Protokoll der Sitzung vom 21.03.2019

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 5

Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes – Gesetz zur Förderung der Beteiligung und Demokratiebildung junger Menschen (Jugendförder- und Beteiligungsgesetz)

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/1718

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung der Gesetzesvorlage. Zunächst wird der Gesetzesentwurf durch den Senat begründet. Das Wort hat Frau Senatorin Scheeres. – Bitte sehr, Frau Senatorin!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Der Senat legt Ihnen heute die grundlegende Neuordnung der Kinder- und Jugendarbeit in Berlin vor, nämlich das Jugendförder- und Beteiligungsgesetz. Dieses Gesetz ist ein Riesenmeilenstein für die Kinder und Jugendlichen in diesem Land.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Rückwärts!]

(Harald Moritz)

Es ist vorwärtsgewandt. Und dieses Gesetz ist in der vorliegenden Form einzigartig in Deutschland. Viele Bundesländer werden sich daran orientieren.

Worum geht es? – Es geht uns um drei wesentliche Punkte, die wir gestalten wollen. Wir regeln nämlich die Finanzierung komplett neu in Bezug auf die Kinder- und Jugendarbeit in Berlin. Wir stärken die Beteiligung junger Menschen und die Demokratiebildung. Wir sichern die Vielfalt der Angebote. Das ist das, was sich junge Menschen so sehr in Berlin wünschen.

[Georg Pazderski (AfD): Bla, bla, bla!]

Es geht darum, dass wir Angebote wie z. B. den Jugendclub um die Ecke, den Abenteuerspielplatz, die Ferienfreizeit, das Hip-Hop-Mobil oder auch junge Menschen, die sich in einer Jugendeinrichtung selbst organisieren, unterstützen. Es geht darum, dass junge Menschen auf Freizeitfahrt gehen können, und hier geht es nicht nur um Spaß, sondern hier geht es um Jugendförderung, hier geht es um Bildung, und es geht um Persönlichkeitsförderung, die wir im Land Berlin unterstützen wollen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Dies betrifft alle Bezirke, dies betrifft alle jungen Menschen. Es geht auch ganz konkret um soziale Gerechtigkeit, es geht um die Vielfalt der Angebote in Berlin. Und dieses Gesetz wird den Alltag vieler junger Menschen berühren und auch bereichern. Darauf sind wir sehr stolz in dieser Koalition.

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Zweitens: Wir werden die Finanzierung neu ordnen. Was meine ich damit? – Hier in dieser Runde sitzen nämlich viele Jugendpolitikerinnen und Jugendpolitiker. Und gerade in den Bezirken, wenn es um Haushalte ging, kamen sie immer wieder in die Situation, überlegen zu müssen, in welchen Bereichen man eventuell doch einspart. Sie sind immer in eine Zwickmühle geraten. Leider gab es auch die Situation, dass an der einen oder anderen Stelle Projekte reduziert worden sind. Ich weiß, dass das jedem Politiker, jeder Politikerin schwerfällt. Aber das war die Situation. Und damit ist jetzt mit diesem Gesetz Schluss. Es wird keine Kürzung mehr in der Kinder- und Jugendarbeit in Berlin geben.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Genau das Gegenteil ist nämlich der Fall. 85 Millionen Euro fließen in diesen Bereich, und wir sagen, wir wollen noch draufsatteln in den nächsten Jahren. Wir sprechen uns ganz bewusst dafür aus, dass wir 25 Millionen Euro zusätzlich in den nächsten drei Jahren in die Jugendarbeit geben werden, damit wir nicht nur die Angebote sichern können, damit wir auch Angebote in der Kinder- und Jugendarbeit berlinweit mit den Bezirken ausweiten können. Das ist unser Berliner Weg.

Es geht nicht nur um Geld, sondern es geht auch um Standards. Und das ist auch das Besondere dieses Gesetzes, dass wir ganz klar formulieren: Was verstehen wir denn unter Kinder- und Jugendarbeit? – Dass nicht nur pauschal Geld zugewiesen wird, sondern es geht darum, genau zu beschreiben, wie die Qualitäten aussehen. Und wir orientieren uns auch an den Kinderzahlen in den Bezirken. Das ist auch eine Besonderheit dieses Gesetzes, nämlich da, wo die Kinder sind, muss es auch Angebote entsprechend der Anzahl der Kinder und Jugendlichen in dieser Stadt in den Bezirken geben. Das ist eine wesentliche Veränderung und ein Vorteil für Kinder und Jugendliche in dieser Stadt.

Es geht nicht mehr nur um das Kann, sondern es muss Kinder- und Jugendarbeit und Beteiligung finanziert werden in diesem Land. Es wird kein Jugendzentrum mehr geschlossen, und es wird weitere Angebote geben. Klar ist natürlich, das Ganze ist nicht umsonst. Das habe ich angesprochen, dass wir zusätzliches Geld in die Hand nehmen. Die Koalition investiert bewusst in junge Bürgerinnen und Bürger. Uns sind die jungen Generationen diesbezüglich nicht egal. Deswegen kann ich auch das Gelache auf der rechten Seite überhaupt nicht verstehen.

[Georg Pazderski (AfD): Tun Sie mal was für die Bildung!]

Wir investieren in junge Menschen. Das scheint der AfD anscheinend völlig egal zu sein.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Und mich freut es fraktions-, parteiübergreifend, dass der Rat der Bürgermeister mit uns gemeinsam diesen Weg geht. Wir hatten viele Jahre Diskussionen über die Absicherung der Jugendarbeit. Mit diesem Gesetz ist es uns gelungen, dass der Rat der Bürgermeister gesagt hat: Ja, wir können uns das genau so vorstellen. Ich freue mich, dass wir gemeinsam diesen Weg gehen im Sinne der jungen Menschen in dieser Stadt.

