstellungspolitik ist das Element, um das es hier geht.

Gleichstellungspolitik erfordert von uns allen, dass wir bei jeder Maßnahme, um die es geht – sei es, dass wir einen Haushalt aufstellen, einen Bebauungsplan machen oder Sportanlagen planen –, uns überlegen, welche Auswirkungen das auf unterschiedliche Gruppen hat, und zwar auch auf Männer und Frauen, Mädchen und Jungs, auf Menschen, die sich keinem Geschlecht zuordnen wollen oder aber andere geschlechtliche Zuordnungen vornehmen. – Das ist unsere Aufgabe, und genau darum ging es auch bei diesem konkreten Tarifabschluss. – Lieber Herr Kollege Düsterhöft! Ich widerspreche Ihnen ganz, ganz selten. Aber das hat überhaupt gar kein Geschmäckle,

[Zurufe]

dass das hauptsächlich Frauen betrifft, sondern das ist ein Element dessen, wo wir sagen: Aktive Gleichstellungspolitik heißt, dass man manchmal auch Dinge ungleich behandeln muss.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

In der Tat: Wenn man sich anschaut, wie hier oft darüber geredet wird, dass man in Lohnarbeitstätigkeiten, die sich hauptsächlich ableiten aus traditionell weiblich zugeordneter Sorgearbeit in Pflege und Erziehung, ganz tolle, wertvolle Erlebnisse haben könne – das ist weiterhin ein Nichternstnehmen dieser Tätigkeiten.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Frau Kollegin!

Nein danke, keine Zwischenfragen! – Ich sage Ihnen ganz klar: Dieser Abschluss, die Angleichung an die besondere Entgelttabelle des TVöD, kann nur ein erster Schritt sein. Dafür stehen wir ganz klar.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

(Dr. Kristin Brinker)

Auch dieser Schritt wäre nicht ohne deutlichen politischen Druck auch innerhalb der Koalition möglich gewesen. Es war notwendig, auch aus dieser Koalition heraus, das deutlich den anderen Tarifpartnern und den anderen am Tisch, auch den Ländern mitzugeben: Es ist sehr schön, dass ihr das Problem nicht habt, weil eure Erzieherinnen und Erzieher in den Kommunen tätig sind. Aber wir wollen das; wir müssen sie besser bezahlen! – Und der nächste Schritt ist schon ganz klar: Wenn sie eine Berufsqualifikation haben, die – wie bei den Erzieherinnen und Erziehern – einem Bachelorabschluss gleichgesetzt ist, dann gehören sie nicht in die Entgeltgruppe, in der sie jetzt eingruppiert sind. Das muss der nächste Schritt sein. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Swyter das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser zusammengemixte Titel hat trotzdem nicht geholfen, Ihren Dissens zu übertünchen. Tut mir leid, meine Damen und Herren von Rot-RotGrün, es ist Ihnen nicht geglückt, einen merkwürdigen Titel herzustellen, der tatsächlich nur einen künstlichen Zusammenhang zwischen beiden Themen herstellt.

[Torsten Schneider (SPD): Was haben Sie denn angemeldet? Soll ich es Ihnen vorlesen?]

Das brauchen Sie nicht, dass wissen wir! Das war ein Thema mit einer Lösung, die wir vorschlagen. Sie haben hier verschiedene Dinge zusammengebracht, die überhaupt nicht zusammengehören!

[Beifall bei der FDP]

Das ist ein künstlicher Zusammenhang, den Sie zu einem fragwürdigen Feiertag herstellen, wo Sie nicht wissen, was Sie an diesem komischen Feiertag machen sollen.

Nun reden wir aber einmal über Tarifverhandlungen, denn wir haben das Thema getrennt – wie Sie offensichtlich auch! Denn das sind zunächst einmal zwei getrennte Themen, zwei Paar Schuhe: Tarifverhandlungen müssen sich am Bedarf orientieren, um eine funktionierende Stadt zu erhalten bzw. in Berlin herzustellen. Das ist das Wichtige, und das mit den verfügbaren Mitteln.

Gleichstellungsziele sind woanders zu erreichen, denn Tarifverträge sind geschlechtsneutral und gelten für alle Beschäftigten, und ihre Folgen sind auch von allen anderen zu tragen, von Männern genauso wie von Frauen.

[Beifall bei der FDP]

Eine Zwischenfrage von Herrn Schneider? – Immer doch!

Bitte schön, Herr Kollege Schneider!

Herr Kollege Swyter! Haben Sie Verständnis dafür, dass wir diese sehr einseitige Ausrichtung, Tarifverträge hätten sich am Bedarf der Arbeitgeberseite zu orientieren, eher nicht beitreten, sondern meinen, Tarifverträge müssen sich auch am Bedarf der Menschenwürde, guter Arbeit und gerechter Entlohnung und gleicher Entlohnung für Frau und Mann orientieren?