Unser drittes Ziel ist es, die Beteiligung, die Demokratiebildung zu stärken. Wir wollen junge Menschen für Demokratie begeistern. Wir sehen das ja ganz aktuell in dieser Stadt: Jeden Freitag, Fridays for Future, gehen junge Menschen

[Zuruf von der AfD: Ah!]

auf die Straße, und sie zeigen Haltung.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Harald Laatsch (AfD): Atomkraft!]

Ja, dass Ihnen die Umweltpolitik nicht wichtig ist und die Zukunft der jungen Menschen, das ist eindeutig. Das ist den jungen Menschen nicht egal.

[Zuruf von der AfD: Wenn wir keine anderen Probleme haben!]

(Senatorin Sandra Scheeres)

Die jungen Menschen stehen ein für die zukünftigen Generationen. Die jungen Menschen sprechen aus, dass ihnen eine lebenswerte Umwelt wichtig ist.

[Zurufe von der AfD]

Und dass Ihnen das anscheinend egal ist, die Meinung der jungen Menschen, das wird hier deutlich. Das ist uns nicht egal.

[Zurufe von der AfD]

Und was ich auch nicht nachvollziehen kann: wenn Politiker sagen, wie zum Beispiel die FDP, die hat ja eben deutlich gemacht, wie wichtig ihr die Entwicklung junger Menschen ist, und dass der Vorsitzende der FDP sagt, lass doch mal besser die Profis ran, was ist denn das für ein Bild von der jungen Generation?

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Harald Laatsch (AfD)]

Wir wollen, dass junge Menschen mitbestimmen. Wir wollen, dass junge Menschen diese Stadt mitgestalten. Und das ist der Weg, und ich hoffe, dass die FDP hier in Berlin das vielleicht ein bisschen anders bewertet und betrachtet.

[Zurufe von der AfD und der FDP]

Selbstverständlich besteht die Schulpflicht, und das ist doch ein Statement der jungen Menschen, dass sie sagen, wir gehen freitags auf die Demo, wir wissen, dass die Schulpflicht besteht, und sie stehen zu den Konsequenzen, das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Wir haben uns damit in der Kultusministerkonferenz intensiv auseinandergesetzt.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Frau Senatorin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit?

Gerne!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Vielen Dank, Frau Senatorin! Sie sprachen gerade die Fridays-for-FutureDemos an. Wie erklären Sie sich denn, wenn ein Freitag ein Feiertag ist wie jüngst als Frauentag, dass dann relativ geringe Demonstrationsbeteiligungen sind im Verhältnis zu normalen Schultagen?

[Lachen bei der SPD – Katrin Seidel (LINKE): Wo waren Sie denn?]

Also erstens waren da auch junge Menschen auf der Straße. Ich finde das immer ganz spannend, wie da zwischen Erwachsenen und jungen Menschen unterschieden wird, dass dann plötzlich, wenn da ein paar Leute weniger auf der Straße sind, das ein Problem ist, aber bei Erwachsenen, wenn die sich so verhalten, ist es kein Problem. Also ich habe damit kein Problem, auch wenn da ein paar Leute weniger auf der Straße waren. Die Meinung wird präsentiert. Wir werden das ja jetzt sehen, auch in den nächsten Tagen werden sicherlich wieder viele Tausende junge Menschen in ganz Deutschland auf die Straße gehen. Selbstverständlich machen wir als Kultusminister deutlich, die Schulpflicht besteht, das ist gar kein Thema für uns.

[Georg Pazderski (AfD): Frage nicht verstanden, setzen, sechs!]

Also wir fördern Demokratie, und uns ist es wichtig, dass junge Menschen mitmachen, und das haben wir gesehen. Wir gehen ja auch ganz konsequent den Weg. Im Rahmen der Entwicklung dieses Gesetzes war es uns wichtig zu beteiligen. Wir sind ins Gespräch gegangen mit den Bezirken, den Jugendverbänden, dem Landesjugendhilfeausschuss, aber wir haben auch 10 000 junge Menschen befragt: Wie seht ihr denn die Jugendarbeit? Was wünscht ihr euch in Berlin? Was seht ihr kritisch? Und da kamen wirklich sehr tolle Antworten. Diese Dinge sind auch mit eingeflossen.

Wir werden diesen Weg auch weitergehen, in dem wir Jugendförderpläne mit jungen Menschen gestalten. Aber ich möchte an der Stelle auch noch mal ein Thema ansprechen, das mir ganz besonders am Herzen liegt, weil ich ja selber aus der Jugendverbandsarbeit komme und darüber auch den Weg in die Politik gefunden habe. Viele Menschen in Berlin sind ehrenamtlich tätig, und es sind nicht nur Erwachsene, es sind viele Jugendliche, die ehrenamtlich unterwegs sind, die sich engagieren in Kirchen, in Jugendverbänden, bei den Falken, bei den Naturfreunden, der Sportjugend, in vielen Jugendverbänden, viele junge Menschen, die in ihrer Freizeit für sich und andere Jugendliche sozusagen Programme gestalten. Und wir regeln in diesem Gesetz, dass es möglich ist, wenn sie sich ehrenamtlich, zum Beispiel in den Ferien, engagieren wollen, dass sie auch eine Freistellung durch den Arbeitgeber erhalten. Das ist ein Riesenschritt für die Ehrenamtlichkeit in dieser Stadt,

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]