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Das Verständnis habe ich genauso wie der Finanzsenator Herr Kollatz, selbstverständlich! Aber letztendlich geht es darum, knappe Mittel – wir haben immerhin eine Belastung von 2,3 Milliarden, was hier aufgerufen wurde – so zu verteilen, dass es zu einer funktionierenden Stadt beiträgt. Bei den Tarifverträgen ist mir nicht bekannt, dass Frauen und Männer in den Entgeltgruppen ungleich behandelt werden.

[Beifall bei der FDP]

Deswegen mussten Sie diese beiden Themen genauso trennen wie alle anderen Redner. Im Übrigen – das gehört auch noch zur Antwort: Wenn wir verschiedene Beschäftigungsgruppen haben und sagen, dass wir für Frauen etwas Besonderes getan haben, weil wir für Erzieherinnen – in Erziehungsberufen sind ja überwiegend Frauen beschäftigt – besonders viel draufgelegt haben, müsste es doch eigentlich langfristig das Ziel sein – das ist, glaube ich, Herrn Düsterhöft ein Anliegen gewesen, wenn ich ihn richtig verstanden habe –, dass mehr Frauen in Männerberufen tätig sind und umgekehrt mehr Männer in Frauenberufen. Dieses langfristige Ziel wäre dann doch eigentlich anzugehen. Aber letztendlich kann das im Tarifvertrag nicht geschehen. Das war auch bei den Verhandlungen, die wir hatten, zu sehen.

Wir begrüßen jedenfalls den Tarifabschluss im Grundsatz. Die bessere Einstufung für Erzieherinnen, Erzieher und Pflegekräfte ist richtig. Wir haben einen wesentlichen Mangel bei diesem Tarifvertrag, den ich außerordentlich bedaure: dass für die Mangelberufe – ITExperten, Ingenieure, auch Ärzte – nicht genug getan wurde. Das hat auch der Vorsitzende des DBB Silberbach einräumen müssen. Insofern bleibt die Gewinnung von Experten, die für die funktionierende Stadt unerlässlich sind, weiterhin eine Herausforderung und bei diesem Ergebnis, würde ich sagen, weiterhin ein Hemmschuh.

(Anja Schillhaneck)

Die Übertragung auf das Beamtenrecht steht noch aus. Die Hausaufgaben hat Kollege Goiny schon erwähnt: insbesondere einen Gleichlauf der Anpassungsfristen herzustellen. Es werden darüber hinaus – und das haben wir in der letzten Runde schon besprochen – noch weitere Schritte unternommen werden müssen, um die Attraktivität für die Beamten zu erhöhen.

Insofern kann man sagen: Mit dem Abschluss wurde ein wichtiger Schritt getan, ohne Zweifel. Es wurde auch Planungssicherheit durch die lange Laufzeit geschaffen, das begrüße ich auch. Aber wichtige Chancen zur Verbesserung in Mangelberufen wurden leider nicht genutzt. Insofern bleibt die Hauptarbeit in der Umsetzung und Übertragung des Tarifabschlusses auf Beamte noch vor uns; da haben wir noch einiges zu tun. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Nun spricht für den Senat Herr Senator Dr. Kollatz. – Bitte schön, Herr Senator!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Internationaler Frauentag als neuer Feiertag, Tarifabschlüsse, Gleichstellung, Pflegeberufe, Erziehungsberufe – haben Sie vielen Dank für diesen fulminanten Themenkomplex! Nachdem eine kurze Übersicht ergeben hatte, dass mindestens fünf Ressorts betroffen sind, hat mich der Regierende Bürgermeister gebeten, hier für den Senat zu sprechen, was ich gern versuche.

Berlin ist eine Stadt des Wandels, und der Senat hat sich zur Aufgabe gemacht, diesen Wandel – und damit einhergehend ist das wichtigste Thema in diesem Wandel, für Berlin die Chancen der wachsenden Stadt zu nutzen – und seine Herausforderungen in eine lebenswerte, weltoffene Metropole für alle zu überführen. Wie die Halbzeitbilanz von Rot-Rot-Grün unter dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller zeigt, übrigens erfolgreich.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Das Wachstum der Stadt fordert uns. Unter der Überschrift „Investieren und Konsolidieren“ haben wir die Strukturen neu aufgestellt, und wir haben schnell an Fahrt aufgenommen und sehen deutliche Erfolge. Medial sind das dann immer die Themen, über die nicht mehr gesprochen wird und über die auch heute interessanterweise nicht von der Opposition gesprochen wird: vergeblich gesuchte Schlangen in den Bürgerämtern, eine Grundsteinlegung nach der anderen, die im Rahmen der Berliner Schulbauoffensive stattfindet, der siebte positive Abschluss in Folge, den das Land Berlin erzielt – oh, wie

langweilig für die Opposition! –, modularer Wohnraum für Geflüchtete statt Turnhallen und Notunterkünfte. Mein Fazit ist: Wichtige Probleme wurden angegangen, deutliche Fortschritte sind sichtbar, und das Jahrzehnt der Investitionen nimmt Fahrt auf.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

2018 sind 50 Prozent mehr Investitionen umgesetzt worden als 2014. Das scheint hier einigen nicht zu gefallen, deswegen erwähnt man es nicht, aber es ist einfach so. Das heißt, dieser Senat gestaltet das Wachstum und begegnet den gesellschaftlichen Herausforderungen auf unterschiedlichen Ebenen, und so ist es kein Zufall, dass Berlin als Stadt, als Stadtstaat, als erstes Bundesland den Internationalen Frauentag zu einem Feiertag erklärt hat. Dieser Tag entstand im Kampf für Gleichberechtigung und Frauenwahlrecht, das in Deutschland übrigens 1918 von der Regierung Friedrich Ebert umgesetzt wurde und von keiner sonst, weil die vorherigen Regierungen im Kaiserreich ja genau das nicht gewollt haben. Das heißt also, dieser Tag sollte deswegen auch zukünftig dazu dienen, nach wie vor bestehende Ungerechtigkeiten und Missstände anzupacken. Dazu gehören auch eben solche Themen wie dass es im Durchschnitt – da mögen die Statistiken unterschiedlich sein, aber es sind eben nicht nur kleine Beträge – niedrigere Bezahlung von Frauen in der Berufstätigkeit gibt. Und das wird und muss auch in Zukunft ein Thema bleiben. Es wird auch eine Gerechtigkeitsfrage bleiben, die uns noch lange Zeit beschäftigen wird, an der wir aber arbeiten müssen, die wir nicht wegreden können, im Übrigen auch – finde ich zumindest – ein bisschen im Rahmen von Tarifabschlüssen gelegentlich bearbeiten und auch in der letzten Woche bearbeitet haben.

In welchem Umfeld fanden also diese Tarifverhandlungen statt? Die Chancen- und Teilhabegerechtigkeit sind eben – das habe ich versucht darzustellen – die zentralen Aspekte in einer aufstrebenden und wachsenden Metropole. Das lässt sich – insofern hat Frau Jasper-Winter da recht – auch bei solchen Themen wie Wohnungsneubau greifen, den die wachsende Stadt braucht – und natürlich unbedingt braucht. Da muss die Verwaltung auf allen Ebenen mehr Motor und weniger Moderator sein. Dazu gehören aber dann auch Ausstattungsfragen von Verwaltungen, denen wir uns stellen und die wir umzusetzen versuchen.

Bevölkerungswachstum prägt Berlin, die wachsende Stadt – das habe ich versucht zu sagen. Das prägt Berlin, und in abgeschwächter Form übrigens auch insgesamt Deutschland. Es war etwas, dass in Deutschland vor vielen Jahren noch nicht im Bewusstsein war. 2012 waren noch alle regionalen Raumordnungspläne in Deutschland, einschließlich dem unseren hier, auf eine eher schrumpfende und stagnierende Bevölkerung ausgerichtet, mit einer Ausnahme, und das war Hamburg. Und das heißt, wenn wir diese Situation haben, müssen wir auch davon

(Florian Swyter)

ausgehen, dass darauf Antworten gefunden werden müssen. Das prägt das Umfeld einer solchen Tarifverhandlung. Das heißt, die Menschen sehen eine Zukunft in Städten, und sie sehen auch eine Zukunft insbesondere in der Hauptstadt in Deutschland. Deshalb ziehen sie zu. Das zeigen im Übrigen auch steigende Geburtenraten in der Stadt. Manche versuchen ja, ein Bild zu zeichnen, dass die Leute immer nur abhauen wollen aus Berlin. Das ist doch gar nicht der Fall. Die Leute kommen nach Berlin, gründen hier Familien und bekommen Kinder. Es haben ja auch einige Rednerinnen und Redner vorher darauf hingewiesen.

Die Arbeitslosigkeit sinkt und lag im Winter, im Februar unter 8 Prozent. Das ist ein historischer Etappenerfolg. Die Arbeitslosigkeit beträgt heute nur noch etwa ein Drittel des Maximalwerts, den wir in Berlin schon mal hatten, und der Arbeitsmarkt hat gedreht.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Geduld, Geduld; einen halben Satz müssen Sie noch mal aushalten. – Qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind heute vielfach gesucht, Herr Melzer, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen. Und der Arbeitsmarkt ist eben dadurch geprägt, dass es einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften gibt und kein Überangebot mehr; auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, Herr Melzer.